[124]  Dies ist vermutlich der erste Brief, den J.H. zur Oeveste in einen Umschlag gesteckt hat.

[125]  Vgl. engl. last = letzt, vorig, vergangen.

[126]  Vgl. engl. I had = ich hatte.

[127]  Zu den Vettern Beußmann vgl. Anm. 111. - Wilwauki = Milwaukee in Wisconsin am Michigan-See.
Der Aufstand hatte am 18. August 1862 bei Neu-Ulm begonnen. Die kriegsfähigen Männer eines Stammes der Sioux-Indianer (ca. 3000 Personen) in einem Reservat am Minnesota-River bei Neu-Ulm/Minnesota überfielen Farmen, Siedlungen und Forts, die zu Beginn des Bürgerkrieges nur schwach besetzt und schlecht ausgerüstet waren. Mehr als 450 Weiße (bis zu 800 werden geschätzt) und 25 Indianer wurden ermordet oder bei den Kämpfen getötet, zahlreiche Mädchen und Frauen vergewaltigt, zumeist Kinder und Frauen verschleppt (269), Gebäude geplündert und angezündet. Am 26. September ergaben sich ca. 2000 Indianer. 303 wurden am 5. November von einem Militärgericht in z.T. minutenschnellen Prozessen ohne Verteidiger zum Tode verurteilt. Am 6. Dezember 1862 bestätigte Abraham Lincoln in einem eigenhändigen Schreiben 39 dieser Todesurteile für Vergewaltigung und Mord. 38 wurden am 26. Dezember öffentlich durch Erhängen vollstreckt. Die am Aufstand beteiligten Sioux und die der Unterstützung verdächtigten Winnebago wurden von März bis Mai 1863 in eilig ausgesuchte, mehr oder weniger unfruchtbare Reservate im Dakota-Territorium, auf Dampfschiffen zusammengepfercht, umgesiedelt. Gouverneur Ramsey hatte schon am 9. September 1862 gefordert, alle Sioux müßten "ausgerottet oder über die Staatsgrenze hinaus nach Westen vertrieben werden". Gut 800 aufständische Sioux waren in das Dakota-Territorium geflohen, dazu rund 4000 unbeteiligte, die aus Furcht vor den Weißen und vor der Armee ihre Reservate am oberen Minnesota-Fluß verlassen hatten. Auf Strafexpeditionen (1863/64) tötete die Armee ca. 450 Indianer, darunter viele Frauen und Kinder (50 Soldaten fanden den Tod). 1868 wurden auch diese Indianer im Dakota-Territorium in Reservate eingewiesen. Die Zahl der Sioux in Minnesota war von 7000 (1862) auf 375 (1866) reduziert worden.
Ungeschickte Versuche der Regierung, die von der Jagd lebenden nomadisierenden Prärie-Indianer auf schlechtem Ackerland anzusiedeln, schlugen zumeist fehl. Einige Stämme gingen Gefechten mit der Armee aus dem Wege, verkauften kein Land und unterzeichneten keine Reservat-Verträge, andere nutzten außerhalb ihrer Reservate ihre traditionellen Jagdgründe. Beides führte zu Konflikten mit Siedlern und Eisenbahngesellschaften. 1876 verbot die Regierung den Sioux, ihr Reservat zu verlassen, öffnete aber die "Black Hills" weißen Goldsuchern, nachdem Sioux-Stämme sich geweigert hatten, den angebotenen Kaufpreis zu akzeptieren. Am 25. Juni 1876 wurde Colonel Custer mit seinen 211 Soldaten am Little Bighorn-Fluß in Montana von Indianern im Kampf getötet. Die Armee drängte die restlichen "freien" Stämme in die zum Teil verkleinerten und nun von ihr kontrollierten Reservate. Eines im südlichen South Dakota (seit dem 2. November 1889 Bundesstaat) erlebte das Ende des Widerstandes der Indianer, nachdem bei der Verhaftung des Häuptlings Sitting Bull dieser (und ein Polizist) zu Tode gekommen waren. Er galt als Kopf der Geistertanz-Bewegung, die in Trance-Erfahrung die Erneuerung der Vorherrschaft der Sioux versprach. Am 29. Dezember 1890 umstellten Regierungstruppen 340 Sioux mit ihren Familien in ihren Zelten am "Wounded Knee". Der Schuß eines Indianers gab den Soldaten die Gelegenheit, 300 Indianer mit Kanonen- und Gewehrfeuer zu töten. Was vor 28 Jahren bei Neu-Ulm blutig begonnen hatte, fand am Wounded Knee ein blutiges Ende.
Vergleiche das Stichwort "Indianer-Aufstand".
Vgl. die Anm. 22 und 41. - Werner Egli hat über den Aufstand von 1862 einen Roman geschrieben.
(Berghold; Boyer 567-580; Carley; Egli; Seymour Times; Sievers 20f.; Tolzmann; Weltbote)

