[167]  Der "kühne Streifzuch" hat General Sherman im Norden höchste Bewunderung und im Süden tiefste Verachtung eingebracht.
Vergleiche das Stichwort "Sherman's Feldzug 1864 - 1865".
(Bowman 17ff., 41ff., 152-156; McPherson 732-739, 749f., 764ff., 794-816; Morison I 815ff.; Schlesinger 292f.)

[168]  "Hunderte von Leuten desertieren Nacht für Nacht", berichtete der Oberbefehlshaber der Südstaaten-Armee, General Lee (vgl. Anm. 170), im Februar 1865. Die Armee verlor so 8% ihrer Soldaten (vgl. Anm. 132). Viele wechselten die Front. Ein "Yankee" schrieb seinen Eltern: "Manche reden über die Johnnys wie wir zu Hause über Trottel und Schlitzohren. Am Abend werfen sie einen Blick in die Runde und rechnen damit, daß nachts wieder ein hübscher Haufen Johnnys überläuft".
"Das zuletzt das Südliche Heer sich selbst uneinig wurde", mag J.H. zur Oeveste auch auf die dort geplante Rekrutierung von Sklaven bezogen haben. Erstmals hatte die Regierung im November 1864 vorgeschlagen, 40 000 Sklaven für Hilfsdienste anzukaufen. Im Februar 1865 sah sie "nur noch die Wahl, die Neger für uns oder gegen uns kämpfen zu lassen", fand dafür aber keine Mehrheit in Parlament und Armee. "Sogar ein Sieg wäre ruhmlos, müßte er mit Schwarzen geteilt werden", sagte ein Abgeordneter. Ein anderer gab zu bedenken: "Wenn Sklaven gute Soldaten abgeben, ist unsere ganze Theorie der Sklaverei hinfällig." Am 13. März 1865 wurde ein entsprechendes Gesetz mit 9 gegen 8 Stimmen verabschiedet. 300 000 Sklaven sollten einberufen und frei werden. 2 Kompanien stellte die Armee bei Petersburg/Richmond auf: sie wurden nicht mehr eingesetzt (vgl. Anm. 169).
Selbst der Norden tat sich schwer mit schwarzen Soldaten. Erst nach der Emanzipations-Proklamation vom 1. Januar 1863 (vgl. Anm. 133) dienten 210 000 Schwarze, unter ihnen 100 Offiziere, zum halben Sold. 68 000 wurden getötet oder verwundet.
(McPherson 807f., 817-823; Schlesinger 287)

[169]  Mitte Juni 1864 hatte Ulysses S. Grant mit der Belagerung von Petersburg begonnen (vgl. Anm. 159). Ende März 1865 konnte Robert E. Lee nach neun Monaten für beide Seiten verlustreichen Stellungskrieges die Stadt nicht mehr halten: der letzte offene Hafen (Wilmington) war am 22. Februar verloren gegangen. Am 23. März hatte General Sherman in Goldsboro seine Armee um 30 000 auf 90 000 aufgestockt und sich auf den Weg gemacht, Grant und seinen 100 000 Soldaten von Süden her zu Hilfe zu kommen; Lee waren nur noch 35 000 erschöpfte und entmutigte Männer ohne Nachschub geblieben (vgl. Anm. 167). Am 25. März scheiterte sein Versuch, den Rückzugskorridor nach Westen hin zu erweitern. Grant griff am 1./2. April an. Lee gab Petersburg und Richmond, die Hauptstadt der Konföderation, auf, in die Luft gesprengt und niedergebrannt von den eigenen Leuten. Die "Yankees" überholten die zurückweichenden "Rebellen", schnitten ihnen den Weg ab und erzwangen am 9. April 1865 die Kapitulation des Oberbefehlshabers der konföderierten Armee bei Appottomax Court House in Virginia: "Ich würde lieber tausend Tode sterben, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als zu General Grant zu gehen" (Robert E. Lee). (McPherson 830-834)

