Das Amerikabild im Jahrhundert der Auswanderung


Textdokumentation

 I. Die Auswanderung

I.1. Darstellung und Wertung

Dok-Nr. 1: „Oldenburgische Zeitung“ No. 4 vom 12.01.1818

London, den 30.Dec.

In den letzten Jahren sind sehr viele Leute ohne Vermögen nach Canada und den übrigen Englischen Colonien in Nordamerika gegangen, und, da sie das ihnen gegebene Stück Land nicht bearbeiten konnten, daselbst in Armuth und Elend gerathen. Es werden deshalb künftig nur die Officiere auf halben Sold und wenige andere Personen Unterstützung erhalten, um dahin abzugehen.


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Dok-Nr. 2: „Oldenburgische Blätter“ No. 3 vom 17.01.1832

Auswanderungen nach Nordamerika

[...] In Oldenburg ist es noch keinem eingefallen, mit einer Schaar von Auswanderern sich nach den segensreichen Gefilden von Nordamerica zu begeben. – Darf man dies nicht als ein sicheres Zeichen ansehen, daß der Oldenburger, ungeachtet mancher lautgewordenen Wünsche wegen Verbesserungen, dennoch die vielen Vortheile, die sein Vaterland ihm gewähret, nicht undankbar verkennt, sondern es mit seinen etwaigen Mängeln immer zu sehr liebt, um es gegen glänzendere Aussichten in einem andern Welttheile zu vertauschen?

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Dok-Nr. 3: „Oldenburgische Blätter“ No. 42 vom 15.10.1833

An die Auswanderer.

 

Wie preis’t euch Deutschen man so sehr
Ein Paradies dort über’m Meer?
Was drängt, der Zukunft unbewußt,
Euch von der Heimath Mutterbrust?
 
Es mag der träge Bürger ziehn!
Dem Fleiß kann hier auch Segen blühn;
Hier, wo es nicht an Land gebricht,
Giebt es auch Uebervölkrung nicht.
 
Ihr Deutschen Brüder, schaut umher,
Noch ist manch Plätzchen menschenleer,
Das zum Gedeihen edler Frucht
Nur einen treuen Pfleger sucht.
 
Noch dienen große Flächen kahl
Den Heerden nur zum kargen Mahl,
Und unbenutzt birgt reichen Schatz
Noch Stoppel und Gemeinde-Platz
 
Hier strotzt ein Wald in üpp’ger Kraft
Des Bodens, der den Weizen schafft;
Dort strebt im Sand und hier im Moor
Nur kümmerlich die Saat empor.
 
Wenn hier, von fleiß‘ger Hand gepflegt,
Der Wald wohl Brod für tausend trägt,
So dort in hoher Ueppigkeit
Erl‘ oder Kieferwald gedeiht.
 
Drum weckt durch Fleiß und Thätigkeit,
Was uns Natur so reichlich beut!
Dies liegt im Vaterlande ja
Euch näher als Amerika.
 
Dann wandelt, in manch Eigenthum
Vereinzelt, sich die Wüste um,
Und unser liebes deutsches Land
Wird Edens Garten einst genannt;
 
Und manchem Armen wird so leicht
Beschäftigung und Lohn gereicht,
Daß er an reicher Brüder Brust
Erwarmt zu neuer Lebenslust.
 
Im Vaterland der eigne Heerd
Der bleibt dem Deutschen lieb und werth,
Und was er drinnen wirkt und schafft,
Bewährt des Deutschen innre Kraft.
 
Und durch ein unauslöslich Band
Geknüpft an Fürst und Vaterland,
Steht er mit alter Deutscher Treu
In allen Stürmen kräftig bey,
 
Und weichet nicht von Treu und Pflicht,
Und weicht vom Vaterlande nicht,
Weil er, bey trüber Gegenwart,
Auf bessre Zukunft ruhig harrt.
 
Auf seiner Fürsten Biedersinn
Blickt stets sein Fleiß vertrauend hin;
Er spricht, baut es sein täglich Brod:
Den guten Fürsten segne Gott!
 
So denket fest und gut und wahr
Ein ächter Deutscher immerdar;
Wer nicht zu diesen sich gesellt,

Mag ziehen in die neue Welt!

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Dok-Nr. 4: „Oldenburgische Zeitung“ No. 56 vom 15.07.1834

[Im Kleingedruckten]

Aus der hessischen Rheinprovinz. Auch in unserm Lande herrschte eine Zeitlang die Sucht nach America auszuwandern. Die Sehnsucht nach diesem Lande ergriff glühend die Phantasie unserer Landbewohner; Schriften und Emissaire suchten sie zu nähren, und so wurden allerdings manche Entschlüsse dieser Art zur Ausführung gebracht. Eine größere gemeinschaftliche Auswanderung sollte namentlich diesen Sommer Statt haben. Wie aber die Erfahrung indessen manchen Irrthum und noch mehr Täuschungen nachgewiesen hat, wie überhaupt bei dem gesunden Sinne unserer Landbewohner ein aus Uebereilung und erhitzter Einbildungskraft entstandener Mißgriff schnell eingesehen und wo möglich gut gemacht wird, so ist auch bei diesen der Augenblick der Besinnung zurückgekehrt. Viele Einwohner, denen bei ihrem Auswanderungsplan kein gesetzliches Hinderniß mehr im Wege stand, änderten ihren Entschluß und blieben im Lande. Es ist somit, was bis jetzt aus Rheinhessen auswanderte, allerdings mit einigen Ausnahmen, als ein wahrer moralischer Gewinn für die Gesellschaft zu betrachten.


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Dok-Nr. 5: „Oldenburgische Zeitung“ No. 42 vom 26.05.1843

Vermischte Nachrichten

- Auch an der Nahe, Mosel und Saar schicken sich wieder mehrere tausend Menschen zur Auswanderung nach Amerika oder Algier an. Fast täglich werden in den Wirthshäusern Aecker, Wiesen, Vieh und Häuser versteigert. Den besten Gewinn soll dabei, wie gewöhnlich, das Volk Israel machen. Auch in den baierischen Provinzen Ober- und Unterfranken und der Pfalz regt sich wieder eine große Auswanderungslust und man bedauert auch dort schmerzlich, daß sich die betreffenden Regierungen der Auswanderer nicht kräftiger annehmen, damit diese nicht raubsüchtigen Betrügern jenseits des Meers in die Hände gerathen und meist um Hab und Gut kommen, bevor sie sich ansiedeln.

- Mit dem Frühlinge wandern abermals Tausende übers Meer. Durch Sachsen gehen täglich Züge von Auswanderern, meist aus Baiern. Die Meisten wissen nicht, wohin sie eigentlich ziehen sollen und warten eben, wohin das Schiff in Bremen sie führt. Niemand giebt ihnen verständigen Rath für die Reise und das Ziel. Ein Theil zieht nach Nordamerika, der andere nach Brasilien, der dritte nach Algerien.

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Dok-Nr. 6: „Oldenburgische Zeitung“ No. 45 vom 06.06.1843

Vermischte Nachrichten

- Nach öffentlichen Blättern sind in den letzten zwölf Jahren an 300.000 Deutsche ausgewandert und haben sich über alle Länder und Welttheile zerstreut. Welche schöne reiche deutsche Colonie hätte das gegeben, wo man sie auch angelegt hätte, reich an Capitalien von deutschem Fleiß und deutscher Tüchtigkeit, wenn man sie nur zusammengehalten hätte. Aus Bayern allein sind in den Jahren 1835-39 über 24.000 Menschen ausgewandert, in diesem Jahre allein über 6000. In der Ständeversammlung ist darauf angetragen worden, sich der Auswanderung anzunehmen.

[...]

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Dok-Nr. 7: „Oldenburgische Zeitung“ No. 30 vom 13.04.1847

Deutschland.

Stuttgart, 30. März. [...]

- Die Auswanderung nach Nordamerika wird dieses Jahr in einem ungeheuren Maßstabe vor sich gehen. Auf allen Landstraßen begegnet man Wagen voll Greise, Männer, Weiber und Kinder. In der That ist auch in manchen Landesgegenden die Noth namenslos, und alle Anstrengungen der vielerprobten schwäbischen Wohlthätigkeit vermögen nicht aufzukommen gegen das immer gewalthiger hereinbrechende Elend. Zahlreiche Feuersbrünste vermehrten die allgemeine Entmuthigung.

[...]

Mainz, 3. März. In unserm Hafen erlebten wir so eben wieder das Schauspiel der Auswanderung einer ganzen Gemeinde unseres Großherzogthums. Die Gemeinde Pferdshof bei Büdingen, Provinz Oberhessen, 250 Köpfe stark und darunter 50 Kinder, bestieg so eben das Düsseldorfer Boot „Victoria“, um damit nach Antwerpen zu fahren, wo sie ein schönes solides Seeschiff erwartet, um sie nach Newyork zu bringen. Der Bürgermeister, Lehrer, die Beamten und sogar die Ortspolizei, welch letztere als in blühendem Zustande nicht Ursache hätte, aus Deutschland zu wandern, befinden sich an der Spitze des Zuges und es hat die Gemeinde nach Bestreitung sämmtlicher bereits bezahlten Ueberzugskosten, ohne Privatvermögen noch ein baares Gemeindevermögen von 30.000 Gulden, welches jenseits des Oceans zu gemeinschaftlichen Zwecken wieder verwendet werden wird. [...]

Köln,  4. April [...]

- Die Auswanderungszüge über hier sind noch in keinem Frühjahre so bedeutend zahlreich gewesen, wie in diesem Jahre. Gestern zogen 40 Studenten von süd-deutschen Universitäten hier durch auf dem Wege nach Nordamerika

- Vom Hunsrücken schreibt man vom 1. April: Die Auswanderungslust steigert sich in hiesiger Gegend in diesem Jahre auf eine Bedenken erregende Weise. Früher war diese Sucht mehr unter der ärmern Klasse eingerissen, jetzt hat aber dieselbe mit unwiderstehlicher Kraft die reiche und wohlhabende angesteckt. Ungeheure klingende Summen wandern über den Ocean. Am verflossenen Sonntage ist schon eine große Menge „Neuländer“, wie man die Auswanderer hier zu nennen pflegt, über Antwerpen nach Nordamerika befördert, und eine noch größere Menge wird am 12.d.M. nachfolgen.

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Dok-Nr. 8: „Oldenburger Zeitung“ No. 190 vom 02.12.1854

Vermischtes

Ueber gemeldeten Schiffbruch des amerik. Schiffs „New Era“ bringt die W.-Z. folgendes Nähere:

Newyork, 15.Nov. Das Schiff „New Era“ aus Bath, mit 374 Auswanderern von Bremen nach Newyork bestimmt (am 28.Sept. von der Weser abgegangen), ist in der Nacht vom 12. d.M. bei einem dicken Nebel auf der Küste von New Jersey, unsern Deal gescheitert und wird wahrscheinlich total wrack werden. Es heißt, daß etwa die Hälfte der Passagiere dabei umgekommen ist.

Zweite Depesche. Der Capitän der „New Era“ und ungefähr 200 der Passagiere erreichten glücklich das Land. Der Rest derselben ist noch am Bord und das Schiff ist dem Auseinanderbrechen nahe. Ungefähr die Hälfte des zurückgebliebenen Theils der Passagiere sollen bereits unter Deck ertrunken oder auch von den Wellen über Bord gespült sein. Es geschieht Alles, um die Ueberlebenden zu retten.

Nach den letzten Nachrichten, die uns vom Ort des so schrecklichen Ereignisses zugekommen sind, war das Schleppdampfschiff „Achilles“ dem Wrack nahe und der Steamer „Leviathan“ näherte sich demselben. Das Schiff lag mit der Breitseite seewärts.

- Das belgische Schiff „Vierge Marie“, welches am 11.Octbr. aus dem Hafen von Antwerpen mit 130 Passagieren nach Newyork ging, ist auf Long-Island-Beach gescheitert. Auf der Reise waren 27 Personen am Fieber und an der Cholera gestorben. Man hoffte die Schiffsmannschaft und die Passagiere retten.

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Dok-Nr. 9: „Oldenburger Zeitung“ No. 91 vom 12.06.1855

Vermischtes.

- Fast aus sämmtlichen Hafenorten, namentlich aber aus Bremen und Hamburg, vernimmt man die Klage, daß die sonst so lebhafte Auswanderung nach Amerika in diesem Jahre in einer höchst auffälligen Weise abgenommen hat, und man fürchtet, daß dieser in den letzten Jahren so glänzend entwickelte Geschäftszweig mit der Zeit noch mehr ins Stocken gerathen wird. Namentlich wirkten die jetztigen kriegerischen Verhältnisse auf eine Verminderung der Auswanderung hin. Die jüngeren Männer erhalten, so lange sie militärpflichtig sind, keine Erlaubniß zur Auswanderung, und die älteren können in Amerika ohne Beistand der jüngeren nichts leisten, verlassen auch ungern ihr Vaterland, so lange die Söhne im Militär stehen. Abgesehen von diesem vorübergehenden Hinderniß äußern die Fälle des leichtsinnigen Auswanderns ihre Folgen und es fängt sich bereits an ein Rückstrom der Auswanderer von Amerika nach Europa zu entwickeln.

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Dok-Nr. 10: „Oldenburger Zeitung“ No. 105 vom 06.07.1858

Julius Fröbel, über deutsche Auswanderung.

Die Zahl der politischen Männer, die seit 10-15 Jahren auf den vielen kleinen politischen Schaubühnen Deutschlands emporschoß und wieder verschwand, ist zwar groß und deshalb entschwindet der Einzelne dem Bewußtsein seiner Landsleute. Dennoch glauben wir, wenn wir Jul. Fröbel nennen, eben so verständlich zu sein, wenn wir an das Frankfurter Parlament erinnern. Wie Vincke, von der Rechten vielleicht die meisten Sympathieen auf der Linken hatte, so war es umgekehrt Fröbel, dem, obwohl er „äußerst links“ war, die Rechte die höchste Achtung zollte. Diese Achtung beruhte auf seinem Charakter, auf seinen Sitten, auf seinem leidenschaftslosen Wesen. Wie Fröbel, durch die politischen Stürme über den Ocean hinaus verweht, seine Zeit in Nord- und Central-Amerika gut angewendet hat, das werden freilich wenige Leser selbst aus dem 2 enggedruckte Bände starken Werke „Aus Amerika“ entnommen haben. Dennoch werden sie zugeben, daß ein Mann, der in Deutschland geboren und zum Manne geworden, dann in der Schweiz und in Frankreich gelebt hat, in Deutschland wieder als Politiker die Bewegungsjahre durchlebt, mithin die Volksnatur, wie sie sich  in tiefer Bewegung zeigt, kennen gelernt, und endlich dann in jahrelangem Aufenthalt in Amerika, unter Angloamerikanern und Deutschen, thätig gelebt hat und obwohl er wie kürzlich sein Verhältniß zu Humboldt darlegte, auf der Höhe wissenschaftlicher Bildung und Beachtung steht, es doch nicht verschmäht hat, das Leben aus den Tiefen kennen zu lernen, bei Frachtwagen in der Nacht Schildwache zu stehen u.s.w.: daß ein Solcher vorzugsweise geeignet ist, über die Auswanderung nach Amerika ein reifes Urtheil zu fällen.

Wir finden ein solches in seinen „Briefen über deutsche Auswanderung“ in der (Rudolst.) „Allgem. Auswanderer-Zeitung“ und entnehmen dem 11.Briefe eine Stelle, um auf diese Briefe aufmerksam zu machen, die hoffentlich bald gesammelt herauskommen.

[„]Die Vortheile, welche ein Land aus der auswärtigen Ansiedelung seiner Auswanderer ziehen kann, sind theils ökonomische, theils politische. Beide können sich gegenseitig verstärken oder widerstreiten. Trägt die Auswanderung zur Entwickelung der Schifffahrt und Seemacht des Vaterlandes bei, so befördert sie Wohlstand und politische Macht zugleich; thut sie dies aber nur, indem sie Vaterland der Auswanderer zum Mutterlande einer politisch lästigen Colonie macht, so können ökonomische und politische Vortheile in Conflict kommen.

Die ökonomischen Vortheile der auswärtigen Ansiedelung von Landeskindern bestehen in dem befördernden Einflusse auf Industrie, Handel und Schifffahrt des Vaterlandes. In irgend einem Grade muß dieser Einfluß immer bestehen. Die Auswanderer müssen sich ausrüsten, sie müssen transportirt werden, sie nehmen Producte der vaterländischen Industrie mit sich, welche von ihnen in andere Hände übergehen, sie beziehn später noch, sei es auch noch so wenig, nach ihrer neuen Heimat, sie führen, wenn es irgend möglich ist, den Geschmack für die Erzeugnisse ihres Vaterlandes in ihrer Umgebung ein. Sei man in dieser national-ökonomischen Hinsicht mit den Folgen der deutschen Auswanderung noch so sehr unzufrieden, so wird doch Niemand behaupten, daß die deutsche Waarenausfuhr und die deutsche Rhederei bei der deutschen Auswanderung nicht interessirt seien. Roscher zeigt, daß die Zunahme der deutschen Waarenausfuhr nach den Verein. Staaten, mit der entsprechenden Bewegung des französischen und englischen Handels verglichen, auch nicht entfernt in Proportion mit der Zunahme der deutschen Auswanderung nach den Verein. Staaten steht.*] Aber damit ist nicht gesagt, daß ohne deutsche Auswanderung dahin überhaupt ein nennenswerther Handel mit der nordamerikanischen Union bestehen würde, oder daß nicht doch, selbst jene wenig befriedigende Zunahme hauptsächlich der Auswanderung zuzuschreiben sei, sowie auch damit nicht gesagt ist, welcher Theil der deutschen Waarenausfuhr nach England und Frankreich der deutschen Auswanderung nach Amerika gutzuschreiben ist. Wird doch selbst ein sehr großer Theil der Stickereien, welche als schweizer Waaren nach Amerika gehen und dort einen so außerordentlichen Absatz haben, für schweizer Häuser auf der deutschen Seite des Bodensees producirt. Gerade die werthvolleren deutschen Waaren müssen in den Verein. Staaten am meisten eine fremde Nationalfirma annehmen, um den Glauben an ihre Güte hervorzubringen, da weder deutsche Eleganz, noch deutsche Solidität und Zweckmäßigkeit da drüben gerade sprichwörtlich sind, weßhalb es auch in den Verein. Staaten kaum einen deutschen Schuhmacher oder Schneider giebt, der nicht „from Paris“ wäre, dagegen keiner auf sein Schild setzen wird: „from Germany“.

Wenn es aber auch schwer zu beweisen sein möchte, daß deutsche Industrie, deutsche Schifffahrt und deutscher Handel nicht aus der deutschen Auswanderung Vortheil gezogen haben, und fortdauernd, wahrscheinlich auch in steigender Proportion, Vortheil ziehen, so ist es auf der andern Seite unbestreitbar, daß dieser Vortheil nur einen sehr kleinen Theil des Gewinnes ausmacht, welchen Deutschland in national-ökonomischer Beziehung aus seinem großen Menschenbeitrage zur Bevölkerung außer-europäischer Länder, namentlich der Vereinigten Staaten, zu ziehen, mit Recht erwarten dürfte.

Die politischen Vortheile, welche das Vaterland von der auswärtigen Ansiedelung seiner Kinder erwarten kann, sind weniger klar und weniger untersucht worden, als die national-ökonomischen. Die Erwerbung von auswärtigen Territorien und der Besitz von Kolonien müssen an sich nicht nothwendig ein politischer Gewinn sein, und selbst insofern ein solcher politischer Gewinn durch die national-ökonomischen Vortheile vermittelt würde, wäre er an sich zweideutig. Eine Art von politischer Rückwirkung aber muß eine starke Auswanderung immer haben, nämlich die auf den Volkscharakter, der dadurch nothwendiger Weise gekräftigt, mit praktischen Eigenschaften ausgestattet, muthiger, unternehmender, wehrhafter, stolzer gemacht wird, kurz die Eigenschaften, welche einer Nation unentbehrlich sind, wenn sie in der Weltgeschichte eine politische Stellung einnehmen will. Einer solchen Einwirkung bedarf die deutsche Nation in hohem Grade. Jene Innerlichkeit des Lebens, welche wir Gemüth nennen, ist nicht der Geist, welcher politische  Gestaltungen, politische Geltung, politischen Einfluß auf die Culturgeschichte schafft. Der politische Geist ist vielmehr das, was wir im praktisch-sittlichen Sinne des Wortes Charakter nennen. [...]

Es kann in der Welt gar keine vortheilhaftere Lage geben als die, in welcher sich der gemüthlose Charakter gegen das charakterlose Gemüth befindet. Sagt man hierauf: „Wohlan, es sei so! lassen wir Anderen den weltlichen Vortheil, die politische Macht. Seien wir zufrieden mit den Werken des Geistes, die wir hervorgebracht haben und mit dem Lohne, den das Gemüth in sich selbst findet“ – so sei man auch  consequent und sage weiter: „unser Reich ist nicht von dieser Welt.“ – Dann klage man aber auch nicht, das Deutschland politisch eine so wenig befriedigende Rolle spielt. Dann bedaure man nicht, daß Deutschland keine Kolonien hat, in denen unsere Auswanderung vortheilhafter verwendet werden könnte, als indem sie fremden Kolonien und Staaten zuströmt. Mit Gemüth macht man und hört man Musik, schreibt man und liest man Gedichte, mit Gemüth plaudert man mit seinen Freunden, mit Gemüth geht man spazieren, - mit Gemüth treibt man aber keine Politik, mit Gemüth gründet man keine Kolonien. Wenn daher erst vor wenigen Tagen eine Berliner Zeitung darauf aufmerksam gemacht hat, daß der Auswanderer in der Fremde unfehlbar an seinem Gemüthe Schaden leide, so sage ich, daß ich darin den hauptsächlichsten politischen Gewinn der Auswanderung für Deutschland erkenne; denn ohne allen Zweifel muß das Beispiel eines charaktervolleren, mehr dramatischen Lebens, welchem der Auswanderer sich anvertraut, auf den Geist der Zurückbleibenden einwirken, und ihnen den Geschmack an der lyrischen Seelenstimmung verleiden.[]

[*vgl. z.B. Roscher, Wilhelm: „Nationalökonomische Ansichten über deutsche Auswanderung.“ In: Deutsche Vierteljahrschrift, Heft 3/1848]

(Beschluß folgt)

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Dok-Nr. 10a: „Oldenburger Zeitung“ No. 106 vom 08.07.1858

Julius Fröbel, über deutsche Auswanderung.

(Beschluß)

Es ist ein Unglück für ein Volk, wie eine Qual für ein Individuum, immer auf sich selbst zurückgewiesen zu sein. Der Mangel eines den Kräften und Bedürfnissen entsprechenden Verkehrs mit der Außenwelt hat für Nationen wie für Individuen eine unfruchtbare Beschäftigung mit sich selbst zur Folge, welche zu einer Krankheit des Geistes führen müßte, wenn sie nicht schon selbst eine wäre. Diese Beschäftigung mit sich selbst wird um so auffallender und närrischer, je größer die Disharmonie zwischen den nach innen und nach außen gehenden Lebensrichtungen ist. Welches Volk hat, wie das deutsche, das Beiwort, immer im Munde , welches seinen eigenen Charakter bezeichnet? „Deutsche Kraft“, „deutsche Treue“, „deutsche Liebe“, „deutscher Gesang“, „deutscher Wein“, „deutsche Tiefe“, „deutscher Ernst“, „deutsche Gründlichkeit“, “deutscher Fleiß“, „deutsche Frauen“, „deutsche Jungfrauen“, „deutsche Männer“, - welches Volk braucht solche Bezeichnungen außer das deutsche? - [...]. Der deutsche Geist steht gewissermaßen immer vor sich selbst, und hat er sich hundert Mal besehen, und von seinen Vollkommenheiten überzeugt, so treibt ihn ein geheimer Zweifel, in welchem das innerste Geheimniß der Eitelkeit beruht, abermals davor. – Was ist dies alles anders, als die Selbstquälerei eines Hypochonders, dem es an Bewegung fehlt, und dem nur durch Bewegung zu helfen ist? – Das Maß dieser Bewegung muß sich nach den Kräften richten, welche der Patient zu verarbeiten hat, und diese sind bei dem deutschen Volke so groß, daß es keine Kleinigkeit ist, selbst unter günstigen Bedingungen dafür den Spielraum zu finden. Aus dem deutschen Volke wird in politischer Beziehung entweder niemals viel werden oder noch sehr viel, weil das Maß seiner Kräfte ein sehr großes ist, und es nur darauf ankommen kann, wie sie verwendet werden. Dazu giebt nun unsere bisherige Auswanderung eine zwar sehr ungenügende, immer aber schätzenswerte Vorschule ab: Sie ist der Nation gewissermaßen ein Surrogat der auswärtigen Politik.

[...]

Es wird die Zeit kommen, in welcher die Staaten der civilisirten Welt sich nur über die Rolle streiten werden, die ihnen in der Beherrschung, Cultivirung und Bevormundung der übrigen Welt zufällt, und für die deutsche Nation wünschte ich, daß sie dann nicht bloß die Schulmeister lieferte, welche von andern Nationen angestellt, besoldet und gemaßregelt werden.

Auch in diesen höchsten culturhistorischen Beziehungen stellt sich also die deutsche Auswanderung als ein bloßes Surrogat für eine nicht existirende auswärtige Politik dar. Wenn aber zur wirklichen Hervorbringung dieser letzteren wichtige Entwickelungen des innern deutschen Lebens vorausgesetzt werden müßten, so muß für jetzt, bei aller Unzulänglichkeit des Resultates, der Auswanderung doch eingestanden werden, daß sie durch ihren Einfluß auf den Volkscharakter die Union auf solche Entwickelungen hinlenken hilft und sie darauf vorbereitet.

In allen Beziehungen aber, den national-ökonomischen wie den politischen, entspricht die deutsche Auswanderung auch nicht entfernt den Erwartungen, welche Deutschland von den vortheilhaften Rückwirkungen eines solchen Menschenbeitrages zur Bevölkerung und Cultivirung außereuopäischer Länder unter anderen Verhältnissen hegen dürfte. Die deutsche Nation sendet eine Menschenmenge aus, welche hinreichend ist, der nordamerikanischen Union in jedem Jahre einen neuen Staat hinzuzufügen, - sie sendet eine Menschenmenge aus, welche hinreichend wäre, in zehn Jahren Central-Amerika in ein deutsches Land zu verwandeln. Von den national-ökonomischen und politischen Folgen, die ein solches Resultat nach sich ziehen würde, ist natürlich unter gegenwärtigen Umständen kaum ein Schatten zu spüren. Wirft man also die Frage auf, wodurch Deutschland um einen so großen Theil der ihm aus seiner Auswanderung eigentlich zukommenden Vortheile betrogen wird, so ist die Antwort einfach: Dadurch, daß die deutsche Auswanderung, anstatt sich an passendem Orte zu eigenen Kolonien zu sammeln, sich unter anderen Bevölkerungen zerstreut.

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Dok-Nr. 11: „Oldenburger Nachrichten“ No. 68 vom 25.08.1864

Von Bremerhafen nach dem Leuchtthurm.

Als ich vor einiger Zeit mich einige Tage in Bremerhafen aufhielt, lud mich ein Freund ein, eine Tour nach dem Weserleuchtthurm mitzumachen. Da das Wetter schön, mithin die Gefahr, seekrank zu werden, nicht vorhanden war, so nahm ich die Einladung an und begab mich der Verabredung gemäß gegen 12 Uhr zur Schleuse des alten Hafens. Hier traf ich meinen Freund und wir bestiegen bald darauf den Simson, eins der Schleppdampfer des Norddeutschen Lloyd, dessen Capitän, Schulken, sich freundlichst erboten hatte, uns mitzunehmen. Der Simson hatte eine, mit Auswanderern beladene Barke im Schlepptau, und hatten wir gleich Gelegenheit, die Stärke der Maschine (30 Pferdekraft) und die vortreffliche Führung des Schiffes kennen zu lernen. Dennoch wäre auf ein Haar ein Kahn zusammengedrückt worden, da ein Tau, durch welches die Bark am Ufer festgehalten wurde, trotz seiner Stärke riß und das Schiff in gerader Richtung auf den Kahn losfuhr, daß es nur so krachte. Glücklicher Weise wurde nur das Verdeck des Kahns zertrümmert. – Der Simson brachte nun die Bark auf die Rhede, wo sie vor Anker ging, und holte dann ein zweites Schiff, ein Vollschiff, gleichfalls mit Auswanderern beladen, aus dem Hafen und brachte es gleichfalls auf die Rhede. Nun legte sich der Simson der Bark zu Seite und wurde vorn und hinten durch starke Taue daran befestigt, worauf die Bark die Anker lichtete und nun vom Simson nach dem Vollschiff geschleppt wurde. Nachdem auch dieses, und zwar an der anderen Seite des Simson befestigt war, und den Anker gehoben, ging es der Wesermündung zu. Mittlerweile wurden die beiden Schiffe visitirt, und zwar in folgender Weise. Alle Auswanderer wurden aufgefordert, auf das Hinterdeck zu kommen. Nachdem solches geschehen, wurde das ganze Schiff durchsucht, dann mußten die Auswanderer einzeln, wie sie aufgerufen wurden, an die Treppe treten, ihre Papiere vorzeigen und hinuntergehen. Unten an der Treppe stand der Arzt und faßte jeden scharf ins Auge, namentlich die Feminina, um dem Einschmuggeln der „blinden“ Passagiere zu begegnen. Auf der Bark – ich lasse mit Absicht den Namen weg, um mich freier aussprechen zu können – war Alles in Ordnung. Als auf dem Schiff sich die Passagiere auf dem Hinterdeck versammelten, that einer derselben sehr geheimnißvoll, flüsterte mit seinem Nachbarn u.s.w. und als die Agenten, dadurch aufmerksam gemacht, ihn fragten, gab er solche Antworten, daß jene Verdacht schöpften und genauer nachsahen. Da fand man denn hinter, oder vielmehr unter der Matratze des Geheimnißvollen einen jungen Mann, der, wie sich bald herausstellte, weder Papiere noch Geld besaß, mithin, zur Rückbeförderung, verurtheilt wurde. Nun aber drang Alles auf den Geheimnißvollen ein: „Sie haben ihn verrathen!“ – „Sie sind Schuld an dem Unglück des armen Menschen!“ etc. Der Geheimnißvolle stand erst einen Augenblick, wie verdonnert, dann rief er: „Habe ich ihn wirklich verrathen, dann will ich auch für ihn bezahlen!“ – öffnete seine Tasche, - die übrigens gut gefüllt schien – und bezahlte für den Verrathenen, welcher dadurch zu Thränen der Freude gerührt wurde. Der letzte auf dem Hinterdeck behauptete, seine Papiere nicht finden zu können, allein da er auch nicht auf der Liste stand, machte man nicht lange Federlesen, sondern ließ ihn in das neben dem Schiffe befindliche Boot hinab. Jetzt war Alles fertig, die Boote verließen die Seite des Schiffe und kehrten zurück, natürlich unter Hurrah-Geschrei der Auswanderer. Jetzt begannen wir unsere Rundreise. Zuerst stiegen wir auf die Bark – die Schiffe lagen alle drei Bord an Bord. Die Bark hatte etwa 290 Auswanderer an Bord. Einige Wenige fuhren in erster Kajüte; ihnen war zwar ein sehr enger Raum zugetheilt, aber Alles war niedlich und schön, prächtige Möbeln, reine Luft, gute Betten, kurz, es ließ sich da wohnen. In der zweiten Kajüte sah es schon anders aus. Diese war ebenfalls auf Deck angebracht, so daß Licht und Luft in ziemlicher Menge Zutritt hatte, allein im Uebrigen fehlten so ziemlich alle Bequemlichkeiten und vor allen Dingen mangelte es an Platz. Rund umher waren die Kojen, zwei Reihen über einander, jede Koje für 2 Personen; dazwischen ein Raum von der Größe einer großen Stube, aber zum großen Theil durch die Kisten und Kasten der Bewohner in Beschlag genommen. Aber, wie gesagt, Licht und Luft hatten einen leidlichen Zugang. Nun ging es ins Zwischendeck. Schon auf der Treppe merkten wir, daß wir für eine Zeitlang die schöne Luft entbehren müßten. Da das Zwischendeck zum größten Theil unter dem Wasserspiegel liegt, kann Licht und Luft nur durch die Treppenöffnungen, durch die sogenannten Luken hineindringen; man kann sich denken, daß diese beiden Himmelsgaben spärlich genug vorzufinden sein werden. Das Zwischendeck hat eine Höhe von etwa 8 Fuß und nimmt die ganze Breite und ungefähr die ganze Länge des Schiffes ein, wohl, aber in diesem Raume sollen über 200 Personen, Männer, Frauen, junge Leute und Kinder wohnen, essen und trinken, hier steht das auf der Reise zu gebrauchende Gepäck und – hier wird, wenn oben das Commando: „Luken tou!“ ertönt, die Seekrankheit abgehalten! Darf ich noch weiter beschreiben?! Auf dem Vollschiff war die erste Kajüte viel glänzender eingerichtet, auch die zweite etwas wohnlicher als auf der Bark, allein das Zwischendeck noch grauenhafter, ja grauenhafter. Ich will das Wort nicht streichen, denn es ist zwar derb aber bezeichnend. Es waren hier, denn das Schiff führte, wie man mir sagte, über 300 Auswanderer, außer an den Seiten auch noch in der Mitte 2 Reihen Bettstellen und in allen 4 Reihen je 2 übereinander und jede Bettstelle für 2 Personen! Durch die Mittelreihen wurde das Licht verhindert, dem Raum auch nur ein Dämmerlicht zu geben. - - Daß die Localität und die dadurch bedingte Lebensweise für die Auswanderer selbst viel weniger schrecklich, ja mehr oder weniger ohne Unannehmlichkeit sei, bewies ihre durchgängig recht heitere Stimmung. Es war ein buntes, bewegtes Leben auf, wie unter dem Deck, da Leute aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands zusammengedrängt waren. Am wenigsten heiter waren die aus Norddeutschland kommenden Auswanderer. Man sah es ihnen an, daß sie erst vor Kurzem vom heimathlichen Heerd und den Freunden und Verwandten Abschied genommen hatten. Den Mittel- und Süddeutschen lag die Heimath schon ferner, für sie war der Anblick der weiten Wasserfläche etwas so Neues, daß der Schmerz des Abschiedes vom Vaterland dagegen zurücktrat, vorausgesetzt, daß ihre Vaterlandsliebe sich auch auf die Küsten der Wesermündung erstreckte. Hier saß eine Gesellschaft und sang: Hinaus in die Ferne; dort wurden unter lebhaften Mienen und Handbewegungen Bekanntschaften gemacht; in jener Ecke zählten die Eltern ihre Baarschaft, während ihre Kinder schon gleichgültig gegen die stets wechselnde Umgebung, sich an einem unschuldigen Spiel ergötzten, hier – doch plötzlich erschallt Musik. Einer zieht die Mundharmonika und ein Andrer begleitet mit der Flöte, und ein lebenslustiger Thüringer Bursche ergreift seinen Nachbar und walzt mit ihm auf dem Verdeck herum. Bald folgen andere; auch die rasch versammelten Mädchen werden aufgefordert, ziehen sich aber noch scheu zurück. Schon ist der Leuchtthurm längst passirt, die Küsten der Weser zeigen sich nur noch als schwache Nebelstreifen, kaum deutlich, als die Küsten Jeverlands, da macht der Simson eine Schwenkung mit seinen Begleitern, die Taue lösen sich und eins der Schiffe treibt allein. Der Anker donnert ins Wasser und mit einem Hurrah aus 300 Kehlen, werden wir, die letzten Deutschen, welche sie vor der Ueberfahrt erblickten, von ihnen verabschiedet. Bald wiederholt sich dasselbe bei dem andern Schiff und wir kehren zurück. Mancher Gedanke steigt in uns auf, mancher Wunsch wird rege, doch was nützt es, auszusprechen, was unser Innerstes bewegt.            -l.-

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Dok-Nr. 12: „Oldenburger Zeitung“ No. 240 vom 12.10.1867

Betreff der Behandlung deutscher Auswanderer veröffentlicht Dr. Dover, wohnhaft in Carver, im Staate Minnesota, in den Milwaukee-Zeitungen, daß mehrere Familien preußischer Einwanderer sich bei ihm gemeldet haben, die blaß, matt und abgezehrt, über ihre Erlebnisse folgende Auskunft gaben: „Am 5. Juni ging das Schiff „Wilberforce“ mit 560 bis 580 deutschen Passagieren von Bremen nach Quebec ab. Bald verspürten die Auswanderer, in welche Hände sie gerathen. Von der Mannschaft wurden sie wie Transportvieh behandelt, geschimpft und gestoßen, vom Koch und Bootsmann gemißhandelt, und bei der geringsten Klage über Ungenießbarkeit der Kost hieß es: „Gut genug für Euch Schweine!“ Contractlich sollten die Passagiere 5 Pfund Brod wöchentlich erhalten, man gab ihnen nur 1 ½ Pfd. und verkürzte im Verhältniß alle andern Lebensmittel. Nach etwa 5 Wochen brachen Blattern und Hunger-Typhus aus, das Elend ward täglich größer, und bei der Ankunft in Quebec, nach genau achtwöchiger Reise, mußte ein großer Theil der Passagiere ins Hospital gebracht werden. Der Arzt erklärte ausdrücklich, daß nur Hunger die Ursache der Krankheit sei. Dreizehn Kinder waren unterwegs absolut an Nahrungsmangel gestorben. In Quebec aber ließ der Capitän große Quantitäten vom Fässern mit Bohnen, Reis, Erbsen, Sauerkraut, Pflaumen u.s.w. ans Land schaffen und für seine Rechnung verkaufen.“ Dies ist der wesentlichste Theil der Doverschen Mittheilung. Das preußische Generalconsulat in Milwaukee wird in Quebec die erforderliche Information einziehen und weitere Schritte ergreifen. Deutsche Auswanderer von Bremen und Hamburg sollten niemals die Reisetour über Quebec wählen; in Newyork ist doch immerhin eine Controle vorhanden, welche ihnen mehr oder minder Schutz gewährt.

(Cour.)

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Dok-Nr. 13: „Oldenburger Zeitung“ No. 52 vom 03.03.1868

Auswanderung

Die Deutsche Gesellschaft der Stadt New-York, welche sich bekanntlich mit uneigennützigem Eifer der Auswanderer annimmt, veröffentlicht unter dem 25.Januar folgende Warnung:

Wir haben schon früher in unseren Jahresberichten auf die große Sterblichkeit hingewiesen, welche häufig auf den hier von Hamburg und Antwerpen ankommenden Segelschiffen sich ereigneten. Wir hatten gehofft, daß die Eigenthümer dieser Schiffe dadurch veranlaßt werden würden, künftig dieselben mit gutem Wasser, Proviant und Medicamenten in solchen Quantitäten zu versehen, daß selbst auf verzögerten Reisen kein Mangel an denselben entstehen könnte. Wir glaubten, daß eine Hindeutung von unserer Seite auf verschiedene andere bestehende Uebel, z.B. die Abwesenheit eines erfahrenen Arztes, die Ueberfüllung der vorhandenen Räume, die schlechte Ventilation und die ungenügende Reinigung derselben, hinreichen würden, dieselben zu beseitigen.

Wir haben uns leider in diesen Erwartungen getäuscht. Die Ankunft im vorigen Sommer des von A.Strauß und Co. in Antwerpen expedirten Schiffes „Giuseppe Baccarich“ mit 18 Todesfällen, sowie die des vor einigen Wochen eingetroffenen, von R.M.Sloman in Hamburg beförderten Schiffes „Leibnitz“ mit 105 Todesfällen, der Zustand in welchem die Ueberlebenden hier ankamen, und die Berichte, welche dieselben über ihre Leiden und Entbehrung während der Reise erstatteten, haben uns die Ueberzeugung aufgezwungen, daß es vergeblich ist, an die Menschlichkeit dieser beiden Firmen zu appeliren.

Uns bleibt nur ein Mittel übrig, um, soweit es in unsern Kräften liegt, für die Zukunft solche Leiden und Verluste von Menschenleben zu verhindern, und ergreifen wir dasselbe hiermit, indem wir die deutschen Auswanderer ernstlich warnen, für ihre Reise nach den Vereinigten Staaten sich den Schiffen des Hrn. R.M.Sloman in Hamburg anzuvertrauen.

Es ist höchst wahrscheinlich, daß diese Leute künftig ihre Schiffe durch Mäkler und Agenten anempfehlen lassen, ohne daß ihre Namen dabei genannt werden.

Soviel hier bekannt ist, controllirt R.M.Sloman alle von Hamburg nach hier abgehenden Segelschiffe, und empfehlen wir deshalb Auswanderern, so lange dies der Fall ist, nicht mit Segelschiffen von Hamburg aus zu reisen, und wenn sie über Antwerpen gehen wollen, alle Segelschiffe und Dampfer zu vermeiden, mit welchen A.Strauß und Co. irgend etwas zu thun haben.

Wir machen wiederholt darauf aufmerksam, daß Auswanderer, wenn es ihnen nur irgend möglich ist, besser thun mit Dampfschiffen zu reisen. Was sie bei Segelschiffen an Geld ersparen, geht durch die längere Zeit, welche die Reise erfordert, durch die größeren Gefahren, welchen sie sich aussetzen, und durch die Leiden und Entbehrungen, welche sie gewöhnlich erdulden müssen, mehr als verloren.

Schließlich wiederholen wir den oft ertheilten Rath an Auswanderer, sich keine amerikanischen Eisenbahnbillets in Europa zu kaufen.

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I.2. Motive und Ursachenbekämpfung


Dok-Nr. 14: „Oldenburgische Blätter“ No. 18 vom 01.05.1832

[Leitartikel] Auswanderung nach Nordamerica.

Am 11.April zogen 8 Familien durch Lohne zur Auswanderung nach Nordamerica. Ein sehr ergreifender Anblick! Besonders war es rührend, als ein 7jähriger Knabe mehrmalen zu seiner Mutter sagte: Mutter! laßt uns wieder zu Hause gehen! In Damme ist der Abschied sehr traurig gewesen und viele Einwohner haben die Auswanderer eine halbe Stunde Weges begleitet.

Ein Brief, den der ausgewanderte Buchbinder Stallo aus Damme im Januar d.J. aus Cincinati geschrieben hat, mag viel zur Beförderung der Auswanderung beytragen, aber noch mehr der gegenwärtige Druck der Zeit. Das Kaufgarn, ein Haupterwerbzweig der hiesigen geringern Classe, kostet kaum 4 Grote das Stück zu 3 Ellen, der Flachs wird bezahlt, aber sehr wenig an Spinnen verdient. Getreide ist zur Ausfuhr nicht vorhanden, und wird zur eigenen Consumtion bis zur Erndte nicht ausreichen, zum Ankauf aber ist es zu theuer; einzelne Familien haben seit Neujahr her sich schon mit Kartoffeln sättigen müssen, weil es ihnen am theuren Brode fehlte. An Speck und Schinken zur Ausfuhr fehlte es ebenfalls, weil das theure Getreide zum Mästen der Schweine nicht verwendet werden konnte. Alle Gewerbe, vorzüglich die Kornbranntweinbrennereyen, stocken. Woher sollten die Leute Geld hernehmen, die nöthigen Bedürfnisse und die Abgaben zu bestreiten? Auch die Aussicht, daß es bald besser werden kann, ist sehr zweifelhaft. Kommen dann die goldnen Berge hinzu, die die Ausgewanderten in ihren Briefen aus Nordamerica ihren Freunden und Angehörigen in der Heymath von dorther melden, wer mag es dann dem so viel Geplagten zu verargen, wenn er das Aueßerste wagt, wenn er mit blutendem Herzen das geliebte Vaterland verläßt, und in der weiten Ferne ein milderes Schicksal für sich und die Seinigen sucht.

d. 18.Apr. 1832.         R.

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Dok-Nr. 15: „Oldenburgische Zeitung“ No. 57 vom 16.07.1839

V.N.

Die ausgewanderten Anhänger des Pastors Stephan haben endlich ein Plätzchen in Amerika gefunden, wo sie sich niederlassen und eine neue Heimath gründen wollen. Das Land, 120 englische Meilen nördlich von St.Louis, umfaßt einen Flächenraum von 10.000 Acker, ist sehr fruchtbar, liegt sehr hoch, ist gesund, quellenreich und mit Waldungen gut bewachsen. Die neue Stadt, welche die Ansiedler gründen wollen, soll Stephansburg heißen. Stephan selbst hat seine Residenz einstweilen in St.Louis aufgeschlagen, ist zum Bischof ernannt worden und der Bischof der englischen Episcopalkirche daselbst hat ihm seine neugebaute Kirche für den lutherischen Gottesdienst zum Mitgebrauch so lange eingeräumt, bis sich die Lutheraner eine eigene Kirche bauen können. Die erste Predigt, welche Stephan in St.Louis hielt, hatte die Freiheit zum Thema. „Wir haben gefunden, was wir suchten: freies Gewissen, freies Wort, freien Gottesdienst. Wir wollen unsern Kindern und Kindeskindern diese köstliche Freiheit bewahren und unser Wahlspruch bleibe: Gottes Wort und Luthers Lehr‘ vergehen nun und nimmermehr. Gott segne Amerika, unsere neue Heimath!“ Das waren seine Schlußworte.

Die Sucht der Auswanderung nach Amerika scheint auch die jüdische Bevölkerung des churhessischen Städtchens Bockenheim befallen zu haben. Von den daselbst seßhaften jüdischen Familien, deren Zahl sich auf etwa 80 beläuft, werden im August 5 oder 6 über den Ocean schiffen, um sich in den Ver.Staaten anzusiedeln.

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Dok-Nr. 16: „Oldenburgische Zeitung“ No. 52 vom 30.06.1843

Vermischte Nachrichten

Berlin, 14.Juni. Am 29.Mai lag hier auf der Spree ein großer Kahn voll alt-lutherischer Auswanderer nach Amerika vor Anker, um noch einige Berliner Emigranten aufzunehmen. Für 140 Seelen war Platz in dem Fahrzeug; Kisten, Koffer, Säcke und Bündel bedeckten in bunter Unordnung den Schiffsraum. An der Spitze des Zuges befinden sich die Prediger Kindermann und Ehrenström. [...] Die Ursache dieser Auswanderung ist keineswegs der Druck irgend einer vaterländischen Behörde, sondern vielmehr der Zwiespalt, der unter den Separaten entstanden ist, seitdem durch die Breslauer Synodalbeschlüsse der Versuch gemacht ist, sich als die echte urlutherische Kirche zu constituiren. Mancherlei Zuwachs haben die Auswanderer auch durch solche Leute, namentlich durch Weber und andere Arbeitsleute, erhalten, die ihren bisherigen Verdienst hier in Hunger umschlagen sahen. Der Wahn, daß die jetzt herrschende Noth durch das Verlassen der wahren Kirche herrühre, liegt sehr nahe. Als Auswanderer zu Lutheranern geworden, schließen sie sich den Uebrigen an.

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Dok-Nr. 17: „Neue Blätter für Stadt und Land“ No. 79 vom 04.10.1843

Auswanderung

Seit einem Jahre haben zahlreiche Bewohner des Ammerlandes, man sagt allein über 200 Menschen aus den Kirchspielen Westerstede und Zwischenahn, sich zur Auswanderung nach Amerika aufgemacht. Manche dieser Leute gehen keiner erfreulichen Zukunft entgegen, indem sie theilweise ihr hiesiges geringes aber sicheres Auskommen gegen ein unsicheres, oft nur eingebildetes vertauschen. Wie ist dieses aber zu ändern? Wäre es nicht vielleicht gut, wenn von Staatswegen oder auf andere Weise sichere Nachrichten über die amerikanischen Verhältnisse eingezogen und so den Auswanderungslustigen über ihr künftiges Schicksal Belehrungen ertheilt würden? – Meistens bauen sie auf leere Vorspiegelungen, die ihnen von diesem und jenem gemacht werden, und wohl selten erfahren sie die Wahrheit eher, als sie dort in Amerika ankommen, und dann ist es leider! nur oft zu spät. *) –

*) Der Gegenstand verdient allerdings die ernsteste Beobachtung, wie sich denn auch an allen Enden Deutschlands Stimmen über denselben haben vernehmen lassen. Wenn dort meistens wirkliche Ueberbevölkerung die Veranlassung war, so dürfen wir annehmen, daß dieser Grund auf dem Ammerlande nicht gelte. Es kommt also bei uns nicht sowohl darauf an, wie in anderen deutschen Staaten, die Auswanderung zu regeln, als vielmehr zum Heil des Ganzen und des Einzelnen den Ursachen derselben abzuhelfen. Dies kann aber geschehen, wenn die letzteren selbst durch zahlreiche Beobachtung einzelner Fälle zur öffentlichen Kunde gebracht werden. Wir bitten daher alle diejenigen, die dazu im Stande sind, uns mit Beiträgen aus ihrer eignen Erfahrung an die Hand zu gehen, welche, wenn sie in genügender Zahl eingehen, uns in den Stand setzen werden, diesen Gegenstand einmal ausführlich zu Sprache zu bringen. Dabei würden folgende Gesichtspuncte ins Auge zu fassen sein: 1) Welches Lebensalter wandert vorzugsweise aus? 2) Welcher Stand und welches Gewerbe? 3) Unter welchen Vermögensverhältnissen leben die Auswanderer? 4) Welche sind die erkennbaren nächsten Veranlassungen, sind diese privater oder öffentlicher Art? 5) In wie weit zeigt sich eine Thätigkeit der Transportmäkler? 6) Finden Einladungen schon Ausgewanderter häufig Statt? 7) Wohin sind die jüngst Ausgewanderten gezogen? 8) Welcher Art war das Schicksal unserer Ausgewanderten? 9) Auf welche Weise hat man bisher den Ursachen der Auswanderung entgegenzuwirken gesucht? u.a.

Die Red.

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Dok-Nr. 17a: „Neue Blätter für Stadt und Land“ No. 82 vom 12.10.1844

Die Auswanderung aus dem Ammerlande.

Vielleicht erinnern sich manche Leser, daß der in der Ueberschrift angedeutete Gegenstand schon in Nr.79 des Jahrgangs 1843 der Neuen Blätter zur Sprache kam und die Redaction damals, unter Stellung von 9 speciellen Fragen, um genaue Nachrichten über die Ursachen der Auswanderung bat. Viel ist ihr nun freilich darauf nicht geantwortet. Indessen stellte sich doch ein Mann ein, der sich unfähig erklärte, einen Aufsatz abzufassen und daher bat, seine mündliche Erklärung niederzuschreiben. Ein anderer hat uns schriftliche Mittheilungen gemacht, und mehrere Auswanderer sprachen wir selbst. Das Ergebniß dieses kleinen Anfangs einer nichtamtlichen Enquete wollen wir, da neuerdings wieder zahlreiche Auswanderungen vorgekommen sind, unsern Lesern nicht vorenthalten.

Zu 1. Die Auswanderung beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes Lebensalter, meistens sind es ganze Familien mit deren unverheiratheten Angehörigen, die sich gemeinschaftlich zur Auswanderung entschließen.

Zu 2 und 3. Die Ausgewanderten waren meistes wenig bemittelte Landleute, neue Anbauer, die kein Weiterkommen sahen, Besitzer kleiner Stellen, die in der neuen Welt ihren Kindern eine bessere Zukunft zu bereiten meinten, einzeln auch recht wohlhabende Leute, namentlich aus dem Amte Zwischenahn, aus welchem z.B. einer mit 3800 Rthlr. Capital fortzog *). Der Auswanderer G. Janssen aus Rostrup versicherte, als ihm im abrathenden Gespräche die Gefahren vorgehalten wurden, deren er sich und seine Schwesterkinder aussetze, mit Thränen im Auge: ohne besonderes Glück könne der kleine Mann zu Hause doch zu nichts kommen.

Zu 4. In den letzten 10 Jahren war im Ammerlande die Nachfrage nach Wiesenland so groß, daß die Besitzer kleiner Stellen, welche nur Ackerland aus der Haide herausarbeiten konnten, das Heuland zu enormen Preisen heuern mußten. Die große Abhängigkeit der geringen Leute von der verhältnismäßig geringen Anzahl größerer Grundbesitzer wird tief empfunden und mit ihm die fehlende Gelegenheit zum Erwerb eigenthümlicher Landstellen, deren Preise durch die Concurrenz weit über den wahren Werth gesteigert sind.

Zu 5. Von einer Thätigkeit eigentlicher Transportmäkler hat nichts verlautet. Wohl aber haben einzelne aus Amerika Zurückgekehrte sich bemüht, Andere nachzuziehen, wohl nicht immer ohne einen pecuniären Vortheil. So kehrte ein junger Mann zurück, der anfangs offenbar hier bleiben wollte, indem es seiner verwittweten Tante zumuthete, ihm ihre Stelle abzutreten, und erst als dies abgeschlagen wurde, seine Absicht, nach Amerika zurückzukehren, unter Anpreisungen mancherlei Art an den Tag legte. Er beschwatzte ziemlich Viele, mit ihm fortzuziehen, und soll nicht Unbedeutendes für seine Vermittelungen von ihnen gezogen haben. Nach seinem Beispiele kam im letzten Frühjahr abermals ein Ausgewanderter zurück, der ebenfalls mit Erfolg arbeitete. Er soll von seiner Schaar 25 Pistolen gelöset haben. Wenn solchen Verführern, der Freizügigkeit unbeschadet, gesteuert werden könnte, so würde das zu wünschen sein.

Zu 6. Die im Jahr 1842 aus dem Ammerlande Ausgewanderten haben im Allgemeinen zufrieden geschrieben, jedoch werden einzelne von ihren Mittheilungen einseitig ausgelegt. Wenn z.B., wie zu 4 bemerkt, die Möglichkeit, Vieh zu halten und Dünger zu gewinnen, den Anbauern im Ammerlande so theuer zu stehen kommt, so muß ihnen ein Land, daß keine Düngung braucht und wo das Milchvieh fette Weide in der Wildniß findet, wie namentlich Missouri geschildert wird, wie ein Eldorado vorkommen. Daß Kirche und Schule dort fehlen, wird im Anfange bei der Menge von neuen Eindrücken nicht sehr empfunden und daher von dort her noch wenig über diese Mängel geklagt. Daß recht viele von den Ausgewanderten bald dem Klima erlagen, wird leicht übersehen, da die Todten nicht mehr schreiben und klagen.

Zu 7 und 8. Die jüngst Ausgewanderten haben sich, gleich denen von 1842 und 1843, meistens über New-Orleans nach St.Louis begeben. In den benachbarten Grafschaften im Staate Missouri haben sie sich meistens wieder dem Landbau ergeben. Sie haben ihr Brod vielleicht besser, als zu Hause, aber auch Entbehrungen, die sie hier nicht kannten.

Zu 9. Allgemeine Abmahnungen von Seiten der Beamten, der Prediger und sonstiger Einflußreichen haben Statt gefunden, aber mit geringem Erfolg, da sie auf die Klagen über den Druck der heimischen Zustände keine zufriedenstellende Antwort hatten, und die Drohung mit den Gefahren der ungewissen Zukunft ihrer Allgemeinheit wegen, gegenüber den dorther gelangenden Mittheilungen über den Erfolg Einzelner, ohne bedeutende Wirkung bleiben mußten. Auch werden dergleichen Abmahnungen mit Mißtrauen aufgenommen, namentlich wo sie von Seiten der Beamten, von denen man meint, sie mahnten im Herrschaftlichen Interesse ab. Untersuchungen und Berichte über den Zustand der unbemittelteren Classen müßten denn auch eben deshalb nicht gerade vorzugsweise auf die Mittheilungen der großen Grundbesitzer gestützt werden. Als Mittel, den ferneren Auswanderungen Schranken zu setzen, werden angegeben: Erleichterung der Zerstückelung der Landstellen, Anlegung von Vehnanstalten im Moore und Industrieschulen zum Beginn einer Hebung der häuslichen Industrie.

*) Die im September von dort Ausgewanderten sind fleißige Leute, die ihr Brod hatten, und zusammen wohl 10000 Rthlr. mitnahmen.


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Dok-Nr. 18: „Oldenburgische Zeitung“ No. 87 vom 30.10.1846

Deutschland.

Hamburg, 21. Octbr. (H.C.) Neulich kam hier eine Anzahl Mecklenburger an, die alle nach Texas auswandern wollten und dadurch auffielen, daß sie alle Oberröcke von einem und demselben Stücke groben Tuches trugen. Allein als sie auf dem Schiffe angekommen waren, begannen sie so frevlerische, haarsträubede Redensarten zu führen, begangener Mord- und Raubthaten sich so frech zu rühmen, daß es den andern armen Passagieren im Zwischendeck Angst wurde, und sie Anzeige bei dem Kapitän und Rheder machten. Es fand sich jetzt, daß die Herren schwere Verbrecher aus mecklenburgischen Zuchthäusern waren, welche die Behörden hatten zur Ersparniß weiterer Kosten expediren wollen; sie sind jetzt hier in Haft und die mecklenburgische Regierung wird sie wohl wieder aufnehmen müssen.


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Dok-Nr. 19: „Neue Blätter für Stadt und Land“ No. 51 vom 26.06.1847

[Leitartikel] Einiges über Auswanderungssucht.

Wenn gleich nicht zu verkennen ist, das Viele der aus unserm Lande Auswandernden durch lockende Briefe, falsche Vorspiegelungen gewissenloser Leute, glänzende Schilderungen des Glückszustandes ihrer Angehörigen (die selten der Wahrheit getreu sind), bewogen werden, ihr Vaterland zu verlassen und sich nach Amerika überzusiedeln, so sind dieses doch nicht die Hauptmotive zur Auswanderung. Der Drang sich eine bessere Existenz zu verschaffen, selbst dann, wenn keine ganz ungünstigen Verhältnisse vorliegen, ist jedem Menschen eigen, und somit läßt er Nichts unversucht, was diesem Drange Befriedigung zu gewähren scheint. Je beschränkter aber der Wirkungskreis ist, worin er sich zu bewegen hat, je ungewisser sind seine Aussichten, das vorgesteckte Ziel in der Heimath zu erreichen; und um so weniger hat man sich zu wundern, wenn der für sein Glück thätige Mann Amerika gegen sein Vaterland vertauscht, da in den Freistaaten die Gewerbefreiheit jeden unternehmenden Kopfe Gelegenheit an die Hand giebt, auf eine oder andere Art sein Heil zu versuchen. Gelingt Manches nicht, so hat er darum nicht zu verzagen, es bleibt ihm ja der Weg offen, sich anderswo umzusehen, oder ein Anderes zu versuchen, indem er für sein Geld ein Patent zu jeglichem Geschäfte erhalten kann.