[128]  Marie Elisabeth zur Oeveste (geb. am 27. März 1849) ist am 29. März 1863, am Sonntag vor Ostern (Palmsonntag), konfirmiert worden. Am 30. April 1863 war Louise Catharine viereinhalb, Maria Caroline siebeneinhalb und Johann Heinrich zehndreiviertel Jahre alt. Der Schulweg betrug ca. 6 km. (St. Johannes, White Creek: Kirchenbücher)

[129]  Am 26. August 1860 hatte die Gemeinde "beschlossen, daß wir, weil die alte Kirche zu klein geworden ist, eine neue größere Kirche erbauen wollen". Im November 1860 wurde das "Bau Comite" benannt (4 Gemeindemitglieder und der Pastor), im März 1861 der Baubeginn auf den Sommer 1862 festgelegt. Am 22. Dezember 1861 beschloß die Gemeinde, "daß wir tausend Dollar Geld leihen ... zu dem gebrauch unser Neuen Kirchenbau, ... auf zwey Jahre ..., ob wir auch 8 Protsent geben müßen". Von 1862 bis 1875 borgten 32 von ca. 80 Gemeindemitgliedern der "Baukasse" laut Rechnungs-Buch insgesamt 2 575 Dollar in Einzelbeträgen zwischen 25 und 200 Dollar, davon im ersten Jahr 12 Mitglieder 1800 Dollar. Sie wurden von 1868-1879 zurückbezahlt. Kollekten-Erträge kamen hinzu. Die "Gemeindeglieder" fuhren Sand und Ziegel, lieferten einen Teil des Bauholzes, und sie hatten Arbeitstage abzuleisten, über die üblichen 4 Tage jährlich hinaus. 1862 hatte die Gemeinde 77 Mitglieder.
230 000 Ziegel bestellte die Gemeinde für den Neubau (Breite 40 Fuß, 12,20 m; Länge 72 Fuß, 21,95 m; Höhe 47 Fuß, 14,32 m; Turm 72 Fuß, 21,95 m) zum Preis von 1 020 Dollar, "glatt, farbig und hart genug für ein großes Kirchengebäude, die dem Wetter ohne Anstrich standhalten" (7. Januar 1861; 1. Dezember 1861). Die Kirche bekam "einen Bretterzaun" (20. Oktober 1862) und "zier bäume um die Kirche herum ... nehmlich Silber Papeln" (6. Januar 1863) und einen "Neuen ofen ... in der Mitte ... mit eine Trummen und Zwey Röhren darauf" (5. Oktober 1863).
J. H. zur Oeveste hat sich am Bau beteiligt. Er hat der "Baukasse" 50 Dollar geborgt (Zwei gaben 25, zehn 50, zwölf 100, elf 125-200, die Frau des Pastors 475 Dollar). Er hat 9 600 Ziegel gefahren und 4 Fuhren Sand. "Um die Kirche Ein zu Fensen" (engl. fence = Zaun) hat er, wie alle anderen, 4 Pfosten ("7 Fuß lang, 6-7 ins dick": 2,13 x 0,15 bis 0,175 m) und 10 Bretter geliefert (8. Dezember 1862). Arbeitstage mußte er (ab 1861) nicht mehr erbringen: "Alle Persohn die üeber 60 Jahr alt seyn Sollen von arbeit frey Seyn nur nicht frey von Pferde arbeit" (7. Januar 1861).
Am 4. Mai 1862 wurde "beschlossen, das wir ein Stein oben üeber unsere Kirchen Thür, wo der Eingang ist in die Kirche sein Solte, und darin der Name der Kirche, und der Datum um was zeit die Kirche Gebaut ist bezeigtnet Sein Soll" (vgl. Abb.   ). Die Inschrift in dem von einem Ziegel-Kreuz umschlossenen Kalksandstein lautet:
   "Deutsche Ev. Lutherische
    St. Joh. Gemeinde
     A. D. 1862".
Vergleiche das Stichwort "Gemeindeleben".
(Deutsche Lutherische und Reformierte Kirche, Cincinnati: Kirchenbücher; A. Holtmann 1995; St. Johannes, White Creek: Kirchenbuch, Rechnungsbuch, Protokollbücher; St. John, White Creek: History; Der Lutheraner; Müller)