[170] "General Lee" wurde nicht "gefangen genommen". Er unterschrieb die Kapitualtionsbedingungen, die General Grant ihm diktierte, durfte seinen Degen behalten, wurde salutierend verabschiedet und konnte, wie alle Offiziere und Mannschaften, nach Hause gehen, "sofern sie ihr Ehrenwort nicht brechen und die an ihrem jeweiligen Wohnort geltenden Gesetze beachten". Grant sagte: "Der Krieg ist vorbei; die Rebellen sind wieder unsere Landsleute". Am 29. Mai 1865 erließ die Bundesregierung eine Generalamnestie, von der Lee und andere hochrangige Südstaatler ausgeschlossen waren. Am 7. Juni 1865 erhob ein Bundesgericht in Norfolk/Virginia gegen ihn Anklage wegen Landesverrats. Sie wurde mit einer Generalamnestie von Weihnachten 1868 hinfällig. Zu einer Verhandlung ist es nicht gekommen. Lee wurde im Oktober 1865 Präsident des kleinen ärmlichen Washington College in Lexington/Virginia, nachdem er lukrative Angebote ausgeschlagen hatte. Der Kongress stellte erst 1975 posthum seine amerikanische Staatsbürgerschaft wieder her.
Robert Edward Lee (1807-1870) stammte aus einer der ersten Familien von Virginia. Er wuchs in "vornehmer Armut" (Schlesinger) auf, nachdem sein Vater, Kavallerie-Offizier im Revolutionskrieg gegen England und Gouverneur von Virginia (1792-1795), 1808 sein Vermögen durch zu großzügigen Lebensstil und Spekulationen verloren hatte. Er war der Zweitbeste des Jahrgangs 1829 der Militärakademie West Point, diente im Mexikanischen Krieg (vgl. Anm. 89) und in Texas. Er befehligte die Bundestruppen, die John Brown's "Rebellion" bei Harpers Ferry niedergeschlagen hatten (vgl. Anm. 109). Als Virginia die Union verließ (vgl. Anm. 118), quittierte er den Dienst in der Bundesarmee, deren Oberbefehlshaber ihn als Nachfolger favorisiert hatte, um seinem Heimatstaat zu dienen. Er wurde im Juni 1861 vom Präsidenten der Konföderation (vgl. Anm. 171) zum General befördert und trotz erster Mißerfolge zum persönlichen Militärberater berufen.
Robert E. Lee war gegen Sklaverei und Sezession und hatte gehofft, nicht gegen die Union kämpfen zu müssen. Er wurde zum überragenden Heerführer des an Menschen und Material schwächeren Südens auf dem östlichen Kriegsschauplatz. Erst nach den Erfolgen des Nordens bei Vicksburg (vgl. Anm. 142) und Atlanta (vgl. Anm. 167) hat Ulysses S. Grant ihn besiegt. Am 6. Februar 1865 wurde Lee Oberbefehlshaber der Armeen der Konföderation, als schon alles verloren war. Am 9. April 1865 diktierte Grant, Sohn eines Lohgerbers aus Ohio (vgl. Anm. 159), in der Uniform des einfachen Soldaten dem Sohn eines Gouverneurs von Virginia in der Galauniform des Oberbefehlshabers die Waffenstillstandsbedingungen. Beide wurden 1900 in die Ruhmeshalle der New York University aufgenommen.
(Bowman 108f.; Hay 440f.; McPherson 834f.; Schlesinger 284)

