Bürgerkriegsparteien
 

Das erste Halbjahr 1863 war für den Norden eine "Zeit der Verzweiflung". Auf den Schlachtfeldern hatte es 1862 Niederlagen und nur geringe Erfolge gegeben. Miliz und Wehrpflicht erschienen vielen als verzweifelter Rückgriff auf die Zuchtrute eines unamerikanischen europäischen Despotismus. Anderes fügte sich ins Bild: bisher unbekannte indirekte Steuern auf alles und jedes; erhöhte Frachtraten der Eisenbahngesellschaften, denen dazu noch für den Bau einer transkontinentalen Verbindung 60 Millionen acres Land geschenkt und 20 Millionen Dollar geliehen wurden; die Einrichtung einer Nationalbank und die Verdrängung der Münzen (Silber, Gold) durch bundesstaatlich garantiertes Papiergeld (vgl. Anm. 138); die Erlaubnis, Kritiker der Regierungspolitik willkürlich zu verhaften (13.000 wurden inhaftiert) und Zeitungen zu verbieten.
Die Sklavenbefreiung rundete das Bild ab. Abraham Lincoln hatte am 22. Juli 1862 seinem Kabinett einen Gesetzentwurf vorgelegt. Am 25. August unterstrich er in der "New York Tribune", "ausschlaggebend (sei für ihn) der Erhalt der Union und weder der Erhalt noch die Zerschlagung der Sklaverei". Am 23. September veröffentlichten die Zeitungen im Norden die "Emanzipations-Proklamation". Sie trat am 1. Januar 1863 in Kraft: Sie befreite "für immer" die Sklaven in den Südstaaten der Konföderation, nicht aber die in den bereits besetzten Gebieten und in den zur Union gehörenden Sklavenstaaten. (Staaten, die bis zum 1.1.1863 übergelaufen wären, hätten Sklavenstaaten bleiben dürfen.) Damit kam der republikanische Präsident Abraham Lincoln den Abolitionisten in seiner eigenen Partei entgegen, und er konnte auch einem Teil der Demokraten, den "Kriegs-Demokraten", die für den "Unions-, aber gegen einen Befreiungs-Krieg" waren, ein wenig bieten. Er konnte seiner Überzeugung, die Sklaverei werde langfristig verschwinden, treu bleiben und zudem "seine" vier Sklavenstaaten in der Union halten.
Der "Weltbote" berichtete am 20. August 1862, Abraham Lincoln habe am 14. August "freie Schwarze" empfangen und gesagt, "daß die schwarze und die weiße Race nicht wohl beieinander leben könne. Er empfahl ihnen die Übersiedlung nach Central America". Am 27. August zitierte die Zeitung abermals den Präsidenten: "Die besondere Stelle, die ich dabei im Auge habe, soll eine große Landstraße vom atlantischen bis zum stillen Meere sein". Man brauche zunächst "hundert ziemlich verständige Männer mit ihren Frauen und Kindern, 'daß sie ihr eigenes Futter zuschneiden'" (vgl. Anm. 98).
Der Bürgerkrieg wurde nun aber doch zum verpflichtenden "Befreiungskrieg", an dessen Ende, im Falle eines Sieges der Nordstaaten, die allgemeine Sklavenbefreiung stehen mußte. Nach einem Sieg sah es aber um die Jahreswende 1862/63 nicht aus. Ein anderer Teil der Demokraten, die "Friedensdemokraten", drängten auf einen Verständigungsfrieden, um für die Union einen Kompromiß zu finden und die südstaatlichen Institutionen zu erhalten. In Indiana nannten sie Lincoln einen hinterhältigen Verräter, der jetzt, da er im Kampf versagt habe, sein wahres Gesicht offenbare: das eines zentralistischen Despoten im Dienste des industriellen Nordostens, der sich mit Hilfe einer abolitionistischen "exekutiven Usurpation" daran mache, z.B. auch Indiana mit billigen Arbeitskräften, d.h. mit nichtswürdigen und minderwertigen Negern zu "überfluten". Dafür wolle man nicht seine Knochen hinhalten, sondern für die "Union, wie sie war": "Indiana wollen wir allein für intelligente freie weiße Männer", war am 5. März 1863 im Brief eines Soldaten im demokratischen "Daily Sentinel" (Indianapolis) zu lesen. Auch das republikanische "Daily Journal" druckte am 2. März einen Soldatenbrief: "Steckt die Neger in den Krieg, dann werden schon einige getötet. ... Denen, die übrig bleiben, gebt ein Stück Land irgendwo im Süden, und da sollen sie dann alle hin".
Vielen Republikanern gerieten die meisten Demokraten im Nordwesten zu "Copperheads" (genannt nach der gleichnamigen Giftschlange), die hinterhältig zuschlügen im Interesse und im Dienste des Südens. Geheimgesellschaften trauten sie zu, sich auf eine "Nordwest-Konföderation", von der einige Demokraten sprachen, vorzubereiten und militärisch zuzuschlagen. Der republikanische Gouverneur von Indiana sagte, er habe gegen eine Rebellion im Süden und gegen die der Demokraten in Indiana zu kämpfen. Dort hatten sie seit Oktober 1862 in beiden Häusern des Parlaments die Mehrheit; sie forderten den Austritt aus dem Krieg, falls Lincoln seine Emanzipationsproklamation nicht widerrufe. Die republikanischen Abgeordneten nahmen daraufhin an den Sitzungen nicht mehr teil: das Parlament wurde beschlußunfähig. Der Gouverneur regierte ohne bewilligten Haushalt, vor allem mit Geldern aus dem Kriegsmi-nisterium in Washington. Mit auffälliger Militärpräsenz in der Stadt und aufgepflanzten Bajonetten im Saal erreichte die Armee die Vertagung eines Konvents der Demokraten in Indianapolis (20. Mai 1863), verhaftete einige Delegierte, stoppte zwei Züge und sammelte Waffen abreisender Demokraten ein. Nur deren Feigheit habe den bewaffneten Aufstand verhindert, rechtfertigte sich die Republikanische Partei.
Die Demokratische Partei stand in entschiedener, aber loyaler Opposition zu Union und Verfassung. Gruppen und Einzeltäter überschritten die Grenzen der Legalität. Historiker streiten über deren Einfluß und Gewicht; bis heute ist die Loyalität zur Union eine von den Parteien vor allem in Kriegszeiten aktualisierte Reminiszenz. (Nachweise: Anm. 133)