[130]  Nach den Schüssen auf Fort Sumter am 12./13. April 1861 (vgl. Anm. 118) hatten die meisten im Norden und im Süden an einen "Neunzig-Tage-Krieg" geglaubt (McPherson). Beide Seiten unterschätzten die gegnerischen und überschätzten die eigenen Kräfte. Sie diffamierten die Feinde (feiger abolitionistischer Pöbel; verwöhntes Rebellen-Pack) und stilisierten sich selbst zu Kämpfern für Verfassung und Demokratie, Freiheit und Menschenwürde, ob man nun die Einheit der Union oder die südstaatliche Konföderation auf die Fahnen schrieb.
Die Schüsse des Südens auf Fort Sumter erschienen nicht aussichtslos in Erinnerung an den revolutionären Unabhängigkeitskrieg der zunächst 8 Kolonien (1775-1783) gegen das "despotische" und weit überlegene England. Jetzt standen 9 Millionen Menschen (davon 3,5 Millionen Sklaven) im Süden 22 Millionen Nordstaatlern gegenüber, diese mit der 3,5fachen Anzahl wehrfähiger Männer, die aber nicht in Fabriken und auf Farmen durch Sklaven ersetzt werden konnten. Der Norden verfügte über 71 % der Eisenbahnstrecken, mußte auf diese empfindlichen Verkehrswege aber beim Einmarsch in den Süden weitgehend verzichten. Die Textilproduktion lag zu 93 % im Norden, die benötigte Baumwolle kam aber zu 96 % aus dem Süden. Der Norden verfügte über Kohle (97 %) und Stahl (94 %), Industriegüter (91 %) und Waffen (97 %), Weizen (81 %), Mais (67 %) und Vieh (60 %). Im Süden mußte nur eine um 60 % geringere Bevölkerung versorgt werden. Der Norden wollte den Süden in die Union zurückzwingen, der Süden nur seine Unabhängigkeit verteidigen. Der Norden brauchte Besatzungstruppen, der Süden nur Soldaten für Kampf und Nachschub auf kurzen Wegen. Das Territorium des Südens entsprach der Größe des europäischen Rußlands. Napoleons vernichtende Niederlage (1812/13) ließ Südstaatler auf strategische Vorteile hoffen. Englands Freigabe der revolutionären amerikanischen Kolonien (1783) verwies sie auf die Kampfkraft von Menschen, die, um der Freiheit willen, ihre Heimat verteidigten.
Vergleiche das Stichwort "Bürgerkrieg 1861 - 1863".
(Boyer 487-503; McPherson 296-419, 446-480, 501-536, 558-580)

[131]  Im Bürgerkrieg (1861-1865) sind 618 000 Soldaten zu Tode gekommen: 204 000 durch Kriegshandlungen und 414 000 durch Krankheiten. Der Norden verlor 360 000 von 2.100 000, der Süden 258 000 von 800 000 Soldaten. Es gab so gut wie keine Kenntnisse über Infektionswege und keine Antibiotika, das Operationsbesteck reichte nur aus, um Kugeln und Splitter zu entfernen und Gliedmaßen abzusägen; Amputationen waren die wirkungsvollste Behandlungsmethode. Sanitätstruppen und Lazarette entstanden erst im Laufe des Krieges. Heere und Schlachten dieser Größenordnung hatten die Militärs überrascht. Vor dem Bürgerkrieg verfügten die USA über 16 000 Soldaten, trocken untergebracht in Forts, Depots und Garnisonen. Den Soldaten des Südens fehlte bald Nahrung und Kleidung; 1862 z.B. mußten Truppenteile zurückbleiben, weil sie auf Schotterstraßen in Maryland barfuß nicht laufen konnten. - Als Kind hatte J. H. zur Oeveste in Rieste und Bramsche Erfahrungen gemacht mit "Soldat zu sein", auch "bei Krieges zeiten"; vgl. Anm. 146. (Boyer 489f.; McPherson 469-480)