[171]  Der Präsident der Konföderation, Jefferson Davis, war am 3. April 1865 mit seiner Regierung aus der Hauptstadt Richmond geflohen (vgl. Anm. 169). Er wollte die südstaatlichen Truppen westlich des Mississippi erreichen, um noch mit dem Norden verhandeln zu können. Am 10. Mai 1865 nahm ihn nordstaatliche Kavallerie in Georgia gefangen. Auf Fort Monroe/Virginia wurde er einige Wochen in Ketten gelegt, danach aber mit seiner Frau gut untergebracht und erst zwei Jahre später gegen 100 000 Dollar Kaution freigelassen. Ein Prozeß gegen ihn hat nicht stattgefunden, die Anklage entfiel mit der Amnestie von Weihnachten 1868.
Jefferson Davis (1808-1889) wurde, wie Abraham Lincoln (vgl. Anm. 118), in einem Blockhaus in Kentucky geboren. Mit seinen Eltern zog er 1810 nach Mississippi. Er wuchs auf einer Plantage heran, besuchte mit 13 eine Universität und war mit 16 Jahren Kadett in West Point/New York. Mit 21 Jahren verließ er die Militärakademie, mit 27 die Armee. Seinen Besitz baute er zu einer Muster-Plantage aus. Sklaverei war für ihn noch notwendig für Wirtschaft und Kultur des Südens und eine Etappe auf dem langen Weg zur evtl. bürgerlichen Freiheit der Schwarzen (vgl. Anm. 98). Er betonte die Rechte der Einzelstaaten im Rahmen der Verfassung. Von 1853 bis 1857 leitete er das Kriegsministerium in Washington. Kuba wollte er den Spaniern abkaufen und in Panama einen Streifen Land erwerben, um eine amerikanische Eisenbahn vom Golf von Mexiko zum Pazifik zu bauen. Er war ein widerstrebender Sezessionist, dem es nicht gelang, die Konföderation zu vermeiden. Am 18. Februar 1861 wurde er deren Präsident (vgl. Anm. 118).
Nachdem Jefferson Davis am 3. April 1865 aus Richmond geflohen war, nahm Abraham Lincoln am 5. April wenige Minuten an dessen Schreibtisch Platz. Davis hatte noch am 6. Februar 1865 von hier aus verkündet, "Seine Majestät Abraham der Erste" habe seinen "Meister gefunden" in den Armeen des Südens, die "die Yankees in weniger als 12 Monaten zwingen, uns um Frieden zu bitten, und zwar zu unseren Bedingungen". Jefferson Davis wurde nicht in die Ruhmeshalle der New York University aufgenommen, wohl aber Abraham Lincoln.
(Bowman 66f.; McPherson 810f.; Schlesinger 279)

[172]  Am 4. Mai 1865 kapitulierten die letzten "Rebellen" östlich des Mississippi. Am 10. Mai erklärte die Bundesregierung die "Rebellion" für beendet; am 23./24. Mai fand in Washington die Siegesparade statt. Westlich des Mississippi ging der Bürgerkrieg am 26. Mai zuende; am 2. Juni kapitulierten die Reste der konföderierten Flotte in Galveston. Am 5. September 1865 widerrief das Parlament von South Carolina seinen Sezessionsbeschluß vom 20. Dezember 1860; er hatte den südstaatlichen Bruch mit der Union eingeleitet (vgl. Anm. 118).
General Lee hatte sich, bevor er kapitulierte (vgl. Anm. 169), gegen einen Guerilla-Krieg ausgesprochen: diese Soldaten würden "zu bloßen Marodeuren verkommen" und der gegnerischen Kavallerie Gegenden anbieten, "die sie sonst nie zu Gesicht bekommen hätten". Partisanen auf eigene Faust, aber auch Deserteure und Kriminelle beider Seiten machten noch lange den Süden unsicher.
(McPherson 834, 839f.; Schlesinger 293f.)