Wie ganz umgekehrt ist es hier aber im Oldenburgischen. Bleiben wir zum Beispiel beim Handwerker stehen. Ein solcher wünscht sich zu etabliren, hat seine Lehrjahre durchgemacht, sich auf Reisen vervollkommnet, das gehörige Betriebscapital nachgewiesen, der Militairpflicht genügt und das großjährige Alter erreicht; mithin kann ihm die Handwerks-Verordnung nicht entgegen stehen, und er ist glücklich in der Hoffnung, seinen heiß ersehnten Wunsch nicht abgeschlagen zu sehen. O! zu voreilige Freude! – Wäre es dir, glücksuchender Mann, bewußt, welche Hindernisse dir noch entgegen treten können, ehe du deinen Zweck erreichst, gewiß du würdest deine Freude um ein Bedeutendes herabstimmen. Mit der Einreichung deines Gesuches um Aufnahme als Meister bei dem betreffenden Amte, fällst du erst der Gunst deines Amtmanns anheim. Dieser wird, im Fall du dich solcher nicht zu erfreuen hast, seinen Bericht an die Regierung so einzurichten wissen, daß deine Eingabe mit dem gewöhnlichen, aber inhaltschweren Worte:

„auf das Gesuch kann nicht eingetreten werden.“ zurückgewiesen wird. Legst du deshalb nun auch Recurs ein, es wird dir selten helfen. Fordert die obere Behörde einen Bericht, so wird dieser natürlich so gestellt, daß er die abgegebene Resolution ganz rechtfertigt. Durch welche Mittel wird sie aber gerechtfertigt? – Wodurch wäre allen diesen Plackereien vorzubeugen? Antwort: durch Gewerbefreiheit. Die in ihrem alten Rechte sitzenden Gewerbetreibenden würden freilich über Ueberfüllung des Gewerbes durch die Gewerbefreiheit schreien, jedoch was thuts? Mag doch Jeder zusehen, wie er durch billige humane Behandlung der Eingesessenen sein Brod sichert und mit den Mitarbeitern in seinem Fache gleichen Schritt hält. Ist doch der Gewerbestand nicht da, damit nur die Ausübenden Nutzen ziehen, nein! des allgemeinen Wohles wegen. Geben uns doch andere Staaten den Beweis, daß sich Gewerbefreiheit mit den Interessen der Unterthanen bestens verträgt, warum sollen wir länger den Ansichten und oft Launen der Beamten ausgesetzt sein, die durch ihre Machtsprüche uns das Lebensglück zerstören oder erhalten können, je nachdem wir verstanden haben, ihre Gunst zu erlangen, oder den graden Weg gehend, solche verscherzt haben. Gebt uns Gewebefreiheit, und nochmals sei es gesagt, die Unannehmlichkeiten haben ein Ende.

Einsender erlaubt es sich, einige Thatsachen anzuführen, wie manchmal von Seiten des Amtmanns, der mit einer ausgedehnten Machtvollkommenheit begabt ist, verfahren wird.

Jemand, der früher in einem Amte auf der Geest wohnte, suchte durch Handel sein Brod für sich und seine Familie zu gewinnen und wandte sich dieserhalb zur Erlaubnißerwirkung an das Amt. Diese wurde ihm aber geradezu verweigert, da er das Unglück hatte dem Amtmann zu mißfallen, und es war diese Weigerung noch mit den kränkenden Worten begleitet, falls er, der Bittsteller, nicht lebe könne, müsse er sich an die Armendirection wenden und um Unterstützung nachsuchen. Als dieser Familien-Vater nun einsah, im Oldenburgischen sein Brod nicht haben zu können, zog er in’s Hannoversche und findet dort durch Handel sein gutes Auskommen. Uebrigens kann dieser Mann die besten Zeugnisse beibringen.

Ferner, unter dem Vorgeben, es werde andern Gewerbetreibenden dadurch zu nahe getreten, wird Personen ein Gewerbe untersagt, welches sie schon seit alten Zeiten ausübten. Die Person wird vorgeladen, um sich auf eine Denunciation der ihr das Brod mißgönnenden Gewerbetreibenden zu verantworten. Es wird nicht gestattet, einen Beistand mit auftreten zu lassen, was um so mehr zulässig sein müßte, wenn Frauenspersonen, wie hier der Fall vorliegt, sich gegen dergleichen Angriffe zu schützen haben, denn das Civil-Recht erkennt es ja an, daß dem weiblichen Geschlechte manche Einrede zu Gute kommt, worin die Anerkennung liegt, daß solches nicht die gehörige Sachkenntniß habe, diesen oder jenen Punct recht aufzufassen. Ist nun die Sache soweit gediehen, daß die Vertheidigung der Denunciantin, so gut wie es hat gehen wollen, zu Protocoll genommen, so wird, ohne ihr einmal eine Frist zu setzen, worin sie ihre Rechte nachweisen kann, der Befehl erlassen, das Gewerbe einzustellen. Wie schon früher erwähnt, eine Recurseinlegung führt selten zu einem bessern Resultate, und geduldig leiden was nicht zu ändern, ist hier das Beste, wenn nicht auf dem Wege zu den Stufen des Thrones unseres gnädigsten Fürsten – der mit solchen Einzelnheiten eigentlich gar nicht behelligt zu werden braucht – dasjenige erwirkt werden kann, was bisher nicht zu erlangen war.

Es wäre ein Leichtes mehrere Verhältnisse nachzuweisen, wo es klar wurde, daß das Vorhaben verschiedener Personen sich eine Erwerbsquelle zu verschaffen, an dem Entgegenarbeiten des Beamten scheiterte.

Auf unsern anfangs erwähnten Gegenstand, nämlich die Auswanderung nach Amerika, zurückkommend, bemerken wir noch, daß eben die Unsicherheit, sich im Vaterlande selbstständig niederlassen zu können, Viele veranlaßt auszuwandern; denn wie Mancher unterliegt dem einseitigen Gutfinden der Behörde, obgleich er die Mittel besitzt, sich einen eigenen Heerd zu gründen! Von Eltern, die ungern das ihnen sonst theure Vaterland verlassen, und gerne zu den Gebeinen ihrer Voreltern gebettet werden möchten, hört man immer nur die Klage: „wir hätten hier noch wohl zu leben, aber unserer Kinder wegen müssen wir auswandern, denn diesen bleibt, wenn sie sich einem Geschäfte widmen, für die Zukunft nur die Ungewißheit, ob sie sich in ihrem Kirchspiele selbstständig niederlassen dürfen. Uns belehrte die Erfahrung, daß enorme Schwierigkeiten zu überwinden sind, und will man im eigenen Kirchspiel die Kinder nicht wirken lassen, wenn sie Männer geworden; wieviel weniger wird es ein fremdes thum.“*) Den Eltern wie den Kindern ist es aber darum zu thun, daß letztere nicht auf die Handthierung der Ersteren beschränkt sind und in deren Fußstapfen treten müssen, nein! sie wollen eine bessere Existenz, und können sie solche in ihrem Vaterland nicht finden, muß Amerika den Ausweg zeigen. Wer wollte wohl diesen Leuten unter solchen Umständen das Auswandern verdenken!

Ein durch mißrathene Ernten verarmter Heuermann ist wirklich zu bedauern. Die jetzige Theurung zeigt das recht augenscheinlich. Eine große Masse Menschen leidet unter dem Drucke dieser Zeit, und an manchen Orten ist Erfreuliches zur Stillung des Hungers gethan. Was ist aber in hiesiger Gegend wesentlich gethan? – Wenn auch der zusammen berufene Ausschuß theilweise den guten Willen zeigte, zeitig Brodkorn zu noch einigermaßen billigem Preise anzuschaffen, so blieb der gute Wille ohne Erfolg, weil der Amtmann die Ansicht hatte, daß keine Hungersnoth zu befürchten sei. Selbst das edle Anerbieten eines Ausschußmannes, zum Ankauf des Rockens eine Summe ohne Zinsen hergeben zu wollen, eine andere aber gegen Beziehung der üblichen Zinsen wurde zurückgewiesen. Eine Hungersnoth im eigentlichen Sinne des Wortes ist freilich nicht da, allein manche leidet Hunger, und würde nicht hungern, hätte der Amtmann zeitig Vorsichtmaßregeln getroffen, statt ihnen entgegen zu sein. Aber jetzt ist es zu spät. Das Sprichwort sagt: man wirft den Brunnen zu, wenn das Kind ertrunken ist. Daß aber jetzt durch öfteres Sammeln des doppelten Armengeldes zur Anschaffung des theuren Rockens geholfen werden soll, ist sehr zu bedauern, denn wäre zeitig ein Fonds von Rockenkorn angeschafft worden, so wäre dies überflüssig gewesen.

Alles das vorhin Gesagt zusammen genommen, muß uns in der Ansicht bestärken, daß die Erwerbszweige der Unterthanen im Herzogthum Oldenburg zu beschränkt sind; man gebe uns Gewerbefreiheit und Wenige werden fortan ihr Vaterland mit Amerika vertauschen wollen.

D., im Mai             .....s.

*) Es ist bezeichnend für unsern Zustand – sagt Immermann (Memorab. I. S.111) -, daß deutsche Eltern in den Kindern die Zukunft zu erblicken pflegen, und zwar die Segnungen derselben, welche ihnen versagt blieben.                A.d.R.


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Dok-Nr. 20: „Der Oldenburgische Volksfreund“ No. 4 vom 13.01.1849

Nach Californien.

Studie nach den „Fliegenden Blättern.“

            _________

Nach Cal’fornien, nach Cal’fornien
Möchte‘ ich ziehn hinaus gleich morgien,
Wo der Mammon freundlich winkt;
Wo in Quellen, Fels und Sande
Dort im fernen, wüsten Lande
Rothen Goldes Schimmer blinkt.
 
In Cal’fornien, in Cal’fornien
Werden schwinden alle Sorgien,
Wo von Gold der Boden schwer!
Dichter, Redner – Beutelschneider!
Freiheitsmänner – Hungerleider!
Zieht hinaus wohl über’s Meer!
 
Ehre, Macht und Goldzechinien
Könnt ihr leicht euch dort verdinien,
Denn durch Freiheitswort und Sang
Wird der edle Californier
Nicht wie wir, so wild und zornier –
Giebt euch Gold, statt Blei und Strang.
 

Zieht von dannen, Proletarier,
Und auch ihr, Republikanier,
Werdet Rothschilds Knall und Fall!
Nehmt mit euch die Attentäter,
Und die schlimmen Hochverräther,
Wühler, Heuler, Schwärmer all.
 
Wenn ihr dann nicht mehr vorhandien
Wird es Fried‘ sein in Deutschlandien,
Wo jetzt nichts als Krieg und Zank.
Doch, daß man euch nicht gehangen,
Sondern ließ zum Glück gelangen,
Dafür rechnet man auf Dank.
 
Drum, wenn ihr in Californien
Reich, wie Moguls, seid gewordien,
Spendet mit freigeb’ger Hand
Gold aus euern reichen Minen
Für Staatsschulden und Marinen
Dem geliebten Vaterland.
 
Laßt euch nicht zu lange mahnien,
Daß für’s Heer, für Eisenbahnien
Uns noch mancher Thaler fehlt;
Auch für andere gute Christen,
Civilisten, Cavalleristen
Wird recht sehr auf euch gezählt.
 
Sühnt ihr so die alten Sündien,
Wollen wir uns lassen findien
Zur Vergebung gern bereit.
Denn, kehrt ihr aus Californien,
Sollt ihr haben Stern und Ordien,
Adelswappen, groß und breit.
 
Heil dem Lande Californien!
Wodurch Deutschland reich gewordien –
Dann beginnt die gold’ne Zeit!
Schmachtet Niemand mehr vergebens
Nach den Gütern dieses Lebens –
Kommt wohl Deutschlands Einigkeit.

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Dok-Nr. 21: „Neue Blätter für Stadt und Land“ No. 25 vom 22.06.1851

Auswanderung

Es giebt schwerlich einen Staat in Deutschland, in welchem die Auswanderung so überhand genommen hat, wie im Herzogthum Oldenburg. Die Auswanderung betrug in dem Zeitraum vom 1.Juli 1843 bis dahin 1846:

3314, also durchschnittlich jährlich 1104 Personen; in der Periode vom 1.Juli 1846 bis 1.Jan 1850:

2773, also durchschnittlich jährlich 792 Personen;

und im J 1850 ................................. 570    

Die Auswanderung hat demnach auf eine erfreuliche Weise zwar schon abgenommen, ist aber immer noch bedeutend genug, um bei der dünnen Bevölkerung unseres Landes und dem in den meisten Erwerbszweigen schon fühlbar werdenden Mangel an Arbeitskräften, so wie bei unseren doch keineswegs ungünstigen socialen Verhältnissen, diesen Gegenstand der besondern Aufmerksamkeit der Gesetzgebung und Verwaltung zu empfehlen. Nach Nachrichten, welche vor einigen tagen die Weserzeitung mittheilte, hat die Auswanderung in der ganzen preußischen Monarchie für das J. Oct. 1. 1849/1850 5345 Personen betragen, also nicht einmal das Zehnfache der hiesigen Zahl, obwohl Preußen etwa 70 Mal so groß ist als Oldenburg. Dabei sind in demselben Zeitraum 2481 Personen, also fast die Hälfte jener Auswanderung, in den preuß. Staat eingewandert. Von der hiesigen Auswanderung stellen die Kreise Vechta und Cloppenburg regelmäßig ihr Contingent von etwa zwei Drittheilen, davon am meisten der Kreis Vechta, so daß dieser Kreis, der früher und noch nach der Zählung vom 1.Juli 1843 die am meisten bevölkerte oldenburgische Geest bildete, und an Dichtigkeit der Bevölkerung nicht weit hinter dem Kreise Jever zurückstand, jetzt schon von den Kreisen Oldenburg und Neuenburg überholt ist. Allein aus dem Amte Damme sind ausgewandert:

1830 -   16 Personen.              1840 –  53 Pers.

1831 –   28                            1841 – 135 

1832 -    97                           1842 – 114 

1833 – 265                            1843 – 152 

1834 – 311                            1844 – 433 

1835 – 209                            1845 – 255 

1836 – 290                            1846 – 102 

1837 – 111             vom 1.Juli 1846

1838 – 232             bis 1.Januar 1850 – 444 

1839 – 115                            1850 – 127 

       Das macht in 21 Jahren ....  3489 Personen, also durchschnittlich jährlich 166.

In den letzteren Jahren hat jedoch die stärkste Auswanderung aus dem Amte Vechta stattgefunden.

Wenn die Cultivierung unserer Haiden und Moore durch Staatsmittel immer mehr gefördert und dadurch der Erwerb von Grundbesitz erleichtert wird,  wenn die Heuerverhältnisse in den südlichen Theilen des Herzogthums eben in Folge des Abflusses der Bevölkerung ihr Drückendes mehr und mehr verlieren, wenn ein freieres Gewerbewesen der Entwickelung menschlicher Kräfte einen größeren Spielraum gewährt, und übertriebene Vorstellung von dem Glücke jenseits des Meeres sich erst wieder berichtigt haben; werden wir hoffen dürfen, daß schon bald ein die Interessen unseres Landes minder benachtheiligendes statistisches Ergebnis sich herausstellen werde. Nicht ohne Grund verläßt der Mensch den heimathlichen Boden, in welchem er mit allen Erinnerungen der Jugendzeit wurzelt. Wenn ein Staat an Uebervölkerung leidet, wenn Arbeitskraft und Kapitale ihre gehörige Verwerthung nicht mehr finden, so ist ein Abfluß der Bevölkerung dahin, wo ein besserer Lohn ihr harrt, eine natürliche und keineswegs betrübende Erscheinung; wo aber, wie bei uns, jenes nicht der Fall ist, wo vielmehr der Boden noch eine weit größere Menschenzahl ernähren kann und die gewerbliche Industrie nach ihrem jetzigen Zustande noch einer nicht geringen Ausdehnung eben so fähig wie bedürftig ist, da muß die fortdauernde große Auswanderung als eine Krankheit *) angesehen werden, deren Ursachen zu erforschen und durch Heilmittel ihr entgegenzutreten die Staatsregierung zur wesentlichen Aufgabe hat.

*) Daß in einzelnen Districten die Auswanderung auch ihr Gutes gehabt hat, die Last der Armenkasse dadurch gemindert und die durchschnittliche Wohlhabenheit gestiegen ist, soll hiebei nicht verkannt werden.

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Dok-Nr. 22: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 30 vom 08.06.1853

[Leitartikel] Ein Blick nach Außen. I.

Zwar haben wir uns vorgesetzt, vorzugsweise mit unsern innern Angelegenheiten uns zu beschäftigen, an welche das nächste Interesse uns fesselt und die daher auch für unsere Presse das eigentliche Feld ihrer Thätigkeit sein müssen. Allein wir sind nur ein Theil vom Ganzen, leider können wir nicht sagen, von Deutschland oder unserm weiland deutschen Vaterlande, weil nachgerade beide aus dem Reiche der Lebendigen als gestrichen anzusehen sind, Dank sei es den Bestrebungen derjenigen, welche die Größe, Macht und Einheit dieses herrlichen Landes ihren selbstsüchtigen Zwecken geopfert haben. Unser Zusammenhang mit jenem Ganzen fordert daher, daß wir von Zeit zu Zeit unsern Blick über die engen Grenzen unserer Heimat hinaus werfen. Hier tritt uns sogleich ein Gegenstand entgegen, welcher lange schon die allgemeine Aufmerksamkeit erregt hat, zugleich so ernster Art, daß er eine kurze Betrachtung wohl zu verdienen scheint. Wir meinen die Auswanderung.

Der vor kaum einem Jahrzehend noch unmerkliche Anfang hat sich zu einer Weltbegebenheit vergrößert; der Zug Einzelner meist durch eigenes Verschulden Mißvergnügter, Müßiggänger und Verkommener ist zu einem mächtigen Strome geworden, der mehr und mehr den Character einer Völkerwanderung annimmt. Wo die Bevölkerung bisher im beständigen Zunehmen war, wie in Baden, Württemberg, in einzelnen Theilen der Rheinlande und Baierns, fängt man an eine Verringerung zu spüren, nicht durch Krieg oder Epidemieen, sondern in Folge der Auswanderung. Und ist sie nicht etwa auch bei uns im beständigen Zunehmen! –

Was treibt die Tausend und aber Tausend über das Weltmeer? Was bewegt sie das Band der Heimat, der gewohnten Lebensweise, der innigsten Familienverhältnisse zu zerreißen, um in dem fernen und fremden Lande auf’s Ungewisse hin das Glück ihres Lebens zu suchen? – Man hat uns geantwortet: „Das Brot, das sich dort leichter und reichlicher verdient.“ Die Antwort hat uns nicht befriedigt. Einestheils wird sie durch die Thatsache widerlegt, daß nicht mehr blos die Brotbedürftigen, unser Proletariat, den wesentlichen Bestandtheil der Auswanderung bilden, sondern Landleute, die ihren Grundbesitz veräußern, Kapitalisten, die ihr Vermögen einziehn und mitnehmen, Handwerker und meistens die tüchtigsten, arbeitskräftige Männer. Anderntheils werden wir, auch wenn wir die Wahrheit der Antwort zugeben wollten, dadurch nur auf eine andere Frage geführt: Wie es kommt, daß sich das Brot dort leichter und reichlicher verdient?

Deutschland ist nicht übervölkert. Seine glückliche Lage zwischen herrlichen Strömen, cultivirten, seiner Producte bedürfenden Ländern, den großen Fahrstraßen, des adriatischen Meeres, der Ost- und Nordsee, ein durchgängig ergiebiger Boden, alle seine reichen Hülfsquellen geben, zumal, wenn sie nicht gewaltsam verschlossen werden, einer doppelt so großen Bevölkerung genügendes Brot. Warum ist die Auswanderung in unsern weit dichter bevölkerten Nachbarländern Belgien, Holland und England so gering, warum so stark in Deutschland? Weil dort die Verfassung nicht allein Schutz verspricht, sondern wirklich verleiht, weil dort die Völker, wo es sich um die Befriedigung ihrer Bedürfnisse handelt, eine Stimme haben, während sie in Deutschland nur bitten und klagen, aber keine Stimme haben dürfen. Rußland lockt vergebens Colonisten nach seine südlichen Provinzen. Oesterreich macht die glänzendsten Anerbietungen, Auswanderer nach dem nahen germanischen Ungarn zu ziehn. „Gleichwohl“, so lesen wir eben in einer weitverbreiteten deutschen Zeitung, „findet nicht allein keine Einwanderung nach Ungarn statt, es hat umgekehrt eine starke Auswanderung aus Ungarn begonnen; nicht 100, sondern 1000 haben sich in diesem Jahre zur Auswanderung nach Amerika gemeldet.“ Auch Algier hat keine anziehende Kraft für Auswanderer, so lange das Kaiserregiment Frankreich beglückt.

Mit diesem Allem haben wir die Antwort auf unsere Frage. Der politische, sociale und religiöse Druck wird mehr und mehr das treibende Rad des Stromes der Auswanderung, dessen mächtige Wogen wir schon nicht ohne Unruhe an uns vorüberrauschen hören. Wir brauchen nicht weit zu suchen, um Belege für die obige Wahrheit zu finden. Wir mahnen an den obrigkeitlichen Zwang, der Alles beherrscht, welcher den jungen Rechtsgelehrten hindert Advokat, den jungen Mediciner Arzt zu werden, bis es die Regierung gestattet, welcher sie nöthigt, einige ihrer kräftigsten Lebensjahre zu verlungern, ohne Brot, das sie vielleicht sogleich verdienen, ohne eine practische Beschäftigung, durch welche sie vielleicht schon lange ihren Mitmenschen sich hätten nützlich machen können. Wir mahnen an die Regierungserlaubniß, die ihnen nicht einmal gestattet, den Ort selbst zu wählen, wo sie ihr Brot zu finden, ihren Beruf mit Nutzen zu üben gedenken, sondern welche sie hinweiset, wohin es dem hohen obrigkeitlichen Ermessen gut dünkt sie zu verpflanzen, gleichviel, ob Neigung oder Verhältnisse des Verwiesenen damit übereinstimmen. Wir weisen hin auf den Lehrer, den Handwerker, auf Jeden, der ein Gewerbe betreiben, irgend ein Geschäft anfangen will. Wer sein Brot und seine Nahrung nicht ererbt hat, oder nicht den untersten Volksklassen, dem Arbeiter- oder Dienstbotenstande angehört, muß es sich meistens von der Regierung zutheilen lassen. Er muß nicht allein den Kampf mit dem Eigennutze und Brotneide der vor ihm Concessionirten und Zunftgenossen, die gegen jede neue Zulassung zu eifern pflegen, bestehen, er muß auch der Regierung genehm sein, d.h. seine Ueberzeugung zu opfern verstehn, an den öffentlichen Dingen nicht anders Theil genommen haben, als es den Wünschen der hohen Obrigkeit entspricht. Sonst kann er nicht für unbescholten und befähigt erklärt werden. Wo mehrere zu einem gemeinschaftlichen Zwecke sich vereinen, pflegt sie das obrigkeitliche Mißtrauen zu überwachen; denn es ist ja eben eine Vereinigung Mehrerer und jede Vereinigung kann dem Staate gefährlich werden. Ein mißfälliger Trinkspruch, die unschuldigste Berührung politischer Tagesfragen genügt den Verein zu sprengen. Der Gelehrte, welcher seine politische Ansicht ausspricht, geräth in Untersuchung, wenn sie der hohen Regierung nicht gefällt, wer dem Mißtrauen der Obrigkeit verfallen ist, wird ausgewiesen, oft vom reichlichsten Brote, von der nützlichsten Thätigkeit. Er muß fort in seine Heimat, in die Armuth, in das Elend. Dazu kommen noch die Bestrebungen der Geistlichkeit, die Alles in den Mantel christlicher Frömmigkeit hüllt, um sich in Alles zu mischen, die den konfirmirten Jüngling noch unter ihrer Zucht und Aufsicht behalten, die Feiertage vermehren, also der Armuth noch mehr Arbeitstage rauben und ihr das kärgliche Brot noch mehr zu schmälern.

Die Macht dieser Thatsachen, welche den Zustand bezeichnen, welcher mehr oder minder in den deutschen Staaten herrschend ist, dringt mehr und mehr in das Bewußtsein. Je klarer es wird, je mehr die Unerträglichkeit solcher Zustände in die Gemüther dringt, desto heftiger der Drang, sich von ihnen zu befreien, desto stärker der Trieb auszuwandern, das letzte noch übrige Mittel der Befreiung. Ist es zu verwundern, daß in immer größerer Ausdehnung zu diesem Mittel gegriffen wird? Daß der Unterthan deutscher Staaten, der keiner Nation angehört, an welche der Einzelne die Hoffnung auf eine bessere Zukunft knüpfen könnte, dem oft seine Verfassung entweder gar keine oder nur scheinbare Rechte und Freiheiten verleiht, der nach gerade Alles obrigkeitlicher Erlaubniß verdankt, von Allem durch obrigkeitlichen Zwang ausgeschlossen werden kann, dahin geht, wo Niemand nach seiner politischen Ansicht fragt, wo er die Stätte seiner Wirksamkeit sich frei und ungehindert auswählen darf, wo ihm gestattet ist, selbst der Schmied seines Glückes zu sein? – Was aber wird die Folge für Deutschland sein, wenn es nicht anders wird?

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Dok-Nr. 22a: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 34 vom 17.06.1853

[Leitartikel] Ein Blick nach Außen. II.

Was wird die Folge sein, wenn es nicht anders wird? so schlossen wir unsern ersten Artikel, welcher auf die in bedenklicher Weise zunehmende Auswanderung aufmerksam machte.

Künstliche Vertheuerung der Arbeit, welcher die zunehmende Auswanderung die nöthigen Kräfte entzieht, Vernachlässigung des Ackerbaues und fallende Länderpreise, wenn der Bodencultur die nöthigen Hände fehlen, vertheuerte und zugleich schlechtere Handwerkerarbeit, Gewerbe und Handel welkend, weil sie überall an die eiserne Schranke der Concessionirung der Schutzzölle und obrigkeitlichen Beaufsichtigung stoßen, kurz, wenn wir Alles zusammenfassen, der allgemein sinkende Wohlstand. Das sind die nächsten Folgen, wenn es nicht anders wird. Sie liegen vor Jedermanns Augen. Aber man schlägt die Augen so selten auf. Wir Menschen lieben es, das Nächste zu erfassen und uns mit der Gegenwart abzufinden, so lang sie noch leidlich ist. Wir pflegen das Uebel unbeachtet zu lassen, so lang es noch aus der Ferne droht, erst das hereinbrechende schreckt uns auf, häufig wenn es zu spät ist. – Solche Betrachtungen werden Uebertreibungen genannt. Es ist nicht so schlimm, ruft man uns zu, Diejenigen zumeist, welche die Macht aber keineswegs den Willen haben, das Uebel zu wenden. Wir weisen dagegen hin auf die gelockerten, ja gänzlich aus den Fugen gerissenen Rechtszustände in Deutschland, auf die Verfassungen, welche entweder zerbrochen oder revidirt und wieder revidirt werden, bis sie nach oben hin jeden beschränkenden Zügel zerrissen, nach unten hin jede freie Bewegung gehörig an Ketten gelegt haben, auf die Wahlgesetze, verschnitten und geviertheilt, wo sie einmal dem Willen der Völker Ausdruck gegeben, so lange chemisch zersetzt, bis der Wille des Volker neutralisirt und oxydirt darin zu Boden fällt, und nur noch Stand, Vorrecht und Besitz obenauf schwimmen. Wir weisen hin auf Gesetz und Recht in Deutschland, die so oft zu Dienern der Macht gebildet oder gemacht werden, über welche wir die Macht vielfach entweder offen und kühn hinwegspringen oder die wir, was wir noch weit gefährlicher halten, durch deutende Sophistik durchlöchert sehn. Wir weisen endlich hin auf das Mißtrauen der Regierungen unter einander und gegen ihre Völker, das diese mit unerhörten Opfern büßen müssen, auf das Schwanken aller Verhältnisse und auf die nothwendige Folge davon, Mangel an Muth und Kraft zu großen Unternehmungen, die durch gesicherte Zustände, ein klares und festes Recht bedingt werden. Sollen wir diesem Allen noch ein äußeres in die Augen fallendes Beispiel anfügen, so zeigen wir auf die grüne Insel hin, auf Irland, das noch vor Kurzem dicht bevölkert war, welches aber die wachsende Auswanderung zu entvölkern droht. Und weshalb? Weil die Wenigen, welche Grund und Boden besitzen, den Ertrag im Auslande verprassen, weil Pächter und Landbewohner ausgesogen werden, weil das Volk im englischen Parlamente keine genügende Vertretung hat, seinem mächtigen Unterdrücker willenlos hingegeben und vom Pfaffenthume, das überall zur Hand ist, wo es für sich zu fischen und zu unterdrücken gilt, in der geistigen Knechtschaft gehalten wird. – Irland liefert für die Auswanderung das stärkste Contingent, die Ursache haben wir kurz entwickelt, nächst Irland Deutschland. Warum? Wir brauchen es unserm Leser nach der obigen Ausführung nicht weiter zu sagen. Sollten wir noch eine Antwort geben, so wäre es diese: die gleiche Ursache pflegt die gleiche Wirkung zu haben.

So weit die nächste Folge, wenn es nicht anders wird. Wir sagten, daß sie vor Jedermanns Augen liege. Es hat noch eine andere, welche nicht Jeder so leicht erkennen möchte. Wir wollen auch diese in einem der nächsten Artikel beleuchten.

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Dok-Nr. 22b: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 38 vom 26.06.1853

[Leitartikel] Ein Blick nach Außen. III.

Wir haben in unserm vorigen Artikel versucht, die nächsten Folgen der Auswanderung zu zeichnen und erwähnten dabei einer anderen Folge, welche nicht Jeder so leicht erkennen möchte. Wir wollen schließlich versuchen, auch diese in der Kürze uns zu vergegenwärtigen.

Ein Staatsmann der neuern Schule bemerkte kürzlich: „Die Regierungen können nicht anders, sie müssen den Bogen noch straffer spannen, damit das wahnsinnige Jahr 1848 nie wiederkehre. Wir müssen das Uebel mit der Wurzel vertilgen, alle Keime der Revolution ausrotten, damit sie nicht wieder sich wuchernd verbreite und die Völker verderbe.“ Dabei legte er pfiffig den Zeigefinger an die Nase und blinzelte mit den grauen stechenden Augen als hätte er recht was Gescheutes gesagt. Die Worte enthalten den vollen Ausdruck der herrschenden Politik, die nicht durch Erfahrung und Geschichte, nicht durch die laut und lauter tönende Stimme der Zeit, nicht durch all‘ ihre Zeichen sich mahnen und warnen läßt.

Wir müssen den Bogen noch straffer spannen! – Das heißt: Wir müssen noch mehr Soldaten haben, die Contingente von 1 ½ Prozent auf 2, dann wieder von 2 auf 3 u.s.w. vermehren. Wir müssen unsere Fürsten mit noch reichern Civillisten dotiren, die Gehalte der Beamten immer noch mehr erhöhen, damit sie der Politik des Tages in unbedingter Ergebenheit dienen. Wir müssen in Waffen sein gegen die, mit denen wir um Gotteswillen in beständigem Frieden sein sollten, gegen unsere eigenen Völker. Wir müssen also den Schwamm, den tausendfach gepreßten, noch mehr auspressen, Steuern und immer neue Steuern ausschreiben, Anleihen contrahiren, Länder und Völker mit Schulden überlasten, damit unsere Tage im Wohlleben verfließen, damit es uns nie an Geld für den erforderlichen Dienstaufwand, nie an den Mitteln fehle, die Bedürfnisse unseres Luxus und unserer Ueppigkeit zu befriedigen.

Was ist die Folge, wenn es nicht anders wird? Damit treten wir an die Frage, um die es sich weiter handelt. Es ist die große Frage unserer Cultur und Civilisation, die Gefahr, welche ihr droht; die das bange Auge noch erst in kaum sichtbarer Ferne erblickt, die aber unaufhaltsam näher kommt, wenn es nicht anders wird. Es ist die Frage: Ob all‘ die Schätze der Wissenschaft und Kunst, der Sitte und Cultur, die wir seit länger als einem Jahrtausend aufgespeichert, in ihrem Speicher vermodern, oder auf dem dürren, sonnenverbrannten Boden dieser Politik nur taube Knospen und Blüten ansetzen sollen? Oder ob das Wehen der Zeit sie dahin tragen soll, wo der weiche und warme Boden der Freiheit sie aufnimmt und zu erquickenden Früchten zeitigt? –

Wohin wir schauen, fern und nah, Belege zu den neuen Folgen dieser Politik. Wir sehen Neapel und Sizilien seufzen und ächzen unter der Herrschaft der Bourbonen, die für jede freie Regung Bande und Kerker hat, sie zu umstricken und zu verschließen; die fruchtbaren Gefilde des Kirchenstaates unbestellt und verödet, das römische Volk ausgemergelt und durch Söldnerhaufen niedergehalten, mit denen der heilige Stuhl, seiner weltlichen Herrschsucht fröhnend, es segnet und beglückt; die Hauptstadt Toscanas, einst die Pflegerin der Kunst, die Stätte der Macht, des Reichthums und Lebensgenusses, jetzt eine Ruine verfallener Paläste; Mailand und Venedig in ihren Ketten knirschend, vergebens gegen ein System ringend, das die heißesten und gerechtesten Wünsche des Volkes nur mit Ruthenstreichen, jeden verzweifelungsvollen Griff in seine Ketten nur mit Bajonettstichen zurückweist; Spanien, seiner Freiheiten und Rechte beraubt, seinen Handel welkend, sein stolzes Volk gedemüthigt und geknechtet, zum Dank für die aufopfernste Liebe gegen sein Dynastenhaus, für alles Blut, das es für dessen Befreiung von der Fremdherrschaft vergossen; Deutschlands Riesenleib in vierunddreißig Theile gerissen ohnmächtig am Boden liegend, Völker und Völklein umher hohnlachend darauf herumtreten, die Denkmäler seiner Erhebung wie mit Vandalenwuth zerstört, das letzte und schönste, seine Flotte, unter dem Hammer versilbert, den Auctionator selbst zum Premierminister erhoben.

Neben einer Bevormundung, welcher die Zeiten und Völker entwachsen sind, neben einer Beamtenherrschaft, welche fast für jedes Geschäft obrigkeitliche Erlaubniß fordert, wächst die Intelligenz der Völker, die sich mehr und mehr gegen Bevormundung sträubt, die mehr und mehr begreift, daß der einzelne, die Gemeinden, das Volk ihre Angelegenheiten selbst besser und wohlfeiler verwalten würden als die Beamten. Muß nicht mit der wachsenden Intelligenz der Drang nach Freiheit wachsen! –

Was wird die Folge sein, wenn es nicht anders wird? – Wir wollen das nicht weiter ausmalen. Wir möchten sonst bei Steppen und Wüsten anlangen, wo jetzt noch fruchtbare wohlangebaute Gefilde uns entgegenlachen, bei zerfallenen und ausgestobenen Städten, in denen jetzt noch der Strom des Handels, des Verkehrs und Lebens braust, bei Völkern, die nur noch im stumpfen willenlosen Gehorsam, ohne Thatkraft und Muth dem Szepter des Despotismus sich beugen. – Wir wollen vielmehr hoffen, daß es anders werde, daß, wenn auch nicht der Wille der Regierungen, doch die Gewalt der Umstände einer andern Politik Bahn brechen werde, einer Politik, die nicht durch die Macht der Kanonen und Bajonette regiert, sondern durch die Macht des Geistes und der Ueberzeugung, welche die Völker nicht blos als blinde Werkzeuge der Regierenden und ihrer Gelüste ansieht, sondern die Allen ihr Recht verleiht, jedem Einzelnen wie jedem Volke. Wir wollen aber auch nicht vergessen, daß die Gewalt der Umstände nur durch Ernst des Willens, Beharrlichkeit und Thatkraft herbeigeführt wird. So lang ein Volk diese nicht besitzt, wird es nicht anders und besser.

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Dok-Nr. 23: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 93 vom 02.11.1853

Der Musterstaat Kurhessen

Im deutschen Musterstaat, Kurhessen, geht es etwas sonderbar zu.

Ob es wirklich ein Unglück für das Volk gewesen ist eine Verfassung zu besitzen mit der Hassenpflug nicht regieren konnte, lassen wir dahin gestellt. So viel steht aber fest, daß gegenwärtig in Kurhessen eine Verfassung existiert mit der alle Hassenpfluge der Welt nicht fertig werden können; und doch will es uns scheinen, als sei das Volk nicht ganz so glücklich, wie man vermuthen sollte.

Das einzige Glück des kurhessischen Volkes scheint im Auswandern zu liegen, aber die Verfassung, wenigstens die Gesetzgebung, will auch dieses Glück möglichst aufheben und es sich deshalb Reskripte erschienen, die so zu sagen Auswanderungs-Spione anstellen, auf deren Angabe Jedermann in Kurhessen, wenn er über die Grenze reisen will zurückgehalten und heimtransportirt werden kann.

Es läßt sich aber auch nicht leugnen, daß Grund zu diesem Reskript vorhanden ist. Auswärtige Zeitungen haben schon öfter behauptet, daß aus Kurhessen ganze Dorfschaften ausgewandert sind, was von Hassenpflugsche Zeitungen als Uebertreibung angegeben wurde. Jetzt jedoch stellt sich die Wahrheit der Thatsachen ganz unbestreitbar heraus. Es sind nicht nur ganze Dorfschaften ausgewandert, sondern die leer stehenden armseligen Hütten der Bauern wurden in einzelnen völlig verlassenen Dörfern jetzt niedergerissen und die Stätten der Geflüchteten in Felder umgewandelt.

Wenn solche Thatsachen nicht für das Glück der Hassenpflugschen Regierung sprechen, so giebt es keine Beweise von Volkesglück mehr. Es verdienen diese Thatsachen, daß man sie öffentlich dokumentire, damit nicht spätern Zeiten gerechte Zweifel darüber erhoben werden mögen, ob wirklich im Herzen Deutschlands in der Mitte des zivilisirten neunzehnten Jahrhunderts dergleichen gemeinsames Fliehen aus dem Vaterlande möglich war. Ob wirklich solche Zustände existiert haben, daß sie im Volke der Natur umkehrten und die natürliche Liebe zur heimathlichen Scholle, in Verachtung und Haß gegen dieselbe umzuwandeln im Stande waren.

Das Dorf, das durch Auswanderung entvölkert jetzt niedergerissen und dem Erdboden gleich gemacht worden ist, hieß Wernings. Ein zweites Dorf Namens Pferdsbach sieht ebenfalls diesem Schicksal entgegen; es stehen daselbst nur noch drei Wohnungen, freilich unbewohnt. Ein anderes Dorf mit Namen Wippenbach ist bereits eben so weit und in dem Dorfe Gelnhaar ist nur doch die Kirche zurückgeblieben; die Kirchgänger und deren Wohnstätten sind verschwunden.

Man sollte glauben, daß nur das Volk das Weite sucht, das Volk, das von Hassenpflugs Musterregierung nicht beglückt sein will, daß aber mindestens die Anhänger Hassenpflugs zurückbleiben, die treuen Treubündler Kurhessens, die mit Ehren und Würden überschüttet worden sind, weil sie treulich geholfen haben den Staat umzuwandeln. Allein aus den Reihen dieser treuen Anhänger des völkerbeglückenden Hassenpflugschen Regiments erweisen sich vielfach die Eifrigsten als schlechte Subjekte, die sobald sie die Gelegenheit dazu haben auf und davon laufen mit denen ihnen anvertrauten Kassen. –

Ein Subjekt dieser Art, mit Namen Hoffmann, war berühmt wegen seines frommen und gottesfürchtigen Wandels in Hassenpflugs Schritten. Er gehörte zu den eifrigsten Beamten, die, wie die Kasseler Zeitung ihm selbst jetzt nachrühmt, sich ausgezeichnet haben „in der exakten Beitreibung aller amtlichen Kassenausstände“. Er war ein eifriger Verfolger der Steuerverweigerer und wußte die Steuern so eindringlich durch Exekutionen einzutreiben, daß er eine Lust und Augenweide Hassenpflugs war. Aber dieser Getreue, kostbare Gesinnungsgenosse, durch und durch kurhessischer Treubund, ist mit sammt der eifrig eingetriebenen Kasse durchgegangen und scheint auch nicht das Glück der kurhessischen Verfassung bis auf die Neige genießen zu wollen.

[...]

In der That, es ist charakteristisch, das solch‘ ein Zustand in Kurhessen eintritt: Entvölkerung nach der Volksbeglückung, und Eides und Treubruch und Unzucht und Defraudation in den Reihen der Treubündler des beglückten Musterstaates.

(B.Z.)

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Dok-Nr. 24: „Oldenburger Zeitung“ No. 93 vom 16.06.1855

Auszug aus einem Berichte des Großherzoglichen Consulats in Philadelphia vom 9.April 1855, über die Leitung des Auswanderungswesens.*)

[Fußnote] *) Es ist gewiß sehr zu wünschen, daß die in diesem Berichte gegebenen Rathschläge durch Aufnahme in Volkskalender u.a. eine weitere Verbreitung fänden.

Es ist der ungeheuren Zahl deutscher Einwanderer im verlaufenen Jahre so traurig ergangen, sie haben mit so großer Noth und unendlichem Elende zu kämpfen gehabt, daß die Pflicht gebietet, dergleichen Unglück für die Folge, wo nicht zu verhüten, doch jedenfalls nach Möglichkeit zu vermindern, wenn gleich über das Auswanderungswesen schon so viel und wiederholt geschrieben ist, daß es fast unmöglich ist, neue Anweisungen in dieser Beziehung zu geben.

Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß sehr viele Einwanderer sich in ihren Erwartungen getäuscht haben, öfter sogar in Noth und Elend gerathen und sich in ihre alte Heimath zurückwünschen; - in den meisten Fällen sind sie aber nicht ganz schuldlos.

Die große Mehrzahl der Leute, die gleich nach ihrer Ankunft die Hülfe von Wohlthätigkeitsvereinen in Anspruch zu nehmen haben, konnten auch im eignen Vaterlande schon nicht fortkommen. – Manche wurden ganz oder theilweise auf Gemeindekosten herübergeschafft; - es sind an Geist und Körper verkrüppelte und verschrobene Individuen, alte schwache, zum Arbeiten unfähige Personen, mittellose Weiber mit einem Haufen junger Kinder, viele sind arbeitsscheue, nichtsnutzige Menschen, ohne das geringste Geld und ohne Anhaltspunkt, die hierher gesandt werden. – Gewöhnlich können die Agenten der verschiedenen Wohlthätigkeitsvereine hier, - welche die mit Emigranten hier ankommenden Schiffe sogleich besuchen, - so wie sie die Passagiere vor sich sehen, schon beurtheilen, ob und wer wahrscheinlich die Hülfe der Gesellschaften zu nehmen haben wird.

Junge rüstige Leute, namentlich wenn sie irgend ein Handwerk erlernt, und nicht ganz mittellos sind, können in der Regel schnell ihr Brod verdienen, und bringen es häufig zu einer Art Wohlstand. Es giebt natürlich Ausnahmen, nicht allen saget das Klima zu, einige ziehen sich durch Leichtsinn und Unvorsichtigkeit Krankheiten zu, andere haben Unglück, lassen sich betrügen, und haben erst eine trübe Schule der Erfahrungen durchzumachen. Doch wie gesagt, ist dies nur eine geringe Zahl, und wenn Leute, die schon länger hier, nicht auf einen grünen Zweig kommen können, so hat es gewöhnlich seinen guten Grund. Es sind entweder schlechte Haushalter, oder Menschen, die lieber in den Lagerbierhäusern die Zeit verbringen, als arbeiten, und denen nicht zu rathen ist. Wer unverschuldet hier in Noth geräth, findet hier wie allenthalben fast jeder Zeit Hülfe. – Von Seiten der Regierungen drüben, kann meiner Ansicht nach, wenig mehr gethan werden, als wo möglich unpassende Leute von der Auswanderung abzuhalten und streng darauf zu sehen, daß sie auf der Reise nach diesem Lande nicht übervortheilt werden.

[...]

Die mit Bremer und Hamburger Schiffen hier jetzt ankommenden Passagiere haben nur selten gerechte Veranlassung zu klagen und kommen in der Regel gesund und wohl hier an, was der gesetzlich verlangten Verpflegung, Beköstigung und Behandlung zuzuschreiben ist.

Nirgends werden dagegen Auswanderer gröblicher und schlechter behandelt, wie in den Häfen Hollands, Belgiens, Frankreichs und Englands, - weshalb diese möglich vermieden werden sollten, - bis die Regierungen dieser Länder über die bessere Behandlung von Passagieren Gesetze erlassen.

[...] – In Newyork, Massachusets und mehreren anderen Staaten sind Gesetze gegeben worden, zufolge welchen jeder Emigrant, der im Lauf eines Jahres nach seiner Ankunft als Bettler befunden, so wie ein Jeder, wo es nachgewiesen werden kann, daß er ein Verbrechen gegen die Gesetze seines Vaterlandes begangen, durch die Regierung des Staates oder Stadt, wo er gelandet, nachdem dies erwiesen worden, sofort nach seiner Heimath zurückgeschickt werde, - und der Capitain des Schiffes, welcher solche Passagiere herüberbringt, zu einer Strafe von nicht weniger wie 200 Dollars und nicht mehr wie 500 Dollars für jedes Vergehen dieser Art, sobald überwiesen, verurtheilt werden, so wie das Schiff, womit sie gekommen, verantwortlich gehalten werden soll, bis die Strafe erlegt worden ist. Dieses Gesetz muß und wird die Folge haben, daß weder Bettler noch Verbrecher hinfüro nach Amerika verschickt werden können.

Der Congreß der Vereinigten Staaten von Nordamerika hat ferner noch am 4.März d.J. ein Gesetz zur Verhinderung der Einfuhr von Bettlern, Verbrechern, Simpelen, Wahnsinnigen und Krüppeln in Amerika in Anregung gebracht, was wahrscheinlich später in einer gemäßigten Form angenommen werden dürfte.


Die Total-Einwanderung in den Vereinigten Staaten im Jahre 1854 betrug

460.000  Seelen

in Canada    53.000             

zusammen  514.277 Seelen.

worunter 225.000 Deutsche,

             118.000 Irländer,

               61.000 Engländer und Schotten,

               13.000 Franzosen,

               13.000 Chinesen in Californien.

Zum erstenmale seit Bestehen der Nordamerikanischen Freistaaten übersteiget demnach die Zahl der Ankömmlinge unseres Deutschlands, nicht allein die der Irländer, sondern aller anderen Nationen zusammengenommen, was trübe Gedanken erweckt.-

Dagegen ist es für hier erfreulich, wie es für Deutschland doppelt betrübend ist, daß die Zahl der Mittellosen, keineswegs im Verhältnisse mit der Einwanderung stieg; und daß im Allgemeinen die Verpflegung zur See, sowie die Beförderung ins Inland mit mehr Ordnung betrieben und Klagen darüber bedeutend weniger geworden sind, was ohne Zweifel Folge der neuen Gesetze und Verfügungen, welche deshalb von einigen europäischen Regierungen getroffen worden sind. Die Stadt Bremen zeichnete sich bei dieser Gelegenheit besonders aus.

Auffallend und ominös ist es, daß die nach Europa zurückkehrenden Schiffe im vorigen Jahre ungemein viele Passagiere mitgenommen haben, namentlich war dies nach Irland der Fall, doch auch nach Deutschland kehrten viele mit fehlgeschlagenen Hoffnungen zurück, - in Folge übertriebener Vorspiegelungen von Wohlstand und Freiheit, welche hier Ansässige hinübersenden, - welche verlockende Bilder des hiesigen Eldorado durch schlechte Leute und Agenten, die Deutschland bereisen, und durch diese glänzenden Schilderungen sehr viele zum Auswandern verleiten, und das einzig nur, um ihnen, den getäuschten Unwissenden, einige Dollars für Passage abzulocken. – Diesem Unfug zu steuern, sollte die Regierung die möglichst strengen Maßregeln ergreifen und dadurch so das Unglück mancher Verleiteten zu verhüten suchen.

[...]

Der fast beispiellose Mangel an Arbeit und Beschäftigung, die allgemeine Geschäftsstockung des vorigen Jahres, der große Geldmangel, verbunden mit der enormen Theuerung aller nothwendigsten Lebensbedürfnisse und darauf noch der lang anhaltende kalte Winter, haben wesentlich dazu beigetragen, das Elend der mittellosen Einwanderer des vorigen Jahres um sehr viel zu vermehren und ihre Lage höchst bedrückend zu machen.

In dem verwichenen Jahre sind auch, mehr wie je, schwangere ledige junge Frauenzimmer, ohne Geld und Freunde, hier angekommen, wo natürlich nichts übrig blieb, als die Unglücklichen in’s Armenhaus zu schicken. Dergleichen Personen sollten durch den Verführer, der sie verschiffet, um sie los zu werden,  mindestens mit einigen Mitteln ausgestattet werden, - falls es nicht thunlich, ihre Abreise zu verhindern, - was nur möglich, falls die Schiffseigner und Capitains angewiesen würden, - solche unversorgten Magdalenen nicht anzunehmen, was nicht thunlich scheinet.

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Dok-Nr. 25: „Oldenburger Zeitung“ No. 190 vom 02.12.1856

Vermischtes.

- Der Jahresbericht der Deutschen Gesellschaft in Neworleans bestätigt, daß die Einwanderung seit 1855 abnimmt und in Folge dessen Arbeiter mehr gesucht sind, besonders Schuhmacher, Schneider, Tischler, Zimmerleute, Bäcker und Klempner. Gewerbe, die mehr mit der Fabrikation zu thun haben, wie Küfer, Sattler, Cigarrenmacher, Seifensieder, Gerber, Hutmacher und Lithographen, sind in den südlichen Staaten, die vorzugsweise Handel treiben, weniger gesucht. Man hat den Grund der Abnahme der Einwanderung in den amerikanischen Verhältnissen und der Entstehung der „Nichtswisser“*] gesucht; allein sie liegt wohl eher in dem zunehmenden Wohlstande von Europa, in der gesteigerten dortigen Production und der dadurch entstandenen Nachfrage nach Arbeitern. Aus dem ackerbauernden Westen sind bereits Klagen über Mangel an Arbeitskräften laut geworden. Nimmt die Einwanderung nicht zu, so wird eine Erhöhung des Arbeitslohns die Folge sein, was im Interesse der Arbeiter sicher nicht zu beklagen ist.

[*„Nichtswisser“: Partei der „Know-nothings“, die von einer weiteren Einwanderung in die V.St. „nichts wissen“ wollten und unter dem Motto „Amerika den Amerikanern“ radikal gegen die Einwanderer vorging; vgl. Kap.II.4.1.]

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Dok-Nr. 26: „Oldenburger Zeitung“ No. 274 vom 24.11.1865

Vermischtes

Baltimore, Anfangs October. Man schreibt von hier der Deutschen Auswanderer-Zeitung: Die Herübersendung kranker oder arbeitsunfähiger Personen, überhaupt solcher, die nicht im Stande sind, sich selbst zu ernähren, findet trotz aller Rüge und Warnung noch immer statt, und möchte es nothwendig sein, ernstliche Maßregeln dagegen zu ergreifen. Im letzten Frühjahre mußte der geisteskranke Apothekergehülfe Vogler, der im vorigen Jahre in einem ähnlichen Zustande herüberkam, wieder zurückgeschickt werden. Am 26.Mai d.J. kam mit der Bark Industrie der Schuhmacher Heinrich Naumann von Hildesheim, der fortwährend kränklich und nicht im Stande war, sich zu ernähren, an. Auf Befragen gab derselbe an, er sei von der Armenunterstützungscommission der Stadt Hildesheim, die ihn fortwährend habe unterstützen müssen, da er krankheitshalber nicht fähig sei, sein Brod zu verdienen, herüber geschickt worden, und wurde er am 15.August mit dem Schiffe Johanne Wilhelmine wieder zurückgeschickt. Mit der Bark Freihandel kamen drei unverheiratete Schwestern, Johanne Kunze mit drei Kindern, Friederike Kunze mit zwei Kindern, Caroline Kunze mit drei Kindern – drei ledige Frauenzimmer mit acht Kindern – hier an, welche von der Gemeinde Oedesheim, Würtemberg, weggeschickt waren und nach Newyork, wo ein Bruder von ihnen sein sollte, wollten. Nach mehreren Schwierigkeiten wurden sie, nachdem am Ende Nachricht von dem Bruder ankam, daß er sie aufnehmen wolle, auf Kosten des Schiffes nach Newyork geschickt. Wenn Gemeindevorstände oder Ortsbehörden Arme, welche arbeitsunfähig sind, hierherschicken, so läßt sich dieses, wenn auch nicht rechtfertigen, doch immerhin mit der Voraussetzung, daß sie sich hier ernähren können, entschuldigen, aber die Fortsendung dreier lediger Frauenzimmer mit 8 Kindern, von denen zwei 9 Jahre alt, eins 6 Jahre, zwei 4 Jahre, zwei 2 Jahre und eins dreiviertel Jahre alt, ist jedenfalls unzulässig. Wenn der Bruder sich geweigert hätte, die elf Personen zu sich zu nehmen, hätte jedenfalls das Schiff sie wieder zurückführen müssen.

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Dok-Nr. 27: „Oldenburger Zeitung“ No. 51 vom 03.03.1866

Ueber Auswanderung

Früher sehr viel und nicht weniger häufig ward die wichtige Frage debattirt, woher wohl die starke Auswanderung aus den südlichsten Theilen unseres Herzogthum rühre. Es haben seiner Zeit die zuständigen Behörden von den betr. Gemeinderäthen durch die Aemter Berichte drüber gefordert, um hiernach die erforderlichen Maßregeln treffen zu können.

Aufgabe der Regierung ist, je nachdem die Umstände sind, die Auswanderung zu befördern, oder ihr einen Damm entgegenzusetzen oder endlich die Folgen den Heimathstreuen möglichst erträglich zu machen; jedoch darf der Auswanderung nicht entgegengetreten werden in Form eines Auswanderungsverbots, sondern indem dem Auswanderungslustigen in der Heimath Verhältnisse geboten werden, wie sie im Auslande gesucht werden.

Von einzelnen Gemeindeausschüssen wurde s.Z. das neue Schulgesetz, nach welchem die Lehrer eine erhöhte einigermaßen entsprechende Besoldung erhielten, als Grund der Auswanderung hingestellt. Es wurde nachzuweisen versucht, daß die hierdurch erhöhten Ausgaben die wenig Bemittelten zu Auswanderung zwängen. Vermuthlich würden diese Ausschüsse heute der Einkommensteuer die Schuld geben. Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß dem nicht so ist; es ist nur nöthig darauf hinzuweisen, daß in Amerika die Steuern jetzt viel bedeutender wie hier sind.

Es ist ferner gesagt, daß Bekannte und Verwandte die Verhältnisse jenseits des Oceans den Zurückgebliebenen in einem rosenfarbigen Lichte schildern und hierdurch bethört dieselben nachzögen. Diese Behauptung hat allerdings etwas Wahres. Von den früher Ausgewanderten sind gerade vergangenen Sommer sehr viele auf kurze Zeit zum Besuche hier gewesen, und wahrscheinlich ist, daß diese in mehr oder minder günstigen Verhältnissen dort leben.

Die Heimgekehrten pflegen nun in der Regel die dortigen Verhältnisse sehr günstig zu schildern – es liegt in der Natur des Menschen – und wenn nicht, so wird doch von der mit den dortigen Verhältnissen gänzlich unbekannten arbeitenden Classe a priori das Günstigste angenommen. Auch kömmt es vor, daß Ausgewanderte, die in Amerika unter bedrängten Umständen leben, dennoch den Zurückgebliebenen goldene Bogen malen und so dieselben nachzureisen veranlassen. Doch giebt es auch nicht wenige Fälle, wo die Verhältnisse der Wahrheit gemäß geschildert werden.

Wenn nun auch durch falsche Vorspiegelungen der Eine oder Andere zur Auswanderung veranlaßt wird, so sind doch während und nach dem großen amerikanischen Bürgerkriege die dortigen Verhältnisse so vielfach, selbst in den kleinsten Localblättern, besprochen, daß füglich Bethörtheit nicht als allgemeines Motiv der Auswanderungslust anzunehmen ist.

Die Behauptung, daß nur der Auswurf der Gesellschaft fortgehe, beruht auf Irrthum; denn gerade der solide, arbeitsame und sparsame Heuermann oder dessen Kinder gehen fort und die eben sind es, deren Scheiden man höchst ungern sieht.

Daß man in Amerika die in geordneten Verhältnissen zulässige Freiheit sucht, dürfte eben so wenig zutreffend sein, da hier davon ein Gebrauch zu machen erlaubt ist, der ans Unerhörte grenzt.

Andererseits und besonders von den sog. Gelehrten wird behauptet, daß die auswandernde Classe – die Heuerleute – von den Verpächtern (Colonen) so schlecht gestellt und behandelt würden, daß sie die Sklaven der weil. Conföderation zu beneiden hätten. Es ist wahr, daß die Heuerleute einzelner Colonen noch auf den Ruf oder Hörnerschall des Letzteren auf dem Hofe zur Arbeit erscheinen müssen. Es mag hart erscheinen, daß der Heuermann, der vielleicht eben vor einem Regen mit dem Einbringen seiner wenigen Garben beschäftigt ist, diese Preis geben und seinem Verpächter die große Ernte bergen muß. Aber dies ist eine Bedingung des Miethcontractes, der ihm – dem Heuermann – im großen Ganzen Vermögen erübrigen läßt, was die Sparkassen-Verwalter durch Zahlen nachzuweisen im Stande sind.

Es ist ein vielfach verbreiteter grober Irrthum, der während der Specialabschätzung der Grundstücke und Gebäude sorgfältig von den Landleuten cultivirt wurde, daß man glaubt, der Colon verpachte Ländereien und Heuerhäuser der Miethe wegen, die er davon zieht. Nicht der Pacht wegen, sondern nur, um in der Ernte die nöthigen Arbeitskräfte zur Disposition zu haben, einzig und allein deswegen verpachtet der Colon. Nur in der Nähe der Oerter kommen Ausnahmen vor.

Man braucht nur einen Blick auf die Karte unserer Esche zu werfen, um einzusehen, wie die hiesigen Verhältnisse liegen: Die Zahl der Parcellen ist groß, ihr Flächeninhalt klein und in unendlich vielen Fällen fehlen gänzlich die jederzeit offenen Zuwegungen. Es ist deshalb eine Wechselwirthschaft, wodurch die Arbeit in Folge der nothwendig verschiedenen Bestell- und Erntezeiten vertheilt wird, nicht möglich; man ist gezwungen, so wie der Nachbar zu bestellen, und hier ist Roggen, immer und nur, die Frucht, die geerntet wird. Es sind 2/3 der gesammten Ackerländereien Jahr aus Jahr ein mit Roggen bestellt, woraus folgt, daß der Colon in der Ernte viele Arbeitskräfte haben muß und die müssen ihm seine Heuerleute liefern. Weil nun die Bevölkerung im Ganzen geringe ist, ist der Colon gezwungen, seinen Pächtern günstige Bedingungen zu stellen, - seine Arbeitskräfte gut zu bezahlen. Die Folge davon ist das gute Fortkommen dieser fleißigen sparsamen Heuerleute. Sie haben in der Regel nach 10-15 Jahren ein kleines Kapital, was sie in den Stand setzt Grundstücke anzukaufen, wenn sich Gelegenheit böte. Aber die fehlt, zerstückeln ist nicht zulässig. Dagegen ist in Amerika für Geld Grund und Boden in größeren und kleineren Flächen, so wie in guter und schlechter Qualität zu haben. Dorthin, wo Grund und Boden in guter Qualität für Geld zu haben ist, dorthin ziehen unsere wohlhabenden Heuerleute, unsere Auswanderer.