[132]  Beide Seiten haben zunächst, wie gewohnt, mit Freiwilligen gekämpft. Der Süden sah sich am 16. April 1862 gezwungen, die Wehrpflicht (18-35 Jahre) einzuführen, um seine Armee von 325 000 auf 525 000 aufzustocken (75 000 fielen im Jahre 1862 als Tote, Vermißte oder Verwundete aus). Wer mehr als 20 Sklaven besaß, wurde freigestellt, um Sklavenaufstände zu vermeiden, kriegswichtige Berufsgruppen blieben verschont, Ersatzleute konnten gestellt werden. Sie kosteten bis zum dreifachen Jahreslohn eines Arbeiters. Patriotische Südstaatler sahen in der Wehrpflicht "Despotismus" und die "Abdankung des Rechts, für das wir vor allem anderen jetzt kämpfen".
Der Norden hatte mit 75 000 Neunzig-Tage-Soldaten begonnen (15. April 1861) und am 3. Mai 42 000 "Dreijährige" hinzugefügt. Nach dem Debakel am Bull Run (vgl. Anm. 130) boten sich zunächst zu viele Freiwillige an. Am 3. April 1862 schloß die Armee die Rekrutierungsbüros. Das Scheitern des Nordens vor Richmond Ende Juni 1862 (vgl. Anm. 130) erzwang dann aber bereits geplante neue Formen der Rekrutierung. Am 28. Juni 1862 ließ Lincoln die Gouverneure einiger Einzelstaaten einen Appell an sich als Präsidenten richten, von den Einzelstaaten 300 000 Freiwillige auf 3 Jahre zu fordern. Am 2. Juli unterschrieb er den Aufruf, am 4. August wurden die Soldaten angefordert. Am 17. Juli verabschiedete der Kongreß ein Bürgerwehrgesetz, das alle wehrtauglichen Männer (18-45 Jahre) in einzelstaatlichen Milizen erfaßte, deren Mitglieder vom Präsidenten für einen neunmonatigen Dienst im Bundesheer beansprucht werden konnten.
Dieser indirekten Wehrpflicht folgte das Wehrpflichtgesetz vom 3. März 1863 (20. - 45. Lebensjahr). Wer ausgelost wurde, konnte sich mit dem Jahreslohn eines Arbeiters freikaufen (300 Dollar, bis Juli 1864) oder einen Ersatzmann stellen. Freiwillige hatten seit 1861 bei der Entlassung 100 Dollar Handgeld erhalten; vom Sommer 1862 an wurden 25 Dollar vorweg ausbezahlt. Bis zu 400 Dollar legten seit 1863 Einzelstaaten, Städte und Counties dazu. Bis zu 1 000 Dollar konnten Freiwillige und Ersatzleute verdienen, wenn sich viele freikauften und eine große Nachfrage nach (teuren) Ersatzleuten bestand. Betriebe und Parteigruppierungen (z.B. Demokraten), ethnische Gruppen (z.B. Iren) und Kirchen (z.B. Katholiken) halfen "ihren" Männern bei der Freistellung. Versicherungen stiegen in dieses Geschäft ein, "Makler" kassierten hohe Provisionen und Umworbene nicht selten mehrfachen "Lohn". Handgeld-Freiwillige und Ersatzleute der Jahre 1863-1865 wurden von Veteranen (1861/62) häufig verachtet, gewiß auch zu Unrecht; manch armer Einwanderer nutzte die risikoreiche Chance, schnell zu Geld zu kommen (vgl. Anm. 152).