[173]  Zur Zahl der Soldaten, die im Bürgerkrieg zu Tode gekommen sind, vgl. Anm. 131, zur Finanzierung des Krieges und zu den Inflationsraten die Anm. 136 und 138. - Die finanziellen Lasten, die der Regierung des Nordens als Verbindlichkeiten entstanden sind, beliefen sich auf gut 5,5 Milliarden Dollar (Anleihen, Zinsen), die Ausgaben und Schulden der Einzelstaaten und Counties nicht mitgerechnet. Die Anleihen der Regierung der Konföderation (2 Milliarden Dollar) waren zwar hinfällig, die Kassen aber auch leer bei einer Inflationsrate von 9000%. Der Krieg hatte sich weitgehend auf dem Territorium der Südstaaten abgespielt. Immobilien und Grundbesitz hatten sehr stark an Wert verloren. Die Bundesregierung zahlte den Unions-Soldaten bis ins 20. Jahrhundert hinein 8 Milliarden Dollar großzügig gewährte und mehrmals aufgestockte Pensions-Gelder, der Süden aber seinen Veteranen aus den Kassen der einzelnen Statten weitaus geringere. Die Gesamtkosten des Krieges werden auf 20 Millarden Dollar geschätzt. (Boyer 442f.; Morison II 3f.)

[174]  In der Ausgabe vom 19. April 1865 berichtete der "Weltbote" über die Ermordung des Präsidenten.
Abraham Lincoln war nach der Eroberung von Atlanta durch General Sherman und nach der "Säuberung" des Shenandoah-Tals durch General Sheridan (vgl. Anm. 167) am 2. November 1864 wieder zum Präsidenten der Union gewählt worden. Er wurde am Abend des 14. April 1865 (Karfreitag) in Washington ermordet. Der Schauspieler John Wilkes Booth hatte sich in die unbewachte Loge des Ford-Theaters geschlichen und den Präsidenten, der neben seiner Frau saß und mit Freunden der Komödie "Our American Cousin" zusah, in den Hinterkopf geschossen. Abraham Lincoln starb am nächsten Morgen um 7.30 Uhr in einem ärmlichen Mietshaus gegenüber dem Theater. Er kam nicht mehr zu Bewußtsein.
Außenminister William Henry Seward (1801-1872) wurde zur gleichen Zeit von einem Komplizen in seiner Wohnung niedergeschossen. Er erholte sich schnell und blieb im Amt. (1867 kaufte er "einen großen Klumpen Eis", Alaska, von Rußland für 2 Cents pro acre, d.h. für 7 200 000 Dollar. Als "Seward's Torheit" ging dieser Handel in die Geschichte ein.)
Booth wurde am 26. April 1865 in einer Scheune gestellt; er ist bei dieser Aktion zu Tode gekommen. 4 als Mitverschwörer Verurteilte sind im Juli 1865 durch den Strang hingerichtet worden. 4 weitere Verdächtige erhielten lebenslange Haftstrafen, die ihnen aber schon 1869 erlassen wurden.
John Wilkes Booth (1838-1865) hatte Ende 1864 mit einigen Komplizen geplant, Abraham Lincoln in den Süden zu entführen und der Regierung der Konföderation in Richmond als Geisel zur Verfügung zu stellen. Er sprang nach dem Attentat auf die Bühne und soll den Wahlspruch des Staates Virginia ins Publikum gerufen haben: "Sic semper tyrannis!" ("So ergeht es immer den Tyrannen!"), und: "Der Süden ist gerächt."
(Bowman 28f.; 111f.; Morison I 830ff., Weltbote, Schlesinger 308)

[175]  Als am 15. Juli 1864 "Rebellen" bis auf 8 km an das Weiße Haus herangekommen waren und die militärischen Schwierigkeiten der Yankees im Sommer dieses Jahres zu offenbaren schienen (vgl. Anm. 159), erreichte der Papier-Dollar seinen tiefsten Stand: er war nur noch 33 Cents in Gold wert. (Morison I 822f.)

[176]  Vgl. die Anm. 152, 158 und 166.

[177] Zu den "Vettern Beusmans" und zu den "Indianer aufständen" in Minnesota vgl. die Anm. 111 und 127. Bruder Diederich lebte in der Stadt Milwaukee am Michigan-See im Staate Wisconsin.