So lange hier keine und in Amerika nach wie vor ohne viel Weitläufigkeiten Grundstücke zu haben sind, so lange wird die Auswanderung dauern und so lange müssen wir Auswärtige heranziehen, um unsere weitläufigen Roggenfelder zu bebauen.

Die Colonen mögen sich ihre Lage klar machen: entweder werden sie zum Verkaufe, zur Zerstückelung mit der Zeit übergehen müssen, - und dagegen sträubt sich ihr gesunder Conservatismus – oder mit weniger Arbeitskräften ihre Felder zu bebauen suchen, indem sie zuerst zu Verkoppelungen und der erst dann möglichen Wechselwirthschaft und Anwendung von Maschinen (z.B. Mähmaschinen) übergehen.

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Dok-Nr. 28: „Oldenburger Zeitung“ No. 80 vom 04.04.1868

[Leitartikel] Die deutsche Auswanderung.

Oldenburg, 4. April.

Das schreckliche Unglück, durch welches deutsche Auswanderer auf mehreren hamburgischen Schiffen heimgesucht wurden, hat die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf die deutsche Auswanderung gelenkt und bereits ist die Bundesgesetzgebung entschlossen, derselben ihren Schutz zu leihen. Je mehr wir zu einem großen und einigen Staate zusammenwachsen, um so lebendiger wird auch die hohe politische Wichtigkeit der Auswanderung gekannt und gewürdigt, und so giebt uns die Gründung des Bundes auch in diesem Punkte die entschiedene Hoffnung auf Besserung.

Ein soeben erschienenes Buch von Friedrich Kapp, der in so glücklicher Weise seit einer Reihe von Jahren Deutschland und Amerika in geistiger Beziehung mit einander vermittelt: „Geschichte der deutschen Einwanderung in Amerika“ zeigt uns, mit welch unverantwortlicher Thorheit die meisten deutschen Regierungen im 17. und 18.Jahrhundert diese bedeutsame Frage behandelt haben. Schnöde und nutzlos für das Ganze ist eine Fülle deutscher Kraft und deutschen Kapitals damals verloren gegangen. „In den für die Eroberung des neuen Welttheils geführten Kämpfen“, sagt Kapp, „stellen die Romanen die Offiziere ohne Heer, von den Germanen dagegen die Engländer ein Heer mit Offizieren, die Deutschen endlich ein Heer ohne Offiziere.“ Während die Spanier große Reiche eroberten, die Franzosen in Kanada und Louisiana wenigstens die Grundlagen eines Neu-Frankreichs zu legen versuchten, die Engländer mehr mit Pflug und Spaten, als mit dem Schwert, das weite Land sich unterwarfen und ihre Sprache, ihre politischen Anschauungen über den Continent ausdehnten, verschwinden die Deutschen als selbstständige Nation. Sie erscheinen nur im Gefolge der Engländer, ohne den Anspruch, ein eigenes Staatswesen bilden zu wollen, zufrieden, wenn sie die Nothdurft des Lebens und die Freiheit ihrer religiösen Meinungen, die ihnen die alte Welt nicht gewährte, in der neuen zu erhalten.

Den letzten Grund dieser Selbsterniedrigung findet Kapp mit Recht in dem entsetzlichen Elend, welches der dreißigjährige Krieg für Seele und Leib des deutschen Volkes heraufgeführt. Deutschland hatte das Bewußtsein seiner staatlichen Einheit verloren und lag erdrückt von dem dunklen Gefühl, daß es nur der Fußschemel fremder Nation sei. Da, wo größere Massen zusammengeblieben waren, wie in Oesterreich, Preußen, Sachsen, Hannover, bildete sich allmälig ein starker Localpatriotismus aus, eine strenge patriarchalische Regierung sorgte wenigstens in den nothwendigsten Punkten für die allgemeine Wohlfahrt, während in den vorderen Reichslanden, in der Pfalz, in Baden, Schwaben und am Mittelrhein, bei der vielfachen Zersplitterung des Landes in hundert Kleinstaaten, von Vaterlandsliebe bei der Volksmenge ebenso wenig wie von einer geordneten Verwaltung bei den Herrschenden die Rede war. Zu dem harten Steuerdruck und der Unfreiheit in fast jeder Beziehung des Lebens gesellten sich für die Pfalz die gräuelvollen Verwüstungen durch die französischen Heere Ludwigs XIV:, die einen großen Theil des Landes in eine Einöde verwandelten, und die Unduldsamkeit der katholischen Kurfürsten, um den Bewohnern den Aufenthalt unerträglich zu machen. Einmal aus dem Lande, war aber der deutsche Auswanderer schutz- und rechtlos den Agenten überliefert. Er wurde nur nach seiner Arbeitskraft geschätzt, ein Spielball, eine Waare der holländischen und englischen Seelenverkäufer. Durch den heimischen Druck war er gewohnt, sich duldend in alles zu fügen: das einzig lebhafte Gefühl in ihm war sein protestantischer Glaube, den er sich nicht rauben lassen wollte. Die Fremde versprach ihm die Gewissensfreiheit, die er wünschte, und die Möglichkeit eines nothdürftigen Erwerbes. Wohin darum der Deutsche kam, fügte er sich leicht und willig in die bestehenden Verhältnisse ein; so lange das heutige Newyork den Holländern gehörte, verwandelte er demüthig seinen deutschen Namen in einen holländischen, wie er ihn später dem Englischen anschmiegte. „Deutschland – so hart es heut zu Tage dem nationalen Stolze klingen mag – nimmt im vorigen Jahrhundert Amerika gegenüber die Stellung ein, in welcher China gegenwärtig zu Kuba steht; es liefert den englischen Colonien blos Hände zur Arbeit. Die deutschen Auswanderer sind die Kulis des achtzehnten Jahrhunderts, sie spiegeln das Elend, den Jammer und Verfall der einst so mächtigen Heimath wieder.“

Diese Bemerkung rechtfertigt und erläutert Kapp des Weiteren in seinem vortrefflichen Buche, das sich vornämlich mit der Geschichte der Deutschen im Staate Newyork beschäftigt. Neben dem wirthschaftlichen Verderben, das der dreißigjährige Krieg erzeugte, sieht er in der Kleinstaaterei den Hauptgrund zur Massenauswanderung der Deutschen. 1709 verließen über zehntausend Menschen die Pfalz, 1757 wanderten sechstausend Würtemberger nach Amerika. Die Meisten waren so arm, daß die Engländer ihnen Ueberfahrt und Unterhalt umsonst bewilligen mußten. Hier und dort wurden wohl strenge Gesetze gegen die Auswanderung erlassen, aber die Noth war zu groß, die Verheißungen, die in den Flugblättern gemacht wurden, zu verlockend, um solchen Verboten Achtung und Gehorsam in der öffentlichen Meinung zu verschaffen. Nicht dem Staate, der Kirche und den Pfarrern ist es zu danken, daß die Deutschen nicht alle in dem großen englischen Strome drüben untergingen, sondern ihre Nationalität an einigen Orten, am kräftigsten in den Landschaften Pennsylvaniens erhielten.

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Dok-Nr. 29: „Oldenburger Zeitung“ No. 211 vom 11.09.1871

Die Auswanderung

nach den Vereinigten Staaten Nordamerikas nimmt neuerdings aus dem Amte Friesoyte und namentlich aus den drei saterländischen Gemeinden immer bedeutendere Dimensionen an. Im Frühlinge d.J. sagten ca. 20 Personen, meist junge Leute, der Heimath Lebewohl; zu Anfang vorigen Monats folgten 2 Familien mit Kind und Kegel, zusammen 16 Köpfe nach; am 1.d.M. traten weitere 16 Personen mit dem LLoyd-Dampfer „Hermann“ die Reise über den Ocean an und weitere ca. 20 Personen haben bereits, zum Theil auf Mitte dieses Monats, zum Theil auf die spätere Herbstzeit, ihre Abreise festgesetzt und alle Vorkehrungen getroffen. Das sind allein in diesem Jahre aus dem kleinen Saterlande mit kaum 3000 Einwohnern schon 70 Personen, die voraussichtlich auf Nimmerwiedersehen dem heimathlichen Boden Lebewohl sagen, um sich drüben eine neue und wie sie hoffen und wir ihnen von Herzen wünschen eine bessere Heimath zu gründen.

Wenn auch nicht in demselben Maße, ist doch schon seit 4-5 Jahren hier die Auswanderung stark im Schwunge und rechnen wir gewiß nicht zu hoch, wenn wir für diesem Zeitraum die Zahl der Emigranten auf 200 angeben. Für die nächsten Jahre glauben wir noch ein größeres Contingent in Aussicht nehmen zu müssen, da sich viele Familien schon jetzt rüsten, so bald als möglich ihren vorausgegangenen Verwandten nachzufolgen. Ohne einen Pionier vorausgeschickt zu haben, wandert selten eine ganze Familie aus, und gewöhnlich ist dieser Pionier der Vater selbst, der ein oder zwei Jahre vorher hinüber geht, um sich die Verhältnisse anzuschauen und den besten Platz für seine künftige Heimath auszusuchen. Uns sind wohl ein Dutzend Familienväter bekannt, die schon früher oder neuerdings auf „Kundschaft“ ausgewandert sind und deren Familien nur auf die Ordre, nachzukommen, sehnsüchtig warten.

Was ist der Grund dieser massenhaften Auswanderung? Ist es vielleicht Unzufriedenheit mit den politischen Zuständen? Nein, denn Politik treibt man eben nicht, weil man alle Zeit vollauf nothwendig hat, seinen Lebensunterhalt zu erwerben; höchstens kann man sagen, daß man sich noch nicht in die allgemeine Wehrpflicht hineingefunden hat und mancher Militärpflichtige auswandert, um den „bunten Rock“ nicht anziehen zu brauchen. Aber in Wirklichkeit ist das nicht das Hauptmotiv der Auswanderung; das liegt unseres Erachtens weit überwiegend in der allgemeinen Armuth der Gegend und in der Unfruchtbarkeit des Grund und Bodens. Wenn ein Land dem Menschen bei harter Arbeit und sparsamer Einrichtung nicht mehr bietet, als kaum den Hunger zu stillen und nothdürftig den Körper zu bekleiden, dann ist das Band der Anhänglichkeit an den Geburtsort leicht zerrissen und hört die Heimath auf, Heimath zu sein. Wahr ist und bleibt immer der alte Spruch: ubi bene, ibi patria. Der Mensch befolgt einfach das Naturgesetz der Selbsterhaltung, wenn er Verhältnisse aufgiebt, wobei er sich materiell nicht wohl befindet und andere aufsucht, die bessere Garantien für die Existenz bieten.

Und in der That, den Saterländern drüben geht es fast ohne Ausnahme allen sehr gut, wie die Briefe und Geldsendungen der Ausgewanderten zur Genüge beweisen. Von Jugend auf gewohnt an harter Arbeit und Sparsamkeit, ermöglichen ihnen die verhältnißmäßig hohen amerikanischen Tagelöhne und die durchschnittlich günstigen landwirthschaftlichen Verhältnisse ein im Vergleich zur alten Heimath rasches Weiterkommen. Hierzu kommt, daß dem Saterländer die englische Sprache keine großen Schwierigkeiten macht, weil diese mit seinem eigenen altfriesischen Ideom sehr viel Verwandtes hat. In 4-6 Wochen ist er sprachlich soweit eingeübt, daß er überall fertig werden kann, und bei fortgesetzter Uebung kommt er leicht so weit, daß die Sprache ihn von dem eingeborenen Amerikaner nicht unterscheidet. Rechnet man hierzu noch die bedeutenden natürlichen Anlagen der Saterländer und die Anstelligkeit bei jeder Arbeit, so ist es nicht zu verwundern, wenn es allen drüben gut, ja vielen sehr gut geht.

Bei all dem bleibt aber immer diese massenhafte Auswanderung eine traurige Erscheinung, weil sie uns die besten Arbeitskräfte und auch sehr viel baares Geld entführt. Wir verargen es den Auswandernden nicht, daß sie es besser nehmen, wenn sie es besser haben können, aber wir verargen es der Regierung eines Landes, wenn vorwiegend wirthschaftliche Uebelstände zur Auswanderung treiben und, unserer Meinung nach, nicht rasch und energisch genug Hand angelegt wird, diese Mißstände zu beseitigen.

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Dok-Nr. 30: „Oldenburger Zeitung“ No. 104 vom 07.05.1875

Ein Beitrag zur amerikanischen Justizpflege

Welch enorme Kosten es verursacht, einen flüchtigen Verbrecher von Amerika ausgeliefert zu erhalten, mag man aus Nachfolgendem ersehen: In einer kürzlichen stattgehabten Sitzung der Justizcommission gab der Regierungscommissar Geh.Rath Nebe-Pflugstaedt eine für die Verfolgung flüchtiger Verbrecher in Amerika bemerkenswerthe Erklärung ab. Es handelte sich um eine Petition, welche die Rückerstattung einer Summe von 700 Thlr. verlangte, die der Petent zur Ergreifung eines nach Amerika geflüchteten Verbrechers der Salarienkasse des Kreisgerichts zu Münster gezahlt hatte. Der Regierungscommissar erklärte bezüglich dieser Petition, daß die Staatsanwälte angewiesen seien, die Auslieferungsanträge für die nach Amerika geflüchteten Verbrecher wegen der enormen Kosten einer solchen Auslieferungsprocedur nur dann zu stellen, wenn Seitens der Beschädigten die Kosten derselben ganz oder wenigstens zu einem entsprechenden Theil sicher gestellt würden, oder ein allgemeines Staatsinteresse die Habhaftmachung des Verbrechers erheische. Ein solches Verfahren sei wegen der enormen Kosten der Auslieferungsprocedur in Amerika, die sich bei irgend welchen processualischen Schwierigkeiten auf 8 bis 10.000 Thlr. stellen könnten, und der relativen Beschränktheit der dafür zu verwendenden Mittel geboten. In dem vorliegenden Falle hatten die Kosten pptr. 2500 Thlr. betragen und Petent könne weder aus Rechtsgründen, noch aus Billigkeitsrücksichten Ersatz der 700 Thlr. verlangen, welche er in der Hoffnung bezahlt hatte, daß bei dem ergriffenen Verbrecher noch Gelder zur theilweisen Deckung seiner Forderung gefunden würden. Gleichwohl wurde die Petition der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen.

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II.  Das Amerikabild

II.1. Die fremde Neue Welt


Dok-Nr. 31: „Oldenburgische Zeitung“ No. 19 vom 04.03.1816

London, den 20.Febr. Lord Castlereagh sagte im Unterhause am 14. folgendes über Amerika: „Einige Mitglieder haben von Argwohn gegen Nordamerika gesprochen. Vielleicht mit größerm Rechte dürfte die Behauptung gelten, Amerika hege Argwohn gegen uns, wiewohl man auch nicht vergessen darf, daß man in unserm Lande viele große Vorurtheile gegen Amerika hat. Ich wünsche sehr, dieses möchte beyderseits aufhören, und Gefühle gegenseitiger Freundschaft und Achtung an die Stelle treten. Es giebt nicht zwey Länder, deren Interesse natürlicher und enger verknüpft wäre; hoffentlich werden beyde Regierungen den Frieden und die Eintracht immer mehr zu begründen suchen. Ueberhaupt wünsche ich recht sehr, daß gegen fremde Mächte dieser Geist des Tadels aufhören möge, der, aus welchen Absichten er entstanden seyn mag, immer ernste Folgen hat.“

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Dok-Nr. 32: „Oldenburgische Blätter“ No. 26 vom 25.06.1833

Ueber die Abnahme der physischen und geistigen Kräfte in Amerika.*)

*) [Fußnote] Das Nachfolgende ist ein kurzer Auszug aus einem Schreiben aus Pittsburg, in der Pennsylvansichen County Alleghany, vom Anfange Januars 1833, welches im Hannoverschen Magazin vom 8. und 12. Jun. d.J. vollständig abgedruckt ist. Obgleich der Verfasser in einer trüben hypochondrischen Stimmung seine Schilderungen wohl zu schwarz gemahlt hat, so zeigt er sich doch zugleich auch als ein Mann von Bildung und Kenntnissen, dessen Urtheil eine nähere Beachtung wohl verdient. (A.d.R.)

Büffon *] hat bereits die Behauptung aufgestellt, es liege im Amerikanischen Erd- und Himmelsstriche, wenn sowohl bey Menschen als Thieren, von Geschlecht zu Geschlecht, die physischen und geistigen Kräfte abnehme. Die Wahrheit dieses Satzes legt sich so klar an den Tag, daß ich mich wundern muß, wie sie nicht mehr bekannt, und namentlich von denen, die über Amerika geschrieben haben, nicht bemerkt ist. Alles was ich hier sehe und wahrnehme, sind nur die Resultate obiger Ansicht Büffon’s, und alles läßt sich darauf zurückführen, auch nur daraus erklären.

So gepriesen die Natur Amerika’s auch immer dargestellt seyn mag, es fehlt ihr an Kraft; sie erzeugt schnell und üppig, aber nichts Kräftiges. Das Holz der Bäume hat keinen Kern, keine Kraft, keinen Brennstoff; ein Stück grünes Holz ist oft nicht vom dürren Holze zu unterscheiden. Der Baum wurzelt nicht tief, er schlägt seine Wurzeln nur gegen die Oberfläche des Grundes aus; ein mittelmäßig starker Wind wirft ihn um. Er schießt schnell und schlank auf, hat aber keine Verzweigungen, nur oben einen Poll, der auf die Beschaffenheit der Wurzeln schließen läßt. Gräser, Gestrüpp und jedes niedere Gewächs aber wuchert in dem in sich selbst erstickten und betäubten, das Unkraut vor allem. In ganz Pennsylvanien habe ich keinen großartigen Baumwuchs, keinen Baum dicker als von der Stärke eines Mannes gesehen; der Boden ist, wo er gut ist, nur was wir Mittelboden nennen. In der ganzen nordamerikanischen Natur ist keine Gediegenheit; nur Wildheit blickt überall hervor. Die Natur erregt hier nur unangenehme, oder richtiger gar keine Gefühle, denn sie ist dodt und kann daher kein Leben geben. – Es hat eine tiefe Bedeutung, daß die Natur hier keine Nachtigall schaffen konnte, so wie überhaupt keine Singvögel; sie bietet nur die rohesten Stoffe und diese in ungeheurer Masse dar, schafft aber nicht Geistiges, nichts Edles, was das Gemüth des Menschen ansprechen, was ihn rühren kann.

So wie die Pflanzenwelt kraftlos und verkümmert ist, so ist es die Thierwelt. Die hiesigen Hunde, träge, rauhe, häßliche Geschöpfe, bellen weniger, als die unsrigen. Daß alle Amerikanischen Thiere, Bären, Hirsche u.a., kleiner, als die andrer Welttheile sind, ist bekannt. Wild existirt in Pennsylvanien nicht mehr; die allgemeine Jagdfreyheit hat der Jagd solch ein Ende gemacht. Auch in Missouri wird die Jagd ein schnelles Ende nehmen; alles Wild zieht gen Westen; es ist bey den Indianern sicherer, als in den Gegenden, wo eine zerstörungswüthige Cultur ihm in keiner Periode des Jahres eine Ruhestatt vergönnt. Die Pferde sind schlaff, ohne Feuer und Leben; jede herübergebrachte bessere Race nimmt bald dieselbe Natur an. Reitkunst existirt hier nicht; alle Pferde gehen den Paß; sie werden schrecklich vernachlässigt.

[*Buffon, Georges Louis Leclerc Graf von, 1707-1788, franz. Naturforscher]

(Fortsetzung folgt)

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Dok-Nr. 32a: „Oldenburgische Blätter“ No. 27 vom 02.07.1833

Ueber die Abnahme der physischen und geistigen Kräfte in Amerika.

Die schönsten Sorten Weinstöcke, von Europa eingeführt, nehmen bald einen eigenthümlichen wilden Geschmack an. Es liegt wiederum eine tiefe Bedeutsamkeit darin, daß die Natur keinen Wein hervorbringen kann, und daß sie alles Geistige verweigert, zerstört, in die  Wildheit zurückführt. Würden die Nahrungsmittel chemisch untersucht, so würden sie, mit den Europäischen verglichen, einen weit geringern Gehalt an Nahrungsstoff geben. Alle Speisen werden schlecht zubereitet, und sich schlecht für die Verdauung geeignet: man wendet viel Gewürze an, die aber nur eine schlechte Aushülfe gewähren. Wein fehlt gänzlich bey Tisch, auch gutes ja nur leidliches Bier. Alles was wir mit Lebensgenuß bezeichnen, ist dem Amerikaner fremd. Die Reize der Tafel sind ihm unbekannt, er ißt nur, um voll zu werden, verschlingt mit Hast, spricht nicht bey Tisch, springt auf vom Tisch wenn er voll ist, und geht wieder woher er kommt – to make money, um Geld zu machen.

Der Amerikaner ist von Temperament phlegmatisch, Nebenmischungen sind schwach, am wenigsten ist eine cholerische Mischung anzutreffen; er kennt keine Aufwallung des Zorns. Er ist nicht bloß phlegmatisch und leidenschaftslos, er ist mehr als das, er ist vollkommen apathisch. Seine intellectuellen Kräfte sind beschränkt, er hat lediglich einen mercantilisch speculativen Verstand. Sein Genie beschränkt sich bloß auf Technische, hierin ist aber auch seine ganze geistige Kraft erschöpft. Im Merkantilischen zeigt er eine ungemeine Schlauheit, keineswegs eine umsichtige Klugheit und Gewandtheit. Er speculirt kleinlich, schmutzig, und da ihm das Gewissen fehlt, so wie alle höhere moralische Factoren der Seele, so ist er Betrieger, er betrügt wo er kann, im Großen und im Kleinen. Wenn er auf diese Weise viel Geld erworben hat, so ist er ein in der bürgerlichen Gesellschaft geachteter Mann geworden; einzig und allein Geld erwirbt hier bürgerliche Achtung und Auszeichnung. Der Staatsmann, der Gelehrte, wird verachtet, alles Große und Schöne wird mit Füßen getreten.

Dasjenige intelectuelle Verdienst, welches ich dem Amerikaner nicht absprechen kann, ist, wie schon gesagt: er ist groß in der Technik. Hievon zeugt das Schiffs- und Seewesen, der Canal- Brücken- und Chaussee-Bau, Manufacturen und Fabriken. Vorzüglich ist der Amerikaner in der Schifffahrt groß. Die Schiffbaue sind imposant, die Seeschiffe und Dampfschiffe sind bewunderungswürdig. Das Amerikanische Seevolk ist ein festes, durch die Seeluft gekernigtes und gekräftigtes Volk. Ich glaube, es ist bloß der Genuß der Seeluft, welcher die Seeleute so sehr vor ihren Landsleuten in Rücksicht physischer und moralischer Kraft auszeichnet. Dieselbe Verschiedenheit scheint auch bey den Küstenbewohnern Statt zu finden. Während der Innern lebende Amerikaner mit 48 Jahren ein alter Mann genannt wird, ist der 60jährige Küstenbewohner ein Jüngling im Aeußern. Während die Physiognomie dieser selbst glücklich genannt werden kann, nähert sich die des im Innern lebenden der Wildheit; die Züge werden unregelmäßig, die Haare ruppig, das Auge hat oft einen so unwürdigen Ausdruck, und in der verkleinerten Pupille liegt ein so seltsam wild leuchtender Glanz, daß einem ganz unheimlich zu Muthe wird.

Die Brücken- und Canal-Baue sind merkwürdig schön, und ungeheuer ist die Werkthätigkeit der Amerikaner hierin. Ihr technisches Genie ist aber nur erfinderisch, die Ausführung ist schwach und kraftlos. Ihre Bauart ist sowohl in ihren größern Werken als namentlich auch im Häuserbau so leicht und oberflächlich, daß selbst die größten und solidesten Werke kaum ein Jahrhundert ausdauern werden. Große, eine Englische Meile lange, über Flüsse und Berge gelegte Canäle, merkwürdig erfunden, dabey nicht complicirt, sondern einfach construirt, sind schon jetzt locker. Ungeheure, eben so merkwürdig construirte Brücken sind so leicht und oberflächlich errichtet, daß man geneigt ist zu urtheilen, der Amerikaner ahne schon jetzt, wie bald die Blüthe der herüber gebrachten Cultur abblühen müsse.

Der Amerikaner ist ephemer in seiner Lebensthätigkeit, er sorgt nur für den Augenblick. Er hat keine geistige Energie, sein Wirkungsvermögen ist nicht edel, groß, es ist beschränkt. Die Cultur ist von Europa herüber gebracht; der Americanische Boden ist nicht fähig, sie zu nähren, zu erhalten; er hat bloß Raum, sie zu Grabe zu tragen. So lange aus Europa Cultur herübergebracht wird, so lange wird hier immer ein gewisser cultivirter Zustand herrschen; sobald dies aber aufhört, oder das Volk von Geschlecht zu Geschlecht weniger Empfänglichkeit für Aufnahme derselben hat, wird alle Cultur aufhören und mit schnellen Schritten der Wildheit entgegen geeilt werden.

Wenn nun jene mercantilische Speculation und der Sinn für Technik die einzigen Resultate eines geistigen Lebens der Amerikaner sind, so sind damit alle geistigen Functionen dieses Volkes erschöpft. Es hat für nichts weiter Sinn u. Geistesthätigkeit. Ihm fehlt die Spann- u. Schwungkraft. Es hat keinen Sinn für Kunst, ahnet keine Dichtkunst, hat kein Gefühl für Musik. Jede Lady will zwar Piano spielen, und der Musik-Unterricht wird ungemein gesucht, sie spielt aber nicht aus Liebe zur Musik, nicht um Genuß davon zu haben, sondern weil es für fashionable gehalten wird. Die Musik ist hier daher in der Kindheit, so weit die Cultur auch in dieser Beziehung eingeschritten ist.

(Fortsetzung folgt)

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Dok-Nr. 32b: „Oldenburgische Blätter“ No. 29 vom 16.07.1833

Ueber die Abnahme der physischen und geistigen Kräfte in Amerika.

Der Amerikaner ist so empfindungslos, daß es ihm in Concerten einerley ist, ob er etwas Schönes oder Schlechtes hört; er kann nicht unterscheiden. Dancingdudel ist ihnen das liebste; ihre schlaffen Leiber gerathen dann in eine Art von Beweglichkeit, es ist aber nicht möglich, bey ihnen einen Affect wahrzunehmen. Malerey soll bessere Resultate liefern; vielleicht ist diese Kunst um deßwillen weiter vorgeschritten, weil es dabey auch auf Entwickelung der Technik ankommt.

Der Zustand der Religion und des Unterrichts ist beklagenswerth. Es wird viel gebetet und zur Kirche gegangen; nur Litaney und Form; es kann nicht an Heuchely fehlen. – Bey der ärmern Classe existirt im Sommer gar kein Unterricht, weil die Kinder dann für die Eltern Geld machen müssen. Die wohlhabende Classe sendet ihre Kinder in Boarding-Schulen, wo es beklagenwerth aussehen soll. – Vor Gericht geht alles nach Geld und Einfluß. Es existirt kein Gesetzbuch, das common law ist vielen Modificationen unterworfen, die Rechtsgelehrten haben Mühe, in den verschiedensten Beschlüssen Aufklärung zu finden. Am Ende kommt es auf Rednertalente an, mehr noch auf Schlauheit und Ränke. – Rednertalente und Schlauheit qualificiren auch zum Staatsmann.

Am allergräßlichsten tritt dem Europäer der medicinische Zustand vor Augen. Doctor ist jeder, der sich als Besitzer und Erfinder irgend einer Wunderpille ankündigt. Das Volk ist von solchen Wunderdoctoren eingenommen. Die Apotheken sind, wie ich von Europäischen Sachverständigen weiß, im unordentlichsten Zustande. Selbst in Philadelphia ist keine nur irgend den Europäischen ähnliche Apotheke zu finden. Aber sie sind aufgeputzt und elegant wie Paläste. Nichts was die Europäische Arzneykunde verlangt, ist darin zu haben; nicht das einfachste Europäische Recept kann richtig nachgemacht werden. Die gebrauchten Medicamente correspondiren mit der abgestumpften physischen Natur der Amerikaners. Leicht wirkende Mittel dringen nicht durch; es müssen heftig wirkende Mittel, Gifte, insbesondere metallische Gifte seyn. Zwanzig Gran Calomel werden bey jeder leichten Erkältung gegeben; alle Wunderpillen enthalten Calomel als Hauptbestandtheil. Haben die Aerzte nur den Zustand der Salivation herbeygeführt, so ist die Krankheit gehoben. Weil sich alle Medicamente auf so wenige reduciren, so weiß das Volk eben so viel von der Medicin, als der Arzt. Für jede Krankheit ist irgend ein Universalmittel, von einem beliebigen Gifte, allgemein anerkannt. Die Aerzte machen nur deshalb ihr Glück, weil die wohlhabendere und reichere Classe Aerzte haben will. Wie unglücklich ist nun eine noch nicht gehörig abgestumpfte, noch nicht gehörig amerikanisirte Deutsche Natur daran, die bey ihrer höhern Reizbarkeit und Empfänglichkeit einem Amerikanischen Arzte in die Hände fällt. Sie muß unvermeidlich den Gifttod sterben.

Von dem bisher gesagten kann man auf den wissenschaftlichen Zustand dieses Volks im Allgemeinen schließen; überall die größte Oberflächlichkeit. Kein Amerikaner geht in eine wissenschaftliche Unterhaltung ein. Wer wissenschaftliches Interesse hat, befindet sich hier nicht besser, als bey den Hottentotten.

Die Kälte, die sich im Aeußern dieses Volkes ausspricht, hat mich wegen des Sittenzustandes desselben lange im Irrthum erhalten; beym nähern Prüfen finde ich aber die Sittenlosigkeit größer als irgendwo. Weil der Amerikaner, vermöge seiner phlegmatischen, apathischen Natur sich in seiner Sinnlichkeit nicht zur Leidenschaft hinreißen lassen kann, so fallen seine Laster nicht so sehr ins Auge. Weil überhaupt im Volke kein moralischer Werth vorhanden ist, so giebt es auch keine weibliche Tugend.

Es ist nicht zu begreifen, wie man in Europa so wenig über das Land und die Verhältnisse des Volkes, über den eigentlichen Culturzustand und die Volksbildung aufgeklärt ist, da dies doch jedem Unbefangenen sonnenklar in die Augen fallen muß. Amerika ist für den Europäer in jeder Beziehung eine terra incognita. Duden (in seinem kürzlich erschienenen Werke über Amerika) *] berührt die im Obigen ausgesprochenen Gegenstände im entferntesten nicht. Ich glaube, er hat, den jetzigen Zeitpunkt der Unzufriedenheit in Deutschland benutzend, durch Vorspiegelung eines Paradieses das Interesse für Auswanderung erwecken wollen, um dadurch den Absatz seines Buches zu fördern, und um die Auswanderungen nach Missouri hinzuleiten, wo er Ländereyen angekauft hat, die durch Ausbreitung der Cultur einen größern Werth erhalten. Solche Länderspeculationen sichern ungeheure Vortheile, wenn der Plan in Rücksicht der Localität richtig angelegt ist. – Glaubwürdige Personen versichern, daß der Missouristaat der ungesundeste im ganzen Lande ist. Die dahin wandern, unterliegen gleich anfangs den heftigsten Krankheiten, und büßen oft mit dem Tode. Rapp **] sagte, es gehörten wenigstens vier Jahre dazu, ehe Deutsche sich acclimatisierten. Dabey ist die Sommerhitze über Blutwärme, wie Duden selbst einräumt, der Muskiten-Plage nicht zu gedenken.

Eine Veranlassung, warum so Viele über dies Volk und dessen Verhältnisse sich täuschen lassen, ist die glänzende, elegante Außenseite. Die Wohnungen von außen und von innen nehmen sich freundlich und elegant aus; die Möbeln haben, wenn auch bey den Aermern ohne Werth, ein hübsches Ansehen. Die Damen gehen sehr elegant gekleidet; jede Dame, ohne Unterschied des Standes, geht in Seide.

Der Deutsche, der dies Land zu seiner Heimath wählt, opfert alles auf, was er hat. Er reißt sich los von allen Lebensinteressen, die ihn in Deutschland belebt haben; er riskirt Leben und Vermögen. Er opfert aber auch die Gesundheit der Seele, die Gemüthlichkeit, den Lebensfrohsinn, die Heiterkeit, jede moralische und körperliche Kraft; und nicht allein für sich selbst, sondern auch für seine Nachkommen; und warum? – um Geld zu machen. Der Deutsche soll sich amerikanisiren, das heißt, er soll sich abstumpfen an Körper und Geist, soll seine Geitesthätigkeit einzig und allein auf jene Schlauheit, auf jenes Alltagsleben beschränken, auf eine fehlende Existenz aller höheren Thätigkeiten der menschlichen Seele. Der Rohe und Stumpfsinnige steht sich hiebey am besten. Wer aber von einem bessern Stoffe ist, fühlt sich unglücklich, und dies Gefühl verwischt sich nicht mit der Zeit, es artet in eine Seelenkrankheit aus. Es ist eine von allen Deutschen hieselbst anerkannte Thatsache, daß wenn jemand zwey Jahre in diesem Lande gelebt hat, seine ursprünglich heitere, frohe Laune verloren geht, und er eben so apathisch wird wie der Amerikaner. Alle gestehen ein, daß sie auf alle Lebensfreuden verzichten müssen. Hat jemand längere Zeit hier gelebt, ist er gehörig amerikanisirt, hat die Macht der Gewohnheit gesiegt, und die Sucht, to make money: so sucht er Europäische Freunde, durch Vorspiegelungen von dem vielen Gelde, was er verdient habe, herüberzulocken. Die Unglücklichen kommen, finden sich getäuscht, werden von dem Freunde, der sie anlockte, herzlos vernachlässigt, und sind in der verzweiflungsvollsten Lage. Das beste ist, daß sie ihr Unglück nicht fühlen, weil kein Gefühl hier wurzeln kann. Ich selbst fühle mich indifferenzirt; mein Entschluß, das Land zu verlassen, steht fest.

Der Deutsche, der 30 Jahre und länger hier gewesen ist, erwacht nicht selten aus seiner Lethargie, und sagt: „warum habe ich Narr mein Vaterland verlassen!“ er verfällt sogleich wieder in die Apathie und brütet empfindungslos dahin. Ich habe sogar die Bemerkung zu  machen geglaubt, daß, wo Deutsche Einwanderer sich unter sich, unvermischt mit Amerikanern, erhalten haben, das Interesse für Deutschland noch in folgenden Geschlechtern fortlebt, und daß der Gedanke: „unsere Väter haben Deutschland verlassen!“ wie ein Leidensgedanke, wie die Sünder der Väter, fortgepflanzt wird auf fernere Generationen.

Die Amerikanische Verfassung ist ein Nonsens; es giebt hier keine Freyheit; eine demokratische Verfassung existirt nirgends. Hier ist Aristokratie , wie in der ganzen Welt. Die größten Deutschen Demagogen ändern hier ihren Sinn; viele wollen wieder zurück.

Das bisher gesagte habe ich mit keiner Art von Uebertreibung geschrieben; im Gegentheil, ich kann keine Worte finden, um Dir meine Gefühle über dies unheilvolle Land mit recht grellen Farben zu schildern. – Ich beschwöre Dich daher, nicht nach diesem Lande zu kommen, und Dich und die Deinigen nicht ins Unglück zu stürzen. Ich rathe jeden ohne Unterschied, Künstler, Handwerker u.a. davon ab. Jeder verliert.

Nachschrift. Den Dr. F. habe ich hier in Pittsburg kennen gelernt; er erklärte mit fidelem Stoicismus, er wolle auf alle Lebensfreuden verzichten, da er einsehe, daß man hier keine haben könne. Alle Europäischen Leiden sind nichts gegen das hiesige Elend. Noch einmal! bleib da, lieber Freund! bleib da!

[*Gottfried Duden: Bericht über eine Reise nach den westlichen Staaten Nordamerikas und einem mehrjährigen Aufenthalt am Missouri. Elbersfeld bei Lucas 1829]

[**Georg Rapp, 1804 aus Württemberg nach Pennsylvania ausgewandert; Mitbegründer der Stadt Harmonie]

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Dok-Nr. 33: „Oldenburgische Zeitung“ No. 56 vom 14.07.1846

Vermischte Nachrichten

[...]

- Am 18.Juni sind aus Memel 22 Personen verschiedenen Alters und Geschlechts unter ihrem Haupt, dem Zimmergesellen Grimm, welcher lange Zeit der Wiedertäufersekte in Memel vorstand, nach Amerika ausgewandert. Die Wiedertäufergemeinden in Amerika tragen gemeinschaftlich die Kosten der Ueberfahrt.

- Ein Landmann schreibt aus Kalifornien, wie es ihm dort ganz erträglich ergehe; im Besitz von 4000 Stück Rindvieh, 1700 Pferden und Mauleseln, 3000 Schafen und 3000 Schweinen habe er hinreichende Beschäftigung. Da für Viele zu sorgen sei, so könne er bei einer Ernte von 12.000 Bushel Weizen und verhältnißmäßiger Menge Gerste, Bohnen, Erbsen u.s.w. nicht klagen. Habe er mehr davon als er brauche, so kämen Russen und Sandwichinsulaner, ihm das Entbehrliche zu guten Preisen abzunehmen. Auf diese Weise könne er es dort immer noch eine Weile aushalten.

- Boree (Amerika) ist der Name einer neuen Mormonenstadt, die nach dem Tode Joe und Hiram Smiths von dem dissentirenden Propheten Strange in der White River Prairie im Gebiet Wiskonsin gegründet wurde. Seitdem haben sich die meisten Mormonen, die den „Zwölf“ abtrünnig wurden, nach dieser neuen Ansiedelung begeben, die bereits auf 10.000 Einwohner angewachsen sein soll. Strange beweist als Leiter seiner religiös und socialistisch verbundenen Gemeinde großen Scharfsinn und Schlauheit, und hat ihren Arbeitskräfte vorzugsweise die Richtung auf Manufakturzweige gegeben. Die Stadt Boree soll hoch, schön und gesund gelegen sein, und eine reiche und fruchtbare Umgebung haben.

[...]

- Die Deutschen, welche in Texas sich angesiedelt haben, sind von einem harten Mißgeschick heimgesucht worden. Während die waffenfähigen Männer gegen Mexiko zu Felde gezogen waren, brachen die Indianer in das Gebiet ein, raubten und plünderten, nahmen die Frauen und Kinder gefangen und führten sie fort, die Greise aber schlachteten sie.

[...]

- Kürzlich starb in Bladen County (Ver.Staaten) ein Hr. William Prigden im 124sten Jahre seines Alters. Er hatte, obgleich damals schon ein alter Mann, den ganzen Unabhängigkeitskrieg als Freiwilliger mitgemacht, und hat Urenkel hinterlassen, die mehr als 40 Jahre zählen. Desgleichen lebt dort eine hochbetagte Negerin, deren Alter auf 130 Jahre geschätzt wird. Sie hat 14 Kinder gehabt. Diese merkwürdige Greisin hat niemals in ihrem Leben das Bett gehütet und eben jetzt hat sie zum ersten Male eine Krankheit befallen, doch ist man nicht ohne Hoffnung, sie zu erhalten.

[...]

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Dok-Nr. 34: „Oldenburger Zeitung“ No. 158 vom 09.10.1853

Die Auswanderer in Amerika.

Auszug aus den Atlantischen Studien.

Die europäische Auswanderung nach Amerika hat eine gesunde und eine kranke Seite. An sich ist es naturgemäß, daß aus einem Lande, wo es zu viele Menschen gibt, Leute in ein Land wandern, wo weniger Menschen leben, als dort Raum und Erwerb finden können. Eben so natürlich ist es, in den freien Institutionen Amerika’s nach einem weiteren und weniger ausgebeuteten Felde kaufmännischer und gewerblicher Thätigkeit zu trachten, es ist aber ein Irrthum, hiermit die Hoffnung auf den Genuß einer höheren geistigen oder moralischen Entwickelung zu verbinden oder gar in Amerika eine gesteigerte Menschheit zu suchen. Ein sentimentaler Zug kränklicher Gemüthsrichtungen sucht in der Ferne dieser atlantischen Gegenden seine Befriedigung und wird sie selbst nach der Seite eines unbestimmten Freiheitsdranges nur selten finden. Ein solcher Drang ist vorzüglich in der deutschen Nation verbreitet, deren Naturell gleichwohl im grellsten Widerspruch mit dem amerikanischen Wesen steht. Keine Nationalität legt in ihrer amerikanischen Entwickelung oder Ausartung mehr Anarchie an den Tag als die Deutsche.

Der Strom der Auswanderung an diese Küsten ist eine historische Thatsache, ist eine Richtung, die sich nicht aufhalten läßt und die man unseres Dafürhaltens durchaus nicht hemmen sollte. Schwerlich möchte von der Auswanderung eine ernstliche Lücke in der Bevölkerung Europa’s zu fürchten sein. Die Geschichte fragt so wenig als die Natur nach dem Wohlsein oder Gedeihen der Einzelnen. Der Einzelne aber will wissen, wie es ihm hier ergehen möchte, ob er gewinnt oder verliert. Diese Frage ist aber dermalen schwer zu beantworten; denn sie setzt die Vorfrage voraus: wer ist dieser Einzelne und wie ist er beschaffen? – Diese letztere Frage kann man schwerlich durch Eintheilung der Menschen in Klassen und Beschäftigungen genügend beantworten, sondern sie richtet sich auch an das Naturell der Individuen, an deren Fond von Willenskraft und Geistesgegenwart. – Die Auswanderer haben sehr wenig nach den Zuständen Amerika’s gefragt. Sollte es deshalb überflüssig sein, sie für andere Leser zu schildern und gibt es überhaupt von Amerika nichts weiter zu sagen, als was etwa für Auswanderer geschrieben ist? – „Aber ihr schreibt gegen die Auswanderung,“ hat man uns eingewendet. Und wenn wir ohne weiters nur die Schattenseiten beschrieben, so könnten wir der Wahrheit immer noch näher kommen, als in der gebräuchlichsten Manier über die Lichtseiten. Es läßt sich nachweisen, daß Correspondenten und Verfasser größerer Werke von Deutschland aus aufgefordert wurden, doch ja die Schattenseiten Amerika’s nicht zu berühren. Das, was man so die Schattenseiten nennt, drängt sich eben in der Wirklichkeit viel schärfer hervor und die so sehr beliebten Lichtseiten wurden bis zur Trivialität beschrieben und übertrieben. Wollten wir aber jene ersehnten Lichtseiten an die Spitze unser Schilderungen stellen, so hätten wir beifügen müssen, daß sie nicht so glänzen, - als man gemeinhin annimmt. – Sollen wir z.B. das allgemeine Stimmrecht hervorheben, so müßten wir beifügen, daß es jetzt in Amerika größtentheils eine Illusion geworden. – Sollen wir der politischen Bildung erwähnen, so können wir nicht verschweigen, daß während der sehr wichtigen Wahlen, die wir erlebten, sich nicht viel davon im Volke gezeigt hat. – Sollen wir von der persönlichen Freiheit sprechen, so müssen wir beifügen, daß sie an manchen Orten auffallenden Beschränkungen unterliegt, welche an die „Kaffeeschnüffler“ des vorigen Jahrhunderts erinnern, abgesehen von der Beschränkung, welche sich aus Unsicherheit des Lebens und Eigenthums ergiebt. – Gedenken wir der Religionsfreiheit, so können wir nicht unerwähnt lassen, daß sie durch Befangenheit und Fanatismus geschmälert wird. – Sollen wir die Preßfreiheit loben, so müssen wir berichtigen, daß die Presse hier unter der Abhängigkeit vom Volke schlechter geworden, als unter der Censur in Europa und daß sie wenig Anklang findet, wenn sie etwas Gutes leistet. – Sollen wir erwähnen, daß hier freie Aeußerung der Meinung erlaubt ist, so dürfen wir nicht unerwähnt lassen, daß das, was man in Europa öffentliche Meinung nennt, kaum in einem europäischen Staate schwächer ist, als in den Vereinigten Staaten; denn nicht allein durch die Freiheit, seine Meinung zu äußern, sondern vorzüglich dadurch bildet sich eine öffentliche Meinung, daß man überhaupt fähig ist, eine Meinung zu haben. – Man sieht, daß die „Schattenseiten“ allenthalben in die „Lichtseiten“ hineinspielen und daß eben durch Übergehen dieser Schattenseiten, jene nebelhaften Vorstellungen von Amerika gangbar wurden. Jede aus dem wirklichen Leben gegriffene Schilderung amerikanischer Zustände muß daher nach den vorausgegangenen Uebertreibungen eine Herabstimmung hervorbringen. Selbst diejenige Institution der Vereinigten Staaten, welche deren Prosperität am meisten fördert, die Gewerbefreiheit, wird einestheils nicht consequent durchgeführt und anderntheils auf Beschäftigung ausgedehnt, die keine Gewerbe sind. So ergiebt sich aus der amerikanischen Behandlung dieser Einrichtung ein unverständiger Zwang und Vorschub der Charlatanerie. Dennoch ist sie in dieser Unvollkommenheit immer noch so beschaffen, daß sie auf die materielle Entwickelung von großen Folgen war, man hat ihr aber oft einen übertriebenen Einfluß auf die geistige Entwickelung zugeschrieben. – In Europa, wo man eine durchgreifende, gouvernementale Einwirkung gewohnt ist, denkt man sich nach der anderen Seite die Wirkung der republikanischen Formen Amerika’s auf den innern Menschen stärker als sie ist. Die Union hängt aber weit mehr geschäftlich als staatlich zusammen. Das, was man in Europa „Republik“ nennt, tritt hier immer mehr zurück und des Geschäft tritt in einer in Europa nicht gekannten Einseitigkeit in den Vordergrund, und beherrscht das ganze menschliche Leben mit einer alle anderen Richtungen beengenden Gewalt.

Glück oder Unglück Einzelner in einem entfernten Lande geben keinen genügenden Maßstab für dessen Zustände. Wenn ein Mann auswandert, um irgend welchen europäischen Beschränkungen zu entgehen und etwas mehr zu verdienen, so mag er sich dessen freuen; wenn er hier einen Bäcker- oder einen Fleischerladen leichter anlegen kann, so mag er das loben; das entscheidet aber sehr wenig über das Allgemeine und die Bildungsstufe der Nation. Es hat Zeiten gegeben, wo unter Mehemet Ali *] manche europäischen Arbeiter mehr verdienten als jetzt hier, niemand hat aber deshalb die Zustände Egyptens über die Europa’s gestellt. –

Durch schnelle und ausgedehnte Concurrenz nehmen Handel und Industrie in Amerika immer mehr einen Charakter an, welcher sich von der europäischen Vorstellung, diesseits ein leichtes Fortkommen zu finden, jährlich mehr entfernt. Die Geschäfte werden mehr ins Große getrieben und man kann nicht mehr so vielerlei als, früher, ohne vorausgegangene Vorbildung, betreiben. Viele Leute, die vormals auf eine leichte Weise reich geworden, dürften jetzt schwerlich so einfach ihr Glück machen. Indes kommt es immer noch vor, daß Stümper oder Pfuscher mit dem hinreichenden Grade von Charlatanerie und Accomodation an amerikanische Vorurtheile besser fortkommen, als gediegene Männer von Fähigkeiten und Selbstständigkeit. Andererseits hat die große Menge von eingewanderten Stümpern und Charlatanen das Urtheil über europäische Bildung herabgesetzt.

Vermöge der mehr in’s Große gehenden Anlage der Geschäfte, können sich europäische Arbeiter immer seltener selbstständig etabliren und viele, die in Europa als kleine Meister arbeiteten, müssen als Fabrikarbeiter eine abhängige Stellung einnehmen. Indeß ist der Arbeitslohn durchschnittlich immer noch höher als in Deutschland, obwohl nicht in allen Zweigen. In verschiedenen Arbeiten wird jetzt noch Geld leichter verdient, als in Deutschland, was man schon daraus abnehmen kann, daß es leichter ausgegeben wird. Dies ist jedoch kein dauernder Vortheil und währt eben so lange, als Menschenhände noch selten sind. Ferner muß sich der Arbeiter in Amerika auf plötzlich eintretende, wenig erwartete, Pausen gefaßt machen, denn bei den zuweilen eintretenden Stockungen der Geschäfte, entläßt der amerikanische Arbeitsgeber seine Arbeiter rücksichtsloser als der europäische.

Die Vertheilung der von außen einströmenden Arbeitskräfte denkt man sich in Europa leichter und gleichmäßiger, als es der Fall ist. Wollte ein tüchtiger Arbeiter etwa wie ein deutscher Handwerksbursche von Ort zu Ort wandern, so könnte er ziemlich sicher sein, nach einigen Wochen lohnende Beschäftigung zu finden. Dies ist aber schwieriger, als man sich vorstellt, zumal wenn der Einwanderer nicht hinreichende Mittel besitzt. Da der Einwanderer hier ein Gegenstand des Geschäfts ist, so werden oft viele Arbeiter auf Canälen und Eisenbahnen an weit entlegene Plätze dirigirt, welche sich dadurch eben so schnell füllen, als die Orte, woher sie gekommen. Hierbei werden sie an vielen Orten vorbeigefahren, wo man ihrer nothwendig bedurft hätte. Kurz, der Einwanderer geräth ungleich willenloser, als er sich vorgestellt, in die Willkür amerikanischer Geschäftsmänner und wird selbst kleinlich von seinen, in Amerika wohnenden, Landsleuten ausgebeutet.

Mit dem Irrthume, über die Vertheilung der Arbeitskräfte, hängt ein anderer über das leichte Auffinden einer lohnenden Beschäftigung zusammen, dem sich hier nicht wenige Einwanderer hingeben. „Wer nur arbeiten will“ u.s.w. gehört zu den so oft diesseits und jenseits des Oceans wiederholten Phrasen. Manche sagen: „Ich arbeite alles, ich bin zu jeder Arbeit bereit,“ und glauben mit diesem Erbieten ihre Qualifikation hinreichend nachgewiesen zu haben. – Damit ist aber die Sache nicht abgemacht. Die Erwerbsverhältnisse entwickeln sich vielmehr jährlich mehr aus dem Zustande heraus, wo lohnende Beschäftigung leicht und schnell zu finden ist.

Wie lesen und hören Klagen der Arbeiter ganz nach europäischen Zuschnitt, über Ausbeutung und Unterdrückung durch Arbeitgeber und Speculanten. Allerdings sind sie zuweilen mit Thatsachen belegt, welche eine gedrückte Lage von Arbeitern in manchen Zweigen nachweisen, indeß kann die Lage einer großen Anzahl von Arbeitern auch jetzt noch eine vortheilhafte genannt werden. Ebenso kann man annehmen, daß die gewerbliche Unzufriedenheit geringer ist, als in Europa, aber es würde ein großer Irrthum sein, sie als überhaupt nicht vorhanden, vorauszusetzen. Wo sie aber vorkommt, wird sie nur weniger bemerkt, als in der alten Welt, obgleich ihr unbenommen ist, sich frei zu äußern. Die durch Täuschung und Unzufriedenheit erzeugte Aufregung nimmt hier einen andern Verlauf. In Europa opponirt man dergleichen Aufregungen oder beachtet sie mit Theilnahme, im Amerika verhallen sie theilnahmlos im Geschäftslärm oder in Wildnissen und Einöden. Die Aufregung gleicht in Europa dem Pulver, das man in eine Büchse ladet, in Amerika dem Pulver, das man auf den Erboden streuet und welches unschädlich in die Breite hin abblitzt. Der in der Einseitigkeit des amerikanischen Treibens schärfer hervortretende Egoismus läßt eine nachhaltige Theilnahme nicht aufkommen. Je lauter nun von „Geld machen“ die Rede ist, je mehr es die allgemeine Loosung wird, desto schwieriger wird es für den Einzelnen und desto mehr entwickelt sich das allgemeine Abhetzen nach Gewinn dahin, daß die Majorität dabei zu kurz kommt.

[* Mehmed Ali; von 1805-1849 osmanischer Statthalter von Ägypten]

(Beschluß folgt)

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Dok-Nr. 34a: „Oldenburger Zeitung“ No. 159 vom 11.10.1853

Die Auswanderer in Amerika.

Auszug aus den Atlantischen Studien.

(Beschluß.)

Wenn alles das ganz natürlich ist, so werden doch die Phrasen, welche über die Zukunft Amerika’s gebräuchlich sind, immer weniger von den Thatsachen unterstützt. Es wäre sehr voreilig, über diese Zukunft abzusprechen, allein eben so voreilig erweisen sich die Ansichten über das zukünftige Uebergewicht der Vereinigten Staaten und über die Fähigkeit amerikanischer Zustände, die Menschheit auf den höchsten Gipfel der Entwickelung zu bringen. So sehr man sich in Amerika des Practischen und Realistischen rühmt, so hat es doch über die Zukunft nirgends einen hohleren Idealismus gegeben, welcher in der europäischen Vermischung des Idealismus mit dem Materialismus eine Stütze findet. – Um so mehr sind wir darauf angewiesen, die Gegenwart scharf ins Auge zu fassen. – Vorläufig wollen wir nur einige Punkte aus der Wirklichkeit herausheben, welche gegen die Träume einer unübertrefflichen Zukunft sprechen, die in Amerika fast zu Glaubensartikeln geworden sind. – Man hat sich oft vorgestellt, alle diese Nachkommen von Europäern, alle diese Neger, Indianer und Mischlinge brauchte man nur auf irgend einem Erdflecke mit freisinnigen Institutionen zu versehen, um irgend eine, nach europäischen Ideen gedachte, Entwickelung zu erzielen. Ueber die Verschiedenheit der Menschenracen und deren Vermischung ist man etwas leichtsinnig hinweggegangen. Eben so bleibt gewöhnlich unerwogen, wie verschieden die klimatischen, geographischen, historischen und internationalen Einwirkungen in Amerika von denen bleiben müssen, unter welchen sich die europäische Bildung entwickelte. Die Amerikaner haben keine Nachbarn, von denen sie etwas zu fürchten hätten. Sie entgehen dadurch allerdings den Kriegen, welche Europa so oft verwüsteten, aber sie entbehren auch der mannigfaltigen Wechselwirkungen, in denen die europäischen Nationen sich unter einander und mit ihrem Gegensatze, dem Orient, berührten. Hätten die Amerikaner auch mehr Fond von Originalität, so würde ihre Bildung doch vermöge der Beziehung zu Europa eine irritirende Uebereilung erleiden. Es wird ihnen leicht, den auf der Oberfläche schwimmenden Flitter der europäischen Civilisation zu erreichen, aber es wird ihnen schwer deren Wesen zu erkennen und sie sind nicht gezwungen, den Weg zurückzulegen, der zu einer naturgemäßen Bildung führt. – In dieser Hinsicht und besonders auch im Mangel an Verständniß der nachgeahmten europäischen Formen ergeben sich viele Aehnlichkeiten mit Rußland, wenn auch hier alles durch das Volk selbst zu entstehen scheint und dort von oben befohlen wird. Die Macht der Dinge ist aber stärker als Befehle oder Volkswille und beide werden im Grunde von einer unsichtbaren Kraft geleitet. – Bisher ist man in Amerika vom nackten Bedürfniß und von der Rohheit zu einem wüsten und entnervenden Luxus übergesprungen, von der Nachlässigkeit zu steifen und affectirten Sitten. So liegen auch Nichtbeachtung der öffentlichen Meinung und ängstliche Beachtung der „Fashion“, rohe Hartherzigkeit und pietistische Kopfhängerei, Schlauheit und Leichtgläubigkeit, trockene Unempfänglichkeit und süßliche Schöngeisterei, Geringschätzung anderer Nationen und dennoch Nachahmung derselben, Geringschätzung von Kunst und Wissenschaft und wieder Inklination zu deren Carricatur in Amerika dicht neben einander.

In den beliebten Ansichten oder Phantasien über die Zukunft Amerika’s finden wir nicht allein unter den Einwanderern, sondern auch in europäischen Schriften eine Ansicht sehr verbreitet, welche sich an Ort und Stelle durch die Erfahrung nicht rechtfertigt, nämlich, daß der grobe Materialismus, der jetzt das amerikanische Leben beherrscht, obgleich er den Menschen demoralisirt und bricht, zu irgend einer Zeit vom Throne steigen und sein Scepter der höheren geistigen und moralischen Entwickelung überreichen werde. – Aber zu welcher Zeit und auf welchem Wege? Zur Beantwortung dieser Frage ist in der Gegenwart nichts zu finden. – Gemeinhin führt man den unbestreitbaren Satz an, daß das Materielle der geistigen Entwickelung vorausgehen müsse. Das paßt allerdings auf ganz rohe Zustände, aber nicht auf eine Nation, welche alle Grade des Reichthums und eine Nachahmung aller Zweige der Bildung besitzt. Wenn aber die Cultur in die Gegenden dringt, wo jetzt das Blockhaus steht, so wird es nach bisheriger Erfahrung eben eine Cultur, wie in Newyork oder Boston. Wenn die Städte des Ostens steigen, so ist nur der Luxus und die Armuth gestiegen. – Die Vermehrung der Schiffe, der Häuser, der Menschen, der Maschinen, der Eisenbahnen, des Handels und der Industrie überhaupt, welches alles jetzt rasch vorwärts geht, ist aber nur ein quantitativer Fortschritt. In Amerika finden wir neben dem Materialismus nur ein steifes und befangenes, wohl auch fanatisches Kirchen- und Sectenwesen, dessen Unfruchtbarkeit sich durch eine fast beispiellose Verbreitung von Lastern und Verbrechen aller Art an den Tag legt. – Wenn der Dollar der Götze der Nation ist, so gibt es doch in Amerika Tausende, welche sofort Geister sehen, wenn sie den Dollar nicht vor Augen haben. – Die Einseitigkeit und Leerheit des innern Menschen, so wie das weit verbreitete Gefühl der Sündhaftigkeit, haben von jeher die Herrschaft der Kirche gefördert, und der grobe Materialismus greift nach den gröbsten Formen des Cultus.

Ihrem nächsten Verhalten nach kann man die Einwanderer, abgesehen von ihren Glücksgütern und Beschäftigungen, hauptsächlich in zwei Kategorien eintheilen: Erstens in solche, welche freiwillig oder nothgedrungen sich sofort in unmittelbare Beziehung zum amerikanischen Treiben bringen, das heißt: ohne weiteres eine amerikanische Beschäftigung ergreifen wollen oder müssen; zweitens in solche, die in Amerika über ihren Erwerb erst nach längerer Ueberlegung eine Wahl treffen, oder, sollte eine solche vorausgegangen sein, die Verhältnisse doch einigermaßen kennen lernen wollen, bevor sie ein Geschäft anfangen.