Das Gesetz wirkte: 800 000 Männer meldeten sich bis 1865 freiwillig, 74 000 stellten Ersatzleute. Viele ließen sich schnell gefangennehmen, und die meisten der 200 000 Deserteure verschwanden in diesen beiden Jahren (40 % wurden zurückgebracht.). Die freiheitliche Tradition, nicht der Wehrpflicht zu folgen, blieb gewahrt; nur 46 000 wurden im Norden "gezogen" (im Süden, wo man sich nicht freikaufen, wohl aber, bis Dezember 1863, einen Ersatzmann stellen konnte, 120 000; von 102 000 Deserteuren wurden 21 000 zurückgeholt.). In New York zahlten in irischen Vierteln 98 % der Wehrpflichtigen eine Ablösung oder stellten einen Ersatzmann. Indiana meldete im Sommer 1863 und im Frühjahr 1864 keine "Gezogenen", im Herbst und im Frühjahr 1864/65 dann 7 597 von 13 563 Wehrfähigen (bei 41 158 Gemusterten).
Bartholomew County (1860: 17 865 Einwohner, 3 216 Haushalte), wo J. H. zur Oeveste lebte, stellte im Bürgerkrieg 2 770 Soldaten. 242 haben den Tod gefunden (8,7 %; Nordstaaten: 17 %), davon 108 bis Ende April 1863, als J.H. zur Oeveste diesen Brief datierte. Das County stellte 48 "Gezogene". Es zahlte 308 400 Dollar Handgeld zusätzlich zu den 277 000 Dollar aus Bundesmitteln. Die 355 Haushalte (1 920 Personen) im Wayne Township beteiligten sich mit 11 400 Dollar. J.H. zur Oeveste zahlte 20,58 Dollar Steuern im Jahre 1862, ein Jahr später 25,30 Dollar, 1864 schon 40,68 und 1865 schließlich 122,55 Dollar, 1866 immer noch 50,43 Dollar.
Im Protokollbuch der St. Johannes Gemeinde wird der Bürgerkrieg nicht erwähnt. Die Toten-Register von 1862-1900 sind nicht erhalten. Eine Liste der Kriegstoten von Bartholomew County (1888) enthält 16 deutsche bzw. deutsch klingende Namen. Josiah Shroyer (=Schröer), gefallen am 6. Februar 1865 in Tennessee, könnte aus der St. Johannes Gemeinde am White Creek in Wayne Township stammen.
(Bartholomew County Historical Society 1976, 73-90; Boyer 488ff.; NAMP: Census 1860; St. Johannes, White Creek: Rechnungsbuch, Protokollbuch; McPherson 420-428, 584-597; Murdock 3-25, 351-356; Bartholomew County Court House: Tax Duplicate 1846ff.)

[133]  Einen "blutigen Auftritt" hatte es schon am 18. April 1863 im benachbarten Brown County gegeben. Die (republikanische) "Seymour Times" schrieb am 23. und 30. April 1863, ein dort "führender demokratischer Politiker" habe auf einer Versammlung der Republikaner einen Soldaten erschossen, der Deserteure habe verhaften sollen, sei daraufhin vom Redner ins Bein geschossen und von Sympathisanten aus den Counties Jackson und Bartholomew abtransportiert und versteckt worden. In Brown County, dem "armseligen, gottlosen und nichtswürdigsten" County im Staate, herrsche "demokratische Rebellion". Die Regierung werde die Demokraten dort schleunigst "zur Vernunft bringen"; "Rache" sei "gefordert". Eine Woche zuvor hatte die Zeitung über "Riots in Hancock County" (bei Indianapolis) berichtet. Es sei zu einer Schießerei gekommen, nachdem zwei Männer zwei Betrunkene als "Butternuts" (nach der aus Nüssen gewonnenen graubraunen Farbe der Südstaaten-Uniformen) verspottet und diese mit "Abolitionisten" geantwortet hätten. Einer der "Butternuts" sei getötet, der andere schwer verletzt worden. Den beiden "Butternuts" sage man nach, kürzlich 12 Revolver für Nachbarn beschafft zu haben. 7 Wochen später wurde im 50 km entfernten Rush County aus einem Weizenfeld heraus ein Musterungsoffizier ermordet, ein zweiter schwer verletzt. 8 Tage danach ermordete eine Gruppe radikaler Wehrpflicht-Gegner bei Terre Haute einen Offizier. Schon im Herbst 1862 waren Einberufungslisten gestohlen, Büros verwüstet, Armeeangehörige beschimpft, verprügelt und mit Eiern "bombardiert" worden. Im benachbarten Monroe County besuchten in einem township die 18 - 45jährigen Männer mit Frauen und Kindern Bekannte und Verwandte, während die alten Männer sich der Registrierung stellten. Im März 1863 zerschlug in Richmond eine aufgebrachte Menge die Druckerei der örtlichen demokratischen Zeitung; Soldaten hatten geholfen.
Zum größten "blutigen Auftritt" kam es vom 11. bis 17. Juli 1863 in New York. Demokraten stellten sich gegen die "verfassungswidrige" Wehrpflicht, die nur dazu diene, die "verfassungswidrige" Sklavenbefreiung durchzusetzen und sich von freien "Niggern" die Arbeitsplätze wegnehmen zu lassen. Lohnerhöhungen waren seit 1861 um 20 % hinter den Preissteigerungen zurückgeblieben. Vom Militär geschützte Schwarze hatten im Juni unter militärischem Schutz die Plätze streikender, meist irischer Hafenarbeiter eingenommen. Als Katholiken fühlten diese sich verachtet und ausgebeutet von den protestantisch-anglikanischen "Amerikanern". Rekrutierungsbüros wurden zertrümmert, Regierungsgebäude, Redaktionen und Kirchen angezündet, Wohnungen verwüstet, ein Waisenhaus für farbige Kinder niedergebrannt. 20 000 Soldaten stellten die Ruhe wieder her; mehr als 100 Menschen kamen zu Tode. Die Stadtverwaltung zahlte die Ablösesumme für die meisten rekrutierten Wehrpflichtigen.
Schon ein Jahr zuvor war es im Norden zu "Neger-Verfolgungen" gekommen. Der "Weltbote" schrieb am 13. August 1862, in Cincinnati z.B. seien die "weißen Wherft-Arbeiter, meistens Irländer, wüthend geworden über die Concurrenz der Neger, die wohlfeiler als sie arbeiten und ihren Arbeitslohn herabdrückten". Es sei "zu wiederholten blutigen Excessen" gekommen. Die Zeitung kommentierte: "Was sollte werden, wenn die Millionen Sklaven des Südens, durch die Abolitionisten befreit , sich über den Norden ergössen?"
Vergleiche das Stichwort "Bürgerkriegs-Parteien".
(Abzug; Barnhart II 167ff.; Basler V, 388f.; Blaustein 192-206; Boyer 504ff., 514f.; Fesler 208f.; Murdock 46ff.; McPherson 484-501, 581-600; Seymour Times; Thornbrough 180-224; Weltbote)