Es gehören zu der ersteren Kategorie vorzüglich die ärmeren Bauern, Tagelöhner und Handwerker, denen keine Wahl bleibt, obgleich unter derselben auch Männer von höherer Geistesbildung und Leute von guten Vermögensumständen vorkommen, welche in Europa schon eine Wahl getroffen haben und hier so schnell als möglich ihr Ziel zu erreichen suchen. Dagegen fällt in die zweite Kategorie die Mehrzahl der Vermögenden, Gebildeten und Halbgebildeten, unter denen in den nächst vergangenen Jahren viele ängstliche Leute, besorgte Familienväter und Unfähige herüber kamen.

Die ärmere Majorität der ersteren Kategorie wird als Gegenstände des diesseitigen Verkehrs, als „living Stock“ (lebende Waare) dergestalt gehandhabt, daß sie nicht sonderlich zur Besinnung kommen. Die Mißbräuche und Grausamkeiten, unter welchen diese Einwanderer oft viel zu leiden haben, sind verschiedentlich schon geschildert. Die größte Schwierigkeit einer Belehrung der Auswanderer liegt aber in ihnen selbst. – Die Menschen suchten im Christenthume Gnade ohne Besserung; jetzt suchen sie oft in Amerika Glück ohne Erkenntniß und ohne jene Vereinigung von Kühnheit und Vorsicht, welche sich am besten in allen Zonen geltend macht und freilich aus Büchern nicht erlernt werden kann. Das ängstliche Mißtrauen hat am Ende keinen besseren Erfolg als der stupide Leichtsinn. Man erzählt sich hier eine Menge von Anecdoten, wie Einwanderer gerade in die Fallstricke gegangen, vor denen sie in solchen Büchern gewarnt wurden, welche sie bei sich führten. Dies ist um so erklärlicher, als jene Bücher, welches brauchbare Material sie auch enthalten mögen, größtentheils doch keine Schilderung der Zustände Amerika’s enthalten, besonders auch weil diejenigen, für welche sie bestimmt sind, eine solche nicht verlangen. Am Ende schreiben die Autoren wie es dem Publikum gefällt. […]

Oft werden die angekommenen Europäer durch die Eintönigkeit und Kälte des amerikanischen Treibens schon nach kurzer Zeit kleinlaut, manche sieht man verworren und gelangweilt auf den Armstühlen des Hotels sitzen. Sie scheinen in’s blaue Nichts hinein zu starren. Hatte ihnen Europa zu viele Schranken, so finden sie nun in Amerika zu wenig Gegenstände. Andere halten längere Zeit an den mitgebrachten Illusionen fest und suchen sie durch immer neue wieder aufzufrischen. Einige reihen sich bald den älteren Deutschamerikanern in unbedingter Verehrung amerikanischer Zustände an, und überbieten wo möglich ihre Lehrmeister und die eingeborenen Amerikaner, ungefähr wie Renegaten, welche den wahren Glauben eifriger zur Schau tragen als Gläubige, die in demselben aufgewachsen.

Vermögende können allerdings gemächlicher als Arme das Idealisiren des amerikanischen Wesens fortsetzen, indeß werden auch viele, die ein Vermögen mitbringen, binnen kurzer Zeit von einer unsicheren Hast befallen, mit der sie dem schnellsten Erwerb nachjagen. Das langweilige Casernenleben in den amerikanischen Gasthöfen, der Mangel an Erholungen, welche den Geist erfrischen, die geschäftliche Eile und Einseitigkeit, welche die neuen Ankömmlinge umgeben, die allgemeine Richtung auf das Materielle und die Unsicherheit, welche sie in der fremdartigen Umgebung fühlen, erfüllt sie mit einer Gemüthsunruhe, der sie durch irgend eine Thätigkeit zu entfliehen suchen. Sie wollen durchaus practisch sein und meinen, wenn sie sich dem amerikanischen Materialismus nur ergeben wollten, so müßten sie ihm bald auch lohnende Früchte abgewinnen. In aller Hast nach dem Practischen verlieren sie die Besonnenheit und stürzen sich sehr voreilig und unpractisch in ein unpassendes Geschäft. In dieser Gährung werden sie eine leichte Beute von Betrügern, welche diese Art von Stimmung sehr gut kennen und auszubeuten wissen. […] Manche verwechseln auch das Gemeine mit dem Practischen und steigen mit verwunderlicher Schnelligkeit von der früheren Stufe ihrer Ansichten und Grundsätze herab. So haben sich vor Jahresfrist viele sehr merklich selbst verändert, welche es für ein leichtes hielten, irgend etwas in Amerika zu ändern.

Andere werden von dem Treiben in den atlantischen Städten nach kurzer Zeit abgestoßen und suchen im fernen Westen Beruhigung und Thätigkeit. Auch jetzt noch wählen dort viele unserer Landsleute, welche nicht dazu passen, die Landwirthschaft als Beschäftigung; Männer, welche es fast für unmöglich und ihrer ganzen Vergangenheit widersprechend gehalten hätten, ein kleines Bauerngut in Deutschland mit eigener Hand zu bewirthschaften, halten es, ohne Oeconomie zu verstehen, für thunlich, Landwirthschaft unter erschwerenden Umständen in Amerika zu betreiben, wo große Bäume beseitigt werden müssen, bevor die Saat in den Boden kommt, wo Gehilfen schwerer zu finden sind und theurer bezahlt werden. Nun wollen wir nicht verkennen, daß gerade in diesen Fällen, nicht blos das Materielle, sondern Freiheit und Unabhängigkeit auf einer amerikanischen Farm gesucht werden, allein dies ist die Freiheit des Einsiedlers und nicht einmal die ungestörte Abgeschiedenheit der Entfernung von der Welt, denn allenthalben wird der Farmer vom amerikanischen Geschäft erreicht und der Deutsche findet an seinen Nachbarn nicht selten mehr Störung als Gesellschaft.

Mit beträchtlichem Leichtsinn vergessen viele unserer Landsleute, daß sie die Cultur nicht an den Sohlen mitnehmen können und erst im Mangel aller gewohnten Beziehungen fühlen sie, was sie verlassen haben. Diese Tendenz zur Abgeschiedenheit des Farmerlebens vermischt sich oft im seltsamen Widerspruch mit der Tendenz zum Practischen. Wenn manche von den entlegenen Gegenden sprechen, wo sie sich ansiedeln wollen, so ergehen sie sich in Vorstellungen über deren blühende Zukunft. Ohne die Zweifel darüber in Anschlag zu bringen, könnten doch im günstigsten Falle die Urenkel der jetzigen Ansiedler diese Zukunft erleben und gleichwohl rühmen sich diese Einwanderer, auf gut amerikanisch die Gegenwart zu erfassen, während sie höchstens für eine unbestimmte Zukunft arbeiten. In demselben Sinne suchen sie im fremden Lande auf der Farm eine Heimath, während dem Amerikaner in seinem Vaterlande die Farm ein Gegenstand des Geschäfts ist.

Als erste amerikanische Errungenschaft bezeichnen manche Einwanderer schon nach einigen Wochen die Vermehrung ihrer Menschenkenntniß. Auch Männer, welche jahrelang in Amerika lebten, rühmen die diesseitige Schule des Lebens und sagen mit Recht: „In Amerika lernt man die Menschen in Einem Jahre besser kennen, als in Europa in zehn Jahren“, denn es wird ihnen in Europa gar nicht erlaubt, sich so zu zeigen, wie man sie diesseits alle Tage beobachten kann. Amerika ist daher das Land, wo eine Menge europäischer Irrthümer die beste Widerlegung finden. – Die in Amerika erworbene Menschenkenntniß möchte aber so lange von zweifelhaftem Werthe bleiben; bis man zeigen konnte, daß man Demoralisation nicht damit verwechselt hat. – Wir schließen mit den Worten, die wir oft in hiesigen Ankündigungen lesen: Kommt und überzeugt euch! – Newyork im Juni 1853.

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Dok-Nr. 35: „Oldenburger Zeitung“ No. 197 vom 14.12.1856

Die Urtheile über Amerika *)

[Fußnote] *) Nach dem „Frankf. Museum“. Verfasser der Bemerkungen (Th. Hilgard) nennt sich einen Mann, der, unter der Beobachtung günstigen Verhältnissen, 18 Jahre lang in Nordamerika gewohnt hat.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind für Deutschland in vielfacher Beziehung von dem höchsten Interesse; in den Nordseelanden, wo die zunehmende Wichtigkeit der Handelsbeziehungen jedem in die Augen fällt, bedarf das keiner besondern Begründung. Dennoch muß der Kenner amerikanischer Zustände aus eigner Anschauung erstaunen über die mangelhaften, einseitigen, auf Mißverstand oder Unkenntnis beruhenden Urtheile, die er in Deutschland über Amerika täglich hört, und zwar selbst aus dem Munde von Personen, die sonst mit Recht auf Bildung, Geist und Belesenheit Anspruch machen. Ja es läßt sich mit Wahrheit sagen, daß jedes andere Land der Erde, selbst das fremdeste und unbedeutendste, in Deutschland besser gekannt ist und richtiger beurtheilt wird, als die Vereinigten Staaten. Auch sind diese Urtheile merkwürdig verschieden und gehen in ganz entgegengesetzten Richtungen – d.h. in Gunst oder Ungunst – weit über die Gränzen der Wahrheit hinaus, meist jedoch in der ungünstigen Richtung, die besonders in den letzten Jahren vorherrschend geworden ist.

Woher diese seltsame Ungründlichkeit, die zu der sonstigen Tiefe und Unparteilichkeit deutscher Forschung so wenig paßt? Giebt es nicht Bücher, Reise- und Zeitungsberichte, briefliche und mündliche Mittheilungen genug über Amerika? Doch, dies Alles ist in Ueberfülle vorhanden. Das Uebel liegt einzig in der ganz eigenthümlichen Unzuverlässigkeit fast aller erwähnten Quellen.

Vor Allem sollte man bei Beurtheilung Dessen, was über Amerika geschrieben wird, nicht vergessen, daß die Vereinigten Staaten dem monarchischen Europa gegenüber ein politisches Princip und zwar einen scharfen Gegensatz repräsentiren; daß Amerika und Republikanismus fast gleichbedeutende Worte sind; daß daher schon der Name der Verein. Staaten sogleich Antipathien oder Sympathien erregt. Wie leicht läßt sich der Mensch, - der gelehrte wie der ungelehrte – durch seine politischen Ansichten bestechen! Wer das republikanische Princip in seiner Anwendung auf die moderne Welt haßt, ist natürlich geneigt, Alles, was sich unter dessen Einfluß entwickelt, schief aufzufassen oder zu entstellen; - wer es liebt oder gar durch den schroffen Gegensatz in seinem Vaterlande gereizt ist, fällt eben so leicht in das entgegengesetzte Extrem. Eine ganz unbefangene Würdigung, wie sie der Deutsche in Bezug auf andere Länder anzustellen pflegt, ist hier kaum möglich, - und wäre sie auch möglich, so bleibt die Frage übrig, ob sie sich ganz unumwunden aussprechen möchte.

Eine zweite allgemeine Betrachtung, die wir empfehlen möchten, ist, daß man bei Beurtheilung der Dinge in den Vereinigten Staaten keinen unbilligen Maßstab anlegen sollte, wie es doch von den meisten Berichterstattern geschieht, besonders in Bezug auf die jüngern Staaten der Union. Unbillig ist es, wenn man von einer ganz jungen Civilisation, die noch mit allen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, gleich das Höchste verlangt; wenn man Alles, was dort noch hinter der tausendjährigen Bildung europäischer Länder zurücksteht, unbarmherzig herabsetzt oder lächerlich zu machen sucht; wenn man dies sogar in Bezug auf Leistungen im Gebiete der Kunst und Literatur thut, ohne zu bedenken, daß erst die äußeren Verhältnisse bis zu einem gewissen behaglichen Ruhepunkte gelangt sein müssen, ehe der Sinn für das Schöne erwachen und zur rechten Geltung gelangen kann; - mit einem Worte, wenn der Beobachter nicht rückwärts blickt und ganz vergißt, daß da, wo die junge Civilisation sich so kräftig emporarbeitet, noch vor hundert, ja vor fünfzig Jahren wilde Indianerstämme umherschwärmten. Es wäre gerechter, den Wundern, die in so kurzer Zeit geschehen und der großartigen Energie, die dabei bewiesen wurde, Anerkennung und Bewunderung zu zollen, statt Alles, was noch unvollkommen ist, mit Uebermuth und Unverstand zu bekriteln.

Um ferner über die Unlauterkeit der meisten Berichte über die Vereinigten Staaten einige bestimmtere Fingerzeige zu geben, fragen wir zuerst: Wer schreibt Bücher über Amerika? Hierauf vor Allem eine negative Antwort. Gerade Diejenigen, welche es am Besten thun könnten, schreiben keine Bücher über Amerika, - wir meinen die gebildeten Deutschen, die sich dort fest angesiedelt und eingelebt haben, die mit Land und Leuten innig vertraut geworden und durch verständige Thätigkeit und Ausdauer zu einer wünschenswerthen Existenz gelangt sind, mithin auch Zuneigung für das neue Heimatland hegen, oder wenigstens keinen ungerechten Widerwillen gegen dasselbe gefaßt haben. –

Diejenigen, welche Bücher schreiben, sind meist „Amerika-Müde“. Ist der Mißmuthige ein Geschäftsmann, der nicht schnell sein Glück machte, so beschreibt er die Amerikaner als ein Volk von Schwindlern. – Ist er ein Gelehrter, der sein Wissen in Amerika nicht nach Wunsch geltend machen und verwerthen konnte – vielleicht weil ihm die Landessprache nicht geläufig genug war oder weil es ihm an Ausdauer fehlte – so spricht er den Amerikanern allen Sinn für tieferes Wissen und alle Achtung für ihre Träger ab, ohne zu bedenken, das Hunderte von deutschen Gelehrten, und zwar in allen Fächern, dort mit Erfolg wirken, wenn sie nur Dem entsprechen, was die Lage der Dinge dort erfordert. – Ist er ein Mann, der bei feinerer Bildung und weichlichen Gewohnheiten in einer poetischen Anwandlung nach Amerika ging, um dort ein idyllisches Leben im Schooße der jungfräulichen Natur zu führen, der aber nur Mühsal, Krankheit und Verdruß aller Art antraf, so schilt er grimmig über alle dahin einschlagenden Verhältnisse, anstatt ehrlich zu bekennen, daß seine verkehrte Einbildungskraft ihm den üblen Streich gespielt hat. Es ist nicht schwer, einzusehen, daß man in keinem Lande Dinge unternehmen darf, die man nicht versteht, - daß Landwirthschaft und Landleben sehr verschiedene Dinge sind, daß der Landbau nur den Landmann paßt und daß er viele Sachkenntnis, Geduld und körperliche Rüstigkeit, vor Allem aber einen genügsamen Sinn und Verzichtung auf manche feinere Lebensgenüsse erfordert, - mit einem Worte, daß die Hand, die sonst nur die Feder führte, mit dem Pfluge, der Hacke und Axt nicht viel ausrichten kann. – Ist unser Mann durch politische Stürme nach Amerika verschlagen, - diese Klasse ist bekanntlich sehr zahlreich vertreten, - so steht Zehn gegen Eins, daß die Ideale, die er mit bringt, verbunden mit der Gereiztheit seiner Gefühle, der Ueberschätzung seiner Wichtigkeit und der daraus entspringenden Anmaßung in Auftreten ihm bittere Enttäuschung bereiten. Greift er dann aus Zorn oder Noth zu der Feder, so tränkt er sie mit Galle und erlaubt sich Angriffe gegen die freien Institutionen des Landes, die doch seit achtzig Jahren die Probe bestanden haben – und so weiter die Künstler, die Dichter.

Also von Denen, die in Amerika Schiffbruch litten, dürfen wir keine Wahrheit erwarten. Auch nicht von den Reisenden von Profession. Dann was lernt ein Reisender eigentlich kennen? Die Transportmittel, durch welche er von einem Ort zum andern gelangt, die Gesellschaft, die er zufällig auf dem Dampfboote oder in dem Eisenbahnwagen antrifft, die Qualität der Mahlzeiten, die ihm vorgesetzt werden, und die Betten, in denen er schläft, die Behandlung, die er in diesem oder jenem Gasthofe erfährt, und andere Neben- und Außendinge, die noch lange nicht hinreichen, um ein Land und dessen Zustände zu charakterisiren, - die ihm noch überdies höchst unvollkommen und zufällig bekannt werden und die er um so einseitiger aufzufassen pflegt, als er die mitgebrachten Ansichten und Gewohnheiten als Maßstab anlegt. Selbst von der äußern Beschaffenheit des Landes sieht der Reisende in der Regel Nichts, als was sich rechts und links des Flusses, der Eisenbahn oder Landstraße im Vorüberfliegen seinem Blicke bietet, und das Aeußere der Orte, die er betritt. Sodann sind größere Städte gewöhnlich das Ziel der Reisenden und nur hier pflegen sie Halt zu machen. Große Städte aber sind nicht die Orte, wo man ein Land und dessen eigenthümliche Zustände studiren muß; denn große Städte und ihr Treiben sind in der ganzen civilisirten Welt einander sehr ähnlich und oft dem Leben des innern Landes sehr unähnlich. Der Kern der Bevölkerung ist überall auf dem Lande zu suchen, ganz besonders in den Verein. Staaten, wo ein ungewöhnlich bedeutender Theil der Bevölkerung das Land bewohnt und wo die Landbewohner im Durchschnitt keine rohe Masse sondern Leute von Verstand, von praktischer Tüchtigkeit, von unabhängigem Sinn und von einer gewissen Bildung, mit einem Worte, wo sie selbständige, denkende und mitregierende Staatsbürger sind. Diese Menschen kann man auf der Reise nicht gehörig kennen lernen.

Die Zeitungen sind keine besondern Quellen, da sie meist Parteifarbe tragen, üben aber doch großen Einfluß auf die öffentliche Meinung, weil sie einen größern Leserkreis haben, und weil nicht jeder Leser kritisch liest. Man darf daher nicht unbeachtet lassen, daß die englische Zeitungspresse – (und aus dieser schöpft auch die deutsche meist ihre Artikel über Amerika) – durchaus feindselig gegen die Ver. Staaten gestimmt ist und es von jeher war, wenn auch John Bull bisweilen – nämlich da, wo sein Interesse es erfordert – dem Bruder Jonathan eine affekirte Freundlichkeit zeigt und ihm mit innerlichem Widerstreben die Hand reicht. Dieser unfreundliche Geist (den übrigens die Amerikaner von Herzen erwiedern) entspringt hauptsächlich aus zwei Quellen, von denen die eine in der Vergangenheit, die andere in der Zukunft liegt. Die erste ist die Erinnerung an die gewaltsame Losreißung der Ver. Staaten von England und an die beiden daraus hervorgegangenen Kriege, die bekanntlich zum Nachtheil Englands ausfielen; die zweite ist Eifersucht, Rivalität. Der Engländer verhehlt sich nicht, daß seiner Uebermacht zur See und seinem Uebergewicht im Welthandel von Amerika her die größte Gefahr droht, und zwar in nicht sehr entfernter Zukunft. – Diese Besorgnis ist begründet durch die einfache Thatsache, daß der Unternehmungsgeist der Amerikaner den der Engländer noch übertrifft, und daß die Ver. Staaten ein Gebiet besitzen, dessen Bevölkerung seit der Unabhängigkeitserklärung sich um das Sechsfache vermehrt hat, und dessen Ausdehnung und Fruchtbarkeit für dreihundert Millionen Einwohner reichlich genügt.

Die deutsche Zeitungspresse ist im Allgemeinen weniger leidenschaftlich gegen Amerika eingenommen, wie es schon der tiefere Rechtssinn des Deutschen erwarten läßt; aber auch sie verfährt einseitig. Einmal, weil sie dem Einflusse der amerika-müden Schriften und anderer seichten Berichte natürlich nicht entgeht; - zweitens, weil sie, wie bemerkt, meist aus englischen, mithin unlautern Quellen schöpft; - drittens endlich, weil in Deutschland eine seltsame Tendenz herrscht, von oben herab die Auswanderung nach den Verein. Staaten in Mißkredit zu bringen und davon abzuschrecken, eine Tendenz, in welche die meisten Zeitungsblätter mit einstimmen. Wir nennen sie seltsam, weil die Auswanderung, richtig beurtheilt, weder eine unerfreuliche, noch eine für Deutschland nachtheilige Erscheinung ist, sondern in dem großen, diesmal nicht schwer zu verstehenden Plane der Weltordnung liegt. Hätte sie nicht gute, natürliche und unabwendbare Ursachen, so würde sie nicht in diesem Maße Statt finden, und fänden nicht die Auswandernden, der großen Mehrzahl nach, das, was sie suchen, so würde sie nicht fortdauern. Irland ist bekanntlich jetzt bei weitem glücklicher und zufriedener als vor zehn Jahren, und es hat dies hauptsächlich dem Umstande zu danken, daß einige Millionen seiner überflüssigen und verarmten Bevölkerung nach Amerika abgeflossen sind. Dieser Abneigung ist auch zuzuschreiben, daß in der Presse meist nur Privatbriefe abgedruckt werden, die Ungünstiges berichten.

Die amerikanische Zeitungsliteratur bleibt in Deutschland fast ganz unbeachtet, obwohl es auch dort große Talente giebt, die der Tagespresse dienen. Die Parteipresse ist obendrein leidenschaftlich. Dies hat an Ort und Stelle wenig Nachtheil, da man weiß, wie es zu nehmen ist. Man lacht oder zuckt die Achseln über das Gelesene, macht einen Scherz darüber, bleibt bei seiner Meinung und geht ruhig an seine Geschäfte. Im Auslande aber erweckt dieser scharfe Federkrieg leicht die Meinung, als sei in den Ver. Staaten Alles in der fürchterlichsten Aufregung und Unordnung, als herrsche in gesellschaftlichen und politischen Zuständen die tiefste Verderbniß und als könne ein solcher Unfug unmöglich mehr lange dauern. Ja man könnte in der That mit lauter wörtlichen Stellen aus amerikanischen Zeitungsblättern ein Bild der dortigen Zustände zusammenstellen, vor welchem jedem ehrlichen Deutschen das Haar sich sträuben würde, - und doch wäre es nichts als eine Phantasmagorie. Englische Blätter benutzen übrigens diesen Umstand nicht selten, und ihre schärfsten Satiren über Amerika sind oft wörtliche Citate aus dortigen Zeitungen.

Aus dem bisher Gesagten ergiebt sich wohl zur Genüge, wie behutsam der Deutsche, dem es um Wahrheit zu thun ist, in seinen Urtheilen über amerikanische Verhältnisse sein sollte, - wie unlauter und unzuverlässig die meisten Quellen sind, aus denen er bisher schöpfte und wie wünschenswerth es wäre, wenn diesem Uebel abgeholfen werden könnte, sei es durch Eröffnung neuer und besserer Quellen, sei es durch eine tüchtige und sorgfältige Kritik des Vorhandenen. Wenn der Verfasser dieser Bemerkungen, vermöge seiner langjährigen persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen an Ort und Stelle, hiezu sein kleines Scherflein beitragen könnte, so würde er es, um der lieben Gerechtigkeit willen, mit Freuden thun.

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Dok-Nr. 36: „Oldenburger Zeitung“ No. 120 vom 27.05.1863

Vermischtes.

Vergnügungsreise nach Amerika. Eine Wiener Gesellschaft, welche diese interessante Reise ins Leben rufen wird, hat sich gebildet. Die Reise wird über Hamburg nach Newyork gehen, von dort werden Ausflüge per Dampfschiff nach Albany, sodann per Eisenbahn nach den Niagarafällen, nach Baltimore, der Quäkerstadt Philadelphia, Washington und endlich ein Besuch in dem Lager der Unionisten und in einem Urwald gemacht. Den Reisenden wird in den Städten und deren Umgebung „alles Sehenswerthe“ gezeigt und sie in Hotels ersten Ranges untergebracht. Die vorläufige Anzahl der Reisenden ist auf Hundert und der Preis inclusive der gänzlichen Verpflegung auf 1000 Gulden österr. W. festgesetzt. Als Führer werden zwei landeskundige Männer mitgehen.

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Dok-Nr. 37: „Oldenburger Zeitung“ No. 131 vom 07.06 1867

[Leitartikel] Die Lage der nordamerikanischen Union. I.

Oldenburg, 6. Juni

Von jeher haben wir die wechselnden Geschicke der Vereinigten Staaten Nordamerikas mit der gespanntesten Aufmerksamkeit verfolgt. Die Interessen unseres Handels und unserer Schifffahrt sind in bedeutendsten Beziehungen mit denen des andern Welttheils verknüpft. Den Politiker reizten die Formen, in welchen das freiheitlichste Volk der Erde seine staatlichen Ideen ausgeprägt hat, zur nachdenklichen Betrachtung und Vergleichung mit den Zuständen unseres Continents an. Von weitaus überwiegender Wichtigkeit für die Würdigung der amerikanischen Demokratie war die Probe, welche ein vierjähriger Bürgerkrieg über die republikanischen Institutionen verhängte. Sie haben ihre Lebensfähigkeit gezeigt, den Zusammensturz der Union verhütet und den Staaten Europas das lehrreiche Beispiel aufgestellt, was Patriotismus in einem Lande vermag, dessen Verfassung frei von jedem militärischen und bureaukratischen Zuschnitte, auf die Freiheit des Individuums basirt und deshalb zu einem einheitlichen Wirken nach Außen uns in den Anschauungen des Zuvielregierens Aufgewachsenen sehr wenig geeignet erschien.

Der amerikanische Bürgerkrieg war der größte und blutigste, den die Welt seit den Tagen des ersten Napoleon gesehen hat. Fast bis zum letzten Augenblicke schwankten wir in der Besorgniß, daß die Union aufgelöst oder gar der Norden gedemüthigt und ein schlechter Frieden den Uebermuth der Sklavenhalter wieder herstellen möchte. Inzwischen drängte der Norden die südlichen Heere schrittweise, aber sicher zurück, umklammerte sodann mit eisernen Armen das feindliche Gebiet und löschte zuletzt die Flamme der Rebellion behutsam aus, daß kein nachglimmender Funke einen neuen Zündstoff erfassen konnte. Mit dem Bürgerkriege zugleich erhob sich die Gefahr europäischer Einmischung. Napoleon ging mit seinen Heeren nach Mexiko, überfiel und warf die an Macht ihm nicht ebenbürtige Republik nieder, gründete auf dem amerikanischen Continent und in unmittelbarer Nähe der zerklüfteten Union einen Kaiserthron und man vermuthete allgemein, wohl nicht mit Unrecht, die Absicht, die Rebellen im Süden anzuerkennen, für das monarchische Prinzip zu gewinnen und das System der Staatsstreiche und der Kaiserwirthschaft in die Stätte der Freiheit hineinzutragen, damit diese mit ihrer Vertheidigung vollauf beschäftigt sei und keine Zeit zum Angriff finde. Es gab eine Periode, in welcher man in Europa diese Gefahr nicht gering anschlug, aber nun zeigt es sich, daß das französische Attentat auf Mexiko von Hause aus ein schlecht überlegtes Abenteuer war. Ueber die Tragikomödie in Mexiko fällt langsam der Vorhang. Sie wäre belachenswerth, wenn sie nicht so viel Blut und Elend gekostet hätte.

Dann kümmerte uns, die aufrichtigen Freunde der Union, der gewaltige Aufwand an Menschen, welche die Schlachten, Märsche und Krankheiten verschlangen, die ins Ungeheure wachsenden Ziffern der Staatsschuld. Was soll nach dem Siege geschehen? Der Staat, welcher in der Periode seines Wachsthums immer neu zuströmender Kräfte bedürfe, werde seines besten Vorraths an Menschen beraubt; die Nachwirkungen des Krieges würden den Zufluß von außen hemmen. Von einer halben Million entlassener Soldaten beunruhigt, überschuldet für die Dauer kommender Geschlechter, niedergedrückt von einer kaum erschwinglichen Steuerlast, werde die Union keine Einwanderer anlocken und, nach dem Muster der schlechtest verwalteten europäischen Länder, ihre inneren Hülfsmittel durch die unersättlichen Ansprüche des Fiskus brach legen. Die Soldaten kehrten zurück zu ihren bürgerlichen Berufen und wurden friedliche und erwerbende Steuerzahler, von Europa stellen die Einwanderer in stärkeren Zügen sich wieder ein und die Staatseinnahmen quellen in solcher Frische, daß die Verwaltung gleichzeitig die Schulden nach einem bei uns unerhörten Maßstab abtragen und die Steuerlast vermindern kann.

Zuletzt blieb den Feinden der Freiheit, den engherzigen Verehrern unserer kleinlichen Polizeiverwaltungen, welche von jeher mit Mißgunst auf die Blüthe der großen Republik gesehen hatten, Nichts zur Genugthuung übrig, als der Conflict zwischen den Staatsgewalten, die herausfordernde Stellung des Präsidenten Johnson gegen den Congreß. Man dachte schon an einen Staatsstreich, vielleicht milder in der Form als der verwandte Act im kaiserlichen Frankreich, doch unheilvoller in den Folgen, weil dann der Bürgerkrieg in den Nordstaaten selbst unvermeidlich würde. Diese Gefahr ist glücklich beseitigt. Der Präsident Johnson ist zur Mäßigung und Besonnenheit zurückgekehrt. Die Anklage, welche der Congreß gegen ihn vorbereitet, scheint nicht zu Stande kommen zu wollen, überdies würde sich wohl kein Gericht finden, das ihn verurtheilt. Die radikale Fraction der republikanischen Partei vermag mit ihren Aufforderungen zu fernerem Wüthen gegen den Süden kein Gehör zu finden. Die Stimmung im Norden ist eine durchaus versöhnliche und man sinnt eher darüber nach, wie man dem durch Krieg, Mißwachs, Ueberschwemmungen, Hungersnoth so arg heimgesuchten Lande durch Segnungen die Wohlthaten des Bundes als durch strenge Behandlung die Stärke desselben zum Bewußtsein bringe. Thaddäus Stevens*] hat in einem offenen Briefe erklärt, daß er noch keineswegs darauf verzichte, die Confiscation der Rebellengüter ins Werk gesetzt zu sehen. Allein sein Wort ist spurlos verhallt.

[* Stevens, Thaddäus: radikales republikanisches Congreßmitglied; er betrachtete die Südstaaten als eroberte Provinzen; 1865 war er Leiter des sog. Kommitees der 15, welches die Frage der Vertretung des Südstaaten im Congreß und das neue Wahlrecht zu bearbeiten hatte.]

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Dok-Nr. 37a: „Oldenburger Zeitung“ No. 133 vom 09.06 1867

[Leitartikel] Die Lage der nordamerikanischen Union. II.

Oldenburg, 8. Juni

Das Reconstruktionsgesetz vom 2.März wird allmälig in den Südstaaten durchgeführt. Den früheren Rebellenstaaten wird der Eintritt in den Congreß offen stehen, sobald sie einige wichtige, besonders durch die Sclavenbefreiung nothwendig gewordene Verfassungsänderungen in ihrem Particularrechte durchgesetzt haben. Bis dahin führen die Militärbefehlshaber des Nordens das Regiment, ernennen die Beamten und entscheiden nach den Rücksichten des öffentlichen Wohls die Verwaltungssachen. Die Negeremancipation wird ihre Probe im nächsten Jahr zu bestehen haben, wo die Präsidentenwahlen stattfinden, zu denen als bedeutendster Candidat der Besieger der Secession, General Grant, aufgetreten ist. Wie die Berichte aus dem Süden melden, mangelt es den Schwarzen keineswegs an Verständniß für politische und sociale Fragen. Auch von Solchen, die an der Theorie der Raceninseriorität festhalten, ist stets die große Gelehrigkeit und Nachahmungsfähigkeit der Schwarzen gerühmt worden. Es ist noch keine Negerversammlung im Süden gewesen, in der ein Mangel an schwarzen Rednern hervorgetreten wäre. Sie schießen aller Orten wie die Pilze hervor und manche unter ihnen zeigen sich sogar sehr verständig und beredt, während viele lediglich gesinnungstüchtiges Blech verhämmern, wie wir das ja auch in Deutschland gewohnt sind. Die Speculation der südlichen Politiker auf die Stimmen der neuen schwarzen Urwähler wird mit einem Eifer betrieben, gegen welchen selbst der nordischer Demagogen in der Bewerbung um die Gunst des irischen Pöbels erblaßt. Mit großer Zuversicht rechnen die Organe der ehemaligen Junkerpartei darauf, daß die Stimmen der Neger in großer Mehrzahl ihnen zu gute kommen werden, wenn nicht in den großen Städten, in welchen die Schwarzen den Einflüssen politischer Wanderprediger aus dem Norden ausgesetzt sind, doch im Innern des Landes.

Indessen nimmt der Strom der Auswanderung immer größere Dimensionen an. Wir gehören nicht zu Denjenigen, wie kürzlich ein geachteter Nationalökonom sagte, welche das massenhafte Fortziehen der Deutschen als ein nationales und wirthschaftliches Unglück schlechtweg beklagen. Wir haben es mit einer Kulturerscheinung zu thun, die neben ihren Schattenseiten ihre unverkennbaren Lichtseiten zeigt, der man daher gerecht zu werden suchen muß. Auch wirthschaftlich stellt sich dabei die Rechnung nicht etwa so, daß jeder Auswandernde für das Vaterland ein Verlust an Kapital und Arbeitskraft sei; viele ziehen fort, die der heimischen Gemeinde eine Last waren und nun in der neuen Welt zu einem menschenwürdigen Dasein gelangen. Gegen Ueberbevölkerung bildet die Auswanderung in sittlicher und wirthschaftlicher Hinsicht das beste Correctiv, und nur, wo in nicht überbevölkerten Gegenden Steuerdruck dem Arbeitenden seinen Lohn verkümmert, oder eine eigenwillige, in den Vorurtheilen einer fernen Vergangenheit befangene Politik (man denke an Mecklenburg!) jeden gesunden wirthschaftlichen Aufschwung darniederhält, kann man das Fortziehen tüchtiger Arbeitskräfte, denen daheim das Feld verkümmert wird, nicht anders als mit tiefem Bedauern ansehen.

Wir haben keine Kolonien, und der Nutzen, den unsere Landsleute in der Ferne dem Vaterlande bringen, ist mehr idealer als realer Natur. Wir freuen uns des wachsenden Einflusses, welchen in Gesellschaft und Politik das deutsche Element in den Vereinigten Staaten gewinnt; nicht ohne Stolz hören wir, daß die Deutschen in dem großen Amalgamationsprozesse der transatlantischen Bundesrepublik das eigentlich veredelnde Element bilden und lassen uns an dieser ideellen Auffassung genügen. Und doch sollten wir die wirthschaftliche Seite der ganzen Erscheinung nicht aus den Augen lassen. Ist es doch vornehmlich der Auswanderung zu danken, daß unsere geschäftlichen Beziehungen zu Amerika mit jedem Jahre in größeren Dimensionen wachsen. Es ist nicht nur die deutsche Rhederei, welche dabei prosperirt; ein sehr großer Theil der Auswandernden wird Consument deutscher Fabrikate, und zwar in weit größerem Umfange, als er es daheim jemals hätte werden können. Der deutschen Auswanderung zu nicht geringem Theil ist es zuzuschreiben, daß die großartigen Hülfsquellen des transatlantischen Westens so rasch dem Welthandel erschlossen werden. Freilich, der eigentliche Pionier ist der Amerikaner; er ist es, der die erste Axt in den Urwald schlägt; aber rastlos zieht er weiter, nachdem er kaum das Land nothdürftig „geklärt“ hat, um auf neuem jungfräulichen Boden die schwere Arbeit aufs Neue zu beginnen. Aber dem Amerikaner auf dem Fuße folgt der Deutsche; er wird auf dem neuen Boden seßhaft und schafft das neugewonne Land im Laufe der Jahre voll saurer Arbeit in einen blühenden Garten um. Mit Recht gelten die deutschen Farmen als die bestbewirthschafteten des Landes, und der vorurtheilsfreie Amerikaner weiß deutschen Fleiß, deutsche Arbeitskraft nach Gebühr zu würdigen.

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II.1.1. Land und Leute

 


Dok-Nr. 38: „Oldenburgische Blätter“ No. 44 vom 29.10.1833

Schreiben vom Missouri.

Warren County, Missouri, 1833. Jul. 17.

Ich beeile mich, Ihren werthen Brief vom 18. April, den ich vor einigen Tagen erhielt, zu beantworten. Aus meinen Briefen an ... werden Sie erfahren haben, daß ich die Farm, welche ich anfangs gekauft hatte, wieder habe aufgeben müssen, und daß daher leider Ihr Vorschlag nicht in Erfüllung gehen kann. Ich würde sehr froh gewesen seyn, dort einen nahen Nachbar an Ihnen zu haben. Meine jetzige Farm enthält freylich auch mehr Land, als ich jemals zu bebauen im Stande seyn werde. Aber ein Theil desselben ist nur mittelmäßiges Land, und nur meine, jetzt schon geklärten, Aecker liegen so, daß man von ihnen zur Landstraße kommen kann, weßhalb sich jenes nicht zu einer Ansiedlung paßt, und nur in Verbindung mit meiner Farm Werth hat. Haben Sie indeß Ihren Entschluß, hieher zu kommen, nicht geändert, so finden Sie hier in meiner Nachbarschaft mehrere Farms, die zum Kauf ausgeboten werden, und wo Sie sogleich einziehen könnten.

Da es mir indeß scheint, daß mein Brief, welchen ich kurz nach meiner Ankunft hieselbst schrieb, vielleicht Ihren Entschluß, hieher zu kommen, bestimmt haben mag, so halte ich es für meine Pflicht, Ihnen meine späteren Beobachtungen gleichfalls mitzutheilen, zumal da diese mich in vieler Hinsicht eines Besseren belehrt haben. In dem gedachten Briefe bezog ich mich vorzüglich auf Duden’s Schilderung der hiesigen Gegend, welche Schilderung ich nach einem ersten flüchtigen Ueberblick für wahr, wenn auch zu romantisch dargestellt, hielt. Späterhin fand ich indeß, daß er nicht immer bey der Wahrheit geblieben ist. Sollten Sie von ... den Brief, den ich an ... schrieb, erhalten haben, so finden Sie darin die hauptsächlichsten Unrichtigkeiten gerügt. Für den Fall indeß, daß dieser nicht übergekommen wäre, will ich es versuchen, so viel ich nach einem achtmonatigen Aufenthalt im Stande bin, Ihnen eine kurze treue Schilderung der hiesigen Gegend und Verhältnisse zu geben.

Der Boden ist außerordentlich reich, vorzüglich im Missouri-Bottom und dem daran gränzenden Hügellande, und liefert bey geringer Arbeit einen hohen Ertrag. [...]

Der Absatz der Früchte ist bis jetzt noch sehr schwierig, da die Fracht nach St.Louis sehr hoch ist. Man sagt, es werde 5 Meilen (Engl.) von hier an der andern Seite des Missouri eine Dampfmühle angelegt werden, welches sehr vortheilhaft seyn würde, da Flour gewöhnlich sehr gut abzusetzen ist. Die hiesigen Wassermühlen haben einen großen Theil des Jahres kein Wasser, und liefern auch nur mittelmäßiges Mehl. Bey der bedeutenden Anzahl der Deutschen in hiesiger Gegend läßt sich indes erwarten, daß manches zur Erleichterung des Absatzes und zur Verwerthung der Früchte geschehen wird. Mehrere von diesen beabsichtigen, Brennereyen und Brauereyen anzulegen.

Der gewöhnliche Preis des Viehes ist folgender: ein gutes Arbeitspferd, 5 bis 6 Jahre alt, 50 bis 60 D.; ein fetter Ochse von ungefähr 600 Pfund 12 D.; ein Joch 4  bis 5jähriger Arbeitstiere 40 D.; ein fettes Schwein von 150 bis 200 Pfd. 3 D.; 1 Schaf 2 D.. Die Americaner widmen diesem Zweige der Landwirthschaft sehr wenig Aufmerksamkeit. Sämmtliches Vieh muß fast das ganze Jahr hindurch seine Nahrung im Walde suchen; im Herbst treibt man sie in die Maisfelder, und im strengsten Winter wirft man ihnen den übrigen Abfall vom Mais vor. Die Milchkühe und Pferde bekommen dann auch gewöhnlich ein paar Mais-Kolben. Dabey ist das Vieh jeder Witterung ausgesetzt; nur die Pferde werden in der strengsten Kälte in eine Art von Ställen gestellt, die gewöhnlich nur aus aufeinander gelegten Baumstämmen bestehen, deren Zwischenräume gar nicht oder nur schlecht verstopft sind. Dessen ungeachtet wird aus dem Viehstande viel baares Geld gelöset, wenn das Vieh auf der guten Weide im Sommer fett wird, und dann im Herbst verkauft wird. Da fettes Vieh im Frühlinge sehr gesucht und gut bezahlt wird, so haben einige Landwirthe sich auf den Anbau von Futterkräutern gelegt, und stehen sich sehr gut dabey. In diesem Frühjahre hat einer meiner Nachbaren fette Ochsen, das Pfund zu ungefähr 5 C., an einen Schlächter aus Philadelphia verkauft. Geräucherte Schweineschinken kosten hier jetzt 5 bis 6 C. Schweine werden in der Regel im Winter mit Mais fett gemacht. Die Eichelmast machte dies im vorigen Jahre unnöthig, und die Schweine wurden ohne alle Zugabe sehr fett.

Das Klären des Waldlandes ist eine sehr schwere Arbeit; man kann indes den Acre für 4 bis 5 D., je nach der Menge des Holzes, welches darauf steht, geklärt bekommen, welche Auslage schon die Erndte des ersten Jahres bezahlt. Noch wohlfeiler kann man diese Arbeit durch monatweise oder jahrweise gemiethete Sclaven erhalten. Ein solcher kostet monatlich 9 bis 10 D. und jährlich 90 bis 100. Der Taglohn ist 50 C., in der Erndte 75.

Obgleich das Clima nicht so milde ist, wie Duden es beschreibt, so ist es doch bey weitem angenehmer, als das dortige. Der Winter soll in der Regel nicht viel Frost bringen, und am Ende des Februar soll der Frühling eintreten. Die Hitze erreicht im Sommer manchmal 30° R., dauert indeß selten über einige Tage. Jetzt haben wir schon seit acht Tagen eine solche Wärme, welches aber außergewöhnlich seyn soll. Im Ganzen ist das Clima sehr gesund; nur in den Monaten Julius und August pflegen sich Gallenfieber und Wechselfieber einzustellen, welche, wie man sagt, meistens durch schlechtes Wasser verursacht werden.

Es haben sich hier, wie Sie aus meinen frühern Briefen wissen, sehr viele Deutsche niedergelassen, und noch immer kommen mehrere an, wodurch der Aufenthalt hieselbst viel angenehmer wird, obwohl ich auch über meine näheren Americanischen Nachbaren durchaus nicht zu klagen habe, und immer von ihnen sehr freundschaftlich bin behandelt worden. Daß es im Allgemeinen sehr leicht sey, sich seinen Lebens-Unterhalt zu erwerben, darüber glaube ich in einem meiner Briefe weitläufig geschrieben zu haben. Auch ist es gewiß nicht schwer, sich bald so weit herauszuarbeiten, um sich ein behagliches sorgenfreiyes Leben zu sichern. Wie in ganz Nord-America, so sind auch hier die Abgaben sehr gering: 1/8 Procent vom Werthe als County-Taxe, und etwa eben so viel als State-Taxe, nebst 37 ½ C. Kopfsteuer.

Auch über manche Beschwerlichkeiten und Unannehmlichkeiten des hiesigen Lebens werden Sie aus meinem Briefe an ... das Nähere hören. Stellen Sie sich dieselben nicht gar zu schlimm, aber auch nicht zu gering vor. Meiner Ansicht nach bietet das hiesige Leben so viel Angenehmes dar, daß es das Unangenehme bey weitem überwiegt.

[...]

Gutes Congreß-Land ist hier selten ist hier selten; es wird von den ankommenden Deutschen fast alles weggekauft.

Da Sie vielleicht beschließen, noch diesen Herbst hierher zu kommen, so mußte ich diesen Brief eilig absenden, wenn er noch in Ihre Hände kommen sollte; ich bitte Sie daher, die Unvollständigkeit meines Schreibens zu entschuldigen.

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Dok-Nr. 39: „Oldenburgische Zeitung“ No. 30 vom 12.04.1844

Vermischte Nachrichten

Texas bietet zwei sehr von einander verschiedene Ansichten dar. Der östliche an das Meer grenzende Theil ist nur eine Fortsetzung der Sümpfe, Buchten und Schilfbrüche von Süd-Arkansas und West-Luisiana, während der nördliche und westliche mehr die Gestalt der Länder trägt, die nach dem friedlichen Ocean liegen. Das Klima von Texas ist sehr gesund, 200 engl. Meilen von der See und 100 Meilen westlich der Sabina, welche Texas nach Osten hin begrenzt; im Osten und Westen hingegen herrschen dieselben Krankheiten und Epidemien, wie in Luisiana, Sabanna und den beiden Florida’s. Namentlich der östliche Theil von Texas wimmelt von unzähligen Arten giftiger Reptilien, und der Reisende, der sich in jenen mit Rohr bewachsenen Brüchen verirrt, ist unrettbar verloren. Darum mögen die Mitglieder des deutschen Auswanderungsvereins wohl überlegen, was sie thun, bevor sie auch nur einer einzigen Familie gestatten, nach einem Lande sich zu begeben, in welchem Gefahren aller Art ihrer harren.

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Dok-Nr. 40: „Der Oldenburgische Volksfreund“ No.4 vom 14.01.1852

Briefe aus den Californischen Minen.

Durch gütige Mittheilung sind wir im Stande, die Briefe eines jungen Mannes zu veröffentlichen, der vor einigen Jahren nach Californien ging, um dort sein Glück zu versuchen. Sie enthalten keine außerordentlichen Erlebnisse, geben aber in frischer und lebendiger Darstellung ein anschauliches Bild von dem Leben und Treiben in den Minen. Wenn sie schon an sich interessant sind, so glauben wir, daß sie für manchen unserer Leser noch von besonderem Interesse sein werden, da ja so viele von unsern Landsleuten nach Californien ausgewandert sind, und noch auswandern werden.

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Gallow Town den 18.Nov.1849

Ihr seid gewiß begierig zu erfahren, wie es mir hier in Californiens Goldminen gegangen, und deshalb fange ich denn heute gleich wieder bei dem Platze an, worin ich meinen letzten Brief schloß, nämlich Sacramento City. Noch am Abend unserer Ankunft gingen wir ans Land, hörten uns um nach den besten Minen, und nahmen darauf einen Fuhrmann an, der unsre Sachen gegen Bezahlung von 12 Dollar pro 100 Pfd. nach den 50 engl. Meilen entfernten North Fork Dey Diggins bringen sollte. Er versprach uns am andern Morgen unsre Sachen von Bord zu holen und gegen Mittag sollte unsere Reise vor sich gehen. Wir hatten nun also noch Zeit uns die Stadt zu besehen und in kurzer Zeit durchstreiften wir dieselbe in allen Richtungen. Die City mochte d.Z. ca. 5000 Einwohner zählen, jedoch ist diese Zahl gar nicht fest anzugeben, da kaum 1000 dort ihren festen Wohnsitz haben, weil das Clima zu Zeiten so schlecht ist, daß die ganze Bevölkerung am Fieber krank liegt. Alle Häuser sind von Holz und nur zum augenblicklichen Bedarf eingerichtet. Alles Store an Store, jeder hat was zu verkaufen oder schenkt aus. Waaren waren zu der Zeit eben so billig, wie in St. Francisco, und wurden Massen davon in Auctionen verschleudert. Als Lagerhäuser wurden eine Masse Seeschiffe gebraucht, die mit Hochwasser bis hierher gekommen. Die besten Geschäfte machten jedenfalls die Inhaber von den Spielhäusern, deren es eine Masse, brillant eingerichtet, giebt. Hier wird den ganzen Tag über mit Händen voll Gold gespielt und getrunken. Die Amerikaner spielen gern und sobald sie von den Minen heim kommen, gehen sie ans Spielen und ruhen nicht eher, bis Alles wieder verthan. Sie spielen Pharao, Roulett, Vingtun, und eine Menge anderer Hazardspiele. Weiter ist über diesen Platz nichts zu sagen, er liegt in einer ziemlich dürren Gegend und ist nur deshalb von Bedeutung, weil hier die Wege nach den verschiedenen Minen abgehen, und die City den Markt für alle nach den Minen gehenden Provisionen abgiebt. Am anderen Mittag holte der Fuhrmann unsere Sachen und dieselben wurden gewogen. Bald nachher, als wir die Fracht bezahlen wollten, sagte er uns, wir gingen nach Webers Criek und nicht, wie wir verabredet, nach North Fork. Da es uns indeß nicht gleichgültig war, wohin wir kämen, da bei Webers Criek Alles ausgearbeitet sein sollte, so bestanden wir auf unser Recht wornach wir denn nach langem Reden mit ihm einig wurden, daß er uns für 13 D. die 100 Pfd. über Webers Criek nach North Fork schaffen sollte, wornach wir denn Abends 5 Uhr unsre Straße zogen. […]

Am andern Morgen, gestärkt durch eine Bohnensuppe, die wir aus 2 Hasen kochten, ging die Reise weiter; jedoch waren immer 3 bis 4 Treiber nöthig, unsere Ochsen in Gang zu halten. Am Platze nun, wo wir zu Mittag rasteten, erklärt unser Fuhrmann, er könne mit der ganzen Ladung nicht weiter und müsse die Hälfte zurücklassen. Wir mußten einwilligen, daß die Hälfte unserer Bagage abgeladen und die andere Hälfte nach Webers Criek geschafft wurde. Wir schlugen daher im Walde unser Zelt auf und die Hälfte von uns blieb bei den Sachen, während die andere Hälfte den Fuhrmann escortirte. Nachdem wir zwei Tage im Walde gelegen, kommt endlich unser Treiber zurück, erklärt jedoch, seine Ochsen seien caput und er sei krank, er müßte erst zur City hinunter uns einen andern Treiber heraufzuschicken. Güte und Gewalt konnten uns nicht helfen, da einige anwesende Amerikaner das letztere verhinderten, uns indeß den Rath gaben, uns an den Friedensrichter in Sacramento City zu wenden. Wir mußten uns zufrieden geben, unsere Treiber ziehen lassen und zusehen unsere Bagage wieder zusammen zu kriegen, denn daß der Treiber wieder komme, konnte keiner glauben.

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 40a: „Der Oldenburgische Volksfreund“ No. 5 vom 17.01.1852

[Leitartikel] Briefe aus den Californischen Minen.

(Fortsetzung.)

Wir nahmen also einen neuen Fuhrmann an, der uns den Rest unserer Sachen für 40 Dollars nach dem ca. eine deutsche Meile entfernten Webers Criek brachte. Dort trafen wir gleich einige Deutsche und diese beredeten uns, vorläufig da zu bleiben und unser Glück zu probiren, weil es da noch besser als in North Fork sei. Nun verloren die meisten die Lust, unsern ersten Fuhrmann wieder zu turbiren und hielten es besser, die ganze Sache aufzugeben. Unsere beiden Zelt wurden aufgeschlagen und alles möglichst bequem darin eingerichtet. Wir theilten uns, zu besserer Verträglichkeit in 3 Parteien, wonach ich denn mit W… und J… und zwei A… und R… zum Arbeiten zusammen blieb. Nun fehlten uns indeß Werkinstrumente, denn wir sahen leicht, daß wir mit unsern deutschen Spaten und einigen kleinen Blechgeschirre kein Gold waschen könnten. Aus unserem alten Koffer, den ich schon ganz defekt mit von dort nahm, wurde nun vorläufig eine Maschine oder wie sie hier genannt wird, ein Kredel gemacht. Eine Picke wurde angeschafft für 7 Dollar und eine reguläre Waschpfanne für 4 Dollar. Endlich am 4.Oktober waren wir fertig und fingen nun an zu werken. Wir gingen in eine sogenannte Rivine, das ist eine Schlucht zwischen zwei Bergen, worin das Wasser während der Regenzeit niederfließt, und versuchten unser Glück. Es wurde ein Loch gegraben, von der untern Erde Säcke gefüllt und diese auf unserm nun fertigen Kredel gewaschen. Doch waren wir nach ca. zehnstündiger Arbeit nicht wenig erstaunt, als sich ergab, daß wir ca. 3 Dollar, also jeder von uns ½ Dollar ausgemacht; wir ließen uns indeß durch den ersten Versuch nicht abschrecken, obgleich wir z.B. für Mehl 25 C., Reis 30 C., Fleisch 25 C. u.s.w. bezahlen mußte, denn wir sahen, daß wir damit vorläufig unsere Kosten decken konnte, und ein weiteres Glück hofften wir von der kommenden Regenzeit und unserer Geschicklichkeit. Wir arbeiteten in verschiedenen Rivinen, wonach wir es denn immer zu etwas Besseren brachten, so daß wir nach und nach 1,2, auch 3 bis 4 Dollar verdienten. Da nun eine Periode eintritt, in der ich zwar beschäftigt genug war, welche indeß zu langweilig für Euch wäre, wenn ich dieselbe in die Feder nähme, so ziehe ich vor, Euch wenigstens in etwas über die hiesigen Manieren des Grabens und Waschens zu berichten. […] Was soll ich Euch weiter über unsre Lebensweise schreiben, ein Tag vergeht wir der andere, einer bringt Glück, der zweite nimmt den ersten wieder mit fort. Doch das Glück haben wir, daß noch keiner ordentlich krank gewesen ist und wenn uns nur, mit Gottes Hülfe, die Gesundheit bleibt, dann denke ich, wird es schon im nächsten Jahre ganz gut gehen, so daß man doch wenigstens, wenn auch nicht californisch, doch etwas erübrigen kann. Dies Land ist gerade für einen ordentlichen Arbeiter geschaffen, denn wer nur recht Hand anlegt, bringt es auch zu etwas.

Doch nun muß ich wohl etwas über unsere häuslichen Einrichtungen berichten.

Unser Blockhaus steht am Abhange eines vielleicht 200 Fuß hohen Hügels, rundum von hohen Fichten, Tannen und Eichen umgeben. Nur hie und da guckt aus der Erde, die aus rothem Lehm mit vielen Steinen vermischt, besteht, ein dürres Hälmchen Gras, und das einzige grüne Unterholz bildet eine Art Berberitze, die das ganze Jahr mit schönen rothen Beeren behangen sind, welche freilich eßbar indeß in jetziger Jahreszeit ganz ohne Saft sind. Diese Beeren bilden auch, verbunden mit dem Saamenkörnern der Fichten, welche einen ähnlichen Geschmack wie die Buchkörner bei uns haben, ein Lieblingsessen der Indianer.

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 40b: „Der Oldenburgische Volksfreund“ No. 6 vom 21.01.1852

Briefe aus den Californischen Minen.

(Fortsetzung.)

Gallow Town, den 18. Novbr. 1849.

Unser Häuschen ist gebaut aus lauter schlanken Tannenstämmen, deren eine Menge rund um uns herum standen, so daß wir dieselben nur zu schlagen und auf einander zu fügen brauchten. Unser Dach bilden sogenannte Clappbords, eine ordinäre Art Schindel, die hier in Masse aus den schönen oft 6 Fuß im Durchmesser habenden Fichten, das hundert zu 6 Dollar gespalten werden. Das Haus ist 18 Fuß breit und ca. 20 Fuß lang, also hinreichend groß genug für uns sechs Personen. Die Löcher zwischen den einzelnen Balken wurden mit Lehm ausgeschmiert, und vorn eine Thür und ein hölzernes Fenster, an der rechten Seite aber der Kamin ausgehauen. Letzterer ist unten von großen Steine, weiter oben von dünnen Stämmen durch Lehm verbunden aufgemauert. An der hintern Seite des Hauses stehen nun zwei Bettstellen, jede für zwei Personen, und links von der Thür steht eine dritte, welche J… und ich inne haben. Unter dem Boden hängen unsere Gewehre und jeder hat über seiner Schlafstatt eine kleine Bord, worauf er seine Kleinigkeiten ausgekramt, von welcher denn auf meiner, Euer liebes Bild mich täglich bei Euch sein läßt. An der vorderen Ecke bei unserm Bette ist eine Bord mit diversen Geräthschaften und unter dem Bette steht ein Kistchen mit unseren Kleidungsstücken. An beiden Seiten des Chimney stehen auf Borden hübsch geordnet die Eßgeräthe, verbunden mit Töpfen und Pfannen, die wir bei unserm Appetit stark in Anspruch nehmen. Unsere Wintervorräthe, aus Pork, Mehl, Reis und Bohnen bestehend, nehmen den übrigen Raum an den Seiten ein. Unser ganzes Mobiliar besteht aus einigen dreibeinigen hölzernen Schemeln und einem rohgezimmerten Tisch, mit denen wir freilich keinen Staat machen können, die indeß sehr zu unserer Bequemlichkeit sind. Ueber unsere Kost kann ich auch nicht viel sagen, denn hätten wir nicht in der Stadt fast täglich Gelegenheit frisch Fleisch zu kaufen, so sähe es sehr einfach damit aus. Doch nun giebt es außer Pfann- und Reispfannkuchen, Bohnensuppe und ausgebratenes Pork doch noch zur Veränderung Beefsteak, Fleischpfannekuchen, ja sogar Fleischsuppe und Rinderbraten, was uns sehr passend auf den Beinen hält. Bei jetziger Jahreszeit, wo man hier der Kälte wegen (es friert jede Nacht, ja wir hatten schon oft 3/8 Zoll dickes Eis auf dem Wasser, welches den Tag über durch die Sonne nicht aufgethaut wurde) nur ca. 7 Stunden arbeiten kann, nämlich von 9-4 Nachmittags, essen wir Morgens und Abends warm, und begnügen uns Mittags mit einem kalten Stückchen Beefsteak und einem Stückchen Caks. Glücklicherweise haben wir unsre Wintereinkäufe so ziemlich zur rechten Zeit besorgt, doch damit Ihr einmal einen Begriff von der jetzigen hiesigen Theuerung bekommt, will ich Euch doch von verschiedenen Lebensmitteln die Preise aufschreiben. 1 Pfd. Fleisch 25-50 Cent, doch nur so billig, weil so viele Schlächter in der Stadt sind, und dieselben ihr Fleisch nicht liegen lassen können, wie die andern Verkäufer. 1 Pf. Mehl 75 C.-1 D., Reis 75 C.-1 D., Bohnen 75 C., Zucker 1 D., Port 1 D., Taback 1 D., 1 Cigarre ¼ D., 1 Glas Wein in einem Spielzelt ½ D. und eine Flasche Brandy oder Cognac 2 und 3 Dollar, welchen letzteren Artikel man bei der kalten Witterung und der Arbeit im Wasser fast nicht entbehren kann.

Hieraus könnt Ihr schon sehen, daß zu jetziger Jahreszeit ein Mann, der eine halbe Unze, also nach hiesigem Gelde 8 D. verdient, nicht viel übrig hat, zumal die Werkzeuge zum Arbeiten verhältnißmäßig eben so theuer sind, z.B. für einen Kredel (Goldwäsche) 40 D. Das Clima im Distrikte von Californien, den wir jetzt bewohnen, ist nicht sehr warm, man möchte sagen, derselbe habe sogar einen rechten Winter. Wir hatten nämlich schon Eis, Schnee und Hagel, alles dies hält indeß lange nicht so auf, als der zuweilen 8 Tage lang anhaltende Regen, bei dem man so ganz auf der Bärenhaut liegen muß. An Wild giebt es hier Hasen, Truthühner, Tauben, Hirsche, Rehe, Wölfe und einzelne Bären, wovon letztere beiden Sorten sich indeß wenig sehen lassen. Rehe werden hier sehr viel geschossen, so daß das Fleisch derselben fast so billig wie Ochsenfleisch ist, indeß ist uns noch nicht gelungen eins zu attrapiren. Wie das Gold eigentlich hierher kommt, ist schwer zu bestimmen, und weiß man auch gar nicht, wo man eigentlich suchen soll, denn gerade an Plätzen, wo es zusammengespült sein sollte, findet man häufig fast gar nichts. Goldhaltig scheint der ganze Grund zu sein, denn man mag die Erde nehmen, wo man auch wolle, etwas findet man immer.

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 40c: „Der Oldenburgische Volksfreund“ No. 7 vom 24.01.1852

Briefe aus den Californischen Minen.

(Fortsetzung.)

Gallow Town, den 18. Novbr. 1849.

Die Formation ist wirklich merkwürdig; es scheint eine Art vulkanischer Auswurf zu sein, denn es sieht alles wie geschmolzen aus und fast kein Stück zeigt eine regelmäßige Figur; so ist es mir bis jetzt auch erst ein Mal gelungen, ein kleines Kristall davon aufzufinden. Einige Stückchen umfassen kleine Kristalle des weißen Quarzes, wodurch dieselben ein sehr hübsches Ansehen erhalten. […] Ueber die Lage des Ortes in dem ich jetzt lebe, kann ich Euch schriftlich keine Aufklärung geben, doch da ihr dort vielleicht noch keine genaue Karten über die hiesige Gegend habt, so zeichne ich Euch die ungefähre Lage so ziemlich auf, so daß Ihr doch wißt, wo auf dem Globus Ihr mich zu suchen habt. Der Fluß, an dem wir hinaufwanderten, heißt der American River, und in denselben ergießen sich die Kricken, an denen wir arbeiten. Aus diesem Fluß bilden sich oberhalb drei kleinere, die die drei Farken genannt werden und an denen es noch sehr gute Goldplätze geben soll, so daß wir so ziemlich fest im Sinne haben, im nächsten Frühjahr erst dort unser Glück zu versuchen. Zufolge Nachrichten aus San Francisco ist es dort mit den Provisionen auch in die Höhe gegangen und mit dem Verdienst hinunter, so daß wir gewiß doch besser stehen, als wenn wir dort geblieben wären. Ausländer sollen eigentlich nicht in den Minen arbeiten, indeß ist es allenthalben voll davon und kein Mensch achtet auf sie. Wie es heißt soll im nächsten Herbst indeß Militär hierher verlegt werden, um das Gesetz aufrecht zu erhalten, dann das Land vermessen und verkauft werden; ob es indeß dazu kommt, daran zweifle ich sehr.

[…]

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 40c: „Der Oldenburgische Volksfreund“ No. 14 vom 18.02.1852

[Leitartikel] Briefe aus den Californischen Minen.

(Fortsetzung.)

Middlefort de American River, Dec. 15., 1850.

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Die Minen überhaupt werden in zwei Theile getheilt durch die zwei verschiedenen Flüsse, die das Wasser aus den Flüssen und Bächen derselben empfangen. Der Sakramento nimmt alle die Flüsse der nördlichen Minen auf (in welchen ich immer gewesen). Der Jaoquin oder Stoakton River nimmt dagegen alle Flüsse der südlichen Minen auf. In den nördlichen Minen ist es so viel ich weiß, allenthalben so ziemlich sicher, und hört man selten von einem Raub oder Diebstahl, ausgenommen von Leuten, die Spielhäuser besuchen, und dann oft angetrunken zu unvorsichtig zu Werke gehen, als daß man danach den Zustand der Sicherheit in diesem Theil der Minen beurtheilen könnte. In dem südlichen Theil der Minen soll es oft nicht recht sicher sein, obgleich Diebstahl hier gewöhnlich mit Hängen bestraft wird! Ich bitte Euch daher, in den Zeitungen immer zuzusehen, ob der Bericht von Sacramento City oder Stockton ist, möglichst aber nichts davon zu glauben, denn das Gute ist gewöhnlich entstellt und das Schlechte größtentheils erlogen! – Um das Bürgerrecht der United Staates zu erlangen, habe ich geeignete Schritte gethan, doch muß man dazu 3 Jahre im Lande sein! Es kostet nicht, wie Ihr meint, 10 Dollar, sondern es werden nur die Kosten für den desfallsigen Schein vergütet – in den States oft nur 75 C., hier der Zeit 6 Dollar. Land ist, wenigstens im Innern des States, vorläufig gar kein Geld werth, denn es ist genug, um Millionen über Millionen Platz für Ackerbau zu gewähren!

Behörden sind hier eigentlich sehr wenig oder gar nicht nachzuweisen; es giebt hier zwar in den bedeutendsten Plätzen Gerichte, doch Recht zu bekommen ist mit Tausenden verbunden!

Gewöhnliche Verbrechen als Mord und Diebstahl, wenn auf der That ertappt, richtet das Volk auf der Stelle mit dem Strange an den ersten besten Baum.

Was Einwanderung anbetrifft, so sind die Zeitungsnachrichten gewiß nicht übertrieben; denn das Land ist davon wie überschwemmt, wenigstens im Vergleich zu früher. Tausend über Tausende haben gewiß dies Jahr die Wüste zwischen hier und den States zu Fuß gekreuzt und viele hundert Schiffe ihre Menschenladung in San Francisco gelandet! –

Mit dem Verdienst bleibt es sich trotzdem immer so ziemlich gleich, denn die Neulinge wissen doch nicht mit dem Handwerke umzugehen; Platz ist genug da, und Provisionen werden billiger! Ihr schreibt mir, die Witterung sei naß und kalt; das habe ich hier noch nie getroffen; entweder friert es und die Sonne scheint oder es regnet, dann ist es aber gleich wieder warm. Wird es im Winter mal warmes Wetter, so kann man auch sicher Regen prophezeihen. An gutem Wasser fehlt es manchmal in den Dry Diggins, doch in den Wet Diggins (am Flusse) ist immer schönes Wasser zu bekommen! In diesem Lande wird hauptsächlich deutsch und englisch gesprochen und so kommt es denn auch, daß man mit den wenigen Spaniern, die man hin und wieder in diesen Minen antrifft, nicht in Berührung kommt, und demzufolge ihre Sprache nicht lernt. Deutsche giebt es hier in Massen (im ganzen Lande), und merkwürdigerweise haben dieselben gewöhnlich die besten Plätze, sowohl in den Minen, als im Handelsfache. Daß in San Francisco fortwährend so große Brände sind, ist traurig, doch war das nicht anders vorauszusehen, da alles nur von Brettern erbaut war, und kann dies nur dann erst besser geregelt werden, wenn alles von Stein ist. Die meisten Häuser werden jetzt natürlich massiv gebaut; leider hat die Regierung indeß die Straßen mit Brettern pflastern lasse, was wohl keineswegs dem Feuer Einhalt thun wird. Gepflastert mußte schon werden, da der Boden durch den vielen Verkehr im Winter so weich und sumpfig wird, daß im letzen Winter sogar ein Pferd im Schlamm total versank! –

Ueber unsere Koch- und Backkunst habe ich schon früher geschrieben und habe ich nur noch hinzuzufügen, daß uns freilich Milch und Eier fehlen, doch sind dieselben auch zu entbehren, wie mich die Erfahrung lehrt. –

Ihr könnt Euch keine Ansicht bilden über die Landschaft, worin ich hause. Bei Euch ist alles verändert, die Natur, wenn man so sagen darf, gemeistert, doch hier befindet sich alles noch im Frieden. Die Natur trägt keine Fesseln und zeigt sich uns nur in wilder romantischer Pracht. Wenn ich nur aus dem Fenster unsres Häuschens sehe, so habe ich eine Ansicht, wozu man bei Euch erst Tagelang reisen muß. Unser Haus steht etwa 100 Fuß über der Wasserfläche des Rivers, welcher an beiden Seiten von steilen vielleicht 200 Fuß hohen Bergen eingeschlossen ist. Die linke Seite (unser Wohnplatz), ist ziemlich mit Büschen und Bäumen bewachsen. Die rechte ist jedoch fast kahl und nur hie und da zieht sich eine Fichte Nahrung zwischen den Felsblöcken heraus. Ungefähr 50 Fuß über der Wasserfläche findet man wenig Erde oder Sand, alles ist aus großartigen Felsparthien von himmelblauem Stein gebildet. Dazwischen windet sich der Fluß, hier breit, dort eng, hier ruhig, dort brausend und schäumend und weiterhin über einen Haufen Felsblöcke ungefähr 12 Fuß hinunterfallend. […]

(Fortsetzung folgt.)

 [nur noch Fortschreibung der wechselhaften persönlichen Arbeitsverhältnisse]

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Dok-Nr. 41: „Der Beobachter“ No. 14 vom 18.02.1853

Nachrichten aus der Fremde.

Wenn in den deutschen Zeitungen Herren oder Damen auf Freiersfüßen ihre Gefühle unter den vermischten Anzeigen laut werden lassen, so haben sie wenigstens noch so viel Zartgefühl, sich bei dieser öffentlichen Werbung um Hand, Herz und – Vermögen in den Schleier der Anonymität zu hüllen und zu sagen: „Wer und wo? sagt die Expedition“ – aber ungleich freier denken darin die Bürger und Bürgerinnen der vereinigten Staaten von Nordamerika. In den amerikanischen Zeitungen gehören öffentliche Schriftwechsel wie folgende keineswegs zu den Seltenheiten:

„Verehrte Jenny! Warum Ihnen länger verbergen, daß ich Sie liebe? Meine Bewegungen an dem Ladenfenster, so oft Sie an dem Ladenfenster gegenüber erschienen, werden Ihnen schon verrathen haben, was ich bei Ihrem Anblick empfinde. Meine Absichten sind die redlichsten, zum Beweise offerire ich Ihnen meine Hand. Mein Name ist Edgar Mortimer, mein Stand Handlungsdiener in dem Modengeschäft vis à vis dem Ihrigen, mein Alter 23 Jahre 7 Monate, mein Vermögen -–doch nein, ich will Ihre Delicatesse nicht beleidigen. Die arge Welt soll nicht sagen, daß Sie mich nur des Geldes wegen geheirathet. Sie sind Wittwe, ich bin ledig; Sie Besitzerin einer Handlung, ich gelernter Handlungsdiener; Sie sehen, nicht allein unsere Herzen, auch unsere Geschäfte sind für einander geschaffen. Darf ich hoffen? – Der Obige.“

In der nächsten Nummer erschien folgende Anwort der Mistreß Fanny Rowson, geborne Sory:

„Junger Laffe! Ich durchschaue Ihre Absichten. Vermuthlich sind Sie von einem Concurrenten meines blühenden Geschäfts gedungen, um den guten Ruf meiner Firma zu untergraben, indem Sie mich durch Anträge compromittiren, gegen die ich mit Verachtung protestire. Uebrigens betrachte ich Ihren unverschämten Brief als einen Wechsel, der seiner Zeit honorirt werden soll, und verbleibe mit vollkommenem Abscheu“ u.s.w.

Die Honorirung bestand, wie es scheint, aus einer grausamen Tracht Prügel; denn acht Tage darauf meldete die Zeitung:

„Edgar Mortimer giebt sich die schmerzliche Ehre, seinen Geschäftsfreunden anzuzeigen, daß er gestern von einem fremden Banditen auf die brutalste Weise gemißhandelt worden ist. Er vermuthet, woher diese Streiche gekommen und behält sich die weitern Schritte in dieser delicaten Angelegenheit vor, sobald er so weit wieder hergestellt sein wird, seine zerschlagenen Knochen aus dem Zimmer tragen zu können.“

Den Morgen darauf stand in der Zeitung: „Warnung! Wenn der unverschämte Laffe, dessen Züchtigung mir ein Bambusrohr von drei Dollars gekostet hat, sich untersteht, noch einen weitern Schritt in dieser allerdings delicaten Angelegenheit zu thun, so wird er demnächst nicht bloß geschlagen, sondern todtgeschlagen.“ – Seit dieser energischen Verwarnung stockt jener öffentliche Briefwechsel.

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Dok-Nr. 42: „Der Beobachter“ No. 38 vom 13.05.1853

I.

Scene auf dem Marktplatze zu Quebec *).

[Fußnote] *) Bruchstücke aus einer nächstens im Druck erscheinenden Broschüre: „Bilder aus Amerika“.

Im Vordergrunde sehen wir Früchte der verschiedensten Gegenden Amerikas vor uns aufgethürmt: Pfirsiche, Aprikosen, Ananas, Hickorynüsse, schwarze Wallnüsse, Lemonen und Apfelsinen, Butternüsse, Bananen und Cocosnüsse, Maulbeeren und Erdbeeren, - die beiden letzten Fruchtarten in sauberen Körbchen – und viele andere herrliche Naturerzeugnisse, welche den Appetit reizen oder zur Stillung des brennenden Durstes dienen.

Sodann finden wir die kostbarsten Pelze in mannigfacher Auswahl vor uns ausgebreitet, daneben Flachs und Hanf aufgeschichtet, Gemüse aller Art, in sauberen Körben, aufgestellt und Leinewand, Baumwollenstoffe und Fußdecken in brillanten Mustern dem Beschauer dargelegt.

Im Hintergrunde dieser mannigfachen Gegenstände ist aber auch für Obdach gesorgt; denn dort erblicken wir sehr zierliche Häuserchen von Holz und von Eisen, mit allem nothwendigen Mobiliar auf das Beste ausgestattet, zum Verkauf aufgestellt.

Richten wir nun den Blick auf die wogende, den ganzen Platz erfüllende Menschenmenge, so wird er zuerst gefesselt von den sonderbar costümierten, dunklen Gestalten der Indianer, welche von ihnen selbst gefertigte, aus Tuch oder Sammet gestickte Schuhe, Stiefeletten und Kappen feilbieten. Einen merkwürdigen Contrast bilden die bunten, an grellen Farben und Mustern reichen Kleidungsstücke mit der braunen Hautfarbe und glänzende Ohrgehänge, Halsketten – und zuweilen sogar Nasenverzierungen – erhöhen denselben noch bedeutend.

Neben dieser handelnden Indianergruppe seht Ihr den als gentleman heraugeputzten, freien Neger in seiner schwarzen Kleidung mit blendend weißer Wäsche einherschreiten, durch seine Haltung bezeugend, daß er, stolz auf seine Freiheit und Emancipation, dieselben zur Erwerbung bedeutender Existenzmittel und Besitzthümer benutzt hat. Trotz dieses Stolzes aber trägt er gelassen einen schweren Korb im Arme, welchen seine Ehehälfte, eine corpulente Mulattin, ihm aufgebürdet, damit der folgsame Gatte die eingekauften Gegenstände nach Hause führe; denn sein zweites Ich, welches, in Seide gekleidet und mit allen Zeichen des Reichthums prangend, neben ihm herschreitet, hält es unter seiner Würde, sich diesem Geschäft selbst zu unterziehen. – Daß diese Ansicht jedoch nicht nur bei den schwarzen, sondern auch bei den übrigen canadischen Damen anzutreffen sei, sehen wir an jener Brünette vor dem Tische mit Pfirsichen, welche bereits ihren breitschulterigen Ehemann – anglicanischen Stammes – mit verschiedenartigen Einkäufen beladen hat und immer noch nicht müde wird, seine Langmuth und Tragkraft auf eine neue Probe zu stellen.

Nicht minder komisch erscheint uns die weibliche Figur, welche dort beim Gemüsehändler ihre Einkäufe macht. Sie ist eine Dienerin und trägt als solche ihr von Bast geflochtenes Körbchen selbst. Ihr Gesicht ist fast ganz verhüllt, sonst würden wir die feinen Züge der französischen – oder eigentlichen – Canadierin erkennen. Ihr Köpfchen ist mit einem seidenen Hute bedeckt, von dem ein langer Schleier herunterwallt; ein elegantes Kleid zeigt ihren schlanken Wuchs und ein Paar sehr kleiner Sammetschuhe verhindert uns nicht, die, sonst unbedeckten, zierlichen Füßchen zu betrachten. Um aber der Sonderbarkeit vollkommen zu genügen, ist ihr Mündchen mit einer kleinen französischen Thonpfeife bewaffnet, aus welcher bläuliche Rauchwölkchen hervorwirbeln.

Doch wenden wir uns jetzt zur Rechten und mustern jene bunte Gruppe vor dem Tische mit Zuckerwerk, Sodawasser und Cigarren, so finden wir dort hauptsächlich Einwanderer und zwar Repräsentanten vieler Nationen vor. Dort giebt es Engländer, Franzosen, Italiener, Deutsche, Türken, Chinesen u.a. in ihren Nationaltrachten, die das bunte Gemälde, welches sich unseren Blicken aufrollt, vervollständigen.

Doch nicht allein das Auge, auch das Ohr wird auf tausendfache Weise beschäftigt und ergötzt; denn fast alle lebenden Sprachen dringen sich demselben in so buntem Gemische auf, daß man glauben sollte, die babylonische Sprachenverwirrung hier vor sich zu haben.

P.

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Dok-Nr. 42a: „Der Beobachter“ No. 40 vom 20.05.1853

II.

[Leitartikel]Scene im Hafen Newyork’s.

Ein herrlicher Anblick bietet sich unserem erstaunten Blicke dar, wenn wir unser Auge auf den majestätischen Hudsonstrom wenden, seinen stolzen Lauf bewundern und seinen Rücken mit unzähligen großen und kleinen Fahrzeugen belastet sehen, mit denen er zu tändeln scheint, wie die Mutter mit ihrem Säuglinge. Tausend Maste bedecken seine Fläche, viele hundert Dampfboote eilen über ihn hinweg und eine wogende, lärmende, arbeitende oder schaulustige Menschenmenge bedeckt seine Ufer.

Wer aber sind jene Leute, die, Statuen gleich, mit vorgestrecktem Oberkörper dort nach der Gegend hinstarren, wo der Strom sich mit dem Meer vermählt? – Sie sind die Inhaber der sogenannten Einwanderer-Comptoirs und werden, wie wir sehen, von vielen sehr beweglichen, erhitzt aussehenden Leuten umkreist, die ihnen zur Ausführung ihres Geschäftsbetriebes dienen; man nennt sie runners. – Wie jetzt Alle in Bewegung gerathen! Der stolze Northumberland zeigt sich unseren Blicken und erklärt uns die lärmende Freude dieser Gruppe; denn er bringt reiche Beute für sie mit.

[…]

Siehe wie emsig die Leute auf den Booten auf dem Schiffe sich bewegen. Jeder sucht die Passagiere für sich zu gewinnen und ihnen die Adressen der betreffenden Gasthöfe und Comptoirs aufzudringen, wobei sie sich gegenseitig mit grimmigen Gesichtern das Gegentheil von Höflichkeitsbezeigungen darbringen. – Das Geschäft scheint jetzt beendigt; bereit stehende Karren nehmen die Effecten der Passagiere auf und diese betreten in buntem Gemisch eiligst, mit schwankenden Füßen den Boden ihrer neuen Heimath. Langsam, aber fröhlich und erwartungsvoll schließen sie sich dem langen Güterzuge an und begeben sich in ihre neuen Quartiere, um sich von den Mühseligkeiten der Seereise zu erholen.

P.

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Dok-Nr. 42b: „Der Beobachter“ No. 41 vom 24.05.1853

III.

[Leitartikel]Ein Gang durch die Hauptstraße Newyork’s, Broadway genannt.

Um den Anfang der Straße zu gewinnen, treten wir zuerst in die Battery, jenen herrlichen Park, welcher am Zusammenfluß des östlichen und nördlichen Armes des Hudsonstromes liegt. Wir finden denselben mit Spaziergängern angefüllt und können schon hier einen Begriff von der bunten Bevölkerung Newyork’s und dadurch eine dunkle Ahnung dessen, was uns auf unserm Spaziergange bevorsteht, erhalten. Die Trachten fast aller Nationen, von den Amerikanern bis zu den Türken und Chinesen kann man hier vereinigt sehen.

Treten wir nun aus diesen schattigen Gängen auf den Broadway, so haben wir uns wohl vorzusehen, daß uns die rasselnden Carossen nicht zermalmen; denn unzählbar ist die Menge derselben und an Schnelligkeit scheinen sie mit der Locomotive zu wetteifern. Daß trotz dem so selten ein Unglücksfall Statt findet, haben wir, nächst der bewundernswerthen Gewandheit der Rosselenker, - welche dem Wagenlenker des Achills hierin wenig nachgeben, - wohl der Größe der Gefahr zu verdanken, die jeden Fußgänger, der die Straße überschreitet, zur größten Vorsicht und möglichsten Geschwindigkeit veranlaßt. – Sind wir nun glücklich hinüber gelangt, so empfängt uns auf dem Trottoir eine neue Gefahr; den hier wogt eine so große Menschenmenge unaufhörlich auf und nieder, daß es einer ziemlichen Gewandheit bedarf, um unzerdrückt sich hindurch zu winden. Hat sich nun auf einen Augenblick der Knäuel entwirrt, so beschauen wir mit Bewunderung die colossalen, sechsstöckigen Häuser, welche von unten bis oben mit Aushängeschilden, Ankündigungen, lebensgroßen Figuren u.s.w. ausgeschmückt sind. Dort, vor jenem Laden sehen wir als Verkünder des Geschäfts einen fünf bis sechs Fuß hohen Stiefel, - der ein Urgroßvater aller Stiefel zu sein scheint, - paradiren, und ihm zur Seite stolzirt ein in abenteuerlicher Livree prangender Portier, der die bewundernswerthen Sehenswürdigkeiten, welche sich im zweiten Stockwerk befinden, mit gellender Stimme uns verkündet. – Plötzlich aber zieht uns ein neuer Menschenstrom in seinen Wirbel und setzt uns erst bei dem Museum wieder in Freiheit. Sehr leicht könnten wir in das Allerheiligste dieses Tempels aller Sehens- und Hörenswürdigkeiten, - dessen Priester der weltberühmte Mr.Barnum ist, - vordringen, wir dürften uns nur von der Menge, welche die Stufen hinaufstürmt, tragen lassen; doch für dies Mal wollen wir uns mit der Außenseite begnügen, da dieselbe uns mannigfaltigen Stoff zur Befriedigung unserer Neugierde darbietet. Die Wände des ganzen Gebäudes sind mit Leinwand überspannt und mehr als lebensgroße Figuren zeigen wenigstens theilweise den Inhalt des Feentempels. Hier vorn erblicken wir eine Riesin in Indianergestalt, die ihre vier kupferfarbenen Kleinen wie Brodkügelchen in die Höhe wirft, um dieselben beim Wiederfangen auf ihren Fingern balanciren zu lassen; daneben bezwingt ein Herkules die riesige Klapperschlange und zur größten Contrastirung fährt zu seiner Rechten der kleine, kaum drei Fuß hohe General Tom Thumb in einer zierlichen Miniatur-Equipage. – […]

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 42c: „Der Beobachter“ No. 43 vom 31.05.1853

III.

[Leitartikel] Ein Gang durch die Hauptstraße Newyork’s, Broadway genannt.

(Fortsetzung und Schluß von Nr.41.)

[…]

Treten wir jetzt durch das eiserne Thor auf die Straße, so bemerken wir an dem den Park umgebenden Gitter eine lange Reihe Tische und Buden aufgestellt, bei welchen Sodawasser, Früchte, Zuckerwerk, Cigarren u.s.w. feilgeboten werden. – Eine wandernde Menge hemmt auch hier unsere Schritte und läßt uns Zeit, die fast ununterbrochene Reihe der verschiedenartigsten Laden in Augenschein zu nehmen. Zuerst sehen wir hier an der Ecke eine echt amerikanische Apotheke, welche sich im Aeußeren schon von einer deutsch-amerikanischen durch ein sechs Fuß hohes Ankündigungsschild unterscheidet, auf welchem alle courante Artikel, die dort geführt werden, verzeichnet stehen. Außerdem sind in einem Schaufenster große Glashäfen mit Schönheitspflastern, Fleckkugeln, Seifen, Pillen, Badeschwamm u.a. aufgestellt; auch sehen wir mehre zwei bis drei Fuß weite, mit verschieden-farbigen Flüssigkeiten angefüllte Glaskugeln, hinter welchen sich Gaslampen befinden, und der noch übrige Platz des Fensters ist mit elegant verzierten Anpreisungen verschiedener Arten unfehlbarer Arzneimittel ausgeschmückt. Wird das Local des Abends erleuchtet, so strahlen die farbigen Glaskugeln weit die Straßen hinunter und dienen dem hülfsbedürftigen Publicum gewissermaßen als Leitstern. Neben der Apotheke befindet sich ein Cigarrenladen, in welchem sich uns ein corpulenter Neger präsentirt, der mit dem hageren Inhaber des nachbarlichen Theeladens, welchen wir schon von ferne als Chinesen erkennen, sonderbar genug contrastirt.

Aber welches prächtige Gebäude zeigt sich unseren Blicken? Es ist das berühmte Astorhaus, der eleganteste Gasthof der ganzen Stadt. Nichts ward von dem Gründer desselben, dem nunmehr verstorbenen reichen Israeliten Astor versäumt, um die größte Pracht und Bequemlichkeit in dem colossalen Gebäude anzubringen.

Doch überall an der ganzen Straße sind die Gebäude so elegant gebaut und eingerichtet, daß sie zu dem vorhergehenden vollkommen passen. Besehen wir uns z.B. jenen herrlich ausgestatteten Galanterieladen eines Franzosen, so werden wir erstaunt verweilen und eine geraume Zeit wird unbemerkt an uns vorüber eilen. Die größten Prachtwerke und niedlichsten Nippsachen in edlen Metallen, Porzellan, Metallcompositionen und Gußeisen wechseln ab mit den schönsten Blumengirlanden und den saubersten Stickereien und Gemälden; eine riesige Spiegelwand im Hintergrunde führt uns die ganze Pracht noch ein Mal zum Genusse vor und angebrochene Parfümerien durchduften das 90 bis 100 Fuß tiefe Local.

Ihm folgt ein gleich geräumiger und prächtiger Spiegelladen eines ehemaligen Berliners, der mit einem einzigen Dollar sich in 25 Jahren ein Vermögen von einer Million erwarb. Doch würde es wenigstens eine Woche erfordern, wollten wir auch nur flüchtig den Inhalt aller dieser brillanten Laden durchmustern; […]

Gehen wir jetzt noch ein wenig weiter, so verändert sich auf ein Mal die Scene; denn statt der Laden eröffnet sich vor unsern Blicken eine unabsehbare Reihe fünf- bis sechsstöckiger, sehr ansehnlicher Wohngebäude, welche die Wohlhabenheit der Bewohner auf das Deutlichste bezeugen; aber trotz des freundlichen und befriedigenden Eindruckes, welchen sie gewähren, würde die große Gleichförmigkeit derselben den Beschauer bald ermüden. Wir kehren daher zurück, um die Speicher des Luxus und Vergnügens – die jetzt, da es bereits dunkelt, mit Gas beleuchtet sind – noch ein Mal mustern zu können. Welch einen herrlichen Anblick gewähren uns dieselben; denn ihre Pracht scheint durch die stärkere Beleuchtung noch um das Doppelte erhöht zu sein und ein unerklärlicher Zauber strömt aus diesen Hallen. Auch giebt es jetzt noch mehr Schaulustige als zuvor, so daß die achtzig Fuß breite Straße zu enge wird für die Menge der Wagen und Fußgänger. Wir suchen deshalb, um nicht erdrückt zu werden, dem Gewirre zu entfliehen und  überlassen uns, so bald wir unser Quartier erreicht haben, mit Vergnügen dem zugleich imposanten und angenehmen Bilde, welches von dem Gesehenen nochmals vor unsere Seele tritt.

P.

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Dok-Nr. 43: „Der Beobachter“ No. 81 vom 11.10.1853

[Leitartikel] New-York im Panorama.

Seh‘ ich dich wirklich dich Riesin der Riesen,
Wie du dich tauchst in crystallene Fluth,
Wie du emporragst aus stürmenden Wellen,
Kühn dich erhebst zu flammenden Gluth,
Die aus der Mitte der Welten entsendet,
Zu ihrem Liebling mit Inbrunst sich wendet!
 
Sehet, mit Majestät thronet die Hehre,
Innig umarmt von des Stromes Gewalt;
Stolz ist der Hudson auf seine Gemahlin,
Feurig umschließt er die kühne Gestalt.
Nur mit dem Großen das Große sich einet,
Nur aus dem Hehren das Hehre entkeimet.
 
Wie sich die stolzen Paläste verketten,
Schimmernd von Marmor und blankem Metall,
Reichthum und Kunstsinn erschließt sich den Blicken
Kraft und Erfindungsgeist all überall.
Kühn und geschäftig durchwogen die Massen,
Eilenden Schrittes die herrlichen Gassen:
 
Sucht ihr den Ursprung der Pracht und des Glanzes?
Richtet nur dort auf die Märkte den Blick
Riesig gethürmt erschaut ihr des Westens
Reichthum an Früchten, - verkündend das Glück,
Welches dort Fleiß und Beharrlichkeit geben;
Herrlich belohnt wird dort emsiges Streben.
 
Doch nicht zufrieden, allein zu genießen,
Spendet die Here den Segen ringsum,
Sendet den Ueberfluß Reichen und Armen,
Strecket die Hand aus, erbarmend, doch stumm;
Seht ihr die Maste am herrlichen Strand,
Das sind die Finger der segnenden Hand.
 
Aber was glänzt dort so hell uns entgegen,
Wo uns Platanen den Schatten verleih’n? –
Wird doch das Aug‘ fast vom Glanze geblendet, -
Das muß der prächt’ge Crystall-Palast sein! –
Ja, ich erkenn‘ ihn, den Prachtsitz der Künste;
Er ist der größte der Freiheits-Gewinnste!
 
Frei ist die Kunst ja und herrlich ihr Streben,
Sie ist der Menschen erhabenstens Ziel;
Sie läßt erkennen, weß Geistes der Künstler,
Sie ist voll Leben, voll Kraft und Gefühl.
Strebet hinan denn zum Gipfel der Kunst, -
Sie giebt euch Freiheit und Frohsinn und Gunst!
P.

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Dok-Nr. 44: „Der Beobachter“ No. 72 vom 08.09.1855

[Leitartikel] Skizzen aus America von N.N.

(Fortsetzung.)

Zweites Buch.

Nachdem Einsender in seinem ersten Bericht *] die gegenwärtigen, unerquicklichen Zustände America’s dem Leser in kurzen Umrissen vorgeführt hat, und besonders vom leichtsinnigen Auswandern abräth, so verfehlt er nicht, auch des vielen Schönen und Interessanten dort drüben zu erwähnen. Er erlaubt sich daher, den mit dem neuen Welttheil weniger Vertrauten ein Bild der vornehmsten Städte zu entwerfen. Hierher gehört zunächst: - die Empire City – New-York. Wohl mit Recht so benannt. Denn sie ist das amerikanische Paris, wie sich die Americaner selbst ausdrücken *). Hat man nach vollbrachter Seereise die Küste der neuen Welt erreicht, so befindet man sich bald in dem unteren Bai von New-York und genießt von hier die herrlichste Aussicht, indem man rechts die schöne, sich weit in’s Meer hinausstreckende Insel Long-Island, und links die hohe Küste Sandy Hook erblickt, von wo aus die im Ansegeln begriffenen Schiffe vermittelst des elektrischen Telegraphen, nach New-York berichtet werden. Jetzt gleitet das Schiff über die Barre wo sich die See bricht, und der Hudson River sich in’s Meer ergießt. Die Landschaft wird immer interessanter, und das Auge weiß nicht, wo es hinschweifen soll. Ein wenig weiter noch und das Schiff ist jetzt in der innern Bai. Links fast pyramidenartig mit Häusern besetzt; die schöne hohe Insel Staaten-Island, wo die Schiffe ankern müssen, um vom Arzt untersucht zu werden, ob etwa Kranke sich am Bord befinden. – Rechts die Stadt Brooklyn; in der selben Richtung, jedoch nur schwache Sicht, die Thürme der Stadt Williamsburg. Und endlich, Brooklyn gegenüber durch den Cast River (einen Arm des Hudson) getrennt; die Riesen-Stadt New-York, welche auf einer großen Landzunge (früher Manhattan Island benannt) liegt. Wieder weiter hinunter links erblickt man Jersey City, und zwischen diesem und Staaten Island, das Städtchen Hoboken, New-York gegenüber. Um das Panorama zu vervollständigen, sieht man nun in gerader Richtung den schönen breiten Hudson-Fluß und dessen malerische Ufer. Alles dieses bildet ein so schönes Ganze, daß es fast unmöglich ist, mit der Feder es zu beschreiben. Und Alle, welche je drüben waren, werden mit dem Einsender übereinstimmen, daß es wohl nichts Romantischeres giebt, wie die Einfahrt nach New-York, begünstigt von schönem Wetter. Je näher man nun der Stadt kömmt, je geräuschvoller und wilder wird das Treiben auf dem Flusse, welcher voll von Schiffen aller Gattungen ist. Jetzt werden mehrere Batterien passirt, und New-York liegt nun vor uns, mit seinem Häusermeere und ungeheurem Masten-Walde. Ringsumgeben von Flaggen aller Nationen. Das Geläute der Glocken von den Dampfschiffen, welche ankommen und nach verschiedenen Richtungen abgehen, das Getreibe am Hafen, das Singen der Matrosen, zeigt an, das wir uns am Orte unserer Bestimmung, am Landungsplatze befinden. Und so ist es. Das Schiff wird jetzt in den Hafen hineinbugsirt, und legt in der Nähe von Castle Garden, am Nord-River (dem nördlichen Arm des Hudson) an. Wenngleich für Menschen all‘ dieses Gelärme und Gewühl für den ersten Augenblick widerlich sein mag, so freut man sich doch unendlich, nach so manchen Entbehrungen und Beschwerlichkeiten, welche eine längere Seereise hat, sich wieder erholen zu können. – Und ist man in der Stadt erst angelangt, so vergißt man bald die Unannehmlichkeiten der Reise, denn überall wo man hinblickt, alles überrascht die Fremdlinge, und namentlich Solche, welche sich in ihrer Heimath von America einen gar wundersamen Begriff machen, werden doppelt überrascht bei dem Anblick der großartigsten Gebäude, welche sich in den Straßen New-Yorks erheben, und oft an 8 bis 10 Stockwerk hoch ausgeführt sind. Das höchste Haus in der Stadt, eine Zucker-Raffinerei in der Greenwichstreet, hat 11 Stockwerk. Die Wohnhäuser haben, mit Ausnahme der öffentlichen Gebäude, fast durchgängig alle einen röthlich-braunen Anstrich, und sind an den Fenstern mit grünen Jalousien versehen. Kein Fenster schlägt nach innen oder außen, sondern werden durch eine angebrachte Maschinerie übereinander in die Höhe geschoben. Man hat diese Einrichtung in ganz America, wegen der heißen Sommermonate, indem man dann die Fenster aufschiebt, und die von außen angebrachten Jalousien schließt. Durch diese geht ein beständiger Luftzug und auf diese Weise befindet man sich stets in kühlen Zimmern, vor der Sonne geschützt. – Von den beiden Hauptstraßen New-Yorks, Broadway (breiter Weg) und Bowery, ist die Erstere die Vornehmste, welche in fast gerader Linie, der Länge nach die Stadt durchschneidet und zwei Stunden lang ist. Die größten Hôtels und schönsten Etablissements der Stadt, so wie das Museum der Herrn Barnum, und die Haupttheater, findet man hier. Diese Straße gleicht täglich einem Meßmarkte, wo alles bunt sich durcheinander bewegt, und an schönen Nachmittagen sieht man hier die fashionable Damenwelt New-Yorks promeniren. Und kömmt man um Mittagszeit durch den Broadway, so fällt es oft schwer, sich durch die Menschenmassen hindurch zu bahnen, da man Hunderte von Droschken und Omnibussen begegnet, welche die Kaufleute von der obern nach der untern Stadt führen, woselbst die Exchange (Börse) ist, welche eines der sehenswerthesten Gebäude der Stadt ist. New-York zählt gegenwärtig an beinahe 800.000 Seelen, worunter 80.000 Deutsche und fast eben so viele Irländer sind. Die schwarze Bevölkerung beläuft sich auf etwa 40.000 Seelen. Die merkwürdigsten Gebäude der Stadt sind: das Aston-House, das älteste und eins der größten Hôtels, dessen Besitzer ein Deutscher und Mann eines unermeßlichen Vermögens ist. Das größte und vornehmste Hôtel der Stadt (vielleicht der ganzen Union) ist das Metropolitan-Hôtel am oberen Broadway. In diesem Hause sind 200 Logiszimmer, 6 große Speisesäle, öffentlicher Lustgarten im Centrum des Gebäudes, und ein Theater für italienische Opern-Vorstellungen. Der Garten ist in New-York unter dem Namen Niblos-Garden eins der besuchtesten Localitäten. Das Hôtel St.Nikolas am Broadway ist ganz von weißem Marmor ausgeführt. Die City Hall (Stadthaus) in einem schönen Parke, ist ein herrliches Gebäude, mit einer großen Uhr, welche Abends durch ein Transparent beleuchtet ist. Auf dem Thurm des Hauses befindet sich die große Allarm-Feuerglocke, welche man leider nur zu häufig hört. Denn in New-York kommen viele Feuersbrünste vor, oft 10 bis 12 mal in einem Tage, und einer Nacht, und, Dank sei es dem Muth und der Entschlossenheit der dortigen Löschmannschaften, sonst existirte vielleicht New-York nicht mehr. Die Löschanstalten sind vielleicht in keinem Lande so vollkommen und vortrefflich, wie in America. Ferner besitzt New-York großartige mit vielem Luxus ausgestattete Concert-Säle und Theater, worunter Castle-Garden das vornehmste, und Broadway-Theatre das größte ist. – In ersterem Lokale hat Jenny Lind zuerst in America gesungen. Außerdem findet man schöne Kirchen dort (140 sind in New-York), worunter die Trinity-Kirche am unteren Broadway die prachtvollste, und zugleich die reichste in den vereinigten Staaten ist. Sie ist sammt ihrem Thurme ganz von grauem Marmor, im gothischen Style ausgeführt, und hat ein herrliches Glockenspiel, welches alle Stunde einen Choral spielt und Sonntags die Leute zur Andacht ruft. Und ist der Sonntag da, so kennt man fast New-York nicht mehr. Alles ruht an diesem Tage, aller Handel und Wandel hört auf, die Straßen sind öde und leer, und Jeder bereitet sich zu Hause zum Kirchgang vor. Um 10 Uhr beginnt das harmonische Geläute aller Kirchenglocken, welche zur Hauptpredigt einladen, die Straßen beleben sich und alles geht dichtgedrängt zu der Kirche, welcher er angehört, ohne auf dem Wege dahin sich zu unterhalten, andächtig und still. Dieses wiederholt sich drei- bis viermal Sonntags. Und auf diese Weise wird der Tag vollbracht.

[* „Der Beobachter“ No. 69-71/1855; vgl. Zusammenfassung in Artikel-Übersicht]

*) Der Vermögensstand der Stadt New-York. Nach der officiellen Besteuerungstaxe betrug der Gesammtwerth des Eigenthums der Stadt New-York, deren Einwohnerzahl man gegenwärtig auf 800.000 schätzt, im Jahre

1854                                       1855

462.285.790 Doll.                  486.998.278 Doll.

und zwar der liegenden Habe 330.564.452                         336.975.866 

                und der beweglichen             131.721.388                         150.022.412 

Es hat also eine Zunahme stattgefunden von   24.712.487 Doll.

             und zwar in liegender Habe   6.411.413  

     und beweglicher         18.301.074 

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 44a: „Der Beobachter“ No. 73 vom 12.09.1855

[Leitartikel] Skizzen aus America von N.N.

(Fortsetzung.)

Begeben wir uns jetzt am Montage einmal nach der Bowery, der zweitgrößten Straße der Stadt, welche mit dem Broadway parallel läuft. Hier finden wir Circus, Theater, Menagerie, Panorama’s und so viel Sehenswürdigkeiten in Menge, daß man nicht weiß, wo man hinsehen soll. Ein förmlicher Jahrmarkt, Jahr aus Jahr ein Orgeldreher u. dergl. Alles dieses ist in New-York fast jeden Tag auf den Straßen. Franconi’s Hippodrome aus Paris, macht sehr gute Geschäfte in New-York. Eine Gesellschaft von über 100 Mitglieder, sowie Strauße, Kameele, Hirsche, Elephanten und circa 150 Pferde produziren sich jeden Tag vor etwa 3 bis 4000 Besuchern. Der New-Yorker Glaspallast, Ecke der 40sten Straße und der 6ten Avenue, ist sehenswerth, jedoch war diese Spekulation eine gänzlich verfehlte, indem das Gebäude viel zu klein und der Besuch von Auswärts zu flau war. Gegenwärtig ist es zu einem Concert-Saale umgewandelt. Vergnügungen aller nur möglichen Art findet man außerdem genug in allen großen Städten America’s. Bälle, Concerte, Theater (auch deutsche Theater), Oper und sonstige Kunstleistungen vielfacher Art, gerade wie bei uns in Deutschland, in New-York im Winter fast alle Abende; im Sommer macht man Ausfahrten zu Wasser, z.B. pr. Dampfschiff nach Hoboken oder Staaten-Island hinüber, oder macht Wettfahrten pr. Cabriolet in’s Land, oder auch besucht an Sonntagen, wo keine öffentliche Vergnügungen stattfinden dürfen, Abends geistliche Concerte, welche die Deutschen unter dem Namen Sacred-Concerte veranstalten, wobei es freilich nicht so genau darauf ankommt, wenn eine Martha- oder Stradelle-Ouverture, oder gar ein Straußischer Walzer mit durchläuft. – Trotz allen Schönheiten die New-York uns bietet, fehlt es immer an wahrer Geselligkeit und Gemüthlichkeit dort. Das Familienleben, wie man es bei uns in Deutschland kennt, vermißt man fast überall in America, in New-York  mal gänzlich.

Wenden wir uns daher nach einer andern Gegend, und wandern südwärts. Jedoch ehe wir diese Reise antreten, möchten wir dem angrenzenden Brooklyn (130.000 Einwohner) eine Visite abstatten, um jenseits dieser Stadt den Friedhof New-Yorks zu besuchen. Das Revier, worauf Brooklyn liegt, ist fast größer wie New-York, und diese Stadt nimmt an Bevölkerung wie an Verkehr so rasch zu, daß wenige Jahre vergehen werden und es wird ein zweites New-York. Promeniren wir durch die Hauptstraße Brooklyns, der Fultonstreet, nach dem 2 Stunden von New-York entfernten Greenwood Cemetry, so heißt der riesenhafte Kirchhof, welcher eine deutsche Meile im Umfange mißt. Durch einen Haupteingang, woselbst eine Kapelle angebracht ist, gelangt man in’s Innere. Thäler und Hügel wechseln in mannigfachen, romantischen Gruppirungen mit einander ab, und riesige Grab-Monumente und Denkmäler erblickt man soweit das Auge reicht, zuweilen mit ungeheurem Luxus ausgestattet. Es ist Sitte bei den Americanern, den größten Luxus an ihren Kirchen und Friedhöfen zu verwenden, sowie Leichenzüge möglichst pomphaft zu begehen. Und wer es nur eben leisten kann, der läßt seine Angehörigen bis zum Kirchhofe mit Trauermusik begleiten. – Oft sieht man Züge, die in ihrem Gefolge 100 bis 150 Droschken haben, wovon oft 10 nur mit Leidtragenden besetzt sind, nur um den Zug recht lang zu machen. Und bringen die Odd Fellows (ähnlich dem Freimaurer Orden) einen ihrer Collegen zu Grabe, so nimmt die ganze Gesellschaft in voller Regalia Theil mit ihren Standarten. Doch verlassen wir jetzt das herrliche Greenwood-Cemetry und begeben uns von New-York ab durch den angrenzenden Staat New-Jersei, nach Philadelphia, der zweitgrößten Stadt der Union.

Sie liegt am schönen Delaware, und gewährt einen imposanten Anblick. Doch so wie man das Innere der Stadt betritt, gewahrt man den Unterschied zwischen hier und New-York. Dort ist alles wild und lärmend durcheinander, hier alles solid und ruhig seinen Geschäften nachgehend. – Philadelphia ist eine der schönsten Städte der Erde, und war früher bedeutender wie New-York; ist aber, durch die viel günstigere Lage der letzteren Stadt, jetzt mehr Fabrik- wie Handelsstadt. Wo man hinblickt, sieht man hier die reinlichsten Wege und Stege. Es zählt gegenwärtig an 500.000 Einwohner, darunter etwa 100.000 Deutsche, deren es mehr dort giebt, wie in New-york. Es giebt überhaupt wohl keinen Staat in America, wo so viele Deutsche leben, als im Staate Pennsylvanien, wovon Philadelphia die Hauptstadt ist. Die Stadt ist im Umfange größer wie New-York, in einem länglichen Viereck gebaut, und die Straßen sind alle schurgerade, mit Ausnahme der Hauptstraßen, alle numerirt, so daß ein Fremder sich nie darin verirren kann. Die Stadt wird nebenbei die Quäker-City benannt, oder auch die Stadt der Bruderliebe, was wohl von dem ersten Ansiedler und dem Gründer Pennsylvaniens, William Penn, welcher bekanntlich ein Quäker war, herrührt; auch noch wohnen viele Quäker dort. Die Hauptstraße für das promenirende Publikum ist die Chesnat-Street; jedoch nicht völlig so breit, wie der New-Yorker Broadway, und auch nicht so geräuschvoll. Hinsichtlich der öffentlichen Gebäude, der Kaufläden und sonstigen Etablissements der Stadt steht Philadelphia New-York nichts nach, und Großartigkeit und Luxus herrscht auch hier. Merkwürdig sind: die Independance-Hall, woselbst seiner Zeit die americanische Republik proklamirt wurde, welcher Tag noch alljährlich am 4.Juli durch die ganzen Vereinigten Staaten gefeiert wird. Man findet in dieser Halle noch alles in ein und demselben Zustande wie damals, nichts ist seitdem verändert worden. Auch wird eine große Glocke darin gezeigt, welche zuerst das Unabhängigkeits-Fest eingeläutet und bei dieser Gelegenheit sofort sprang. Die Besucher dieser Halle werden vom Portier aufgefordert, ihre Namen und Heimath in einem großen Buche einzutragen, welche dann von Zeit zu Zeit durch die Blätter veröffentlicht werden. Außerdem ist das Gebäude der Girard-Bank, und die Börse sehenswerth, sowie das National-Theater. Oeffentliche Parks, mit den herrlichsten Anlagen, Springbrunnen und Spaziergängen – zieren die Stadt und interessant ist es für Jedermann, zahme Thiere verschiedener Gattungen, als Hirsche, Rehe, Pfauen und eine Menge grauer Eichhörnchen hier vorzufinden. Letztere sind so zahm, daß sie Einem ganz nahe kommen; so daß man sie haschen kann. Doch ist strenge Strafe darauf gesetzt, sie zu greifen. – Die nächsten Umgebungen Philadelphias sind wahrhaft reizend. Besonders Fairmount mit den berühmten Wasserwerken, wodurch die Stadt mit Wasser versorgt wird. Dann Lemonhill, der Vergnügungsort für die vielen im Sommer stattfindenden Picknicks. Berühmt ist das Philadelphia-Lagerbier, das Beste in ganz America. Die Brauer sind meistens Deutsche, aus Baiern, Schwaben, und halten großartige Bierhallen in der Stadt, worin allabendlich (ausgenommen Sonntags) Concert-Vorträge gehalten werden. Die besuchteste davon ist die sogenannte Militäry-Hall, in der Nähe der Börse. Im schwülen Sommer fährt man für 6 Cents pr. Eisenbahn nach den nahe gelegenen Felsenkellern, wo das schönste und kräftigste Bier verzapft wird. In der Nähe Philadelphias ist die berühmte Drahtbrücke, ganz von Draht verfertigt, welche über den Schuykill River führt. Und eine Meile von der Stadt, über dem Delaware, im Staate New-Yersey ist am steilen Ufer dieses Flusses eine kleine Waldung Red Bank (rothe Bank) genannt, woselbst im Befreiungskriege an 1000 Hessen, welche hier ans Land steigen wollten, durch versteckte amerikanische Scharf-Schützen, Mann vor Mann erschossen sind. Indem Einsender nun so gut wie möglich ein Bild der beiden größten Städte Nordamerikas entworfen hat, begiebt er sich durch den angrenzenden Staat Delaware, dem Städtchen Wilmington nach Maryland; vom Norden ab der erste Sclavenstaat.

(Fortsetzung f.)

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Dok-Nr. 44b: „Der Beobachter“ No. 74 vom 15.09.1855

[Leitartikel] Skizzen aus America von N.N.

(Fortsetzung.)

Baltimore, die Hauptstadt Marylands, liegt an der Chaesepeake-Bai. Sie ist die zweite Handelsstadt der Union, mit 300.000 Einwohnern. Diese Stadt hat für den Fremden nichts Anziehendes. Hügelig und unregelmäßig gebaut, hat sie außerdem ein düsteres Ansehen, und es gehört viel dazu, sich dort wohnlich und behaglich zu fühlen. Das Klima ist im Sommer hier schon bedeutend heißer und drückender, wie in New-York und Philadelphia, weil Baltimore nicht so viel mit Wasser umgeben ist, und der eine Stadttheil im Thale liegt. Die Umgebungen der Stadt sind öde; sehenswerth sind in der Stadt: das Maryland-Institut, wo alljährlich Gewerbe- und Blumen-Ausstellungen sind, und im Winter Bälle und Concerte stattfinden. Ferner das Frontstreet-Theater, das Museum und das in einer der höchsten Straßen Baltimore’s stehende große Washington-Monument. Die Stadt wird wegen mehrerer Monumente die es hat, nebenbei die Monumental-City benannt. Das Washington-Monument ist eine colossale, 580 Fuß hohe Marmorsäule, auf deren Spitze eine große Statue Washingtons steht. Man bekömmt unten bei’m Portier eine brennende Laterne mit auf den Weg, wenn man Lust hat, die Säule zu besteigen, von deren schwindelnder Höhe man die prächtigste Aussicht genießt. Bei hellem Wetter sieht man durch’s Fernrohr ganz bis zur Bai hinaus und gewahrt, wenn Schiffe im Ansegeln sind. Baltimore ist eine reiche Stadt, und ist der Hauptmarkt für Mehl und Tabak. Unter der Bevölkerung dieser Stadt zählt man viele Katholiken, die eine schöne Kathedrale haben. Die Hauptstraße der Stadt, die Market- oder Baltimore-Street genannt, ist etwa eine Stunde lang. Zu bemerken ist, daß die Damen Baltimore’s den Ruf als die Schönsten America’s haben. Und wahr ist es, denn je südlicher man reiset, je hübscher werden die Frauenzimmer. So findet man sie in Virginien wieder schöner wie hier. – Was die Sclaverei in diesem Staate anbetrifft, so steht es damit nicht so schlimm, wie man gewöhnlich annimmt. Viele Neger wünschen, besonders in den Städten, lieber Sclaven zu sein, wie freie Schwarze. Einige können die Behandlung ihrer Vorgesetzten oft nicht genug rühmen. Freie Schwarze nimmt man dort nicht gern in Dienst, weil dieselben in der Regel faul sind, daher nicht viel mit ihnen anzufangen ist. Ob das Sclavengesetz überhaupt jemals in den Vereinigten Staaten ganz aufgehoben wird, ist wohl schwer zu entscheiden. Und selbst die beredtsten und mächtigsten Gegner dieses Schandfleckes, welcher noch auf der großen Republik lastet, vermögen nichts, die Herzen ihrer im Congreß sitzenden Collegen zu erschüttern. Es heißt stets und immer wieder, es muß bei’m Alten bleiben; das Gesetz darf nicht aufgehoben werden, weil man fürchtet, die Schwarzen gewinnen die Oberhand über die civilisirte Bevölkerung. – Doch brechen wir davon ab und verlassen wir nun auch Baltimore, um die Residenz des Präsidenten zu besuchen. Vermittelst der Eisenbahn gelangt man nach dreistündiger Fahrt nach Washington-City, dem Sitz des Congresses und der Regierung der Vereinigten Staaten. Die Stadt liegt auf dem Distrikt Columbia, (ein kleines Territorium, welches zwischen dem Staate Maryland und dem Staate Virginien liegt) am Powtomae-River, und zählt etwa 65.000 Seelen. Sie ist schön ausgelegt und regelmäßig gebaut. Die Pennsylvania-Avenue ist die Hauptstraße, noch breiter als die Broadway in New-York, und zugleich Promenade. Majestätisch erhebt sich im Centrum eines Parks, welcher um einen Hügel herum angelegt ist, eines der schönsten Gebäude der Welt – das Capitol, wo der Congreß tagt. Hier versammeln sich die Vertreter der neuen Welt, um die Interessen des Landes zu berathen. Und für den Fremden ist wohl in der That nichts interessanter, als gerade um die Congreßzeit hier zu sein, und einigen Versammlungen beizuwohnen, wobei es zuweilen heiß hergeht. Einsender war gerade anwesend, als die Nebraska-Frage verhandelt und beendet wurde, und muß gestehen, nie in seinem Leben hitzigere Gemüther angetroffen zu haben, als im Capitole zu Washington. Nichts Neues ist es, das die Vertreter der Union zuweilen in’s Handgemenge kommen. Auch Duelle fallen zwischen diesen Herren häufig vor. – Kommen wir zunächst auf eine nähere Beschreibung des Gebäudes selbst. Das Capitol hat nebst den Flügelgebäuden etwa 1 engl. Meile im Umfange und ist von dem schönsten weißen Marmor ausgeführt. Die inneren wie äußeren Verzierungen sind in mannigfacher Abwechselung wahrlich meisterhaft ausgeführt. Vor dem Haupteingange, zu welchem riesenhafte Treppen hinaufführen, steht auf einem schönen Piedestale eine colossale Statue des Entdeckers der neuen Welt, Christoph Columbus, die Weltkugel in der Hand haltend, sowie verschiedene ander allegorische und symbolische Statuen. […]

Im Park des Capitoliums finden im Sommer allwöchentlich Musikvorträge durch das in Washington stationirende Marine-Musikkorps statt. Von den übrigen Gebäuden der Residenz ist die Patent Office sehenswerth, worin sich auch ein großes Vaterländisches Museum befindet, welches wohl an 10.000 Exemplare aufzuweisen hat. Dann das National-Hotel, und das Theater gleichen Namens. Das Präsidenten-Haus, welches in einem großen Garten liegt, ist von Marmor, in einfachem Style ausgeführt, und nur ausschließlich Wohnung des Präsidenten (jetzt General Franklin Pierce). Wenn man etwa glauben sollte, im Inneren des Gebäudes fürstlichen Luxus anzutreffen, so muß man staunen, wenn man sich vom Gegentheil überzeugt und sieht, daß die innere Einrichtung eben so einfach ist, wie in einem gewöhnlichen Privathause. Und den Präsidenten selbst, ein Mann der eine Welt beherrscht, sieht man immer in schwarzer, höchst einfacher Civilkleidung, sich mit einem Jeden freundlich unterhaltend, welcher ihn mit einem Besuche beehrt. Denn es sei hier bemerkt, das anständigen Besuchern der Zutritt in des Präsidenten Wohnung an gewissen Stunden des Tages gestattet ist. In dem großen Stadt-Parke steht auf einem ungeheuren Felsblock die in Bronce gegossene, colossale Reiterstatue des General Jackson, und im Präsidenten-Garten die Washingtons. Jeden Sonnabend finden auch in diesem Garten, in den Nachmittagsstunden, Concertvorträge statt, und ist derselbe dem Publikum alsdann geöffnet, ohne das Entrée erhoben wird.

(Schluß folgt.)

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Dok-Nr. 44c: „Der Beobachter“ No. 75 vom 19.09.1855

[Leitartikel] Skizzen aus America von N.N.

(Schluß.)