[134]  Vgl. die Anm. 130 und 131. - "plasirten" = blessierten, von franz. blesser = verwunden, verletzen.

[135]  Vgl. Anm. 132. - 1860 waren von den 27 Millionen Amerikanern 4 Millionen im Ausland geboren, davon 1,6 Millionen Iren, 1,3 Millionen Deutsche. Knapp die Hälfte war nach 1850 eingewandert. Viele besaßen noch nicht die amerikanische Staatsbürgerschaft, waren also (seit 1862/63) nicht wehrpflichtig, konnten aber freiwillig dienen und sich als Stellvertreter anbieten.
Deutsche, Katholiken und (Alt-) Lutheraner, haben bis 1860 zumeist Demokraten gewählt (vgl. Anm. 75). Mit Gründung der Republikanischen Partei (vgl. Anm. 97) haben sie aber auch mehr und mehr dieser Partei bzw. Abraham Lincoln zugestimmt, selbst in deutschen demokratischen Hochburgen von Indiana. Liberale Katholiken und Lutheraner haben vor Ort dazu verholfen, daß sich Einzelne und Gruppen gegen Kirchenführungen und offizielle Positionen stellten, auch in Gemeinden der Missouri Synode. Republikaner fanden sichere Anhänger unter den Deutschen, die nach der gescheiterten Revolution (1848/49) aus politischen Gründen eingewandert waren. Nationale Einheit, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit waren oft auch hier und jetzt ihre politischen Ziele.
Die meisten Deutschen haben loyal zur Union gestanden, als "Kriegs-" oder "Friedens-" Demokraten und als Republikaner, aus wirtschaftlichen, politischen und humanitären Gründen. 8 von 9 lebten nun einmal in den Nordstaaten; das war ihre "Obrigkeit". Amerika war für viele der erhoffte und zum Teil schon erfüllte Traum, die "aristrokratische" Sklavenhalter-Gesellschaft des Südens aber nicht attraktiv für Bauern und Handwerker, Lohnarbeiter und Unternehmer, Kaufleute und Intellektuelle.
Im Norden war die Wehrpflicht für viele Deutsche ein Stück despotisches Europa und die Sklaven-"Befreiung" vor allem für radikale Republikaner und Abolitionisten eine humane und revolutionäre Notwendigkeit. "Gleichheit" und "Brüderlichkeit" hatten viele dabei nicht im Sinn. Im Süden sollten die "Neger" schon bleiben.
In der Nordstaaten-Armee stellten Deutsche, in den USA geborene "Deutsche" nicht mitgerechnet, das größte Kontingent im Bezug zum Bevölkerungsanteil. Sie übertrafen ihren Bevölkerungsanteil um 50 %, Briten um 19, Iren um 4 %; Amerikaner waren um 8 % unterrepräsentiert. Also "hielten sich ... unsere Deutschen Söhne" keineswegs "ziemlich zurück".
20 rein deutsche Regimenter (je 1 000 Mann) dienten auf Seiten des Nordens, fast alle unter deutschen Offizieren, die zumeist im badischen Revolutionskrieg (1848/49) gekämpft und verloren hatten. Die Freiwilligen des 32. Infanterie-Regiments von Indiana hatten sich schon am 12. August 1861 nach dem Debakel von Bull Run (vgl. Anm. 130) für 3 Jahre verpflichtet. Ihr Kommandeur war August von Willich (1810-1878), auf Rügen geborener preußischer Offizier, der 1847 den Dienst quittiert und 1849 in Baden ein Freikorps geführt hatte (Friedrich Engels ist dort sein Adjutant gewesen). Er war 1850 in London dem Bund der Kommunisten beigetreten und 1853 in die USA ausgewandert. In Cincinnati wurde er Redakteur des "Republikaner", Brigadegeneral im Juni 1862.
(Conzen 406; Fritsch 40-55; Kamphoefner 1991, 239ff.; Kügler 120-175; Lause; Marx 129, 160ff.; Murdock 305ff.; Rippley 58-71; Thornbrough 126, 148; Weber 411f.)

[136]  Während des Krieges betrug die Inflationsrate im Norden gut 80 %, im Süden 9 000 %. Im Norden wurden Farmer davon weniger hart getroffen, weil auch ihre Erzeugnisse teurer wurden; die Löhne der Arbeiter blieben mehr als 20 % hinter den Preissteigerungen zurück. (Boyer 492, 512)

[137]  "Malasses": engl. molasses = Melasse, Sirup: bei der Zuckerherstellung aus Zuckerrohr verbleibender Rest, der als Viehfutter und zur Alkoholgewinnung genutzt wird. 35 Gallonen = 132,475 l. - Der Zuckerahorn wuchs im eigenen, 1860 noch 113,2 ha großen Wald (vgl. Anm. 41). Aus 2 bis 3 Zapflöchern an jedem Baum wurde im Februar/März der Saft gewonnen, durch "Auskochen" zu Sirup verdickt, "abgekühlt, ... filtriert ... und in Formen der Kristallisation überlassen". 250 Bäume ergaben "in den westlichen Staaten ungefähr 500 Pfund Zucker". An die 25 Bäume dürfte J. H. zur Oeveste demnach angezapft und rund 900 l Saft verarbeitet haben. Aus 70 l lassen sich ca. 2 l Sirup gewinnen und daraus etwa 1,8 kg Zucker (vgl. Abb. ). - Anbau und Verarbeitung von Flachs war den Osnabrücker Siedlern am White Creek aus Deutschland vertraut. Baumwolle und Zucker hatte vor dem Krieg der Süden geliefert. (Fleischmann 1848, 46-52)