Das seit einigen Jahren im Bau begriffene National-Monument, welches das größte der Erde werden soll, und wozu fast alle Nationen, mit wenigen Ausnahmen, einen Marmorblock geliefert haben, steht auf einer Wiese bei Washington und hat schon eine bedeutende Höhe erlangt. Das Arsenal und die Navy-Yard sind ebenfalls sehenswerth, sowie die ½ Stunde lange Brücke, welche über den Powtomae führt und die Stadt Washington mit dem Staate Virginia verbindet. Besteigen wir jetzt ein Dampfboot und verlassen das schöne Washington, um das Grab Desjenigen, nach welchem diese Stadt benannt ist, zu besuchen. Einige Meilen den Powtomae stromabwärts, an beiden Ufern die schönsten Parthien, gelangt man nach Mount-Vernon, der Ruhestätte des großen Generals George Washington. Hier, in einer höchst romantischen Umgebung, im Staate Virginia gelegen, steht eine einfache graue Urne, über welche sich eine große Trauerweide neigt. Hier liegen die irdischen Ueberreste des großen Staatsmannes, welcher sich in der Geschichte Amerika’s einen unsterblichen Ruhm erwarb, indem er an der Spitze seiner tapferen Armee das Land vom Joche der Engländer befreiete. Als Militär groß, - als Vater liebevoll und gütig, erwarb er sich, nicht durch Tyrannei, sondern für eine gerechte Sache kämpfend, die Herzen eines jeden ächten Amerikaners. – Verlassen wir die geweihte Erde und betreten nunmehr das Innere eines schon südlichen Staates, Virginia. Ziemlich weit in’s Land von hier ab, ist Richmond, die Hauptstadt dieses Staates. Die Stadt ist nur eine zweiten Ranges, blüht aber rasch auf und ist in Handel und Schifffahrt wichtig. Hier ist der Hauptmarkt für die Tabacks- und Cigarrenfabrikation und viele Sclaven giebt es hier. Das Klima ist hier im Sommer schon ziemlich heiß. Einsender war im Augustmonat da, wo das Thermometer auf 105 Gr. Fahrenheit im Schatten stand. Er gab daher seinen Plan, noch weiter südlich nach Charleston zu gehen, auf, und zog vor, im Norden zu verweilen, und eine Tour nach den nordöstlichen Staaten zu machen. Er begiebt sich also auf denselben Weg zurück, den er gekommen, aber nur bis Philadelphia, um für diesmal wegen der großen Hitze von hier ab zu Wasser die Weiterreise nach New-York fortzusetzen. […] Nach sechsstündiger Fahrt [ab Newyork] erreicht man die in einem Thale gelegene Stadt New-Haven, der Hauptstadt des Staates Connecticut, in dem wir uns nunmehr befinden. Connecticut gehört zu den 6 New-England-Staaten. Rings von Bergen eingeschlossen, und an der Seeseite mit einem vortrefflichen Hafen versehen, liegt New-Haven höchst romantisch. Hier giebt es großartige Fabriken, und die Yale-College, die zweite Universität in Amerika. 25.000 Einwohner leben hier, außer den Unmassen von Fabrikarbeitern. 20 schöne Kirchen zieren die Stadt, worunter 1 deutsche. Eine Uhrenfabrik beschäftigt anderthalbtausend Arbeiter, und kann jede ¼ Stunde eine Uhr liefern, (die bekannten American-Cloks.) Auch ist eine berühmte Gewehrfabrik in der Nähe, welche bei Kossuth’s Anwesenheit in America von demselben in Augenschein genommen wurde, und die Arbeiter 400 Dollars für Kossuth zusammenbrachten. Die ganze Gegend hier ist sehr romantisch und gebirgig (das Alleghani-Gebirge) und das Klima sehr gesund, mit Ausnahme der Monate Juli und August, wo fast über die ganze Union, von New-Orleans bis Portland in Maine, sich eine drückende Hitze lagert. Doch gehen wir immer östlicher, so gelangt man von New-Haven nach 6stündiger Fahrt per Eisenbahn, indem man die Städte Hartford, Springfield und Worcester passirt hat, durch höchst romantische Bergketten und Landschaften nach Boston, von welcher Stadt der Einsender in seinem ersten Bericht schon beiläufig erwähnt hat. Doch bevor wir eine nähere Beschreibung dieser Stadt geben, wollen wir von dem so eben erwähnten Springfield ein Wörtchen fallen lassen. Dieses Fabrikstädtchen, etwa 10.000 Einwohner bildet die Grenze zwischen dem Staate Connecticut und dem bei weitem größeren Staate Masachusett. In ganz America trifft der Reisende vielleicht wohl nicht eine solche große Eisenbahnstation, wie hier. An 20 verschiedene Züge treffen hier zusammen und wechseln hier. Der Verkehr hier, das Gewühl von Menschen, das Schreien und Rufen, und hierzu das Geklingel (in America wird bei der Abfahrt und Ankunft geläutet auf den verschiedenen Lokomotiven) bildet einen solch grenzenlosen Wirrwar, daß man nur froh sein kann, wenn man sich dort glücklich zurecht findet, um nicht gar am Ende nach Buffalo, anstatt nach Boston zu kommen. Unsere Passagiere und ich, besonders die Damen, waren froh, die Stadt im Rücken zu haben, und so erreichten wir denn ohne irgend welche Störung, wie schon oben bemerkt, Boston, nebenbei von den Amerikanern die Yankee-City benannt, weil hier der ächte Yankee wohnt, und die eingewanderte Bevölkerung nur sehr gering ist im Verhältniß zu den übrigen großen Städten Americas. Unter beinahe 300.000 Einwohnern zählt es nur 20.000 Deutsche. Boston ist in America die Stadt der schönen Künste und Wissenschaften und die reichste Stadt der Union. Als Handelsstadt nimmt es den dritten Rang in der neuen Welt ein, und liegt fast am offenen Meere, von wo aus es sich an einem Berge majestätisch erhebt, und auf dessen höchstem Punkt, im Mittelpunkte der Stadt, das Stadthaus steht, über dessen Bedachung sich eine große Kuppel wölbt, (ähnlich dem Kapitole in Washington). Boston ist die Hauptstadt Massachusett’s, und die vornehmste und größte aller übrigen Städte in den 6 Neu-England-Staaten. Sie hat viele enge und krumme Straßen; dieselben werden aber in sehr reinlichem Zustande gehalten. Die Hauptstraße für das promenirende Publikum ist die Washingtonstreet, welche 1 ½ Stunde lang ist und bis nach dem nahe gelegenen Noxbury hinausführt, wo im Sommer die Bostoner Kaufleute wohnen. Viele interessante Sehenswürdigkeiten bietet diese Stadt und deren nächste Umgebungen. Erstlich besucht fast jeder Fremde die große Kuppel auf dem Statehouse, von wo aus man weit in die Gebirge und nach dem atlantischen Ocean hinaussehen kann. Auch hier wird ein jeder Besucher aufgefordert, seinen Namen in ein Register einzutragen, die dann alljährlich veröffentlicht werden. Das Interessanteste ist dabei, daß man die Aussicht hier in allen nur möglichen Farben genießen kann, weil rund herum in dieser Kuppel bunte und farbige Gläser angebracht sind. Die Boston-Common, ein Park auf einem Flächenraum von 30 Acres Land, befindet sich in der Stadt. Alleen, Blumen-Anlagen, fließendes Wasser, Fontainen und eine große Wiese enthält dieser Riesenpark. Auf der Wiese werden bisweilen Manöver vom Bostoner Miliair abgehalten, oder Visitors von New-York und anderen Städten kommen oft nach Boston, wo sie dann auf dieser Wiese oft Wochen lang unter ihren Zelten, die sie mitbringen, campiren, und an schönen Nachmittagen dem Publikum eine Parade oder Manöver zum Besten geben. Ueberhaupt ist es in ganz America Sitte, daß die Bürger-Milizen sich im Sommer gegenseitige Visiten abstatten. Dieses geschieht dann nach vorhergehender Verabredung in voller Parade und auf vollem Kriegsfuß. Oft kommen ganze Regimenter 4 bis 500 engl. Meilen weit her, nach Washington, um dem Präsidenten eine Visite abzustatten. Auffallend ist es für jeden Fremden, daß in den Straßen Bostons nicht geraucht werden darf. Ueberhaupt ist das Rauchen in Gegenwart von Damen in America höchst unanständig, hingegen das Tabaksrauchen [ „–kauen“] an der Tagesordnung, was selbst nicht vermieden wird, indem man sich mit Damen unterhält; - ein merkwürdiger Contrast, dem Verbote des Rauchens gegenüber. – Ja, selbst Knaben von 10 bis 12 Jahren müssen schon täglich ihre Portion Tabak kauen. So hat man z.B. in der Boston Common einen Cirkus ohne Bedachung angebracht, worin es erlaubt ist, zu rauchen. Jedoch darf Keiner es wagen, außerhalb dieses Kreises fortzurauchen. Hier nun sammelt sich die Arbeiterklasse und raucht lustig darauf los, indem die Americaner, welche mit ihren Ladys im Park promeniren, sich an die Gemüthlichkeit dieser Leute amusiren.. In der Nähe von Boston, bei Bunkershill, steht ein colossales Monument. Hier wurde im Befreiungskriege die große Schlacht bei Bunkershill geschlagen. In der Stadt selbst sind noch sehenswerth: das Museum, verbunden mit einem Theater. Außerdem das Howard-Athenäum. Das Revier und Tremonthouse sind zwei der größten und elegantesten Hôtels in ganz New-England. Das Opern-Haus und National-Theater, sowie die neu erbaute Musik-Halle sind großartig und mit vielem Luxus ausgestattet. Auch besitzt die Stadt eine große Kunst- und Gemälde-Gallerie. Sieben große Eisenbahnhöfe hat Boston, welche alle innerhalb der Stadt liegen. Dies ist übrigens in allen großen Städten dort der Fall. Die Locomotiven werden vor der Stadt vom Zuge abgelöst und die Waggons mit Pferden und Maulthieren bespannt durch die Straßen der Stadt, in welche Schienen gelegt sind, nach dem Bahnhofe geführt. Wenige Meilen von hier ist Cambridge, die erste Universität der Vereinigten Staaten. In dieser Region ist es im Winter sehr kalt und Boston wird von starken Schneestürmen oft heimgesucht. Der Winter tritt überall in America (bis nach Richmond in Virginien) sehr strenge auf, und der Schnee kömmt zuweilen in den hochgelegenen östlichen Staaten von Ende November bis Anfang Mai nicht von den Straßen.

Wir befinden uns gegenwärtig in einem Staate, wo nach dem Vorbilde des Staates Maine, welcher im Osten an Massachusett grenzt, ein Gesetz besteht, welches den Verkauf jedweden berauschenden Getränkes verbietet – im Großen wie im Kleine, - und man geht jetzt damit um, in ganz America dieses Gesetz in Kraft treten zu lassen. Der Leser wird sagen: wie es denn mögliche ist, in dem freien Lande solche Gesetze zu machen. Wer aber die dortige Trunksucht kennt, welche besonders im heißen Sommer an’s viehische grenzt, und jedes Jahr unzählige Familien in’s Unglück stürzt, besonders unter den arbeitenden Klassen, der wird einräumen, daß es höchst nothwendig ist, solche eingreifende Gesetze zu machen. Die Agitation von Seiten der Bevölkerung ist freilich groß, und es ist sehr zweifelhaft, ob das Gesetz sich gerade auf diese Weise, besonders in New-York, wo allein an 3000 deutsche Wirthschaften bestehen, durchführen läßt. –

Da Einsender nun Denjenigen, welche mit America weniger vertraut sind, ein Bild der vornehmsten Städte, so gut wie möglich, entworfen hat, übergeht er mehrere Städte zweiten Ranges, und begiebt sich dieses Mal durch den Staat Rhode Island, nach der schönen Stadt Providence, von wo aus er sich per Steamer direkt nach New-York einschifft, später noch auf längere Zeit in Baltimore weilt, und am 13.Juni 1854 von da seine Rückreise nach Europa antritt.

Druckfehler.

In Nr. 71 der Skizzen aus America lese man anstatt Loasers, Loafers; ferner anstatt NoW Haven, Irovidence, Iortland, lese man New Haven, Providence und Portland. – In Nr.72 lese man anstatt dem untern Bai der unteren Bai; ferner anstatt Wenngleich für Menschen, lese man: Wenngleich für Manchen alles dieses Gelärme u.s.w. und anstatt Aston House, muß es heißen Astor House. – In Nr.73 lese man anstatt Chesn a tstreet, Cesn u tstreet.

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Dok-Nr. 45: „Oldenburger Zeitung“ No. 132 vom 22.08.1858

Vermischtes.

- Eine amerikanische Annonce. So sehr man auch an die Excentritäten Bruder Jonathans gewöhnt sein mag, so kann man nachfolgende, einem Journal von Kentucky entnommene Bekanntmachung dennoch gerechten Anspruch machen auf das Staunen der alten Mitwelt: „An müßige Gentlemen! Eine 28-jährige Wittwe, von Vermögen, welche gezwungen ist, zwei Monate in ** zuzubringen, wo sie Niemand kennt, wünscht einen Gentleman zu finden, welcher im Stande ist, ihr zu helfen, diese Zeit angenehm zu verbringen. die Bekanntmacherin ist von munterem Charakter, aber für sentimentale Unterhaltung nichts desto weniger empfänglich. Sie wünschte bei ihrem Gesellschafter ähnlich Dispositionen, vornehme Manieren und etwas paradoxe Ansichten – die Paradoxie ist die Seele der Unterhaltung. Unnütz sich zu präsentiren, wenn man nicht braun ist, viel Zeit und Muße hat und in dem Fall ist, gefällig zu sein. Einige literarische Antecedentien würden den Vorzug haben. – Nach Ablauf der zwei Monate wird eine der Summe vermiedener Langeweile entsprechende Entschädigung liberal angeboten werden. Es ist übrigens nicht untersagt, Ansprüche auf das Herz der Anzeigerin zu machen. Schreiben unter der Rubrik „Leisure“ (Muße) an das Bureau dieses Journals.“

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Dok-Nr. 46: „Oldenburger Zeitung“ No. 57 vom 12.04.1859

Vermischtes.

Newyork, 14.März. Unsere reichen Kaufleute, insbesondere aber deren weibliche Angehörige, schreibt die „L.Z.“, haben viel zu viel von dem an sich, was Emporkömmlinge ohne gute Erziehung und feiner Bildung anzuhaften pflegt, sie sind häufig ungebildet, aufgeblasen, hochmüthig und ihre Frauen und Mädchen möchten um Alles in der Welt recht aristokratisch sein. Sie gehören in der That zur „Stockfisch- und Thran-Aristokratie“, denn so werden die Parvenus hier allgemein bezeichnet. Der Abschiedsball, welcher vor 3 Wochen in Washington dem englischen Gesandten Lord Napier zu Ehren veranstaltet wurde, zeigte diese Sorte von Aristokratie in vollem Glanz. Die Zeitungen äfften in ihren Berichten darüber die Londoner Blätter nach, welche bei Hoffesten die Namen der Anwesenden in langer Reihe aufzählen. Wir wissen nun, daß über den Spitzen-Reichthum der Frau Pennyman alle Thran-Aristokratinnen „grün vor Neid“ geworden seien. Sie ist die Frau eines Leinölfabrikanten, der Mann betreibt also ein Gewerbe, daß so rechtschaffen und nützlich ist wie jedes andere, aber Madame hatte, nach sorgfältiger Abschätzung neidischer Kenner, für mehr als 100.000 Dollars Juwelen und für ungefähr 11.000 Dollars Spitzen am Kopf, Leib und Kleid gehängt. Durch Stoffwechsel waren aus Leinsamenkörnern Diamanten und Rubinen geworden, und damit man ja alle Herrlichkeiten, welche die „Oelmadam“ an sich hatte, in recht vortheilhaftem Licht erblicken möchte, hatte sie in einem Nebenzimmer des Ballsaals Platz genommen und sich so gesetzt, daß die Gasflammen von verschiedenen Seiten her recht hell auf die Diamanten spielen konnten. Madam blieb bis spät in die Nacht steif auf einem Fleck sitzen und wagte sich nicht ins Gedränge „aus Furcht, daß die schönen Spitzen beschädigt oder Diamanten gestohlen werden könnten“!

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Dok-Nr. 47: „Oldenburger Nachrichten“ No. 90 vom 08.11.1863

Das Weib in der neuen Welt.

Von Dr. Gustav Blöde

Die Freiheit, mit welcher sich junge Mädchen ihren Umgang männlichen und weiblichen Geschlechts wählen, mit welchem sie die Besuche ihrer Verehrer im Hause ihrer Eltern empfangen, oder mit ihnen dasselbe verlassen, und zwar oft ohne daß die jungen Männer auch nur der Mutter der Schönen persönlich bekannt wären, - die Discretion, mit welcher sich sogar Mütter vor solchen Besuchern ihrer Töchter aus dem gemeinschaftlichen Besuchszimmer zurückziehen, wären in der alten Welt unerhörte Erscheinungen, und haben auch hier in Amerika für den mit diesen Sitten noch nicht betrauten Beobachter gewiß mehr Abstoßendes als Anziehendes. Die Möglichkeit, daß jungen Mädchen eine solche Freiheit eingeräumt werden kann, ohne daß – seltene Fälle ausgenommen – ein gefährlicher Mißbrauch damit getrieben wird, legt gewiß das ehrendste Zeugniß für die Verständigkeit, Selbstachtung und Charakterfestigkeit ab, ist aber zugleich wieder höchst bezeichnend für die Charakteristik der amerikanischen Frauen, bei denen selbst in dem Hauptinteresse des weiblichen Lebens der Verstand nur selten seine Herrschaft über das Gefühl verliert. Diesen Charakter kühler Verständigkeit scheint auch, so weit unsere Beobachtung reicht, daß Verhältniß zwischen Mann und Weib zeitlebens beizuhalten; wenigstens sind wir noch keiner amerikanischen Ehe begegnet, welche einen andern als diesen Eindruck auf uns gemacht hätte. – Warme Gemüthlichkeit, wie sie das deutsche Gefühl vor Allem anspricht, vermißt man in Amerika in dem Verhältnisse der beiden Geschlechter fast durchgängig. Wo Leidenschaft ist, die natürlich hier ihr Recht hat, wie überall, da trägt sie mehr den Charakter heftiger, aber schnell verglühender Hitze, als dauernder gleichmäßiger Wärme.

Die Mädchen fassen an der Liebe hauptsächlich deren praktischen Zweck, die Ehe, in’s Auge; als Ehefrauen sind sie, mit offenbar geringeren Ausnahmen als anderwärts, brav und pflichtgetreu, aber, wie uns scheint, mehr in Folge kühler verständiger Auffassung des Lebens und zum Theil religiöser Befangenheit, als aus tiefer Anhänglichkeit an den Mann ihrer Wahl und Bedürfniß der weiblichen Natur. Denselben Charakter trägt ihre Mutterliebe und ihr Verhältniß als Töchter und Schwestern. Wenn wir auch nicht in Abrede stellen wollen, daß durchschnittlich die Mehrzahl der amerikanischen Ehen aus Neigung geschlossen wird, was die große Leichtigkeit der Eheschließungen begünstigt, so glauben wir doch nicht irre zu gehen, wenn wir annehmen, daß der weibliche Theil dabei mehr als irgendwo anders – Frankreich etwa ausgenommen, wo die Mädchen in bezug auf die Wahl eines Gatten fast rechtlos sind – von praktischer Auffassung des Lebens geleitet wird.

Oder wie wäre sonst das so häufige Vorkommen von Entschädigungsprozessen wegen nicht erfüllten Eheversprechens zu erklären? Die zeugt für eine Auffassung des Verhältnisses zwischen Verlobten, deren sich in Deutschland jedes anständige und gebildete Mädchen zweifelsohne schämen würde, während hier die öffentliche Meinung nicht nur Nichts dagegen einzuwenden hat, sondern sogar die Gerichte zu Gunsten solcher Ansprüche entscheiden. Ein Verhältniß also, welches seiner zarten Natur nach nur auf dem freiesten Uebereinkommen beruhen sollte, wird hier als eine rechtliche zu Geld anzuschlagende Zwangs-Verbindlichkeit angesehen.

„Willst Du mich nicht heirathen,“ so raisonnirt das amerikanische Mädchen, „obgleich wir bei näherer Bekanntschaft vielleicht Beide erkannt haben, daß dies nicht zu unserem Glücke führen würde, so sollst Du mir zur Entschädigung für die praktischen Vortheile der Ehe wenigstens zahlen.“

Wir lassen dahingestellt sein, wie sich dies mit einer nur einigermaßen idealeren Auffassung der Ehe vereinigen läßt.

Auch die Fälle sind von nicht seltenem Vorkommen, daß junge Damen anstatt sich wie die praktischer Denkenden an den Geldbeutel ihr ungetreuen Verehrer zu halten, dem leidenschaftlichsten Rachegefühl nachgehend, an deren Leben vergreifen, was durch bethörte Schwurgerichte, die nicht parteiischer urtheilen könnten, wenn sie aus lauter sitzengelassenen Schönen zusammengesetzt wären, nachträglich regelmäßig nicht nur für straflos erklärt, sondern zu einer Art verdienstlichen Heldenthat erhoben wird. Daß ein derartiger Mord in manchen Fällen, namentlich bei planmäßig angelegter Verführung, das lebhafteste Mitleid mit dem schwächeren Theile anregen und zu dessen Entschuldigung stimmen möge, geben wir gerne zu, aber solche Ausbrüche wilden Rachetriebes geradezu außer das Gesetz zu stellen, bleibt bei alledem eine bedenkliche Praxis, wenn man erwägt, welcher Quelle solche Thaten entfließen, daß zu einer Verführung allemal zwei gehören und dem amerikanischen Mädchen in der Leichtigkeit der Eheschließung ein bedeutender Bundesgenosse gegen die Angriffe eines ungeduldigen Liebhabers gegeben ist.

Einen weiteren Beleg für die so häufige – wie stehen nicht an, zu sagen: gemeine Auffassung der Ehe, liefert uns der Leichtsinn, mit welchem hier von Seiten der Frauen auf Eheversprechungen eingegangen wird. – Eine Boardinghaus-Bekanntschaft von wenigen Tagen, ja wir möchten sagen, eine Begegnung im Omnibus reicht hin, einem Mädchen das Eingehen einer Verbindung, für das ganze Leben plausibel zu machen. Oder, in welchem Theile der Welt wären sonst Fälle möglich, wie der, welcher vor mehreren Jahren in Camden, New-Jersey, vorkam, wo ein Mann im Laufe von zwei Wochen sich mit nicht weniger als drei verschiedenen Damen in den heiligen Stand der Ehe begab? Entweder besitzen einige Amerikaner das alte Arcanum der Liebestränke, oder die jungen Damen sind von einer Sehnsucht nach dem gottseligen Stand der Ehe besessen, der sie wie ein Wirbelwind widerstandslos in die zufällig geöffneten Arme des Ersten Besten hineinreißt. Man erzählt sich, daß es für heirathsfähige Männer gefährlich sei, ihre Augen mit dem Ausdrucke des Wohlgefallens auf einem schönen vis-à-vis im Omnibus oder Dampfwagen weilen zu lassen, denn es sind schon Meineide geleistet worden, um in den Besitz eines Mannes zu kommen, der vor dem sträflichen Alderman mit gutem Gewissen betheuern konnte, daß von einer ihm gänzlich unbekannten Dame Ansprüche auf seine Person erhoben würden. Wahrlich, dies bezeugt eine praktische Auffassung der Ehe, als der natürlichen Versorung für das weibliche Geschlecht, und macht es erklärlicher, warum das eheliche Verhältnis in Amerika so entschieden denselben Eindruck macht, wie die Fächer der Damen in Bewegung.

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 47a: „Oldenburger Nachrichten“ No. 91 vom 12.11.1863

Das Weib in der neuen Welt.

Von Dr. Gustav Blöde

(Fortsetzung.)

Amerika ist vielleicht dasjenige civilisirte Land, in welchem das wenigste Unglück und der wenigste Scandal in den Ehen, aber auch die wenigsten wahrhaft glücklichen Ehen vorkommen. Ob die erstere Thatsache, welche uns unbestreitbar erscheint, und namentlich an kleineren Orten deutlich hervortritt, mehr der größeren Reinheit des Sitten oder dem den Amerikanern vorzugsweise eigenen Sinne für Anstand und Häuslichkeit beizumessen, wollen wir zu entscheiden nicht unternehmen. Doch würde es ungerecht sein, nicht der durchschnittlich hochstehenen Sittenreinheit und Selbstachtung der amerikanischen Frauen dabei das Hauptverdienst lassen zu wollen, ein Vorzug vor ihren europäischen Schwestern, der Niemanden entgehen kann, der mit den Sittenzuständen beider Hemisphären auch nur einigermaßern vertraut ist.

Wir können dabei natürlich nicht die größten Städte der Union zum Maßstab nehmen, die an Unsittlichkeit wohl kaum hinter den Hauptstädten Europa’s zurückstehen. Aber New-York, Philadelphia, Boston und New-Orleans repräsentiren zum Glück nicht die amerikanische Nation, und selbst in diesen Städten kommt gewiß ein starker Prozentsatz der Unsittlichkeit auf Rechnung der nichteingeborenen Bevölkerung, und bei dieser selbst macht sich immer noch der amerikanische Sinn für äußere Anständigkeit geltend, denn nirgends schreitet das Laster so zucht- und schamlos einher, wie in den meisten Hauptstädten Europa’s. In den kleineren Städten und Ortschaften und auf dem platten Lande herrscht aber vollends – verglichen mit den Sittenzuständen dergleichen und ähnlichen Kreise in Europa, welche namentlich durch die stehenden Heere und die sonstige gezwungene Ehelosigkeit einer großen Anzahl von Männern auf so niedrigem Niveau erhalten werden, - eine fast puritanische Sittenreinheit, so daß sich Amerika in diesem Punkte zu Europa ungefähr wie ein Kloster zu einem Bordell verhält. Vollkommen diesem Scheine entsprechend ist freilich die Tugendstärke des weiblichen Geschlechts in Amerika nicht. Die barbarische Strenge, der öffentlichen Meinung gegen weibliche Fehltritte und die Leichtigkeit, womit dieselben hier verhehlt werden können ist Ursache, daß manches Verbrechen verübt wird und selbst Ehefrauen greifen zu verbotenen Mitteln, um einer Vermehrung ihrer Familie vorzubeugen. Daher wird es den, der diese Beobachtung gemacht hat, weniger überraschen, daß Kinderliebe wenigstens nicht zu den hervorstehenden Eigenschaften der Amerikanerinnen gehört. Selbstverständlich giebt es auch unter ihnen zärtliche Mütter genug, allein, jenes starke übermächtige Gefühl der Mutterliebe, welches wie bei so vielen deutschen Frauen zum Angelpunkte ihres ganzen Lebens, zum bewegenden Prinzip ihres gesammten Thuns und Treibens werden sehen, welches ihr Dasein zum fortgesetzten Opfer für ihre Kinder macht, möchte unbedingt eine seltenere Erscheinung in diesem Lande sein, dessen oberster leitender Grundsatz: Selbständigkeit und Hilf dir selbst! sich schon in dem Verhältniß des Kindes zur Mutter geltend macht, und der, wenn er auf der einen Seite freie sich selbst bestimmende und auf sich selbst stehende Menschen erzieht, auf der andern freilich auch jene Selbstschätzung und Selbstsucht zu nähren geeignet ist, die einen den Fremden und namentlich den Deutschen  so fühlbar berührenden Charakterzug der Amerikaner bildet. Man sagt nicht zu viel, wenn man behauptet, daß dieser allzufrühzeitigen Selbstständigkeit der Kinder und mütterlicher Sorglosigkeit alljährlich Tausende kleiner Kinder durch Verbrennen, Verbrühen, Herabstürzen, Ueberfahrenwerden und andere Unglücksfälle zum Opfer fallen, welche deutsche ängstliche Mutterliebe von dem Liebling abgewendet haben würde. Aber dieser Hang zu verfrühter Selbstständigkeit in den Kindern und zu einem hohen Grade von Sorglosigkeit in den Müttern gehört nun einmal zu den Charakterzügen des Volkes, und so geht es trotz täglicher Schauergeschichten jahraus jahrein in derselben Weise fort.

______________

Es ist richtiger, Amerika das Land der Widersprüche als der Extreme zu nennen. Der Charakter Amerika’s ist der des Nivellirens, was namentlich auch in Bezug auf die sociale Stellung der Frauen gilt. Extreme giebt es in dieser Beziehung in Europa größere als in Amerika, denn solche äußere und innere Gegensätze wie die zwischen einer Prinzessin und einer Viehmagd kennt man in Amerika nicht; aber an überraschenden Widersprüchen ist Amerika dennoch nicht arm. Wenn es wahr sein mag, was so oft für den Culurzustand Amerika’s rühmend vorgebracht wird, daß das schönste Weib allein von einem Ende der Union zum andern reisen könne, ohne der mindesten Gefährdung ihrer Sittsamkeit oder auch lästigen Zudringlichkeiten ausgesetzt zu sein, so ist es doch auch auf der andern Seite Thatsache, daß tagtäglich und oft in der nächsten Nähe bewohnter Plätze die empörendsten Gewaltthaten an Frauen verübt werden. Einem ähnlichen Widerspruch begegnen wir in der Free Love-Bewegung, die vor einiger Zeit einigen Lärm machte, und dem Mormonenthum, welches schon mehre Male beträchtlichen, wenn auch nur localen Aufruhr der Gemüther verursachte, aber über kurz oder lang bestimmt ist, solchen in größerem Maßstabe, hervorzurufen. Beide sind Produkte des amerikanischen Lebens, der amerikanischen Freiheit. die freie Liebe ist zwar von Hause aus keine amerikanische Nationalpflanze, aber die Art und Weise wie sie hier in ein System von Sinn und Unsinn, an dessen Spitze der monströs unlogische Satz: von dem Rechte jeden Weibes „sich den Vater ihrer Kinder zu wählen“, steht, - verarbeitet und dessen praktische Ausführung versucht worden ist, ist charakteristisch amerikanisch. Ebenso das Mormonenthum als Beleg einerseits für die souveräne Freiheit des Individuums, welche sich bis zur Geltendmachung des Unsinns und Wahnwitzes erstreckt, und andrerseits für die noch nicht erloschene Macht des religiösen Fanatismus, der noch im 19.Jahrhundert und bei dem Volke, das sich nicht ungern für die Spitze der aufgeklärten Nationen hält, es zur Bildung neuer Religionssysteme bringen kann. […]

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 47b: „Oldenburger Nachrichten“ No. 92 vom 15.11.1863

Das Weib in der neuen Welt.

Von Dr. Gustav Blöde

(Fortsetzung.)

Die sociale Stellung der amerikanischen Frauen entspricht unserer Ansicht nach noch nicht vollständig dem Geiste der republikanischen Institutionen dieses Landes, deren Quelle die Idee der Gleichberechtigung Aller ist. Zu unsern darüber schon bei der Besprechung der Emancipationsbewegung gemachten Bemerkungen möge noch Folgendes erläuternd hinzukommen. Die sociale Stellung der Frauen trägt noch zu sehr den Charakter der Bevorzugung an sich. Der Grund dieser Bevorzugung ist zwar nicht der leerer Galanterie wie in Frankreich oder der gemüthlicher Bevormundung wirklicher oder traditionell angenommener Schwäche wie in Deutschland, sondern sie verdankt ihren Ursprung der wirklich höheren Selbstachtung des Weibes und der größeren Anhänglichkeit der angelsächsichen Race an das Haus, aber sie hat noch allzuviel von der Natur des Privilegiums, d.h. des erzwingbaren Rechtes auf Seiten der Frauen und dessen nicht selten unfreiwilliger Anerkennung auf Seiten der Männer. Wenn das Einräumen der besseren Plätze im Theater, Concert, Dampfwagen, Omnibus u.a., das Vorgehen an Wirthstafeln und alle anderen Vorrechte der Art, von den Männern aus freier Anregung der natürlichen Triebe, welche die Beziehungen der beiden Geschlechter regeln, zugestanden und von den Frauen in diesem Sinne mit freundlich dankender Anerkennung aufgenommen worden, so finden wir dies schön und civilisirter Natur entsprechend. Wenn aber diese Bevorzugungen nicht nur ohne Dank hingenommen, sondern, wie häufig der Fall, in ziemlich ungraziöser Weise als Recht in Anspruch genommen werden, dann können wir dies nicht in Einklang finden mit der Idee republikanischer Gleichberechtigung aller Individuen, auf welche ja auch die weiblichen Emancipationsreformen sich hauptsächlich beziehen. Wollen die Frauen in anderen bürgerlichen und öffentlichen Beziehungen die auf das Geschlecht begründeten Unterscheidungen aufgehoben sehen, so müssen sie auch die kleinen Privilegien, die ihnen das verfeinerte Gefühl des Mannes aus derselben Rücksicht eingeräumt hat, nicht mehr als ihnen von Rechtswegen zukommend beanspruchen; sie müssen sich nicht mehr als verzärtelte Schooskinder oder gnädig sich herablassende Wesen höherer Sphären sich gebehrden. Zwischen der indianischen Squaw oder dem deutschen Bauernweibe, die im Gänsemarsch hinter dem Manne her trottet und nach Befinden dessen Lastthier macht, und der american lady die als the queen of her country überall von Gottes Gnaden den Vortritt verlangt oder selbstständig nimmt, liegt wie so oft das Rechte in der Mitte. […]

_________________

Das Talent der Amerikanerinnen für Poesie und Darstellung ist offenbar nicht unbedeutend und die Namen Fanny Fern, Grace Greenwood, Harriet Beecher-Stowe, Francois Sargent-Osgood und Andere werden einen bleibenden Platz in der englischen und selbst allgemeinen Literaturgeschichte behaupten. Denn was man z.B. auch über den Werth der beiden Werke der Mrs.Stowe als politische Tendenz-Erzeugnisse oder als Kunstwerke im Ganzen urtheilen möge, ihre einzelnen künstlerischen Verdienste, die scharfe, lebenstreue Auffassung, Zeichnung und Durchführung der Charaktere und Situationen, die lebendige, nicht selten meisterhafte Darstellung ohne alle bombastige Uebertreibung, der vortreffliche, ungezwungene Dialog, der nur in Dred zuweilen zu sehr den absichtlichen didactischen Zweck verräth, zeugen gewiß von ungewöhnlicher Begabung für Beobachtung und Darstellung, wenn auch weniger für ächt künstlerisches Schaffen. Durch ähnliche Vorzüge, sowie unverkennbar wahres und tiefes Gefühl für Kinder und ihre Welt, zeichnen sich namentlich die Erzeugnisse der Fanny Fern aus, wogegen die in Ruth Hall niedergelegte Geschichte ihrer eigenen Laufbahn durch unversöhnliche Bitterkeit über erlittenes Unrecht und noch mehr durch eine wahrhaft maßlose Selbstüberschätzung ihres litterarischen Berufes abstößt. Erkleckliches – wenigstens der Quantität nach – wird alljährlich von Frauenfedern im Fache der gereimten und ungereimten Gefühlspoesie geliefert. Die lyrischen Erzeugnisse amerikanischer Poetinnen lassen sich gewöhnlich nach der Elle messen und scheinen auf Papier ohne Ende berechnet zu sein. Natürlich kann bei solcher Ausdehnung in die Länge nicht von gleicher Ausdehnung in die Tiefe oder Höhe die Rede sein, wenn auch in diesen Ergüssen noch so viel von Himmel und Sterben, den Lieblingsthemen hystorischer*] oder brustkranker Dichterinnen, gesungen wird. Ebenso kann man kaum eine amerikanische Damen-Novelle in die Hand nehmen, in der nicht eine der Heldinnen einige Seiten hindurch an der Schwindsucht stirbt, der nationalen Todesart, die aber zum dichterischen Gebrauche vermittelst einigen christlich sentimentalen Lappenputzes, zu einer Art von poetischem Götzenbilde herausgeputzt wird. Die Armuth des amerikanischen Lebens, namentlich der Mangel an einer geschichtlichen Vergangenheit und Denkmälern der Kunst, macht diese Einseitigkeiten und Geschmacklosigkeiten allerdings erklärlich; bei alledem ist aber diese Armuth keineswegs so groß, um zur vollständigen Erklärung derselben zu genügen. Es giebt für ein poetisch schaffendes Genie außer den socialen Gegensätzen des Südens und Nordens sicherlich noch Seiten des amerikanischen Lebens in Gegenwart und Vergangenheit genug, um würdigere Stoffe für die darstellende Poesie zu liefern, als durch das bloße Sichversenken in die subjective Gemüthswelt zu Tage gefördert werden. Aber freilich ist die Ausbeutung dieser letzteren Fundgrube bedeutend bequemer als das Arbeit und Studium erfordernde Durchsuchen der Annalen der Gegenwart und Vergangenheit des Vaterlandes. Aber Bequemlichkeit ist eine große Göttin und der Schaukelstuhl ihr Altar. –

(Schluß folgt.)

[* Diesen schönen Schreibfehler wollte ich nicht einfach unkommentiert verbessern. Gemeint ist sicherlich „hysterisch“, was seit Sigmund Freud „neurotisch“ genannt wird.]

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Dok-Nr. 47c: „Oldenburger Nachrichten“ No. 93 vom 19.11.1863

Das Weib in der neuen Welt.

Von Dr. Gustav Blöde

(Schluß.)

Unter den schönen Künsten, den Töchtern der Verfeinerung und des Luxus mehr als eines idealen Kunsttriebes, die sich der Vorliebe der amerikanischen Damenwelt erfreuen, nimmt in neuerer Zeit auch die Zeichenkunst und Malerei eine hervorragende Stelle ein. Was uns von den Früchten dieser Vorliebe zu Gesichte gekommen ist, hat uns jedoch nicht eben nach weiteren Genüssen lüstern gemacht. Die amerikanische Richtung auf das Flüchtige, leicht Erworbene, durch den Schein Bestehende tritt nirgends mehr hervor als in den amerikanischen Erzeugnissen auf diesem Felde der Kunst. […]

Beachtenswerth ist dagegen nach Urtheil aller Sachverständigen das Talent der Amerikanerinnen für Musik, speciel Piano und Gesang. Sie haben durchschnittlich ein glückliches richtiges Gehör und gute Auffassungsgabe, weßhalb ihnen das Erlernen des Chorsingens nicht schwer wird, und für das Solosingen das nöthige Selbstvertrauen, wogegen ihre Stimme sich durchschnittlich nicht durch Wohlklang und Metall auszeichnet, sondern häufig durch Schärfe und schrillenden Ton auffällt. Diejenigen unter ihnen, die neben dem natürlichen Talent auch Fleiß und Ausdauer genug besitzen, bilden sich daher bald zu leidlichen Klavierspielerinnen und hörbaren Sängerinnen aus. Der Sinn für Musik ist jedenfalls unter den Amerikanern ungewöhnlich ausgebreitet und es giebt gewiß kein zweites Land auf der Erde, wo die Erlernung und Ausübung derselben, die Fabrikation und der Absatz vortrefflicher Instrumente in wenigen Jahrzehnten so reißende Fortschritte gemacht haben, wo für diesen das Leben vor allen andern verschönerten Zweig der Kunst selbst von den Bewohnern der kleineren Städte und des Landes so allgemein und bereitwillig bedeutende Ausgaben gemacht würden. Ein ziemlicher Theil dieses Lobes ist zwar auch hier dem wirklichen Kunstsinn in Abzug zu bringen und auf Rechnung des Showmachens zu setzen, denn man will den Amerikanern nachsagen, daß sie bei Ankauf ihrer Piano’s ihr Augenmerk etwas mehr auf deren äußere Eleganz und Pracht richten als Kunstsinn und Liebe zur Musik gerade verlangten, und manches vortreffliche Instrument erfüllt seinen Zweck in derselben Weise wie die schön vergoldeten Buchrücken ohne Bücher in manchen Bibliotheken, deren Geheimniß der verrätherische Verfasser der Potipharpapers ausgeplaudert hat. Allein Alle, die Amerika seit mehr als einem Jahrzehnt kennen, stimmen in ihrer Verwunderung über den unglaublichen Aufschwung, den seit dieser Zeit die Musik in Amerika genommen hat, überein, und jemehr die Entfernung der neuen Welt von der alten schwindet, jemehr auch in künstlerischer Beziehung ein lebendiger Austausch zwischen ihnen eintritt, um so mehr ist auch für die Verbesserung und Vertiefung des amerikanischen Geschmackes in der Musik zu hoffen, der jetzt freilich noch Manches zu wünschen übrig läßt. Wie wichtig in dieser Beziehung die Aufgabe unserer musikalischen Landsleute ist, in deren Händen der Musik-Unterricht in den Ver.-St. vorzüglich liegt, brauchen wir nur anzudeuten. An ihnen ist es, nicht über den schlechten Geschmack der Amerikaner naserümpfend zu klagen, dabei aber denselben nicht nur durch passive Nachgiebigkeit zu pflegen, sondern auch thatsächlich durch seichte Composition zu befördern, - vielmehr ihr ganzes Streben auf ernstliche Verbesserung durch klassische Vorbilder zu richten. Wir sind überzeugt, daß der Amerikaner mehr Sinn für gute Musik hat, als manche andere Nation und daß es nur darauf ankommt, diesen Sinn gehörig zu wecken und durch die geeignete Nahrung auszubilden.

Haben wir somit im Vorstehenden ein Bild der amerikanischen Frauen in physischer, moralischer, intellectueller und socialer Hinsicht zu zeichnen versucht, so können wir zum Schlusse nur den Wusch aussprechen, daß dieses Bild in seinen Lichtern nicht hell und glänzend genug, in seinen Schatten aber zu dunkel ausgefallen sein möge. So hoch Nord-Amerika – Dank den leitenden Ideen seiner Institutionen – über den übrigen civilisirten Nationen der Erde steht, so hoch sollte sich von Rechtswegen auch das amerikanische Weib über die Frauen dieser Nationen in physischer wie in geistiger und socialer Schönheit und Größe erheben. Als den Weg zu diesem Ziele wollen wir nochmals auf die Nothwendigkeit nicht nur geistiger, sondern auch körperlicher Erziehung hinweisen. Sie allein führt zur Gesundheit des Leibes und der Seele, und ohne Gesundheit giebt es weder Schönheit und Glück für den Einzelnen noch auf die Dauer, Freiheit und nationale Größe für die Gesammtheit. Das Weib, als die ewige Quelle der körperlichen Reproduction des Volkes, kann und soll auch die Quelle seiner geistigen und socialen Wiedergeburt werden.     (N.St.-Z.)

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Dok-Nr. 48: „Oldenburger Zeitung“ No. 200 vom 27.08.1864

Vermischtes.

Newyork, 6.Aug. Die letzten Wochen waren hier unerträglich trocken und heiß. Der Thermometerstand reichte fortwährend bis 100 Grad Fahrenheit (ca. 30 Grad Reaumur.) Erst am 3.d.M. wurde die Temperatur durch einen kräftigen Regen angenehmer. Ein Philanthrop, Namens Halliday, hat eine kleine Broschüre veröffentlicht, aus welcher man erfährt, wie die Einwohner Newyorks wohnen, d.h. wie sie häringsgleich in die Wohnungen verpackt sind. Von 115.986 Familien, welche Newyork bewohnen, sind nur 15.990 im Stande, sich den Luxus eines besonderen Hauses zu verschaffen; 15.362 Familien leben verhältnißmäßig comfortabel zu zwei in einem Hause; 4416 Gebäude beherbergen je drei Familien und fallen noch nicht unter die Rubrik Tenements; aber die übrigen 11.965 Wohnhäuser enthalten nicht weniger als 72.386 Familien, d.h. 7 Familien oder 35 Personen durchschnittlich. In der 11.Ward (Stadtbezirk) enthalten 113 Hinterhäuser (welche von den die Fronte des Bauplatzes einnehmenden Häusern, ebenfalls solche „Casernen“, nur durch einen schmalen, dunkeln und schmutzigen Gang getrennt sind) 1653 Familien oder eines fast 15 Familien oder 70 Personen; 24 andere 407 Familien oder je 80 Personen. In einer anderen Ward enthalten 72 solcher Häuser nicht weniger als je 19 Familien oder 95 Personen. Dies ist indessen noch nicht das Schlimmste. Es giebt 580 „Tenementhäuser“ in Newyork, welche nach wirklicher Zählung 10.933 Familien oder je 85 Personen enthalten; 193 andere mit je 111 Personen, 71 mit je 140 Personen und endlich 29 mit zusammen 5449 Personen oder je 187! Der Theil der fünften Avenue, wo der reichste, fashionabelste Theil unserer Bevölkerung wohnt, dehnt sich etwa zwei Meilen – oder beide Seiten der Straße gerechnet, vier Meilen – aus. Diese vier Meilen prachtvoller Gebäude sind von 400 Familien bewohnt, während eine einziges Geviert von „Tenementhäusern“, keine 200 Yards von der 5.Avenue entfernt, nicht weniger als 700 Familien oder 35.000 Personen enthält. Ein „Tenementhaus“ ist ein Gebäude von Backsteinen, auf einem Bauplatze von 55mal 100 Fuß stehend. Es ist 4 bis 6 Stockwerke hoch und inwendig so eingetheilt, daß es 4 Familien in einem Stockwerke enthält, von welchen jede in einem 8mal 10 Fuß großen Zimmer essen, trinken, kochen und waschen und in einem Schlafzimmer von 6mal 10 Fuß schlafen muß, wenn sie nicht gar diese Gelasse noch mit einer zweiten Familie oder Kostgänger theilt. Eine der größten dieser Casernen hat Zimmer für 126 Familien. Sie steht auf einem Bauplatz von 50mal 250 Fuß. Die Hausthüren sind auf der Seite, an 8 Fuß breiten Durchgängen; nebenan ist ein eben solches Haus und die Zimmer deshalb so finster, daß man nur bei ganz klarem Wetter ohne künstliches Licht darin lesen oder nähen kann. Kein einziges Zimmer kann gründlich ventilirt werden. Die Tröge- und Abzugs-Canäle, welche den Unrath der 126 Familien fortschaffen sollen, haben vergitterte Oeffnungen in den Durchgängen und Kellergewölben, aus welchen tödtliche Miasmen aufsteigen und die dumpfige Luft in dem Hause und dem Hofe verpesten. Brooklyn, die Stadt der Frömmler, zählt 2311 Schnapsschenken. – Das neue deutsche Stadttheater soll schon am 16.d.M. eröffnet werden. Von den neu engagierten Künstlern sind einzelne bereits aus Deutschland eingetroffen, andere werden noch bis Mitte d.M. erwartet. Am 31.Juli wurde in Illinois (Nordamerika) die deutsch-katholische Kirche in Joliet während des Gottesdienst vom Blitz getroffen. Fünf Personen wurden sofort getödtet und 14 schwer verwundet, von welchen 3 bald nachher starben.

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Dok-Nr. 49: „Oldenburger Zeitung“ No. 13 vom 16.01.1868

Südcarolina.

Seit der Beendigung des Nordamerikanischen Bürgerkriegs macht der Staat Südcarolina große Anstrengungen, um eine zahlreiche Auswanderung europäischer, namentlich deutscher Arbeiter dahin zu ziehen. Die dortige Staatsbehörde hat zur Beförderung dieses Zweckes eine eigene Commision niedergesetzt und viele Agenten nach Deutschland geschickt, deren einer, P.Melchers, dafür schon seit längerer Zeit hier in Oldenburg thätig ist, eine die angeblichen Vortheile dieser Auswanderung hervorhebende Broschüre *) ist eigens zu diesem Zwecke verfaßt, wird von den Agenten unentgeltlich verbreitet und ist auch im hiesigen „Tageblatt“ vom 12. v.M. von einem ungenannten Einsender empfohlen, der seine Befürwortung, die er als nur aus dem Wunsche, seinen auswanderungslustigen Landsleuten nützlich zu werden, hervorgegangen bezeichnet, auch dadurch zu unterstützen sucht, daß er auch aus Mittheilungen seiner in Südcarolina wohnenden Verwandten die Vortheile der dortigen Ansiedelung will bestätigen können. Von anderen Seiten dagegen wird auf das Dringlichste gegen die Auswanderung dahin gewarnt: Die Bestrebungen zur Anwerbung von Auswanderern für Südcarolina seien nur durch das Interesse der dortigen Pflanzer eingegeben, welche die ihnen entzogene Sclavenarbeit durch weiße Arbeiter, die sie ganz von sich abhängig zu machen suchten, ersetzen wollten, und nur Enttäuschung und Elend erwarte dort denen, die solchen Verlockungen folgten. Die „Staatszeitung“ von Chicago (im Staate Illinois) bringt einen Auszug eines seit Jahren in Südcarolina wohnenden Beamten, der ebenfalls auf das Entschiedenste davor warnt. Es heißt darin:

„Das Menschlichkeitsgefühl macht es zur Pflicht, jedem solchen Plane auf alle Weise entgegen zu wirken. Bekanntlich zerfällt der Staat Südcarolina nach seinen Naturverhältnissen in drei Theile; der erste, die Küste mit den Inseln umfassend, wird jedes Jahr von tödtlichen Fiebern heimgesucht, denen gewöhnlich ein großer Theil der von dem Norden Europas Eingewanderten unterliegt. Ueberhaupt ist das Klima dort sehr dumpf und feucht; Schulen sind nicht vorhanden, auch leben nur wenige Weiße in dieser Gegend und weder Leben noch Eigenthum ist sicher, außer für Eingeborne und für bekannte Personen. Der andere mittlere Theil des Staates ist mit Fichtenwaldungen bedeckt, die anbaufähige Erde jedoch kaum 2 Fuß dick. Der tieferliegende Boden besteht aus einer kieselartigen, der Vegetation schädlichen Masse. Gras gedeiht dort nicht, eben so wenig Getreide, ausgenommen wenn der Boden mit Guano oder anderen Substanzen stark gedüngt wird, die aber erst eingeführt werden müßten. Die Märkte sind ziemlich entfernt, die Wege schlecht, die Brücken meist zerstört und die eine Hälfte der Bewohner scheint darauf angewiesen, die andere auszurauben. Unbemittelte, der Sprache, Gewohnheiten und der Gesetze unkundige Ausländer würden dort bald zu Grunde gehen. Der dritte, gebirgige Theil des Landes ist der einzige, der den Einwanderern einigen Vortheil bietet. Die Berge enthalten etwas Metall, aber keine Kohle. Alles für den Ackerbau geeignete Land befindet sich in den Thälern und ist im Besitz kleiner Farmer, welche es sehr hoch im Preise halten, obgleich sie von den Absatzquellen sehr weit entfernt sind und bisher Nichts über den eigenen Bedarf geerntet haben. Die Einwohner sind ungebildet und unwissend und stehen tief unter dem letzten englischen Arbeiter; der deutsche Arbeiter wird den Negern gleichgestellt, erhält dieselbe Kost, wird aber von allen Weißen, ja sogar von den Negern verachtet.“

[…]

*) „Südcarolina: eine Heimath für den arbeitsamen Einwanderer. Veröffentlicht von einem Kenner der Einwanderung. Mit einer Karte.“

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Dok-Nr. 50: „Oldenburger Zeitung“ No. 23 vom 28.01.1868

Das amerikanische Haus wird in einem sehr interessanten Artikel der „Südd.Presse“ über Newyork folgendermaßen geschildert: Das normale amerikanische Haus ist in drei Fensterbreiten abgetheilt; seine Einrichtung folgende: Es hat ein Untergeschoß, dessen Sohle 2-3 Fuß unter der Straßenfläche liegt, darunter geräumige, unter das Trottoir reichende und dort mit verschließbaren Klappen versehende Keller, darüber ein Erdgeschoß (Hochparterre) und zwei, selten drei Stockwerke. Der Eingang zum Untergeschoß befindet sich in einer kleinen Halle unter der Platte, welche die Aufgangsstiege und den Haupteingang des Hauses verbindet; in der fünften und den anliegenden Avenues, auch sonst nicht selten, sind die Straßenstiegen und das Portal des Hauses aus weißem Marmor. Ein Durchgang läuft von vorn nach hinten durch das Untergeschoß, vorn liegt zwei Fenster breit der Speisesaal, hinten die Küche, zwischen beide ein zu mancherlei Zwecken verwandter Raum. Das Erdgeschoß hat eine geräumige Flur, die sich in der Hausmitte in das Treppengehäuse und einen Durchgang spaltet, hinten sich in die Nothstiege und den Ausgang zum Hofe theilt. Ueber dem Speisesaale liegt der Parlor, das Empfangs- und Unterhaltungszimmer für alle Bewohner des Hauses; über der Küche das Familienzimmer; der Zwischenraum dient zu Schlafstätten u.a. Die oberen Geschosse sind eben so eingerichtet, ein großes Zimmer vorn und hinten, und da die Stiege in der Mitte des Gebäudes liegt, so wird über den Eingängen auf Vorder- und Rückseite Raum für zwei kleinere Zimmer gewonnen. In dem Mittelraume des ersten Stockes ist eine Abtheilung für ein Badezimmer und Waterclosets eingerichtet. Aus diesem Grunde springt Erdgeschoß und erster Stock in der Regel nach dem Hofe zu um 8 bis 10 Fuß vor und bildet die Bedachung eine Art Balkon für den zweiten Stock. – Jedes Zimmer ist mit Gasbeleuchtung versehen und hat laufendes warmes und kaltes Wasser. Die Wasserleitung ist nämlich so eingerichtet, daß ein Arm derselben in einen am Herde angebrachten großen Behälter mündet, wo das Wasser durch das gewöhnliche Küchenfeuer erhitzt und durch den nachwirkenden Druck der Leitung nach den geöffneten Röhren im oberen Hause getrieben wird. Da die amerikanische Küche drei Mahlzeiten vorschreibt: Morgens Kaffe oder Thee mit warmen Fleisch- oder Eierspeisen, Mittags ein paar Fleisch- oder ähnliche Gerichte, Abends ein Hauptessen mit den unerläßlichen Pies (Pasteten, Kuchen u.s.w.), so fehlt es selten an warmem Wasser, um dem Bedürfniß aller Bewohner nach warmen Bädern u.a. zu genügen. Der Bodenraum ist zu Kammern und zu einer Oberlicht-Anlage für die Stiegen benutzt. Auf demselben Raume mehr und zweckmäßiger einzurichten, möchte dem erfindungsreichsten Baumeister nicht gelingen. Alle Bauten sind massiv, in vielen Städten rein aus Backsteinen, anderwärts mit Quader untermischt, hin und wieder, wie in Newyork und Philadelphia, aus geschliffenem Granit oder Marmor. Die Fußböden der Zimmer dürfen in keinem anständigen Hause ohne durchgehende Teppiche sein. Die Heizumg geschieht meist durch Kamine. Obgleich der Winter anhaltend und streng ist, - der Maimonat pflegt in Newyork und dem ganzen Norden noch empfindliche Kälte zu bringen und in den Wintermonaten bleibt sogar der Hafen von Baltimore nicht ganz frei vom Eis – und obgleich man nur Steinkohlen brennt, zieht man doch die luftigen Kamine den Oefen vor. Sorge für Luft und Wasser sind die beiden lobenswerthesten Vorzüge der neueren amerikanischen Städteanlage. Jede Stadt, und wäre sie noch so jung, denkt vor Allem an die Wasserleitung und neben den breiten Straßen an freie Plätze.

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Dok-Nr. 51: „Oldenburger Zeitung“ No. 99 vom 30.04.1873

Das große einsame Land.

Das Gebiet, welches der britischen Krone in Nordamerika unterthan ist, gleicht an Größe jenem der Vereinigten Staaten; es ist eine Welt für sich, fast so ausgedehnt wie der Erdtheil, den wir bewohnen, und doch nur von kaum fünf Millionen Menschen bewohnt. Dieses ungeheure Land, von den Vereinigten Staaten bis ans nördliche Eismeer, vom atlantischen bis ans stille Weltmeer reichend, es ist unseren Blicken fast ganz entzogen. Wohl blüht an seinem östlichen Rande, in Canada, die Cultur, von dort dringen vereinzelte Nachrichten zu uns – von dem weiten Gebiete, welches westlich davon liegt, hören wir aber nur selten ein Wort. Und doch ist es hochinteressant, zum Theil zum Anbau geeignet und durchaus nicht zukunftslos. Dort finden noch Millionen und aber Millionen Auswanderer Unterkunft, und mit der britischen Pacificbahn, die von Ocean zu Ocean reichen wird, wie ihre große amerikanische Schwester, wird auch dieser jungfräuliche Boden mehr und mehr erschlossen werden.

Aber jetzt liegt er noch fast unberührt in ursprünglicher Wildheit vor uns, und es ist die letzte Stunde da, in welcher er noch in seiner vollen Originalität betrachtet werden kann. Danken wir es daher dem Capitän Butler, daß er ihn uns in einem soeben erschienen Werk schildert, welches sich den besten der neuen englischen Reiseliteratur vollkommen ebenbürtig an die Seite stellt. Man wird sich erinnern, daß vor zwei Jahren am Red River in British-Nordamerika ein kleiner Aufstand unter einem gewissen Riel ausbrach, den zu unterdrücken ein englisches Truppencorps ausgesandt wurde. Capitän Butler, der damals in England weilte und des Garnisonslebens müde war, bat um die Erlaubniß, sich der Expedition anschließen zu dürfen. Er erhielt sie und durchstreifte nun, nachdem die Rebellion unterdrückt war, weit und breit das „große einsame Land“, von dem er uns als die Frucht mühevoller, oft lebensgefährlicher Wanderungen das vorliegende, in der That höchst beachtenswerthe Buch (The Great Lone Land, London 1872) heimbrachte.

Es ist das weite Gebiet, welches wir aus unserer Jugendzeit als das Land der Hudsonsbay-Compagnie kennen. Freilich, das Monopol dieser mächtigsten Pelzhandels-Gesellschaft der Welt, die über ein Gebiet größer als das ihrer Schwester der ostindischen Compagnie verfügte, ist in unser Zeit gefallen; vor dem Gesetze wenigstens, aber in der That besteht das Monopol derselben noch ungeschwächt fort. Jedermann darf dort handeln und Pelze sammeln, aber die weite Entfernung und die klimatischen Verhältnisse verbieten Fremdlingen geradezu, in das große nordische Territorium vorzudringen; die Entfernung und das Eis sind die beiden Bundesgenossen, welche der Pelz-Compagnie schützend zur Seite stehen, wie Schranken jeden Fremden abhalten und die Concurrenz unmöglich machen. Wir in Europa können uns nur schwer einen Begriff von der Ausgedehntheit der Territorien machen, über welche die Hudsonsbay-Compagnie heute noch herrscht, absoluter als irgend ein König. Sie ist so vollkommen Herr in jenem Gebiete, daß sie mindestens neun Zehntel der dortigen Bewohner kleidet und ernährt; hoch im Norden der Eskimo von Ungara und der Loucheaux-Indianer am Mackenzieflusse, sie lebten nur von der großen Londoner Compagnie. Man kann sich kaum einen wilderen, einsameren Ort als Fort Providence und die Landschaften am großen Sclavensee denken, den wir auf allen unseren Karten verzeichnet finden. Zweimal im Jahre kommen dort Nachrichten von der Außenwelt an, aber es sind schon uralte Nachrichten, die nicht nur eine Seereise hinter sich haben, sondern wohl 2000 englische Meilen in Hundeschlitten über den Schnee gezogen wurden. Als Paris nahe daran war zu kapituliren, da hörte man dort erst einige Berichte von dem bevorstehenden Kriege zwischen Deutschland und Frankreich. Wie umständlich aber ist es für die Hudsonsbay-Compagnie, alle ihre Bedürfnisse und Vorräthe von der Themse bis in jene entlegenen Gegenden zu schaffen! Die alte Feuersteinflinte, mit welcher das Elennthier *] und der Moschusochse erlegt werden, sie stammen aus englischen Arsenalen; die wollenen Decken, in die der wilde Indianer in seinem kalten Lager sich hüllt, sie ist in Witney gewoben, die Messer, die er gebraucht, sind aus Sheffield, die Perlenschnur, mit welcher er sich schmückt, aus Birmingham. Folgen wir einem der Schiffe, das im Anfang Juni reich beladen von der Themse absegelt. Es ist in der Mitte des Monats bei den Orkney-Inseln, schlägt den sogenannten nördlichen Cours ein und beginnt im August in die halb mit Eis erfüllte Hudsonstraße einzudringen. Mühsam arbeitet es sich hindurch, kreuzt durch die weite Hudsonsbai und ist froh wenn es Ende August bei Fort York, an deren Südwestküste, Anker wirft. So hat die Seereise ein Vierteljahr gedauert. In den hier befindlichen Magazinen der Gesellschaft werden die Waaren aufgespeichert, die dann ein volles Jahr gebrauchen, bis sie an den Red River kommen und noch zwölf Monate, um an die Handelsposten am Mackenzie zu gelangen. In unserer Zeit der hoch entwickelten Verkehrsverhältnisse erscheint eine solche Langsamkeit des Transportes in einem völlig von Europäern beherrschten Lande allerdings wie ein Märchen.