[138]  Weder dem Süden noch dem Norden standen zur Finanzierung des Krieges hinreichende Einkünfte zur Verfügung. Bundesausgaben machten vor 1861 nur 2 % des Bruttosozialproduks aus; sie wurden aus Zolleinnahmen und Landverkäufen bezahlt.
Das Kapital des Südens war vor allem immobil angelegt, d.h. in Land und Sklaven. Achtprozentige Schuldverschreibungen (Mai/August 1861) wurden nur zögernd und zu knapp zu einem Viertel mit Dollarnoten gekauft, die von der Regierung der Konföderation im Wert von 1,5 Milliarden gedruckt, aber nicht als legales Zahlungsmittel anerkannt wurden. Das Versprechen, dieses Papiergeld zwei Jahre nach (siegreicher) Beendigung des Krieges in Gold- und Silbermünzen umzutauschen, blieb unglaubwürdig. Wer Münzen besaß, behielt sie tunlichst für sich. Blockade und Invasion, einseitige Agrarproduktion, hoher Importbedarf, der Verzicht auf progressive Einkommensteuern und Abgaben auf Luxuswaren, horrende Preissteigerungen und geringfügige Lohnerhöhungen und das unablässige Drucken von Papiergeld trieben vor allem Mittel- und Unterschichten in die Verelendung und die Konföderation in den Bankrott.
Der Norden verfügte über einen relativ hohen Anteil mobilen Kapitals. Die 150 Millionen Dollar Schuldverschreibungen (6-7 % Zinsen) des Nordens von 1861 konnten nur mit Münzen gekauft, Zoll nur mit Münzgeld entrichtet werden. Seit August 1861 war erstmals Einkommensteuer zu zahlen. Im Februar und Juli 1862 wurde sie progressiv festgelegt. Verbrauchs-, Mehrwert-, Erbschafts-, Umsatz- und Luxussteuern kamen hinzu, und Schuldverschreibungen wurden ausgegeben, die nun auch mit Papiergeld gekauft werden konnten, deren Zinsen die Regierung vertrauensbildend in Münzgeld auszahlte. 433 Millionen Dollar "greenbacks" ("grüne Rückseite") wurden 1862-1865 von der Regierung als gesetzliches Zahlungsmittel ausgegeben und private und einzelstaatliche Papierwährungen entwertet. Man vertraute dem Papiergeld weitgehend, weil Steuereinnahmen und Zölle die Regierungskasse füllten, Münzgeld weiterhin ausgezahlt wurde, (Steuer-) Schulden und Verpflichtungen mit "greenbacks" beglichen werden konnten. Die Regierung hielt die Inflationsrate bei 80 % und verhinderte durch ihre Steuergesetzgebung weit ausgreifende Verelendung. Der Norden finanzierte den Krieg zu 66 % über Schuldverschreibungen, zu 21 % über Steuern und den Rest durch drastisch erhöhte Zölle und Notendruck. Die Papiergeld-Menge wurde nach dem Krieg bis 1869 von 450 auf 356 Millionen Dollar reduziert.
Auch die Grund- und Vermögensteuern (vgl. Anm. 51) wurden während des Bürgerkrieges angehoben. J. H. zur Oeveste zahlte folgende Beträge für sein Land, seine Immobilien und sein "bewegliches" Vermögen:
Jahr Wert  Steuern
1860 3459 Dollar  17,98 Dollar
1861 3628 Dollar  13,14 Dollar
1862 3429 Dollar  20,58 Dollar
1863 3616 Dollar  25,30 Dollar
1864 3875 Dollar  40,68 Dollar
1865 4085 Dollar 122,55 Dollar
1866 3955 Dollar  50,43 Dollar
(Bartholomew County Court House: Tax Duplicate; Boyer 491f.; Carleton 108; Mc Pherson 428-441)

[139]  Präsident Lincoln hatte den 30. April 1863 zum Fasten- und Bettag für den Sieg der Union erklärt. (Turner 1965, 69)