Man beachte nun aber auch die Folgen eines solchen Schneckenganges. Das alte Feuerstein-Gewehr, welches noch in den Tagen Wellingtons seine Dienste that, ist manches Zobelfell im Lande der Hundsrippen oder Loucheaux-Indianer werth geworden, es wird fast mit Gold aufgewogen – eine Folge des langen Transportes; nicht der schönste Hinterlader oder das feinste Jagdgewehr bei uns besitzt einen solchen Werth, wie die Feuersteinflinte im großen einsamen Lande. Ueber den Handel der Hudsonsbay-Compagnie lassen sich überhaupt höchst interessante Bemerkungen anstellen. Der Freihandel, für unsere Verhältnisse passend, ist für das Territorium der Hudsonsbay-Compagnie ganz ungeeignet; er bedeutet dort theure Biber-, theure Marder- oder Otterfelle, theuer, weil sie gleichbedeutend mit Branntwein und Gift, mit Mord, Blattern und schlechten Krankheiten für die Indianer sind. Wohl hat das mit dem Freihandel an sich nichts zu thun, - aber hier sind diese Dinge mit dem Freihandel in Pelzen stets verknüpft gewesen. Die Hudsonsbay-Compagnie aber handelt wie ein weiser Jagdbesitzer, der die Schongesetze achtet; sie schont den Indianer, damit er ihr auf die Dauer Pelze liefern kann. Andere Compagnien oder einzelne Unternehmer, die sich in das Land wagten, waren mit einer einmaligen Ernte zufrieden, - sie brachten das Feuerwasser, um möglichst viele Pelze dafür zu bekommen, aber die Folgen sind überall dieselben gewesen, von Saskatschewan im Norden bis nach Texas im Süden: der rothe Mann und die Pelzthiere sind seltener geworden.

Was den Grund und Boden betrifft, auf dem diese berühmte Gesellschaft ihren Handel treibt, so wird er von Butler in höchst malerischer Weise geschildert. Er hat die weiten Prärien auf eine Ausdehnung von 500 englischen Meilen durchzogen, ohne daß ihm auf diesem weiten Wege ein einziger Mensch begegnete. Auf den alten Karten, welche die Seefahrer des sechszehnten Jahrhunderts, ein Cabot oder Cartier, entwarfen, sind die Küsten des nordöstlichen Amerika leidlich in ihren Umrissen eingetragen; das Innere war aber mit einem großen See ausgefüllt, der sich bis in die Polarregion erstreckte und durch den die Fahrt nach Kathey (China) führen sollte, von wo man auf dieser nordwestlichen Durchfahrt alle Schätze des Orients nach Europa holen wollte. Die alten Kartenzeichner, meint Butler, irrten nur darin, daß sie hier einen nassen Ocean statt eines Grasoceans zeichneten, den die Felsengebirge und die düsteren Fichtenwälder der subarktischen Region als Gestade umgeben. Im Winter zeigt er eine ununterbrochene Fläche des reinsten Schnees, im Sommer ein weites Grasmeer, und im Herbst ist er oft in eine ungeheure, wildwogende Feuermasse verwandelt. „Kein Wasserocean der Welt kann mit den wunderbaren Sonnenuntergängen dieses Grasmeers wetteifern, keine Einsamkeit ist verlassener als diese nachtbeschattete Prärie; man fühlt die Stille und hört das Schweigen; das Heulen des Wolfs macht die Stimme der Einsamkeit hörbar; die Sterne schauen hernieder durch eine unbegrenzt schweigende Luft auf ein fast ebenso intensives Schweigen. Dieser Ocean hat keine Geschichte, die Menschen sind gekommen und gegangen, ohne ein Zeichen, eine Spur zu hinterlassen. Einige französische Schriftsteller, welche diese Prärie geschildert haben, erwähnen, daß das Gefühl dieser völligen Negation alles Lebens, diese totale Geschichtslosigkeit sie mit einem Bewußtsein der fürchterlichsten Verlassenheit erfüllt habe. Das mag sein; aber für mich hatte der Anblick der Prärie nichts schreckliches oder niederdrückendes. Ich sah hier die Erde vor mir, wie sie jungfräulich aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen war; sie war nicht weniger schön als der von Ackerfurchen durchnarbte Boden."

Aber so trostlos wird dieses weite Gebiet, in dem Butler vier Monate umherreiste, nicht ewig bleiben. Noch vor 60 Jahren dehnte sich östlich von demselben ein fast gleich großes ödes Land aus, das nun allmählich besiedelt wird, und südlich davon waren Minnesota, Wisconsin, Iowa, nun blühende Staaten der Union, von keiner anderen Beschaffenheit. Schon strömen, namentlich von der Provinz Manitoba aus, Einwanderer mehr und mehr in die Grenzdistricte des großen einsamen Landes, Dampfer gehen auf den Flüssen, und die nördlichste Pacificbahn wird denn das Ihrige thun. Eine neue Stadt, Winnepeg, am gleichnamigen See, entwickelt sich mit echt amerikanischer Schnelligkeit an einer Stelle, wo vor drei Jahren höchstens ein paar Indianerwigwams standen; schon hat sie große Hotels, Läden aller Art, vier Kirchen und mehrere Zeitungen. Um mehr und mehr das Innere zugängig zu machen, baut man jetzt flachgehende Dampfer für den Assiniboine und Saskatshewan, auf denen man bis an den Fuß der Felsengebirge vordringen kann, bis dahin, wo bis jetzt nur das Birkenrindencanoe des Indianers oder Voyageurs mühsam gerudert wurde.

[* Elen; germanisch für Elch]

(Schluß folgt.)

[siehe Dok-Nr. 166: „Oldenburger Zeitung“ No. 100 vom 01.05.1873]

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Dok-Nr. 52: „Oldenburger Zeitung“ No. 110 vom 14.05.1874

* Das Neue Kansas. Der erste Umstand, der den Fremden fesselt, ist eine Landschaft voll idyllischer Reize, von denen sich das Auge kaum losreißen läßt; ein zweiter Umstand, der bewunderungswürdige Fortschritt, nicht allein in materiellem Wohlstande, sondern auch in Bezug auf sociale und geistige Kultur, wie sie nur der höchsten Civilisation angehört die die Welt kennt.

Die gesammte Bevölkerung von Kansas im Jahre 1860 belief sich auf 107.000 Seelen; jetzt ist eine halbe Million der niedrigste Anschlag.

Diese in sich erstaunliche Thatsache des rapiden Bevölkerungs-Prozesses ist jedoch nicht das größte Wunder dessen sich Neu-Kansas zu rühmen hat. Im Jahre 1872 wurden über 360 Meilen einer jetzt 500 Meilen langen Eisenbahnlinie, welche den Staat in südwestlicher Richtung durchläuft, ausgebaut und in Operation gesetzt. Eine colossale Länderstrecke, die bisher unbenutzt und fast unbekannt dagelegen hatte, wurde wie durch Zauberschlag der Civilisation übergeben und mit einem Male in direkte Verbindung mit den Märkten des Ostens gebracht. Es ist als ob eine lang verschlossene grüne Welt von Ueppigkeit plötzlich einem Strome staunender Neugieriger geöffnet worden wäre. Die durch den Bau der Atchison, Topeka und Santa Fe Eisenbahn gewonnene Region ist neu, nicht nur in Bezug auf Civilisation, sondern auch im Charakter und Umfang ihrer Erwerbsquellen und in daraus folgendem thatsächlichen Werthe. Jeder der drei Millionen Acker des oberen Arkansas Thales in Kansas ist werthvoll für den Agrikulturisten oder den Viehzüchter, und die Eröffnung dieses reichen Feldes ist für den unternehmenden Einwanderer die wichtigste Epoche des letzten Viertel-Jahrhunderts.

In Folge seiner günstigen geographischen Lage, der Nähe einer großen commerziellen Hauptstraße, und in Bezug auf Erzeugungsfähigkeit des Bodens, kann man dreist behaupten, daß das Thal des Arkansas unübertroffen ist. Es ist von vier bis fünf Meilen breit und nahezu dreihundert Meilen lang, mit einem fetten, schwarzen Erdreich und einem Untergrund von groben Sand oder Kies. Der luxuriöse Graswuchs der Prairien, die sich hier nach allen Richtungen auf Hundert von Meilen erstrecken, giebt Weide genug für die gesammten Heerden des ganzen Westens.

Zahlreiche Ströme und Flüsse, deren Niederungen ebenfalls von der Atchison, Topeka und Santa Fe Eisenbahn für den Ansiedler eröffnet wurden, zeigen uns den Weg nach dem Thale des Arkansas. Der bedeutendste dieser Wassercourse ist der Cottonwood, dessen malerische Scenerie zu den oft besungenen Reizen des östlichen Kansas gehört. Zwischen den mannigfachen Bächen und Nebenflüssen des Cottonwood und deren bewaldeten Thalflächen, erstreckt sich in graziösen Wellungen, die diesem Theile von Kansas eigenthümlich imposante Prairie Landschaft. Die Thäler sind hier meist eng, doch äußerst fruchtbar und reich an Waldung. Niederlassungen sind zahlreich und dicht bei einander. Die Steinbrüche des Cotonwood liefern ein beinah weißes Produkt, das in Eleganz und Dauerhaftigkeit für Baumaterial nicht übertroffen werden kann.

Um zu den Einzelnheiten zu kommen, die für Heimathsuchende das meiste Interesse haben, ist zu erwähnen, daß die alternativen Sectionen Landes der großen Eisenbahn-Gesellschaft gehören, welche diese Domäne der Civilisation errrang, dieselben können von dieser Gesellschaft zu Preisen von zwei bis acht Dollar per Acker erworben werden, und zwar unter einem weisen Kreditsystem, welches auf elf Jahre ausgedehnt ist. Die dazwischen liegenden Sectionen sind Congreßland und dem Heimstätte und Vorkaufsrechte vorbehalten. Niemand ist daher gezwungen, Eisenbahnland zu kaufen, so lange noch gleich gutes Land von der Regierung so zu sagen verschenkt wird. Die Vorschriften des Heimstätte und Vorkaufsrechtgesetzes sind allgemein bekannt, und zum Besten derjenigen, welche sich den mit denselben gestellten Bedingungen nicht unterziehen wollen, geben wir hier in Kürze den Plan, welchen die Atchison, Topeka und Santa Fe Eisenbahn-Compagnie adoptirt hat – ein Plan, der mit Recht als der liberalste betrachtet wird, der noch je von einer Land-Corporation geboten worden ist, und der, wie jede reelle commerzielle Transaction, für beide contrahirende Theile Vortheile in sich schließt.

Der Plan umfaßt drei verschiedene Systeme. Unter System Nr. 1 ist ein Zehntel der Kaufsumme mit sieben Procent Interessen für ein Jahr auf die anstehenden Zahlungen anzuzahlen; im zweiten und dritten Jahre, sind blos die jährlichen Interessen abzutragen, und im vierten und jedem darauf folgenden Jahre ein Zehntel der Kaufsumme nebst jährlichen Interessen, bis alle Termine geleistet sind. Mit diesem Systeme ist dem wirklichen Ansiedler, der innerhalb der ersten drei Jahre den fünften Theil des gekauften Landes bebaut hat, eine Reduktion aller anstellenden Zahlungen um 20 Prozent garantirt.

Unter System Nr. 2 wird während der ersten vier Jahre kein Theil der Hauptsumme, sondern nur die jährlichen Interessen verlangt. Die Abzahlung der Hauptsumme beginnt mit dem fünften Jahre, und ist auf acht Jahre vertheilt. Diese giebt Weniger-Bemittelten den Vortheil, das ihnen zu Gebote stehende Kapital in der Verbesserung und Vervollkommnung ihrer Farm anzulegen, und die Zahlungen mit dem Erlös der Produkte zu leisten. Auch unter diesem System ist eine Prämie für Urbarmachung geboten; sie besteht in einer Reduktion des Kaufpreises um 10 Procent, falls der fünfte Theil des Landes mit Ablauf der ersten vier Jahre bebaut ist.

System Nr. 3 besteht in dreijährlichen Zahlungen. Die festgesetzten Preise des Landes sind bei diesem System von vornherein um den fünften Theil herabgesetzt. Diejenigen, welche ihr Land unter System 1 oder 2 erworben haben, haben das Recht nach Belieben in ein, zwei oder vier Jahren in voll zu bezahlen, und sichern sich dabei einen Rabatt von je 18, 15, 12 oder 10 Procent der contraktlichen Kaufsumme.

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Dok-Nr. 53: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 46 vom 20.04.1875

Rundschau.

- In Nordamerika reist ein geistvoller Deutscher – Friedrich Ratzel – umher, prüft die Leute und Zustände mit scharfem Auge und malt sie ab in der Köln. Zeitung. Er zerreißt schonungslos manchen Glorienschein und hat sich drüben sehr gefürchtet gemacht. In einem seiner letzten Briefe schildert er die amerikanischen Frauen. „Man nennt sie schön, sagt er, aber es ist eine sehr beschränkte Schönheit in diesen schmalen Gesichtchen mit den ungewöhnlich großen Augen, die uns glauben machen möchten, daß eine gewisse nervöse Aufgewecktheit die ruhig arbeitende, nach außen oft so unscheinbare Intelligenz ersetze. Wer näher zusieht, ist von der Flachheit und Seichtheit enttäuscht, die in der Mehrheit dieser niedlichen Köpfchen wohnt. Und der Körper? – Daß Gott erbarm‘! Man kann über solche Dinge nicht viel sprechen, doch ist eine noch weiter gehende Dürftigkeit in Masse und Kraft nicht zu denken. So schön die Gesichter, so häßlich diese kümmerlichen Leiber. Es ist bekannt, wie schlecht es bei den meisten Amerikanerinnen mit Zähnen und Haaren bestellt, ebenso, daß die Kunst, durch wattirte, aufgepuffte Kleider aus dem ärmlichen Geschöpf ein einigermaßen ansehnliches Püppchen zu machen, nirgends so weit gediehen ist. Aus demselben Grunde ist eine ungeschminkte Amerikanerin eine seltene Erscheinung. Daß nach Mittheilung zuverlässiger Aerzte wohl die Hälfte aller Mädchen an Störungen der wichtigsten Thätigkeiten des weiblichen Organismus leidet, ist nur einer der Ausflüsse ihrer zerrütteten Organisation. Es ist nothwendig, den schädlichen Einfluß hervorzuheben, den diese körperliche Heruntergekommenheit der Frauen auf die Ehe üben muß. Zahllose sind unfähig, sich den Pflichten der Familiengründung zu unterziehen, und der großen Mehrheit erscheinen dieselben als eine drückende Last, die das Leben verbittert. Von den Arbeiten, die bei uns selbst gutgestellte Frauen in Küche und Haus eigenhändig verrichten, weiß die Durchschnitts-Amerikanerin nichts oder wenig; sie sind entweder thatsächlich zu schwer für ihre Kräfte oder sie hält es unter ihrer Würde, sich denselben zu widmen.“ – Ein anderer amerikanischer Schriftsteller sagt über seine Landsmänninnen: „Unsere amerikanischen Frauen haben keine Lebenskraft. Sie sind Lilien, bleich, hübsch und vergänglich. Man heirathet eine Amerikanerin, und was heirathet man? Ein Kopfweh. Die englischen Mädchen sind doch wenigstens Rosen, die ihre Saison hindurch sich halten.“

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Dok-Nr. 54: „Oldenburger Zeitung“ No. 207 vom 06.09.1875

Vermischtes.

- Californien thut sein Bestes, den Vorstellungen derjenigen Auswanderer gerecht zu werden, die gern von einem Schlaraffenlande träumen, wenn sie der Heimath den Rücken kehren. Wie reich es ist an Gold und an anderen Schätzen der Erde, wie üppig dort die Weizenfelder stehen und wie die Bäume unter der Last der Früchte sich biegen, davon haben wir schon längst gehört. Für den edelsten Trank haben speculative Farmer nach Beispiele alter spanischer Mönche gesorgt: auf den Rebenhügeln des gesegneten Landes schwillt die Traube an 30.000.000 Stöcken; aber das Wunderland enthüllt immer neue und ungeahnte Schätze; am Cajon-Paß stießen Arbeiter auf ein Honiglager in den Felsen, sie suchten mit einer Stange dessen Tiefe zu ergründen aber sie fanden keinen Boden, und als man ein Stück von dem Felsen wegsprengte, da zeigte sich, daß Tonne auf Tonne des leckeren Saftes aufgespeichert war. Schließlich stellte sich heraus, daß die Höhlung im Felsen eine Viertelmeile (Engl.) lang und wahrscheinlich ganz mit Honig gefüllt ist. Am Stillen Ozean arbeiten eben nicht nur die Vögel, sondern auch die Bienen emsiger als anderswo.

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II.1.2. „Aecht Amerikanisch“ – Anekdoten und Schauergeschichten


Dok-Nr. 55: „Humoristische Blätter“ No. 41 vom 10.10.1839

Deutsche Zeitblätter in Amerika

In Baltimore erscheint eine Zeitschrift „Der Baltimore Neuigkeits-Träger“. Herausgegeben von W.T. Schmyth, mit dem Motto: „Gleichförmigkeit ist der Geist (sic) der Demokratie“, welche trotz ihrer äußern eleganten Ausstattung, an Druck, Papier und Format in Folio so nachlässig gedruckt ist, daß man auf den Glauben gerathen könnte, die auch bei uns so häufig wahrgenommenen Druckfehler seyen mit vielen andern mauvais sujets von Landsleuten in das Land der Gleichförmigkeit gewandert und hätten sich dort in den Zeitblättern angesiedelt. Eine Probe hievon giebt die am 27. April 1839 erschienene Nummer, woraus wir wörtlich folgende Erzählung hiemit abdrucken lassen:

Weiblicher Heldenmuth.

Oor einigen Wochen hat sich bey Bloomsfield, Warren County, Nue-Jersey, folgender tragische Vorfall oreignet. Abends am acht Uhr kann eiu Negersclave von ungefähr 20 Jahren, welche dem General Williamson behärte, nach der Wohnung von dessen Sohn, der eben nicht zu Hanse war. Da er eiu schlichter Bursche war, so hieß ihn Frau C. Williamson vom Geeöfe aus sich zn entfernen. Er gieng, erneuerte aber gegen 12 Uhr seinen nächtlichen Besuch und begerje eingelassen zu werden. Die junge Fran, mit ihren Kindern ganz allein, drohte ihm, daß er es mit dem Leben büßen würde, wenn er den Fuß ins Haus setzte. Der Neger achtete die Wareung uicht, brach die Thüre mit Gewalt auf und drang in des Zimmer der Frau. Diese ertzriff entschlossen eine Fliute, welche ihr Mann immer geladen hatte, und da eine letzte Oorstellung nicht half seuerte sie auf den schwarzen Tenfel. Der Bube empfieng die volle Ladung in die Brust, torkelte Schritte zurück und stürzte zu Boden.

In demselben Blatte befindet sich auf derselben Spalte, sechszehn Zeilen von einander, Eine und dieselbe Erzählung. – Von den dort befindlichen Anekdoten heben wir zwei hervor, um den Geschmack unserer gegenfüßlerischen Lesewelt einigermaßen zu veranschaulichen:

Ein Patriot. – Der Redner in einer Versammlung letzte Woche in New York, sagte: Herr Vorsitzer, wenn ich einer der Siam Zwillinge wäre, und sähe meinen Bruder an der anderern Seite, ich würde den Schlingel abschneiden. Außerordentlicher Beyfall.

Ursache eines Streites. – Ich wünschte alle Wiesen-Gründe der Welt zu besitzen, sagt A. Und ich, erwiederte B., wünschte alles Hornvieh der Welt zu eignen. Wie wolltest du diese füttern? fragte A. Ich würde es auf deine Wiesen treiben, antwortete B. Nein du würdest nicht, Ich will. Und so kam es zu Faustschlägen, und einem wahren Hahnengefecht, für – nichts.

Ein ähnliches Beispiel americanischen Witzes befindet sich in der Hannover Gazette vom 22. Mai 1839 (No 1760) 34ster Jahrgang:

Wie man sich doch vergessen kann. – In Kentucky wollte neulich eine Frau ihren Theekessel übers Feuer hängen. Sie vergaß sich, hieng sich selbst an den Feuerhaken, und entdeckte ihren Irrthum nicht früher, bis sie anfieng zu singen.

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Dok-Nr. 56: „Oldenburgische Zeitung“ No. 51 vom 25.06.1841

Vermischte Nachrichten

(Galvanischer Versuch an einem Gehenkten.) Am 8.Mai wurde ein gewisser John White eines Todtschlags wegen in Louisville (Kentucky) gehangen. Um keinen großen Volksandrang bei der Hinrichtung zu haben, ließ man die Stunde, in welcher dieselbe statt finden sollte, unbestimmt und sie erfolgte schon früh um sechs Uhr, im Beisein von nur den nöthigen gerichtlichen Zeugen und einiger wenigen neugierigen Zuschauer, die sich schon so früh eingefunden hatten. Die Schleife am Stricke war übrigens schlecht gemacht, so daß bei dem Zuziehen derselben dem Unglücklichen die Halswirbel nicht gebrochen wurden. Der Todeskampf dauerte deshalb lange und war schrecklich anzusehen; indeß die Zuckungen nahmen ein Ende und der Körper gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Nach einer Zögerung von 25 Minuten bestätigte ein Arzt den Tod des Verbrechers. Der Strick wurde demnach abgeschnitten und der Körper in ein Haus in der Nähe gebracht, in welchem eine starke galvanische Batterie zu Versuchen bereit stand. Kaum hatte die die galvanische Kraft zu wirken angefangen, so wurde der Körper von einem allgemeinen Zittern geschüttelt, und die Zuschauer wichen vor Entsetzen zurück, als sie sahen, daß er sich plötzlich auf dem Tische, auf dem er lag, aufrichtete, sich aufsetzte und mit den Händen nach dem Halse griff, als wolle er den Strick dort wegziehen. Er wiederholte diese Anstrengungen mehrmals, äußerte gleichsam eine schmerzliche Ungeduld und zerriß sich den Hals mit den Nägeln. Bald schien er indeß erkannt zu haben, daß der Strick nicht mehr da sei, und er hörte auf, ihn zu suchen. Die galvanische Batterie wirkte noch immer. Da stand der Körper auf, breitete die Arme aus, riß die vom Blute gräßlich unterlaufenen Augen weit auf und aus seinem Munde vernahm man ein Röcheln; dann hob sich seine Brust und athmete geräuschvoll. Die Anwesenden waren stumm vor Staunen und Schrecken. Alle Augen hefteten sich auf diesen Körper, der sich convulvisch bewegte. „Gott, er lebt!“ rief endlich einer der Aerzte. Die galvanische Kraft wirkte immer stärker. Mit einem male sprang der Körper vom Tisch herunter, und fiel in einer Ecke des Zimmers nieder, indem er die Drähte zerriß, die ihn mit der galvanischen Säule in Verbindung setzten. Anfangs blieb er bewegungslos liegen und gab kein Lebenszeichen mehr; ein Arzt glaubte aber einen leichten Pulsschlag zu bemerken und rief: „er lebt! er athmet!“ Er athmete wirklich etwa zwei Minuten lang, dann hörte jede Bewegung in der Brust auf, die Glieder zitterten leicht und der rechte Arm hob sich mehrmals empor. Ein Arzt fühlte unablässig nach dem Pulse, und fühlte bisweilen einzelne schwache Schläge. Ein Stück Spiegel, das man ihm vorhielt, lief von dem Hauche an. Die Erwartung hatte den höchsten Gipfel erreicht. Der Puls wurde unterdeß stärker und lebhafter; die Athemsbewegungen begannen von Neuem, die Augen öffneten sich wieder. Es gewährte einen schrecklichen Anblick, die blutigen Augäpfel sich langsam in ihren Höhlen umherdrehen zu sehen, die sich von Zeit zu Zeit in krampfhafter Bewegung schlossen. Nach fünf Minuten wurde das Athmen ziemlich schnell und keuchend. Ein Arzt wagte da, dem Körper einige Fragen vorzulegen, aber nichts zeigte, daß er gehört oder verstanden werde. Er sah sich um, ohne die Blicke auf einem Gegenstande ruhen zu lassen und ohne, wie es schien, etwas zu sehen. Man stach den Fuß mit einer Nadel; er zog den Fuß zurück und verzog den Mund. Die Bewegungen wurden stärker und rascher; er griff von neuem nach dem Halse. Einer der Anwesenden faßte ihn an den Achseln: da stand der Körper auf, that zwei Schritte, und setzte sich auf einen Stuhl. Diese Anstrengung schien ihn aber erschöpft zu haben; er ächzte, die Muskeln spannten sich ab und das Athmen hörte wieder auf. Man hielt ihm verbranntes Hirschhorn vor, und er kam mit allen Zeichen der Trunkenheit wieder zu sich. Da schien er sprechen zu wollen, aber er konnte keinen verständlichen Laut von sich geben und schüttelte den Kopf mit Ungeduld. Die Aerzte untersuchten ihn noch aufmerksamer als vorher und überzeugten sich, daß nicht alle diese Symptome galvanische Zuckungen seien, sondern Zeichen des Lebens. Einer von ihnen erklärte überdies, daß dieses Leben schwerlich länger als einige Minuten dauern könne, weil der Blutsandrang nach dem Kopfe schnelle Fortschritte mache. Man wendete die kräftigsten Mittel an, um den Blutumlauf zu regeln. Die Wiederbelebung des Leichnams würde ein glänzender Triumph für die Wissenschaft gewesen sein, aber dieses Wunder sollte unvollendet bleiben. Die Adern am Kopfe schwollen allmählich an, die Augen waren bald nur noch zwei schreckliche Blutgeschwülste. Nach einigen Augenblicken eines schrecklichen Todeskampfes hörte jedes Lebenszeichen auf. Man machte neue Versuche, die merkwürdige Erscheinungen hervorriefen, und die Aerzte, welche dabei beschäftigt waren, werden in einer besonderen Schrift, die sie darüber erscheinen lassen wollen, sich ausführlicher aussprechen. (Bl.a.d.Gegenw.)

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Dok-Nr. 57: „Oldenburger Zeitung“ No. 93 vom 13.06.1852

Vermischtes.

- Zu Neuorleans starb vor Kurzem ein sehr berühmter Arzt mit Hinterlassung eines großen Vermögens. Er war ein geborener Magdeburger, Namens Smith, war vor mehr als vierzig Jahren, zur Zeit des Königreichs Westfalen, aus Halle, wo er studirte, entflohen und hatte sogleich mit seinen kaum zur Hälfte genügenden Kenntnissen zu practiciren begonnen. Er hat ein Tagebuch hinterlassen, in welchem er unter Anderem angibt, durch welche Neigungen oder Thorheiten des Menschen er, und wieviel dadurch, verdient habe. So z.B. durch verdorbenen Magen, in Folge von Schlemmerei, 62.000 Dollars – dito durch Tabakkauen 90.000 und durch Cigarrenrauchen 70.000 Dollars; durch Lungenkrankheiten, in Folge des Cigarrenrauchens entstanden, 40.000 Dollars; durch Faulheit 33.000, durch Erkältung in Folge von Theaterbesuch 43.000, auf Bällen 92.000 Dollars; durch Genuß kalter Speisen und ungesunden Obstes 120.000 Dollars; durch den Gebrauch von Hausmitteln 145.000 Dollars; durch die Unwissenheit der Collegen, welche reiche, gesunde Leute krank machten, die er wieder curirte (oder auch nicht) 240.000 Dollars; durch ärztliche Consultation 85.000 Dollars; für Krankheiten, aus gekränkter Eitelkeit entstanden, hatte er nur 10.000 Dollars erworben (denn den Amerikaner kränkt so leicht nichts, der hat eine dicke Haut, sagt er); für Krankheiten aus tollen, mißglückten Speculationen, oder aus Kummer darüber, setzt er 112.000 Dollars an; Krankheiten aus, durch Lesung schlechter Romane entstandener erhitzter Phantasie 39.000 Dollars; für Krankheiten aus Liebesgram einen halben Dollar, von einem deutschen Dienstmädchen, aus Berlin gebürtig!

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Dok-Nr. 58: „Oldenburger Zeitung“ No. 52 vom 03.04.1853

Vermischtes.

- Ein junger Deutscher schreibt aus St.Louis: „Unter allen Nationen ist keine hier, die sich so rasch amerikanisirt, wie die deutsche; sind die Deutschen einige Zeit unter den Yankees, so ist es, als wenn sie nie eine eigene Nationalität besessen hätten. Von Franzosen, Ungarn und Polen läßt sich das nicht sagen. Selbst den amerikanischen Gleichmuth und die dem Verhängnisse trotzende Kaltblütigkeit des Amerikaners gewöhnen sich die Deutschen an. Gefahr ist dem echten Yankee ein unbekanntes Wort. Ein paar Mal jede Woche wird man Nachts durch Feuerlärm geweckt; der Amerikaner fühlt ruhig an die Wand, an der er liegt, ob sie nicht heiß ist, und schläft dann ruhig fort. dieselbe Selbstbeherrschung zeigt sich in allen Lagen des Lebens, wodurch die Yankees oft herzlos erscheinen, was sie doch nicht sind.“


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Dok-Nr. 59: „Oldenburger Zeitung“ No. 78 vom 21.05.1853

Vermischtes.

- (Ein amerikanischer Salome.) Zwei Leutchen, die sich im „fernen Westen“ geheirathet, die die Flitterwochen angenehm vertändelt, aber nach einigen Monaten eingesehen hatten, daß an ein friedliches Mit- und Ineinanderleben nicht zu denken sei, kamen zum Pastor, der sie getraut hatte, zurück, und baten um Scheidung. Der Pastor versicherte, das gehe nicht an, denn sie hätten geschworen, daß nur der Tod sie trennen solle. Dagegen versicherte das Ehepaar, es wolle dem Pastor so und so viel Dollars geben, wenn er es von diesem unbesonnenen Schwure entbinden wolle. Da wurde das Gemüth des Pastors weich wie Wachs, und er nahm ein junges Kätzlein, und der Mann mußte es fest fassen beim Kopf, und die Frau mußte es fest fassen beim Schwanz, und der Pastor nahm sein Bowiemesser und hieb das Kätzlein in der Mitte entzwei, und sagte: der Tod hat euch getrennt. Ihr seid frei. Amen! (?)

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Dok-Nr. 60: „Der Beobachter“ No. 76 vom 23.09.1853

Eine Heirath in 15 Minuten.

Vor kurzem bekam eine angesehene, - das will sagen reiche, - junge Dame, im nördlichen Theil der Vereinigten Staaten den Einfall, sich verheirathen zu wollen *); fand jedoch unter allen ihren Verehrern, obgleich die Zahl derselben groß war, keinen, dem sie der Ehre ihr Gatte zu sein, werth hielt. Keineswegs aber ward Miss Ellis dadurch in Verlegenheit gesetzt; - denn eine Amerikanerin weiß in allen Fällen Rath, - sondern zehn Minuten nach der Feststellung ihres Entschlusses, saß sie bereits wohlgeputzt in ihrem Wagen, rollte in einigen zwei bis drei Straßen entlang und begab sich in das Haus eines jungen, reichen Kaufmannes, welcher zuweilen mit ihrem Vater in Geschäftsverbindung stand. Der junge Herr, welchen sie ersucht, sie wegen einiger Einkäufe zu begleiten, geht bereitwillig darauf ein und fährt mit ihr nach einem Bijouterieladen. Die Dame sucht alsdann zwei Ringe aus, übergiebt dem erstaunten Herrn den einen und ersucht ihn, sie nach dem nahegelegenen Gerichtshof zu begleiten. Hier erklärt sie dem Richter, daß sie mit Herrn B. vereinigt zu werden wünsche. Die Ceremonie beginnt und der junge Mann ist durch den ganzen Auftritt so überrascht, daß er auf die Frage des Richters, ob es auch sein Wille sei? – ein lautes Ja abgiebt und somit in wenigen Minuten eine Frau erhält, an die er vorher kaum gedacht hat.

*) Ein solcher Einfall möchte auch wohl bei den Damen in Europa keine Seltenheit sein. Der Beob.

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Dok-Nr. 61: „Oldenburger Zeitung“ No. 61 vom 19.04.1855

Vermischtes.

Ein Ansiedler in San Francisco war von folgendem seltsamen Vorfalle Zeuge: Einer von den Goldgräbern starb, und da er in vorzüglicher Achtung gestanden, so ward beschlossen, ihn feierlich zur Erde zu bestatten. Ein Goldgräber in der Nachbarschaft, der, dem Gerüchte zufolge, vormals ein gewaltiger Prediger in den Vereinigten Staaten gewesen war, wurde mit der Verrichtung des bei dem Leichenbegängniß erforderlichen Rituals beauftragt. Nachdem das Leichenessen beendet war, zog die Versammlung nach der Grabstätte, welche etwa hundert Schritte vom Lager entfernt war. So weit ging alles gut; aber das Gebet war ungebührlich lang, so daß einige von den um das Grab Knieenden vor Ungeduld mit den Fingern in der aufgeworfenen losen Erde zu wühlen anfingen. Sie war reich an Gold, und unter der knieenden Menge zeigte sich alsbald eine bedeutende Aufregung. Dies bemerkend, hielt der Prediger in seinem Gebet inne und fragte: „Kinder, was habt Ihr?“ – „Gold!“ – „Gold?“ erwiderte er, „und, wie es scheint, eine sehr ergiebige Fundgrube, - die Versammlung ist entlassen!“ Der schon eingesenkte Leichnam ward wieder herausgenommen und anderswo beerdigt, während die goldgierige Menge, den Prediger an der Spitze, keine Zeit verlor, den neuen Goldschacht auszubeuten.

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Dok-Nr. 62: „Oldenburger Zeitung“ No. 133 vom 25.08.1855

Vermischtes.

- Ein Yankee brauchte juristischen Rath in einer Proceßsache. Um nun der desfälligen theuren Advocaten-Rechnung zu entgehen, lud er einen Anwalt, mit dem er oberflächlich bekannt war, zum freundschaftlichen Abendessen ein und brachte bein Dessert im Laufe der Unterhaltung seine Fragen vor, die denn auch zu seiner großen Befriedigung beantwortet wurden. Am anderen Tage erhielt er zu seinem nicht geringen Schrecken eine schwere Rechnung von jenem Rechtsfreunde, in welcher die von ihm gestellten Fragen specificirt und die Beantwortung derselben nach den höchsten Sätzen berechnet war. An Zahlungs Statt sandte er darauf eine Gegenrechnung über das von ihm gegebene Abendessen, worin er nicht vergaß, den Wein, der dem Juristen sehr gut geschmeckt hatte, gehörig anzukreiden. Acht Tage lang hatte er darauf nichts mehr über die Sache gehört, als eines Morgens ein Gerichtsbote bei ihm erschien und ihn wegen unbefugten Verkaufs geistiger Getränke vor die Schranken citirte.

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Dok-Nr. 63: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 8 vom 17.01.1857

Vermischtes.

- Die Eigenthümlichkeiten und Originalitäten in Amerika erstrecken sich auf manches, was bisher doch nach einer gewissen hergebrachten Form geregelt wurde, so z.B. auf die Vornamen. In eine Familie zu Detroy heißen die Söhne: Ein Stickney, Zwei Stickney, Drei Stickney; die Töchter: Erste Stickney, Zweite Stickney, Dritte Stickney. In einer anderen Familie sind die drei ältesten Söhne „Joseph“, „Nochmals“, „Ebenso“ benannt und hat der Vater sich vorgenommen, wenn noch mehrere Söhne geboren werden sollten, diese „Immermehr“, „Dennoch“, „Ungeachtet“ zu nennen. Zu Philadelphia gab ein Vater seinem Sohne in der Voraussetzung, daß dies das letzte ihm geborene Kind sein werde, den Namen „Ende“. Seine Berechnung traf aber nicht ein, es folgten noch mehrere Sprößlinge, die nun „Anhang“, „Appendix“ und „Supplement“ genannt wurden.

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Dok-Nr. 64: „Oldenburger Zeitung“ No. 96 vom 21.06.1857

Vermischtes.

- Die Newyorker „Abendztg.“ schreibt: In dem Dorfe Concord im Staate Nord-Carolina ist vor wenigen Tagen eine Geschichte zu Tage gekommen, bei der man sich unwillkürlich fragen muß, ob wir den wirklich im 19.Jahrhundert und wirklich in dem „erleuchteten“ Lande leben, daß für seine Civilisation und Bildung wie Mohamed mit Feuer und Schwert Propaganda zu machen bestrebt ist: Ein Quacksalber, Namens Nugent, suchte dort einen Arbeitsmann zu bestimmen, daß er ihm die Leiche eines kürzlich begrabenen Kindes ausgrabe. Der Mann schlug das Ansinnen ab und plauderte darüber, wobei er zugleich merken ließ, daß Nugent bereits die Leichen zweier jungen Mädchen ausgegraben habe, um daraus Arzneien zu machen. Der Vater dieser Mädchen hörte von dem Gerede, ließ die Gräber öffnen und wirklich fand sich, daß die Leichen sammt den Särgen fort waren. Da dies die Angaben über Nugent vollständig zu bestätigen schien, so gab sich in der Nachbarschaft eine furchtbare Entrüstung gegen denselben kund und man beschloß, ihn im Wege der Volksjustiz summarisch abzustrafen. Doch als man nach seiner Wohnung kam, fand man ihn in den letzten Zügen liegen. Die Einen meinten, daß er aus Furcht vor der Strafe Gift genommen, die Anderen, daß er sich durch vielfache Berührung mit verwesten Leichnamen vergiftet habe. Am Mittwoch, den 6.Mai, starb Nugent, zuvor aber legte er das Geständniß ab, daß er an 16 Leichname ausgegraben und, nachdem er Arzneien daraus gemacht, verbrannt habe. In der That fand man unter dem Aschenhaufen in seinem Kamine eine Menge Zähne und Menschenknochen. Nugent hatte eine neue ärztliche Theorie erfunden, wonach er jede Krankheit irgend eines Körpertheil durch ein Dekokt von dem entsprechenden Körpertheil selbst heilen wollte. So kochte er aus Menschenlebern eine Brühe, womit er Leberkrankheiten zu heilen unternahm, aus Menschenlungen sott er eine Arznei gegen Lungenkrankheiten u.s.w. Für den Verkauf dieser Arzneien hatte er Agenten in Salisbury und Goldsborough, die ihm gelegentlich auch Leichname lieferten. Einer von diesen Agenten ist verhaftet worden.

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Dok-Nr. 65: „Oldenburger Zeitung“ No. 141 vom 08.09.1857

Vermischtes.

- Aus Boston vom 6.Aug. wird gemeldet: Vor einigen Tagen erlebten wir hier einen der außerordentlichsten Rechtsstreite, von welchen wir je gehört haben. Eine modisch gekleidete Dame wurde von einem Polizei-Offizianten in der Straße verhaftet und vor Gericht geführt, weil sie mit ihrer Kleidung die Seitengänge der Straße (Trottoir) sperrte. Der Richter wollte nicht erlauben, daß die Sitzung hinter verschlossenen Thüren gehalten wurde, vielmehr die Sache öffentlich behandelt wissen. Die Angeklagte mußte zur Hauptpforte gerade vor den Richter geführt werden, da ihr Anzug den Seitenweg, wie den Sitz im Behälter der Angeklagten unmöglich machte. Der Gerichtshof erklärte, daß es kein Gesetz über die Ausdehnung der Crinoline-Kleider gebe, daß aber die Zeugenaussagen über die Sperrung des Weges maßgebend und zur Warnung einstweilen die Strafe von 5 Dollars auferlegt sei. Die Dame zahlte diese Strafe und entfernte sich mit dem Lächeln der Verachtung auf den Lippen.

- In Newyork veranstalteten kürzlich einige Damen der Aristokratie eine Soirée zum besten eines Krankenhauses und verkauften neue Waare, die ungemein „zog“. Sie verkauften nämlich Küsse an die Herren, nicht etwa Zuckerküsse, sondern wirkliche lebenskräftige Küsse von rosigen Lippen zu 1 bis 2 Dollar das Stück. Ein Cavalier kaufte allein für 12 Dollars.

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Dok-Nr. 66: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 101 vom 04.11.1857

Vermischtes.

- Der Untergang des Schiffes Central America veranlaßte eine äußerst sonderbare gerichtliche Verwicklung. Unter den Passagieren des unglücklichen Schiffes, welche man als umgekommen betrachtet, befindet sich nämlich auch ein Farbiger, der früher zu New-York wohnte, wo er in Mobilien und Immobilien einen Werth von 5000 Dollars besaß. Kaum war der Untergang des Schiffes bekannt geworden, als eine Frau zu einem Gerichts-Beamten kam, um, als Wittwe des Verstorbenen, die geeigneten Schritte zum Antritt der Hinterlassenschaft zu thun. Man war bereits mit Abfassung der erforderlichen Actenstücke beschäftigt, als eine zweite Prätendentin auftrat und einen älteren Heiraths-Vertrag producirte, als die erste Postulantin. Die Advocaten beider Parteien traten ins Einvernehmen, als während ihrer Hin- und Herredereien und Schreibereien, eine dritte Wittwe auftaucht, deren Trauungsschein die Mitte zwischen den beiden schon vorhandenen einnimmt. Die zuerst Erschienene machte nicht viele Umstände, einzugestehen, daß sie und der wahrscheinlich Ertrunkene sich freundschaftlich getrennt und beiderseitig wieder verheiratet hatten. Da nun ihr zweiter Gemahl sich mit dem ersten an Bord des „Central-America“ befand, so ist sie Doppel-Wittwe mit Einem Schlage, und namentlich eines Mannes, wo sie die Dritte im Bund ist. Das Gericht wird nun nach Ablauf der legalen Frist über die Hinterlassenschaft des Mannes von 5000 Dollar zu entscheiden haben.

- Advocaten-Witz. In einer kleinen Stadt Amerikas war ein Dieb eingefangen worden. Er wurde vor Gericht gestellt, und da er sich aus eigenen Mitteln keinen Rechtsfreund bestellt hatte, wurde ein junger Advocat vom Gericht angewiesen, dem Angeschuldigten mit seinem Rathe bestens an die Hand zu gehen. Beide zogen sich in eine Stube des Gerichtsgebäudes zurück. Beide ließen zwei volle Stunden nichts von sich hören. Die Richter, des langen Wartens müde, schickten endlich den Büttel, um zu fragen, wie lange die Besprechung noch dauern werde. Aber diese war längst zu Ende; der Advocat kam ohne seinen Clienten zurück, und gab folgende Erklärung ab: Da hochweises Gericht mir befohlen, dem Angeklagten mit meinem besten Rathe beizustehen, und da Angeklagter sich ohne Weiteres mir gegenüber zu dem Diebstahl bekannt hat, habe ich ihm als das Beste meinem Erachten nach, den Rath gegeben, aus dem Fenster zu springen und davonzulaufen. Welchen Rath Client vor ungefähr zwei Stunden befolgt hat.

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Dok-Nr. 67: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 72 vom 08.09.1858

Vermischtes.

- Amerikanische Blätter erzählen als Wunder von einem jetzt in Rochester (Staat Newyork) lebenden Manne, daß er in Boston vor 106 Jahren von einem irischen Vater und einer indianischen Mutter geboren wurde; daß er mit 12 Jahren nach Frankreich kam; später nach Amerika zurückkehrte, und den Befreiungskrieg mitmachte; dann abermals nach Frankreich ging und daselbst eine Tochter des Kaisers von Marokko heirathete, die ihm 8 Kinder gebar; nach deren Tode sich mit einer Amerikanerin von deutscher Abstammung verheirathete, und als dies starb eine Negerin heirathete, die 50 Jahre jünger war als er, mit der er aber trotzdem noch 4 Kinder zeugte. Dieser Mann hat somit mehr als vielleicht irgend ein Anderer für Racenvermischung gethan. In seinen Kindern findet sich celtisches, teutonisches, afrikanisches und amerikanisch-indianisches Blut vereinigt.

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Dok-Nr. 68: „Oldenburger Zeitung“ No. 183 vom 08.08.1863

Vermischtes.

Als Beispiel amerikanischer Rabulisterei wird erzählt: „Ein junger Doctor entführt eine 17jährige Patientin und heiratet sie. Bis dahin ist das Abenteuer nicht gerade ausschließlich amerikansich. Allein etwas später bringen die trostlosen Eltern der Entführten heraus, daß der Räuber ihres Kindes zur Zeit der Heirat bereits vermählt war. Sie klagen, um von dem Bigamisten  folgende Vertheidigung zu hören: „Als ich Ihre Tochter heirathete, war ich, es ist allerdings wahr, mit einer Frau vermählt, die seitdem gestorben ist. Allein als ich diese geheirathet, war ich bereits früher mit einer anderen vermählt, die gleichfalls inzwischen gestorben ist. Meine zweite Ehe war also null und nichtig und begründete also keine Bigamie bezüglich Ihrer Tochter, und da keines meiner früheren Weiber mich überlebt, so kann überhaupt gar keine Verfolgung gegen mich stattfinden.“ Diese Argumente waren allerdings ganz amerikanisch. Auch hat sich das Tribunal von Chicago solche angeeignet.“

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Dok-Nr. 69: „Oldenburger Zeitung“ No. 184 vom 09.08.1864

Vermischtes.

Die Phantasie der amerikanischen Zeitungen scheint unter aller Kriegsnoth nicht gelitten zu haben. Also berichten sie: Ein nordstaatlicher Vaterlandsvertheidiger schlief in Eisenbahnwagen ein und ließ leider nach Yankeeart sein rechtes Bein zum Wagenfenster hinaushängen. Der Zug schoß unter einem Bogen durch und der Fuß wurde wie durch ein Rasiermesser abgeschnitten, flog zurück ins Fenster des nächsthinteren Coupé’s gerade auf den Schoß der dort sitzenden Braut des Verstümmelten. Beide waren sehr betäubt.

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Dok-Nr. 70: „Oldenburger Nachrichten“ No. 109  vom 13.12.1864

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Der Ex-General-Postmeister Blair verstieg sich kürzlich in einer im Westen gehaltenen Rede zu Gunsten Lincoln’s bis zu einer sentimentalen Hinweisung auf sein „edles Antlitz“. Dies veranlaßt den boshaften Anzeiger des Westens zu folgender Bemerkung: „Die Schönheit Lincoln’s! Das erinnert uns an eine Bemerkung eines Frankfurter Banquiers, der sich mit dem Verkauf von Vereinigten-Staaten-Papieren befaßt. Der gute Mann schrieb an einen hiesigen Geschäftsfreund, daß man in Frankfurt einen unzerstörbaren Glauben an die Gerechtigkeit der Sache des Nordens, seinen endlichen Sieg und seine Zahlungsfähigkeit habe. „Aber“, schrieb er, „um Gottes willen schickt uns keine photographischen Bildnisse eures Präsidenten mehr. Das Gesicht verdirbt Alles.“ Noch schlimmer urtheilte ein Pariser Witzblatt, das meinte, „gegen ein solches Gesicht sei jede Rebellion erlaubt.“

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Dok-Nr. 71: „Oldenburger Zeitung“ No. 126 vom 01.06.1865

Vermischtes.

* Die Amerikaner haben wenig Ursache über die Saumseligkeit ihrer Justiz zu klagen. Zu London, einem Städtchen an der westlichen Grenze Canadas, geräth ein eben aus dem Coupé aussteigender Passagier mit einem Bürger des Orts in Händel, es kommt zur Rauferei, ein Polizist faßt die beiden Friedensbrecher, schleppt sie vor das Tribunal des Polizeimeisters, der Richter hört Kläger, Verklagten und Zeugen an, fällt seinen Spruch, welcher beide Ruhestörer zu einem Dollar Strafe nebst Tragung der Kosten verurtheilt, entläßt sie nach geleisteter Zahlung ihres Wegs, der Passagier eilt nach der Station zurück und kommt noch zur rechten Zeit an, um mit demselben Zuge, der ihn zum Schauplatz des kleinen Intermezzo gebracht, seine Reise nach Sarnia fortzusetzen. Fünfzehn Minuten waren zwischen Ankunft und Abfahrt des Zuges verflossen!

* Ein californisches Blatt stellt in einer geschichtlichen Uebersicht der Production edler Metalle folgende Zahlen zusammen: Um das Jahr 14 nach Christi Geburt betrug die jährliche Production von Gold und Silber 5 Mill. Doll., im Jahre 1492 nur 260.000 Doll., im Jahre 1853 die höchste Summe von 285 Mill. D., im Jahre 1863 etwas weniger, 240 Mill. Doll. Den Werth des Goldes und Silbers, welches um das Jahr 14 vorhanden war, schätzt man auf 1327 Mill. Doll., im Jahre 1863 auf 10.652 Mill. Der Gesammtwerth des von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart aus dem Schooße der Erde geförderten Goldes und Silbers beläuft sich annähernd auf 21.272 Mill. Doll.

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Dok-Nr. 72: „Oldenburger Zeitung“ No. 282 vom 03.12.1865

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* Eine Zwangsheirath. Die Corr. des Et. unis berichtet die Heldenthaten einer heirathslustigen Jungfrau, die nur in dem freien Amerika möglich sind. Miß Jenny Addison nämlich galt als eins der schönsten Mädchen in Kentucky. Doch da sie kein Vermögen besaß, konnte sie beim besten Willen keinen Mann bekommen. Die Sucht, unter die Haube zu kommen, steigerte sich immer mehr, sie war bald nicht eine bloße Leidenschaft, sondern eine Monomanie. Wir wollen nun den Feldzugsplan mittheilen, den sie entwarf und ausführte, um zu dem zu sehr ersehnten Gatten zu gelangen. Sie liebte einen gewissen William Parker, einen reichen Grundbesitzer, und hatte es sich zugeschworen, derselbe sollte keine andere Frau als sie selbst heirathen dürfen. Seit fast 15 Monaten entfaltete Miß Jenny mit der größten Verschwendung ihr ganzes Arsenal von durchbohrenden Liebesblicken, halberstickten Seufzern und jenen andern Ausrufungen, welche die Locktöne der weiblichen Coquetterie bilden. Doch da sie sah, daß dies alles vergeblich war, gerieth sie plötzlich in Wuth und faßte einen verzweifelten Entschluß. Zwei Neger wurden zur Ausführung desselben gewonnen, und wenige Tage darauf schon wurde der unglückliche Parker, an Händen und Füßen gebunden, vor Miß Jenny gebracht. William – redete diese ihn an, indem sie einen Revolver gegen seine Brust richtete – ich liebe Dich, und habe einen Eid geleistet, Du sollst niemals einer Andern als mir angehören. Du wirst mich also auf der Stelle heirathen oder sterben. Du hast nur die Wahl zwischen meiner Hand und dem Tode. Das Mädchen sprach diese Worte mit einem so festen und entschlossenen Tone aus, daß William für sein Leben besorgt wurde und sich beeilte, diejenige der beiden Clauseln einzugehen, die am wenigsten gefährlich schien. Ein Geistlicher harrte bereits in einem angrenzenden Zimmer auf die Entwickelung dieses Auftritts. Er wurde nun herbeigerufen, trat ein und ertheilte den beiden jungen Leuten den ehelichen Segen. William glaubte hierauf frei zu sein und entschlüpfen zu können. Doch Miß Jenny, eine Frau, die ihren Kopf auf dem rechten Flecke hat, war auch darauf vorbereitet, es war an ein Entkommen für William nicht zu denken. Jenny hielt ihn fest und brachte ihn sogar dahin, daß er ihr Vollmacht ertheilte, seine Besitzungen zu verkaufen. Sie wußte bald Alles in schöne gewichtige Dollars umzusetzen und entführte William von Neuem. Dies Mal jedoch eigenhändig, indem sie sich mit ihm an Bord des Dampfers Ariel begab und mit ihm auf diesem Schiffe nach England abfuhr. Nach den neuesten Berichten ist nun dieses Ehepaar glücklich in Liverpool gelandet und, wie ein Passagier, der die Reise auf dem Ariel gleichfalls mitmachte, versicherte, schien das beste Einvernehmen zwischen den Beiden zu herrschen.

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Dok-Nr. 73: „Oldenburger Zeitung“ No. 122 vom 27.05.1868

Vermischtes.

* Amerikanischen Blättern zufolge ist in Rodaway in Missouri eine Whiskyquelle entdeckt worden. Die edle Flüssigkeit, welche zwischen zwei Felsblöcken hervorquillt, soll wie dunkler Cognac aussehen, aber wie reiner Whisky schmecken, auch dieselbe berauschende Wirkung haben. Verschiedene Aerzte, Rechtsgelehrte und Männer von der Presse, so fährt die (Humbug)-Notiz fort – machten sich auf den Weg, um von dem Vorfall Act zu nehmen, ein Regenschauer zwang sie indessen, zurückzukehren, wahrscheinlich, weil sie den Whisy pure, nicht mit Wasser vermischt, probiren wollten.

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Dok-Nr. 74: „Oldenburger Zeitung“ No. 95 vom 26.04.1869

Vermischtes.

* Der Salon-Keeper eines unserer Hotels ersten Ranges, schreibt der Courier von San Francisco, ging dieser Tage Abends die Washingtonstraße hinauf, als er sich plötzlich vor einem Individuum sah, welches mit unheimlicher Miene ihm ein gespanntes Pistol vor das Gesicht hielt und seine Börse verlangte. „Wenn Sie nur mein Geld wünschen“, versetzte der Andere, ohne zu erschrecken, „hier, da haben Sie es!“ und er schickte sich an, seine Taschen zu durchsuchen. Durch diese anscheinende Nachgiebigkeit in Sicherheit gewiegt, ließ der Dieb das Pistol sinken; aber in demselben Augenblicke sah er sich einem auf ihn angelegten formidablen Revolver gegenüber, den der Salon-Keeper aus seiner Tasche gezogen. „Eine verrätherische Bewegung, und Du bist hin!“ sagte der letztere. Hierauf fügte er in einem Tone, der alle Gegenrede ausschloß hinzu: „Nun ist es an Dir, Dein Geld!“ Miene und entschlossene Stimme seines Gegners gaben dem Diebe zu bedenken, daß er hier nicht zögern dürfe, wollte er seine Haut heil davontragen. Er fügte sich also und überreichte seinem Clienten die Summe von 37 Dollars, die dieser ruhig einsäckelte. Der Mondscheinrichter mußte denken, daß sein Geschäft anfinge, sich bei solcher Concurrenz zu verschlechtern. Sein energischer Gegner hingegen vertheilte am anderen Morgen den glücklichen Fund an verschiedene Wohlthätigkeitsanstalten.

* Aus Amerika hören wir fast täglich von der Entdeckung neuer Industriezweige; das aber irgend Jemand das Heirathen zum Gewerbe macht, ist doch etwas mehr als neu. Cunningham, welcher sich in Amerika den Ehrentitel „der Bigamist“ erworben hat (nicht indessen, weil er nur zweimal geheirathet hätte), ist der zarteren Hälfte des freien Volkes auf fünf Jahre unschädlich gemacht worden, nachdem er einer großen Anzahl heirathslustiger Damen seine Hand angetragen hatte und entweder kurz vor oder unmittelbar nach der Verheirathung mit allen greifbaren Gegenständen von Werth zu verschwinden wußte. Das Auffallende an der Sache ist nur, daß Cunningham so vielfach mit Erfolg operirt hat, obgleich er schon 53 Jahre alt ist und feuerrothes Haupt- und Barthaar hat. Er scheint indessen seines Spieles ganz gewiß zu sein, denn nach seiner Verurtheilung erbot er sich, für jeden Monat seiner Kerkerhaft ein anderes Frauenzimmer zu heirathen. Entweder muß er ein sehr liebeswürdiges Benehmen gehabt haben oder die amerikanischen Damen müssen sehr heirathslustig sein. Vielleicht Beides.

* Die Büffel, erzählen amerikanische Blätter, fanden ein neues Privatvergnügen auf der baumlosen Prairie. Sie benutzten die Telegraphenstangen, um die Haut daran zu reiben, was der Telegraphencompagnie gar vielen Schaden verursachte, denn die Drähte wurden meilenweit zerstört. Einem von der Gesellschaft kam plötzlich ein Gedanke zur Abhülfe. Man sandte nach St.Louis und Chicago und ließ sich alle Spikernägel senden, die man auftreiben konnte. Diese wurden nun von allen Seiten in die Stangen getrieben, so daß die scharfen Spitzen weit herausstanden, damit den Büffeln ihr Privatvergnügen verleidet würde. Aber niemals hat eine Compagnie sich mehr getäuscht gesehen, als die Prairie-Telegraphen-Gesellschaft. Die Spikernägel waren den Büffeln gerade recht, und es kitzelte sie ganz besonders, sich ihre dicke Haut davon aufritzen zu lassen. Von allen Seiten kamen sie herangelaufen und sie bekämpften sich förmlich mit ihren Hörnern, denn jeder wollte der erste an der Stange sein. In kurzer Zeit lagen sämmtliche Stangen und Drähte niedergebrochen, und die Telegraphengesellschaft hat seitdem keine neue Nachfrage nach Spikernägeln angestellt.

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Dok-Nr. 75: „Oldenburger Zeitung“ No. 265 vom 15.11.1873

Vermischtes.

- Aus einer am. Zeitung: In Fairplay, Colorado, spielten die Herren Graves und Walker kürzlich eine Partie „Poker“. Ein kleine Differenz entspann sich, wer die meisten Stiche habe, wobei Graves seine Behauptung durch Producierung eines sechsläufigen Revolvers unterstützte. Walker aber zog ein großes Bowiemesser, und der kleine Disput war bald zur Befriedigung der Zuschauer beendet. Im Spielteller befand sich Geld genug, um zwei hübsche Särge anzukaufen und am nächsten Tage nahmen beide Gentlemen, Seite an Seite, permanentes Quartier auf dem prachtvollen Friedhofe von Fairplay.

- Romantischer Styl. Ein amerikanischer Romantiker liefert folgende anschauliche Beschreibung eines zärtlichen Kusses. Es war Nacht, das liebeglühende Paar stahl sich aus dem bleichen Glanz des Mondes unter den Schatten der Linde. Als ihre Lippen sich berührten, gab es einen Laut, wie wenn eine Kuh ihren Hinterhuf aus dem Sumpfe herauszieht.

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Dok-Nr. 76: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 50 vom 28.04.1874

Correspondenzen und Notizen.

- Von wegen der Schwiegermutter. New-Yorker Blätter bringen ausführliche Berichte über einen jener Prozesse wegen Bruch des Eheversprechens, welche mit zu der englischen Erbschaft der Vereinigten Staaten gehören, und dort wie in Amerika regelmäßig Stoff zur Erheiterung geben. Es war in diesem Falle ein Fräulein Amalia Donnerschlag, welche gegen einen Herrn August Becker auf 200 Dollars Entschädigung wegen Nichterfüllung des Eheversprechens klagbar wurde. Der Verklagte gab die Richtigkeit der von der Klägerin gemachten Angabe zu, machte aber zu seiner Entschuldigung geltend, er habe 8 Monate im Hause der Mutter der Klägerin zugebracht und sich überzeugt, daß die Schwiegermutter in spe einen zu aufbrausenden Charakter besitze, als daß an eheliches Glück zu denken sei. Darauf entwickelte sich folgendes Zwiegespräch zwischen Richter und Verklagten. Richter: „Hatte Ihre zukünftige Schwiegermutter die Absicht angekündigt, nach der Heirath bei Ihnen zu wohnen, Ihnen die Haushaltung und Ihr Vermögen in Verwahr zu nehmen?“ Verklagter: „Ja wohl, Herr Richter!“ – Richter mit Theilnahme: „Fahren Sie fort, junger Mann.“ – Verklagter: „Ich liebte Fräulein Amalie sehr, allein ich brach das Verhältniß ab der Mutter wegen.“ – Richter: „Nun denn, mein junger Freund, würden Sie lieber der Klägerin 200 Dollars zahlen oder sie heirathen und mit Ihrer Schwiegermutter zusammenwohnen?“ – Verklagter (mit Nachdruck): „Die 200 Dollars bezahlen!“ Der Richter sprach nun das Urtheil in folgenden Worten: „Junger Mann, gestatten Sie mir, ihnen herzlich die Hand zu schütteln. Ich befand mich einst in derselben Lage wie Sie, Herr Becker, und hätte ich Ihre Charakterfestigkeit besessen, so wären mir 25 Jahre voll unendlichen Kummers und Aergers erspart geblieben. Ich hatte die Wahl, 150 Dollars Gold zu zahlen oder zu heirathen. Ich war arm und wählte das Letztere, und zeitlebens habe ich diese Wahl bereut. Es freut mich, einen Mann, wie Sie kennen zu lernen. Mein Urtheil ist, daß Sie freigesprochen sind, und daß die Klägerin eine Geldstrafe von 10 Dollars nebst den Kosten zu erlegen hat, weil sie versuchte, einen ehrlichen Mann unter das Joch einer Schwiegermutter zu bringen. Sie sind entlassen.“

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Dok-Nr. 77: „Oldenburger Zeitung“ No. 151 vom 02.07.1874

Vermischtes.

Amerikanisches.

- In einer Beschreibung von Arkansas heißt es: Hier ist das Land so fett, daß wir, wenn wir Lichter gießen wollen, den Docht nur in Pfützen tauchen – es brennt eben so gut. Bei uns ist Alles großartig. Die Mosquitos fliegen in den heißen Sommertagen so dick, daß sie schwitzen, durch den Schweiß zusammenkleben und klumpenweise aus der Luft fallen.

- Um die Leichtfertigkeit der amerikanischen Eheschließungen zu carriciren, erzählt eine Newyorker Zeitung, daß unmittelbar nach der Trauung eine Braut während der Fahrt zum Hochzeitsschmause ihren Bräutigam selig lächelnd gefragt habe: „Sag‘ mal, wie heißt du doch gleich?“ Die Herrschaften hatten sich nämlich an demselben Morgen kennen gelernt und bei den Vorbereitungen zum Hochzeitsschmause nicht Zeit gehabt, sich mit unnützen Fragen aufzuhalten.

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Dok-Nr. 78: „Oldenburger Zeitung“ No. 280 vom 02.12.1874

Vermischtes.

Bei einer Hinrichtung, welche kürzlich in einer Stadt von Washington Territorium stattgefunden, hatte der arme Sünder bereits seine letzte Rede gehalten und der Sheriff bereitete sich gerade vor, ihn den verhängnisvollen Sprung ins Jenseits machen zu lassen, als ein Häuseragent sich durch die das Schaffot umgebende Menge drängte und sich höflich vor dem Delinquenten und dem Sheriff verbeugend um die Erlaubniß bat, auf einige Augenblicke das Schaffot besteigen zu dürfen, weil er einige Bemerkungen über die billigen Bauplätze, die er in der Stadt zu verkaufen habe, machen möchte. Da der Sheriff selbst Besitzer mehrerer Baustellen war, zögerte er nicht, die Erlaubniß zu ertheilen, worauf der Agent in längerer Rede alle Vortheile der von ihm zu verkaufenden Bauplätze herausstrich. Außerordentlich gerührt wurden die Anwesenden durch einige Bemerkungen des Agenten, in welchen er sein Bedauern ausdrückte, daß ihr in wenigen Minuten per Strick in das bessere Jenseits zu expedirender Mitbürger durch Verhältnisse, die außerhalb seiner Macht lägen, verhindert wäre, von der rapiden Steigerung des Grundeigenthums noch bei Lebzeiten Vortheil zu ziehen. Nachdem der Agent seine Rede beendet hatte, vollendete der Henker sein Werk.

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Dok-Nr. 79: „Oldenburger Zeitung“ No. 102 vom 04.05.1875

Vermischtes.

* Newyork. Eine neue Art Manie hat in der letzten Zeit in den Vereinigten Staaten um sich gegriffen, die Buchstabirmanie, „spelling bee“ wie sie dort genannt wird. Dieselbe besteht in einem Wettkampf, schwierige Worte der englischen Sprache richtig niederzuschreiben. Wie das New-Yorker Belletristische Journal meldet, ist dies Fieber auf seinem Rundgange durch das Land jetzt auch in die Bundeshauptstadt und sogar in Regierungskreise eingedrungen. Einem derartigen in Washington abgehaltenen Wettkampfe präsidirte der Staatssecretär Delano, während verschiedene andere hohe Beamte als Beisitzer und Schiedsrichter fungirten. Als Wettkämpfer traten auf der einen Seite grammatikalische Amateurs, Berichterstatter, Lehrer, Schriftsetzer und Correktoren, d.h. Leute auf, in deren specielle Geschäftsbranche die Rechtschreibung schlägt – auf der andern Knaben und Mädchen aus einer der höheren Schulen. Eine Schülerin trug den Preis, bestehend in einer goldenen Medaille, davon, nachdem sie den letzten Konkurrenten, einen jungen Lehrling aus einer der Regierungs-Druckereien, welcher bis dahin alle „niederbuchstabirt“, mit dem Worte „meretricious“, das er verfehlte, aus dem Felde geschlagen. Da hätten wir es also wieder einmal mit einer ächt amerikanischen Erfindung zu thun. Man denke sich eine solche Buchstabir-Unterhaltung in Berlin, unter dem Präsidium des Ministers Falk und unter Betheiligung hochstehender preußischer Beamten!

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Dok-Nr. 80: „Oldenburger Zeitung“ No. 169 vom 23.07.1875

Vermischtes.

* In Betreff ausländischer Geographie und Geschichte sind die Redacteure amerikanischer Skandalblätter eben so unwissend wie die Franzosen. Der „Herald“ gab seinen Lesern z.B. im Jahre 1866 einen Begriff, warum der Krieg zwischen Süddeutschland und Oesterreich gegen Norddeutschland, resp. Preußen ausgebrochen war. Nach dem Herald war Baiern der Apfel des Zwistes. „Baiern, eigentlich ein französisch bevölkertes Land, die Heimath der Franken und Bavaren, wollte sich vom deutschen Joch losreißen, um mit dem Mutterland Frank(en)reich sich zu verbinden. Frankreichs Hände waren aber durch den Kriegszug nach Mexiko gebunden, es konnte sich daher der „kämpfenden Brüder“ nicht annehmen. Deshalb zog aus Sympathie und Gerechtigkeitsgefühl, das alte, stolze Oesterreich sein Schwert für Baiern’s „Unabhängigkeit.“ – Ein anderes Mal raisonnirte ein Correspondent desselben Blattes aus Wien schreibend, über die stupide Ignoranz der Bewohner Deutschlands, welche die Namen ihrer eigenen Städte nicht ein Mal zu schreiben wüßten. Sie sagten: Aachen, Köln, München Wien, - statt Aix la Chapelle, Cologne, Munic, Vienne! – Wörtlich! – Noch ein Bild! – Im September 1866 brachte das Providence Journal eine kurze Notiz über die große Kanonenfabrik Krupp’s in Essen. Dabei schlich sich aber ein fataler Druckfehler ein, der wohl dem Zufall seine Entstehung verdankte, daß der Redacteur noch nie von Essen gehört hatte, also konnte es auch gar nicht existiren; diese Fabrik mußte also in Essex sein, und wurde denn auch als großes englisches Unternehmen besprochen.

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II.2. Von der Kolonie zur Weltmacht - transatlantische Beziehungen


Dok-Nr. 81: „Oldenburgische Zeitung“ No. 42 vom 23.09.1814

London, den 9.September. Eines unsrer Blätter drückt sich bey Gelegenheit der Nachricht, daß ein Transport von Truppen nach Amerika abzugehen im Begriff ist, folgedermaaßen aus: „Unser Streit mit amerika ist ein unbedeutender Gegenstand in Vergleich mit den Angelegenheiten, die noch in Europa zu entscheiden sind. So lange Frankreich nicht die Abtretung Brabants an Holland anerkannt hat, oder an den adern großen, in Wien auszugleichenden Einrichtungen nicht Theil nimmt, ist es Pflicht, die Bewegungen Frankreichs zu beobachten, und keine Truppen zu anderweitigem Gebrauche anzuwenden. Vermuthlich ist dies auch die Ursache, weshalb die Expedition des Lord Hill, welcher im Begriff war, mit Truppen nach Amerika zu segeln, noch zurückgehalten wird. Wir hoffen, sie werde nicht absegeln, so lange noch eine Wolke am politischen Horizonte sich blicken läßt, welche mit Ungewitter drohen könnte.“

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Dok-Nr. 82: „Oldenburgische Zeitung“ No. 34 vom 26.04.1819

[Extraspalte] Der Handel der Nordamerikaner nach China wird von den Chinesen auf alle mögliche Weise begünstigt, während sie dem Englischen Handel alle mögliche Hindernisse in den Weg legen, da sie die stets zunehmende Macht der Engländer an ihren Gränzen fürchten. Vor 20 Jahren hatte der Amerikanische Handel nach China fast gar nicht begonnen, und nun machen die jährlichen Schiffsladungen 12000 Tonnen aus. Der Unterschied ist im Ganzen 25 Procent zum Vortheil von Amerika, und für einige Theesorten 70 Procent; der Zoll auf diesen Artikel ist in Großbrittannien 96 Procent, in Amerika nur ¼ Dollar. Der Amerikanische Kaufmann kann daher das Pfund fast sechsmal wohlfeiler verkaufen, als der Englische, aus welchem Grunde auch eine große Quantität Thee jährlich in England aus Nordamerika ankommt, wo, wie man berechnet, jährlich für 5 Mill. Pf. St. Thee eingeführt wird. Dieser vortheilhafte Handel nach China ist ein Hauptgrund, aus dem es so wichtig für die Nordamerikanischen Freystaaten ist, Etablissements an der Nordwestküste von Amerika zu errichten, da der Ueberfluß dieser Küsten an Pelzwerk eine so leicht abzusetzende und für den Chinesischen Handel vortheilhafte Waare abgiebt. (Polit. Journal, März, 1819. S.194)

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Dok-Nr. 83: „Oldenburgische Blätter“ No. 4 vom 23.01.1827

Ueber die künftigen Verhältnisse von Europa und Amerika.

(Aus einer Schrift des Herrn von Humboldt.)

Noch übersteigt die Bevölkerung des Americanischen Festlandes die von Frankreich oder Deutschland nur wenig. In den vereinigten Staaten verdoppelt sie sich in 23 bis 25 Jahren; in Mexico hat sie sich, sogar unter der Herrschaft des Mutterlandes, in 40 bis 45 Jahren verdoppelt. Ohne eitlen Hoffnungen für die Zukunft Raum zu geben, läßt sich annehmen, daß anderthalb Jahrhunderte verfließen werden, bevor die americanische Bevölkerung die von Europa erreicht hat. Dieser edle Eifer in Gesittung, (Civilisation) Kunstfleiß und Handelsverkehr wird aber, weit entfernt – wie vielfältig prophezeit worden ist – die Verarmung des alten Festlandes zum Vortheil des neuen herbeyzuführen, vielmehr den Verbrauchsbedarf, die Masse der productiven Arbeit und die Thätigkeit des Tauschverkehrs steigern. Freylich muß, nach großen Umwälzungen der menschlichen Gesellschaften, das Staatsvermögen, welches ein Gemeingut der Gesittung ist, zwischen den Völkerschaften beyder Halbkugeln sich ungleich vertheilt finden; allein nach und nach stellt das Gleichgewicht sich her, und es wäre ein verderbliches, ich mögte beynahe sagen gottloses Vorurtheil, im zunehmenden Wohlstande irgend einer anderer Gegend unsers Planeten den Untergang oder das Verderben des alten Europa erblicken zu wollen. Die Unabhängigkeit der Colonien wird keinesweges ihre Trennung und Absonderung befördern, sondern vielmehr sie den Völkern früherer Gesittung annähern. Der Handelsverkehr strebt dasjenige zu vereinbaren, was eine eifersüchtige Staatskunst lange getrennt hielt. Und mehr noch: es liegt in der Natur der Gesittung, daß sie vorwärts schreitet, ohne darum da zu erlöschen, wo sie zuerst entstanden war. [...]

Die Verwilderung und Versunkenheit der Völker ist eine Folge erlittener Bedrückung, sey es nur, daß einheimischer Despotismus oder ein fremder Eroberer dieselbe ausübt; der Despotismus ist allezeit von fortschreitender Verarmung  und Abnahme des öffentlichen Wohlstandes begleitet. Alle entsprechende Staatseinrichtungen wenden diese Gefahren ab; und die wachsende Gesittung der Welt, die Concurrenz von Arbeit und Tauschverkehr richten diejenigen Staaten nicht zu Grunde, deren Wohlstande aus natürlicher Quelle herfließt. [...] Der Atlantische Ocean stellt sich uns in Gestalt eines schmalen Canals dar, welcher die europäischen Handelsstaaten von der neuen Welt nicht weiter entfernt, als in der Kindheit der Schifffahrtskunde das Wasserbecken von Mittelmeere die Griechen des Peloponnes von den Bewohnern Joniens, Siciliens, Cyrenea’s entfernt hielt.“

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Dok-Nr. 84: „Oldenburgische Zeitung“ No. 11 vom 06.02.1846

Ausland.

London, 24. Jan. (B.Z.) Wie sehr die englische Regierung bemüht ist, die Streitfrage mit den Vereinigten Staaten zu einer friedlichen Lösung zu bringen, geht nicht nur aus der Thronrede und den ihr entsprechenden Erklärungen Sir R.Peels in der gestrigen Unterhaussitzung hervor, sondern auch aus dem sichtbaren Bestreben, die gegenwärtigen Rüstungen und die Vermehrung des Flotte- und Kriegsbudgets als ganz unabhängig von der Oregonfrage darzustellen.

[...]

Die letzten Nachrichten aus den Ver.Staaten haben hier einen ungünstigen Eindruck gemacht und man sieht deßhalb weiteren Rüstungen der Regierung entgegen. Wie es heißt, wird das englische Heer um 14.000 Mann vermehrt werden.

[...]

Nordamerika. Der Herausgeber eines Blattes im Westen giebt zwei sehr triftige Gründe für die Besitznahme des Oregongebiets: 1) Wir brauchens. 2) Wir müssen’s haben. – Diese Gründe sind ohne Zweifel gut genug, so weit sie gehen; aber es giebt noch zwei viel bessere: 1) Es ist unser und 2) Wir denken’s zu behalten! – Was will Metternich gegen solche Politik einwenden?

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Dok-Nr. 85: „Neue Blätter für Stadt und Land“ No. 69 vom 28.08.1847

[Leitartikel] Wie sich die Dinge und die Ansichten ändern!

Wer heute die Möglichkeit, die Leichtigkeit einer Dampfschiffverbindung zwischen Deutschland und Amerika nur noch bekritteln wollte – vom bezweifeln kann ja gar keine Rede mehr sein – der Washington [damals größtes und schnellstes Dampfschiff der Welt] schlägt jeden Versuch nieder —, den würde man für einen Thoren, für einen beschränkten Kopf erklären. Aber vor zehn Jahren – wie lautete es da! Gelehrte Leute, angesehene Autoritäten bewiesen euch mit mathematischen Exempeln und algebraischen Formeln, eine Dampfschifffahrt zwischen Amerika und Europa sei geradezu unmöglich! – sie schrieen laut: es sei ein Unsinn nur daran zu denken! Und das wurde in dem praktischen seefahrtbewegten England geschrieen! – Ist es dann ein Wunder, wenn bei uns, die wir gegen England so weit zurückstehen, sich so viele ängstliche Gemüther finden, die alles Neue für unmöglich halten – eben weil es noch nicht da gewesen? – Um diesen Aengstlichen zu demonstriren, wie ihre Weisheit leerer Wind sei, ist es nützlich, ihnen die Blicke mitunter zurück zu wenden, damit sie sehen, vor welchen Gespenstern sie in die Ecken gekrochen sind, und daß jene Gespenster nur die Nebel ihrer blöden Augen waren.

Im Winter von 1836 auf 1837 waren starke Westwinde so vorherrschend und lange dauernd, daß alle englischen Packet-Schiffe verzögert wurden, in New-York fehlten achtzehn Posten aus England. Endlich kam im Februar das Schiff Diamand an, nach einer Fahrt von hundert Tagen zwischen Liverpool und New-York. Von 180 Passagieren waren 17 Hungers gestorben; Kartoffelnschaalen in Wasser gekocht, hatten wochenlang den Zwischendeckpassagieren zur einzigen Nahrung gedient; die Pinte Mehl wurde mit einem halben Sovereign, und am vorletzten Tage eine gebratene Kartoffel sogar mit einem ganzen Goldstück bezahlt. – Seitdem ist man, im Winter vorsichtiger mit Verproviantirung der Segelschiffe. – Wie oft die gänzliche Unterbrechung des Verkehrs durch Wind und Wetter dem Handel harte Schläge versetzt hat, ist bekannt.

Man dachte also auf Beschleunigung. Unternehmende Handelsleute brachten die Errichtung einer Dampfschifffahrts-Linie in Vorschlag. Da docirten die Männer der Wissenschaft, die Theoretiker und Doctrinairs: Dampfschifffahrt auf dem Ocean, von einem Continent zum anderen sei unmöglich! und alles daran verwendete Geld geradezu in die See geworfen! Einige Kaufleute in Bristol ließen sich durch die gelehrten Zöpfe nicht irre machen und beschlossen einen Dampfer übers Meer zu senden. […] Man befrachtete es, und sieben Passagiers waren so kühn, am 8.April 1838 damit abzufahren. – Kaum war der Great Western drei Tage in See, da hatte er schon ein braves Packetschiff eingeholt, welches sieben Tage vor ihm aus Liverpool abgesegelt war. Seine Maschinen hatten fünfzehn Tage und zehn Stunden gearbeitet, da ließ er seine Anker im Hafen von New-York fallen. Er hatte noch reichlichen Kohlenvorrath an Bord. – Drei Tage vor ihnen hatte ein anderes Dampfschiff, Der Sirius, welcher früher zwischen London und Cork fuhr, ebenfalls seine erste Reise nach New-York angetreten, und war am nämlichen Tage, den 23.April, angekommen. Der Jubel über diese beiden ersten Dampfboten, die wenige Stunden nach einander Zeugniß brachten vom Anheben eines neuen unermeßlichen Umschwungs in den europäisch-amerikanischen Gegenseitigkeitsbeziehungen – war damals verhältnismäßig in New-York (einer Stadt von 400.000 Einwohnern) so groß, wie an der Weser die Freude über den Washington.

[…] Jetzt wurden die Gelehrten mit ihren Weisheitssprüchen und Unmöglichkeitsbeweisen unbarmherzig verhöhnt. Ihre letzte Zuflucht blieb die ewige Replik aller Aengstenberger und Klugseher: „o die eine Reise beweiset nichts! – das war ein Glückstreffer! ihr werdet schon sehen!“ Und dazu die Achseln gezuckt und Weisheitsblicke um sich her gestrahlt. – Aber der Great-Western machte vom 8.April 1838 bis 23.Nov. 1844 nicht weniger als siebenzig Fahrten, legte auf denselben 256.000 Seemeilen zurück, und zwar durchschnittlich 10 Meilen in der Stunde. Er hatte 5774 Passagiers hin und hergeführt, und als man ihn nach sechsjährigem Dienst einer genauen Untersuchung unterzog, fanden die Ingenieurs an Bord alles noch so fest und gut wie am ersten Tage.

Auch der Sirius kam glücklich heim. Auf ihn folgte der Royal William, und schon im Jahr 1838 bildete sich eine „British- and American-Steam-Navigation-Company“.- […]

(Der Beschluß folgt.)

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Dok-Nr. 85a: „Neue Blätter für Stadt und Land“ No. 70 vom 01.09.1847

 Wie sich die Dinge und die Ansichten ändern!

(Beschluß)

Es ist wohl kaum mehr zu bezweifeln, daß der Präsident (April 1841 von New-York nach Liverpool mit 30 Passagiers abgegangen) mit Mann und Maus gescheitert. – Manche Vermuthungen glaubten ihn zwischen Treibeis gerathen und erdrückt. Die Sachverständigen meinen, es werde aus einander gebrochen sein. Das nämliche ward der British Queen prophezeit, weil auch sie so lang und „rank“ construirt gewesen, daß ihr auf hoher See, das Schiff mit der schweren Maschine oft auf zwei Wellen stehend, die Katastrophe fast nicht fehlen konnte, wovon der Schiffer sagt: „hat den Rücken gebrochen.“

Inzwischen bildete sich in Liverpool eine dritte Gesellschaft: die Transatlantic Steam-Navigation-Company, welche jetzt den Dienst zwischen Liverpool und den Nord-Amerikanischen Häfen versehen läßt. Den Sommer 1845 hatte sie fünf Schiffe: […] Durch sie läßt die englische Regierung ihre Posten nach den vereinigten Staaten und Canada besorgen, wofür sie jährlich 80.000 £. zahlt. Die Schiffe fahren von Anfang April bis Ende November monatlich zweimal, in den vier Wintermonaten einmal; sie haben immer glückliche Fahrten gemacht; nur der Caledonia ist im Mai 1842 und Juli 1843 einiges Misgeschick zugestoßen.

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Diese Notizen, welche ich aus einer längst vergessenen Zeitung (was ist denn jetzt nach drei Jahren nicht vergessen!) ausgegraben, schließen mit der Bemerkung: „Den Vortheil dieser Verbindung beider Erdhälften hat bis jetzt (1845) hauptsächlich England gehabt; Frankreich hat bis jetzt noch eben so wenig eine Dampfschifffahrt-Linie nach Amerika eingerichtet, wie Deutschland. Und doch dürfen namentlich wir Deutschen, die wir einen so lebhaften Verkehr mit den Vereinigten Staaten unterhalten, nicht zurückbleiben. Welchem unsrer Häfen wird die Ehre gebühren, den ersten transatlantischen Dampfer Sein zu nennen?“

Bremen hat darauf die stolze Antwort: Mir gebührt diese Ehre! Und alle ihr Kleingläubigen und Achselzucker, sehet hin und schämt euch eurer Blindheit und eures Zweifelns! – […] – Werden Hamburg, Holland, Belgien ganz still sitzen bleiben? Wird Emden, welches seinen Hafen ausbauet und einer Eisenbahn entgegen sieht, sich nicht rühren? Sie können nicht sitzen bleiben, sie dürfen nicht; sie müssen vorwärts. – Die Achselzucker schreien: es ist Tollheit! Wo sollen die Passagiers her kommen?! […] – O ihr Kleingläubigen, sehet ihr denn nicht, daß wir uns schon in den ersten Perioden einer durchaus weltumwandelnden großen allgemeinen Völkerwanderung befinden? Nimmt das Übersiedeln nach Amerika trotz alles Geschreis, trotz aller Hindernisse, trotz aller Beschwerden und aller Spitzbübereien und Bedrängung von Seiten mancher Rheder und Ueberfahrt-Compagnien – nimmt es nicht täglich zu? Sehet doch nach Mitteldeutschland, nach Süddeutschland hin – werden die Leute nicht förmlich zum Lande hinaus gedrängt? Der Zug ist jetzt einmal da, er wächst mit jedem Jahre, er wächst in den überraschendsten Verhältnissen! In diesem Jahre sind vom 1.April bis 26.Juni schon in New-York 74.000 Einwanderer angekommen. Und es ist ja ein Glück, daß die Leute welche nicht bleiben wollen, nicht bleiben können, dort Platz, Luft, Freiheit, Boden finden! – „Ja, das wird aber auch nicht lange mehr dauern!“ – O, fürs erste hat Nordamerika noch Raum genug! Das Gebiet der Nordamerikanischen Freistaaten umfaßt (ohne Texas) 100.000 Quadratmeilen, ist also zehnmal so groß als Frankreich, und hat bis jetzt nur 20 Millionen Einwohner, also 14 Millionen weniger als Frankreich. Nach diesem Verhältniß könnte Nord-Amerika also über 300 Millionen auf seiner weiten Oberfläche ansiedeln. Bis es die hat, können Deutschland, Schottland und Irland (das sind ja die von ihren Zuständen zum Auswandern hingewiesenen Länder) noch immer hunderttausende auf hunderttausende dahin absetzen. Es wird noch immer nicht zu voll. Mexiko mit 70.000 M. (also siebenmal so groß als Frankreich) hat nur 8 Millionen Einwohner. Wenn auch von Mexiko nur die Hälfte zur Ansiedelung geschickt sein mag, sind auch dort noch Millionen Menschen zu verbreiten. Ferner: Brasilien 110.000 Meilen mit 7 Millionen Einwohnern. – „Ja! mein Himmel! Wer will denn aber dorthin ziehen? In diese Urwälder? Zu Wilden und Botokuden?“ – Wer will? Danach fragt sich es nicht, davon handelt sich es nicht! die Leute werden schon hin müssen, wenn die Zeit dazu gekommen ist! Und eben dadurch, daß sie hin müssen und hin gehen, werden ja die Urwälder gelichtet, die Wilden zurückgedrängt, die Civilisation dringt ein, rückt vor, gewinnt Boden. – Die Botokuden müssen eben aufhören. Wie ist es denn in Nord-Amerika den Roth-Häuten ergangen? Sie werden immer weiter nach Westen gedrängt, und nach ein paar Jahrhunderten wird nur noch die Erinnerung von ihnen da sein, fabelhaft, ein Mährchen aus weit, weit entlegenen Urzeiten. – Daß darauf viele Jahre hingehen, daß dabei tausende zu Grunde gehen, ist nur eine nothwendige Folge von der allgemeine Nothwendigkeit der Dinge. Allerdings traurig genug für die, welche davon betroffen und vernichtet werden. – Aber doch nur einzelne Splitter hie und dorthin stäubend im Umschwung des großen Riesen-Rades. Was ist daran gelegen? Wer fragt nach hundert Jahren wohl, wie wir gelebt und wie wir uns gequält, womit wir uns gebrüstet und groß gedünkt haben? – So ein kleines Menschenleben, stellt es so hoch hinauf, und putzt es so bunt heraus wie ihr wollt, ist und bleibt ja ein Spott, ein Hauch, ein Nichts, im Vergleich mit dem Leben der Nationen, mit dem Fortschreiten und Entwickeln des Menschengeschlechts. Drum nur immer vorwärts und über See hinaus! Unser alter Göthe behält, bekommt immer mehr Recht mit seinem geistreich kräftigen Spruch:

            Bleibe nicht am Boden heften,

Frisch gewagt und frisch hinaus!

Kopf und Arm mit heitern Kräften,

Ueberall sind sie zu Haus.

Wo wir uns der Sonne freuen,

Sind wir jede Sorge los.

Daß wir uns in ihr zerstreuen,

Darum ist die Welt  so groß.

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Dok-Nr. 86: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 88 vom 21.10.1853

Zur Koßta-Angelegenheit.

Oesterreich, dessen Consul und dessen Zeitungen beim Beginn des Streites nicht eifrig genug behaupten konnten, daß Koßta ein Oesterreicher sei und bleibe, und deshalb von dem österreichischen Consulat in der Türkei gefangen genommen werden dürfe, hat jetzt nachgegeben und der Befehl der österreichischen Regierung ist bereits an ihren eifervollen Consul in Smyrna ergangen, Koßta aus dem französischen Gewahrsam zu entlassen und dem amerikanischen Consul daselbst zu übergeben. Dieser Befehl aber hatte den Zusatz, daß Koßta sich nicht in der Türkei aufhalten solle, sondern verpflichtet werde, mit dem ersten Schiff nach Amerika zu segeln. – Der amerikanische Consul in Smyrna hält es indessen für eine Verletzung der Ehre Amerika’s, sich dieser Bedingung zu fügen. Er hat die Annahme Koßta’s unter solchen Bedingungen verweigert, bis er aus Amerika selber den Befehl hierzu erhalten werde und auf seinen Einfluß hin hat sich Koßta nicht nur geweigert, die Freiheit unter solchen Bedingungen anzunehmen, sondern erklärt, bis zum Austrag der Sache in französischem Gewahrsam bleiben zu wollen.

[…]

Inzwischen ist jedoch ein Actenstück der amerikanischen Regierung über die ursprüngliche Gefangennehmung Coßta’s auf türkischem Gebiet erschienen, welches die ganze Angelegenheit auf einen ganz andern Boden hin verlegt, nämlich daß die Gefangennehmung Coßta’s nicht bloß als einen Eingriff in die Rechte Amerika’s, sondern auch als eine Verletzung der türkischen Regierung bezeichnet. Jetzt, wo die amerikanische Staatsschrift die Sache so auffaßt, erlangt der Streit deshalb die größte Wichtigkeit, weil sich Amerika hier zum Erstenmal als Schützer der Rechte des Sultans aufwirft. –

[…] Der Capitän Ingraham, der das österreichische Schiff zu beschießen drohte, wenn Coßta nicht freigelassen würde, habe daher eine That der Menschlichkeit begangen, indem er die Freilassung eines Menschen erzwang, der wider das Völkerrecht gefangen genommen wurde. – Dies ist der wesentliche Geist der amerikanischen Staatsschrift!

[…]

Mit Recht wird man sich fragen: Was sagt denn die Türkei hiezu? Nimmt sie den neuen Schutzpatron gutwillig an? Hierauf antworten wir Folgendes:

Es ist nicht wahrscheinlich, das man in Amerika so unpraktisch zu Werke geht, sich eine Schützerrolle zuzuschreiben, wenn man sich nicht gewiß hält, daß die Türkei damit einverstanden ist. – Die Türkei ist ferner nicht in der Lage solch einen Schützer zurückzuweisen; im Gegentheil wird sie ihn mit Freuden aufnehmen. – Endlich würde Oesterreich nicht friedfertig und so außerordentlich eilig friedfertig sein, wenn die Angelegenheit nicht einen tieferen Hintergrund hätte.

Aus all‘ dem geht mit Entschiedenheit die Ueberzeugung hervor:

Wenn die orientalische Frage einen europäischen Krieg entzünden sollte, so wird dieser der Moment sein, wo Amerika beginnt eine Rolle in der alten Welt zu spielen.

(B.Z.)

[vgl. auch Dok-Nr. 107: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 57 vom 10.08.1853: Gedanken über die Angelegenheit des Ungarn Koßta.]

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Dok-Nr. 87: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 101 vom 23.08.1854

[Leitartikel] Der Vergrößerungstrieb der nordamerikanischen Union.

Kaum hat der Präsident der Vereinigten Staaten eine Botschaft über die Cuba-Frage ergehen lassen, aus der erhellt, daß er der Einverleibung Cubas in die nordamerikanische Union nicht abgeneigt ist, so erhebt sich auch in sonst nicht reaktionären Zeitungen ein gewaltiges Geschrei über die Ländergier der Nordamerikaner. Wenn die Times darüber lärmt, so wundert man sich nicht, man weiß nur zu gut, woher der Aerger kommt und diese Eifersucht ist sehr natürlich, aber in der Kölnischen Zeitung lesen wir mit einer gewissen Verwunderung: „Diese Riesenschlangen-Gier der Nordamerikaner hat als solche etwas Scheußliches“. Wir können das nicht finden.

Wenn wir die Sache ganz allgemein auffassen und von dem vorliegenden Falle so wie von Amerika überhaupt absehen, so scheint es, als wenn das Naturgesetz von der Anziehungskraft, welche die größern Körper auf die kleinen ausüben, auch für die Staatenverhältnisse seine Geltung habe. Die Erscheinung, daß große Staaten weiter um sich greifen und die ringsum liegenden kleineren sich einverleiben, bis sie bei übermäßiger Größe wieder zerfallen, ist so alt als die Geschichte, und so ist die Sache an und für sich nicht zu verwundern. Vergleichen wir aber den vorliegenden Fall mit ähnlichen Erscheinungen der frühern und jetzigen Zeit, so stellt sich die Sache nicht nur als ganz natürlich, sondern auch in einem ganz besonders günstigen Lichte dar.

Die meisten derartigen Vergrößerungen und Eroberungen rührten von der Herrschsucht oder Ruhmgier einzelner hervorragender Männer her, die ihre Namen mit dem Blute ihrer Völker in das Gedenkbuch der Geschichte schrieben, nicht das Wohl des eignen noch das der bekriegten Völker war irgend maßgebend und häufig brachte der besiegte Staat erst dem Sieger Cultur und Bildung. Auch ruhm- und geldgierige Republiken haben ein ähnliches Bild dargeboten, die römischen Patrizier verpraßten die Schätze der unterjochten Provinzen; und der unersättlichste Staat der neuesten Zeit verschlingt die Völker planmäßig, um sie in dem großen Colosse in orientalischer Knechtschaft zu halten.

Wie ganz anders steht die Sache bei den amerikanischen Freistaaten! Die Kölnische Zeitung selbst muß dem obigen Satze sofort hinzufügen: „Freilich ist ihr Verschlingen kein Vernichten, sondern ein gewaltsames Hineinreißen des Starren in die moderne Weltbewegung.“ Und noch mehr, sie muß der amerikanischen Entwickelung und ihrer Bedeutung für die Menschheit das glänzendste Zeugniß geben, indem sie sagt:

„Nicht von der französischen Revolution hebt die neue Zeit an. Wahrhaft epochemachend, weil keine bloß negative, sonern eine positive That ist die Entdeckung von Amerika, ist die Gründung der nordamerikanischen Union. Der 4.Juli 1776 ist der Geburtstag eines neuen politischen Gleichgewichts auf der Erdkugel. Erst ein Menschenalter ist seitdem verflossen, doch jede Jahresfeier der Unabhängigkeits-Erklärung der Vereinigten Staaten lieferte Belege von dem riesigen Aufschwung, mit welchem diese jüngste Weltmacht der Lösung ihrer immensen Mission entgegenstürmt. Als jene entschlossenen Männer das Sternenbanner mit kühner Hand erhoben, zählte die Union nur 13 Staaten mit 3 Millionen Seelen; heute, nach erst 78 Jahren, zählt sie 31 Staaten mit 25 Millionen Seelen. Ihre Geldquellen, jetzt unermeßlich, waren schwach; ihr Handel und ihre Industrie, gegenwärtig so kolossal, lagen noch in den Windeln. Städte entstanden und wuchsen wie durch Zauberhand; wo heute Urwälder starrten, zeigte das nächste Jahr oft schon Welt-Emporien; Berge wurden durchstochen, Flüsse geregelt und Netze von Canälen und Eisenbahnen gezogen; - Alles wie im Fluge, Alles, um die andere Hemisphäre zu überholen.“

[…]

Und wenn wir dieses Umsichgreifen der nordamerikanischen Freistaaten gewissermaßen vom physischen Standpunkte für natürlich erkennen, so wird es bei dieser Sachlage auch vom moralischen Standpunkte aus gerechtfertigt, wofür man uns auch ein Wort Göthe‘s anführen lasse: „Der Mensch hat gar eine eigene Lust Proselyten zu machen, dasjenige was er an sich schätzt, auch außer sich in Andern zur Erscheinung zu bringen, sie genießen zu lassen, was er selbst genießt und sich in ihnen wiederzufinden und darzustellen. Fürwahr, wenn dies auch Egoismus ist, so ist er der liebenswürdigste und lobenswürdigste, derjenige, der uns zu Menschen macht und uns als Menschen erhält.“

Zu allem dem kommt, daß Cuba doch seiner Lage nach sicherlich weit eher zur Union als zu Spanien gehört und sich gewiß bei jener besser befinden, einen höhern Aufschwung nehmen wird, als bei diesem, das jetzt selbst erst damit zu thun hat, seine Fesseln zu sprengen. Warum also, fragen wir, soll nicht auch Cuba glücklich werden?

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Dok-Nr. 88: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 71 vom 04.09.1858

Newyork, Aug. 18. Es herrscht hier ein wahrer Freudentaumel in Folge der glücklichen Legung des atlantischen Telegraphen. In den Straßen erblickte man gestern eine Menge Transparente. Aus der Zahl derselben heben wir folgende Inschriften hervor: „Verbindung Englands und Amerika’s; der Trauring das atlantische Kabeltau.“ – „England und Amerika durch den Telegraphen vermählt.“ – Electricität: Gefangen von Franklin, von Morse in Geschirr gespannt, von Field über das Weltmeer geführt.“ – „Getraut durch Cyrus W. Field im August 1858 Alt-Irland und Miß Jung-Amerika. Mögen ihre Flitterwochen ewig dauern!“ – „Liberté, Egalité, Fraternité; allgemeine Republik.“ – „Victoria, Buchanan, Niagara, Agamemnon.“ – „Der Blitz ward von Franklin gefangen und gezähmt. Morse lehrte ihn lesen und schreiben und schickte ihn auf Botengänge aus. Ein Geschäft etablirten für ihn Field, Cooper u. Comp. mit Johnny Bull und Bruder Jonathan als Compagnons.“ – „Der alte Cyrus und der neue. Jener eroberte das Land für sich, dieser den Ocean für die Welt.“ – „Königin Victoria, Ihre Depesche ist angekommen. Lassen Sie uns wieder etwas von Sich hören.“ – „Das atlantische Kabeltau ist die stärkste Saite Europas und Amerikas.“ – „Our Field is the Field of the world.“ – „Die Tage, die wir feiern: 4.Juli 1776, 16.August 1858.“ – „Atlantischer Telegraph, Symbol und Pfand der ewigen Freundschaft zwischen den Völkern, Ehre sei denen, die dich zu Stande gebracht! Gesegnet seien die Friedensstifter!“ – „Eintracht ist Stärke. Magna opera Domini.“ – Die „Newy.Times“ schreibt: „Bei keiner Gelegenheit seit der Gründung unserer Stadt hat ein so allgemeines Auflodern von Begeisterung und Freude stattgefunden, wie gestern Abend. Einem Fremden muß es vorgekommen sein, als feierten wir nach einem langen und schweren Kriege einen Friedensschluß. Jedermann schien über die Aufregung seines Nächsten und über seine eigene erstaunt zu sein.“ In der „Newyork Tribune“ liest man: „So wäre denn auch der letzte Zweifel geschwunden und die alte Welt mit der neuen durch der Bande Mittheilung und des stündlichen Verkehrs vereinigt. Mögen sie sich als Bande des ewigen Friedens erweisen, und möge der unter dem Bette des Oceans von einem Continente zum anderen dahinzuckende electrische Blitz auf immerdar den Donner kriegerisches Kanonen und das Geknatter mörderischer Musketen ersetzen!“

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Dok-Nr. 89: „Oldenburger Zeitung“ No. 199 vom 27.08.1863

Amerika.

Newyork, 12.August. […]

Die Ereignisse in Mexico und die durch die letzten europäischen Posten in Aussicht gestellte Lösung der polnischen Frage haben wieder die Idee einer französischen Intervention zu Gunsten des Südens nahegelegt. Mit dem vollen Bewußtsein, daß eine solche Intervention das Schicksal einiger Küstenstädte, selbst der Stadt Newyork, sehr prekär machen würde, sieht man hier gleichwohl einem Kriege mit Europa mit großer Ruhe entgegen. denn es würde das sicherste Mittel sein, eine neue Volontairarmee von mindestens 500.000 Mann zu schaffen, d.h. genug und übergenug, um nicht nur den Süden durch einige rasche und gewaltige Schläge zu zerschmettern, sondern jeder aus Europa etwa herüberkommenden Invasionsarmee das Schicksal zu bereiten welches Leclerc’s und Rochambeau’s Heere auf Hayti funden. Wem solche Zuversicht wie windige Prahlerei vorkommt, der hat schwerlich die Geschichte der Schlachten bei Donelson, Pittsburg Landing, Fair Oaks, Malvern Hills, Fredericksburg, Chancellorsville und Gettysburg gelesen, oder er hat die sich daraus ergebenden Lehren nicht verstanden.

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Dok-Nr. 90: „Oldenburger Nachrichten“ No. 23 vom 21.02.1865

[Leitartikel] Zur Tagesfrage.

Amerika. II.*]

Das Ende des amerikanischen Krieges wird von höchst merkwürdigen Folgen begleitet sein. Was zur politischen Charakterisirung dieses Kampfes dient, ist, daß der Ausbruch desselben mit großer innerer Befriedigung von den Seemächten des Westens wahrgenommen wurde, und daß sein Ende zu einer Quelle großer Verlegenheiten für dieselben wird. Nicht allein ist die Hoffnung zu Wasser geworden, daß die Union in Stücken fallen werde, sondern der Kampf hat die ferne Aussicht auf Gefahren, welche aus der Größe Amerika’s erwuchs, zu einer nahen gemacht. Der kriegerische Sinn der großen transatlantischen Nation hat sich rasch entwickelt, die Stärke ihrer Flotte ist verzehnfacht worden, und keine Möglichkeit besteht, auf dem eigenen Continente ihr eine Macht gegenüber zu stellen, im Stande, ihr das Gleichgewicht zu halten. Selbst eine Allianz zwischen England und Frankreich würde die Union nicht schrecken. Die Breite des Oceans ist eine zu gute Schutzwehr für dieselbe. Große Armeen lassen sich nicht hinübertransportiren, weil man sie weder einschiffen, erhalten, noch überhaupt entbehren kann. Kleinere Heere aber wären dem sicheren Untergange geweiht. Daß der Geist englischer Staatsmänner jetzt von schweren Sorgen umflort wird, läßt sich nicht mehr verkennen. Bereits folgen die englischen Journale dem Beispiele des Ministers Milner Gibson, und geben ihrem Mitgefühl für die Conföderation nicht länger Ausdruck. Sie verlassen das sinkende Schiff und werfen ihre Sympathien hinüber auf das glücklich einhersegelnde. Aber die maßlose Erbitterung, welche das Vorgehen Englands im Norden Amerikas hervorgerufen, wird nicht schwinden. Es lag eine moralische Unehrlichkeit in den Sympathien, die England lange der Conföderation entgegentrug, welche im Gedächtniß des Nordens fortleben wird. Der stete Vorwurf der Engländer gegen die Amerikaner war, daß sie eine Nation von Sklavenhaltern bildeten und mit Menschen Handel trieben. Als nun endlich der größere Theil des Landes die Wahrheit und Begründung dieses Tadels anerkannte und die Sklaverei aufzuheben entschlossen war, da machte im entscheidenden Augenblicke die öffentliche Meinung Englands Front gegen die Befreier der Sklaven und secundirte ihren Bedrückern. Ist es nun ein Wunder, wenn die Amerikaner die Humanität, welche England so lange zur Schau trug, als Heuchelei verachten, wenn sie die Ursache aller englischen Sympathien und Antipathien auf Motive schnöder Selbstsucht zurückführen und auf Vergeltung für die Unbilden bedacht sind, welche sie vom Mutterlande erlitten haben!

Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß, nachdem die Conföderation, endgiltig niedergeworfen worden – ein Ereigniß, dem man binnen kurzer Zeit entgegensehen kann – eine Pause eintritt, während welcher die Union zuvörderst ihre Finanzen zu rehabilitiren suchen wird. Die Verminderung des Heeres wird auf keine Schwierigkeiten stoßen. Der Friedensdienst hat auf dem andern Continente keine Anziehungskraft, und die lohnende Arbeit wird schnell dem bürgerlichen Leben die Mehrzahl der Kräfte zuführen, welche jetzt im Felde thätig sind. Da der Friede die Einnahmen der Regierung im hohem Maße steigern und ihre Ausgaben in höherem Maße beschränken wird, so dürften die amerikanischen Finanzen sich bald blühender gestalten, als man in Europa glauben mag. Würde der Krieg noch ein paar Jahre dauern, so könnten allerdings Anleihen, welche zu Spottpreisen verschleudert werden müßten, die Staatsschuld zu einer Höhe anwachsen lassen, welche ihre Verzinsung und Abtragung unmöglich machen würde. Aber falls er bald beendet wird, so ist die Kraft des Landes mehr als hinreichend groß, um die Bürde zu tragen, welche ihr auferlegt worden. Sind die wirthschaftlichen Verhältnisse des Landes aber geordnet, so zweifelt man selbst in England nicht daran, daß ein Kampf um Canada entbrennen, und die Union versuchen wird, das ungeheure Gebiet Englands auf dem nordamerikanischen Continent von Halifax bis zur Hudsons-Bai an sich zu reißen.

[*Teil 1; Amerika I., in „Oldenburger Nachrichten“ vom 19.02.1865; beschreibt lediglich die aktuelle Bürgerkriegssituation und prophezeit ein baldiges Ende]

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Dok-Nr. 91: „Oldenburger Zeitung“ No. 130 vom 07.06.1865

Amerika

Newyork, 20.Mai. Durch ihr unerschütterliches Vertrauen zur Lebenskraft unserer Republik und ihre freudige Theilnahme an den Erfolgen wie durch ihren Schmerzensausbruch bei der Nachricht von unserem Verlust, [gemeint ist der Tod Lincolns] haben die Deutschen einen besondern „Stein im Brett“ bei den Amerikanern erworben. Das Morning Chronicle, welches als unser Regierungsorgan betrachtet wird, sagt in Bezug hierauf: „Die deutschen Capitalisten, welche für Millionen unserer Nationalanleihen zeichneten, und die deutschen Auswanderer, die mit all ihrem aufgesparten Verdienst von Jahren harter Arbeit hierher kamen, um ihr Leben und Vermögen uns anzuvertrauen, geben durch diesen Vertrauensact den rührendsten Beweis, daß wir eine der Hauptaufgaben unserer nationalen Existenz vollkommen erfüllt hatten. Diese Männer, obwohl eben so vorsichtig und klug als treu, hatten einen unerschütterlichen Glauben an Amerika, welcher sie veranlaßte, uns beizustehen, ohne Rücksicht auf den Bürgerkrieg, der das Herz der Nation herauszureißen schien, und trotz der unheilvollen Vorhersagen, welche Orakel der alten Welt von sich gaben. Auf ein solches Zeugniß können wir wohl stolz sein, und unser Triumph ist die passende Antwort auf ihr edles Vertrauen. Die auswärtigen Deutschen haben uns stets durch ihre Freundschaft ermuthigt. Die Nachricht von unserem Siege wurde in Brüssel und Bremen mit denselben öffentlichen Demonstrationen begrüßt wie in unseren eigenen loyalen Städten; laute Freudenbezeugungen, heitere Festzüge und triumphirende Musik drückten die allgemeine Theilnahme aus, und Millionen ehrliche deutsche Herzen waren eben so sehr durch unsern Erfolg geschwellt, als ob die Ver. Staaten ihr Vaterland gewesen wären.“

[...]

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Dok-Nr. 92: „Oldenburger Zeitung“ No. 53 vom 06.03.1871

Amerika.

Der Präsident Grant hat an den Congreß nachstehende Botschaft gerichtet, welche durch die dem deutschen Volke darin gezollte Anerkennung von großer Bedeutung ist, deswegen aber auch den Zorn der französischen Presse in hohem Grade erregt hat:

„An den Senat und das Repräsentantenhaus.

Die Einigung der deutschen Staaten unter einer Regierungsform, die in vielen Punkten derjenigen der nordamerikanischen Union gleicht, ist ein Ereigniß, welches nicht verfehlen kann, die Sympathien des Volkes der Verein.Staaten zu erwecken. Diese Einigung hat sich in Folge der stetigen und ausharrenden Anstrengungen der Bevölkerung von 24 deutschen Staaten im Verein mit ihren rechtmäßigen Regierungen vollzogen. Das amerikanische Volk muß dieses Resultat als einen in Europa unternommenen Versuch der Nachahmung einiger der besten Bestimmungen seiner eigenen Verfassung betrachten, abgesehen von den Modificationen, welche die Geschichte und der sociale Zustand Deutschlands zu erfordern scheine. Eine jede der Localregierungen der verschiedene Glieder des Bundes ist durch die Macht selbst geschützt, welche dem Oberhaupte übertragen ist. Dieses erhält im Falle eines Defensivkrieges die nothwendige Gewalt, aber nicht die Autorität, welche ihm einen Eroberungskrieg zu beginnen gestatten würde. Die Wünsche nach nationaler Einheit, welche stets die vielen Millionen gleichsprechiger und benachbarter, aber durch dynastische Eifersüchteleien und den Ehrgeiz kurzsichtiger Führer getrennten und getheilten Menschen erfüllt haben, sie sind endlich befriedigt. Deutschland umfaßt heute eine Bevölkerung von ungefähr 38 Millionen, welche, wie die unsrige, für ihre Beziehungen nach Auswärts unter einer Regierung geeinigt ist, während ein jeder der Staaten das Recht und die Macht der Controle über seine Localinteressen, seine Eigenthümlichkeiten und besonderen Einrichtungen behält. Die Vereinigung großer Mengen freier und gebildeter Menschen unter einer einzigen Regierung muß aus den Regierungen das machen, was sie in Wirklichkeit sein sollten: der Ausdruck des Volkswillens und die Organisation der Macht des Volkes. Die Annahme des amerikanischen Systems durch ein freies Volk in Europa, welches gewohnt ist, sich selbst zu leiten, wird schließlich zur Folge haben, demokratische Einrichtungen zu verbreiten und den friedlichen Einfluß amerikanischer Ideen zu erhöhen.

„Die Beziehungen der Ver.Staaten zu Deutschland sind freundschaftlich und herzlich. Die Handelsverbindungen der beiden Länder nehmen von Jahr zu Jahr zu. Die große Zahl der Bewohner und Bürger deutschen Ursprungs, der fortwährende Zug der Auswanderung, welcher Bewohner dieses Landes in das unsrige führt, haben in den socialen und politischen Beziehungen der beiden Völker eine Intimität herbeigeführt, welche derjenigen ähnelt, falls sie ihr nicht gleichkommt, die einst die Nationen verband, von denen unsere Gründer abstammten. Die Ausdehnung unserer Beziehungen, ebenso wie die Größe der deutschen Union, scheint es zu erfordern, daß die Stellung unserer Vertreter bei dieser Regierung nicht länger der Wichtigkeit ihrer Mission nachsteht und daß die Gleichheit zwischen unseren Gesandten in Deutschland und denen, die wir in Großbritannien und Frankreich haben, hergestellt werde. Es wird Ihnen gerecht erscheinen, unseren Gesandten in Berlin auf denselben Fuß zu setzen, wie die zu London und Paris. Die Vereinigung der verschiedenen deutschen Staaten unter Einer Regierung und die Zunahme der Handelsbeziehungen werden auch die Arbeiten und die Verantwortlichkeit des Gesandten vermehren. Aus diesem Grunde wünsche ich, daß die Besoldungen des Gesandten und des Gesandschaftssecretärs zu Berlin auf die respective Höhe der gleichen Posten zu London und Paris gebracht werden.

            Washington, 7.Febr. 1871. U.-S. Grant.“

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II.3. Vorbild Amerika?


Dok-Nr. 93: „Der Beobachter“ No. 71 vom 05.09.1845

[Leitartikel] Brief aus Texas

Als ich gestern zum Besuch bei meinem Nachbar F. war, kam ein junger Mensch zu ihm und übergab demselben einen Brief aus Amerika, von einem Landmann, geschrieben, welcher im Herbst 1844 aus Butjadingerland mit Frau und Kindern dahin reiste. Der Brief wurde mir zum Vorlesen gegeben und nachdem die Vorlesung gehalten war, wurde noch Manches über denselben unter uns gesprochen und besprochen, ja am Ende beschlossen, ihn der Redaktion des Beobachters mit der Bitte zu übersenden, den Brief, so wie er ist, zu veröffentlichen, indem er vielleicht Manchen noch wohl nützlich werden könne.

M.        --------     Ihs.

Commenskricke 1845. April 12.

Lieber Schwager u. Schwiegerin!

Von unserer Seereise können wir sonst eben nichts Erhebliches erzählen, als daß wir öfters Sturm hatten; dies machte uns aber eben nicht viel zu schaffen, denn unser Apollo (der Name des Schiffes) ging immer stolz darauf los. Ich habe oft auf dem Verdeck gestanden, mich an dem Mastbaume fest gehalten und mit Vergnügen zugesehn, wie das Schiff mit den Wellen kämpfte, jedoch unser tapferer Apollo blieb immer Sieger. – [...] Ist man angekommen, so muß man zum Zolleinnehmer gehen und einen halben Dollar erlegen. Koffer und Kisten werden nachgesehn, doch nicht auf deutsche Art. Wer etwas zum Verkaufe bei sich führt, packe es nur unten in die Koffer und Kleidungsstücke und altes Zeug darauf. Nach Öffnung der Koffer u.a. wird nur hienein gesehn, womit es gut ist. – Schlimm ist es daß man die Sprache der Menschen nicht verstehen kann, jedoch sind die Menschen gut und zehnmal besser wie in Deutschland die Pannenlecker. Von Galveston nach Houston sind wir per Dampfschiff in einer Nacht hingekommen und zwar auf einem Flusse, wo man die Zweige zu beiden Seiten des Schiffes von den am Ufer stehenden Bäumen fassen konnte. Erwachsene Personen zahlen auf dem Dampfschiffe per Mann 2 Dollar, Kinder unter 10 Jahren die Hälfte, die unter zwei Jahren sind frei. Auch ist ein kleiner Reisekoffer frei, das Übrige wird nach Quadratfluß bezahlt, darum alle Kisten recht voll gepackt. Von Houston nach Commenskricke kostet das 100 Pf. 1 Dollar Fracht. – Wer uns nachkommt, halte sich nicht lange in Galveston oder Houston auf. Die Deutschen da sprechen gut, geben sich dabei aber auch alle mögliche Mühe, um von Euch ihre Geldbeutel zu füllen, weil sie mehrst alle Beutelschneider sind. [...] – Habe ein gutes Wohnhaus nebst 200 Acker Land und ein gutes Kornfeld auf ein Jahr in Heuer; dafür habe ich 800 Riegel geschlagen, eine Arbeit von 8 Tagen, und außer diesen 8 Tagen noch 4 Tage gearbeitet, also im Ganzen 12 Tage, wodurch ich Weideland verbessert habe. Ist dieses nicht billiger wie bei Euch? – Man muß erst darnach sein, daß man auf ein paar Jahre Lebensmittel bekömmt; denn wer sich selbst ein neues Feld anlegt und darauf ein Haus bauen will, der kann im ersten Jahre noch nicht viel ernten. Unsere Ernte wird in diesem Jahre 100 Büschel Korn sein. Nach Eurem Maaß ist ein Büschel 24 Kannen. [...] – Es ist hier bedeutend viel besser als in Deutschland. – Hr.Ernst (Dierks aus Oldenburg) hat zwischen Weihnachten und Neujahr schon junge Kartoffeln gegessen. Die Kirsch- und Pfirsichbäume stehn in Mitte Februar schon in voller Blüte. Wir pflanzen in diesem Jahre auch schon Baumwolle und Taback. Das Tabackrauchen kömmt uns hier billig. – Wer sein Brod mit Händen verdienen will, für den ist es hier auch viel besser, da er täglich 6 Bitt verdient, wobei die Lebensmittel alle recht billig sind; dieses thut aber Keiner – da Jeder besser thut, für sich selbst zu arbeiten und Jeder ist daher auch sein eigner Herr. Wir können es Euch mit aufrichtigen Herzen sagen, daß es uns nicht wieder darnach verlangt, je wieder in Deutschland zu wohnen. Wir sind Alle guten Muths und nehmen an unsern Körpern so zu, daß alle unsere Kleider uns zu enge werden. Wir sind frei und glücklich wie die Vögel auf den Bäumen, hier handelt ein Jeder nach Belieben, jedoch vernunftsgemäß; hier sind wir Alle gleich, der Prinz und der Präsident nicht mehr wie ein jeder Anderer. Jeder ist hier Herr, jede Frau Madam ohne Ausnahme. Was sind doch die Deutschen gegen uns Texianer? – Wollen wir z.B. auf die Jagd gehen, so gehen wir ohne Furcht. Wild giebts hier in Überfluß. In den Wäldern, wo sich große grüne Weideplätze befinden, weiden die Hirsche heerdenweise und die Bäume sitzen hin und wieder voll von Puter, welche man des Morgens schon von Weitem hören kann. Will man aber jagen, so muß man eine gute Kugelbüchse besitzen, weil man hier nur mit Kugeln schießt. Das Land ist hier eben so gut wie das Beste im Butjadingerlande. Mehrere hundert Pferde und Kühe weiden neben und um unserm Hause. Wir bekommen dieses Jahr auch 12 Kühe von Georg Heddenhorst in die Milch, konnten noch mehr bekommen, können sie jedoch nicht nehmen, weil wir kein blechernes und steinernes Milchgeräth genug mit brachten und besitzen. Hätten wir Heinrich, unsern Sohn, in Dienst gehen lassen, so hätte er in diesem Jahre uns 4 Kühe und Kälbern verdienen können, das uns aber abgerathen wurde, weil wir das Clima noch nicht gewohnt seien und daher unterblieben. – Die Kälber behält man des Tags über im Koven, des Morgens kommen die Kälber wieder und die Kühe gehen wieder zur Weide. Dieses hat man Alles unentgeldlich, ohne einen Groten Gras- noch Futtergeld, und wer auch 1000 Kühe und Pferde hätte. – Für Feuerung braucht man hier keine Sorge zu tragen, da hier Holz in Überfluß ist, Moor ist hier nicht vorhanden, also auch kein Torf. Die Schweine werden hier in den mehrsten Jahren von selbst fett. Hier zu Commenskricke wohnen mehrst alle Deutsche, womit man sprechen kann, nahe bei einander und können in einer halben Stunde wohl 10 Nachbarn besuchen. Wohnen hier also ebensowohl unter Deutschen wie in Deutschland, nur haben wir hier noch keine Vereine wie in Deutschland. Wir fühlen uns aber ganz glücklich und sind ganz vergnügt, daß wir aus der Sclaverei heraus sind. Was man hier einerntet, das kann man doch als sein Eigenthum ansehn und benützen und man braucht doch hier nicht für Andere zu arbeiten wie in Deutschland. Es giebt hier gewöhnlich des Tages zwei bis drei mal Braten. Weißbrod ist hier das gewöhnliche Brod und Butter hat man im Überfluß. – An Krieg wird hier gar nicht gedacht, darum kann also Jeder dreist kommen. Die Rede geht, daß Texas sich den Vereinigten-Staaten anschließen will, ist dies geschehn, so kann uns Niemand ein Haar krümmen. Die Mexikaner werden’s auch wohl nie wieder wagen, Texas feindlich zu besuchen, weil es sich in kurzer Zeit sehr bevölkern wird und sich auch schon seit kurzer Zeit sehr bevölkert hat. [...] Auch kommen wir Euch berichten, daß die jungen Mädchen aus Deutschland hier sehr theuer sind. Zwei Mädchen die wir bei uns hatten, haben sich binnen 4 Wochen, das eine an einen Friedensrichter und das andere an einen Kaufmann sehr gut verheirathet. Daß die lieben deutschen heirathslustigen Mädchen doch nur ja bald kommen! – [...]

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Dok-Nr. 94: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 73 vom 22.06.1855

Amerika. New-York, Mitte Mai. Es giebt wohl schwerlich ein Land, in welchem durch Privatmittel so großartige Humanitäts-Anstalten ins Leben gerufen werden, wie in den Vereinigten Staaten. Das Girard-College, das Devaur’sche Hospiz, die Astor-Library, die Smithsonian Institution u.a. sind alle durch den Wohlthätigkeitssinn Einzelner entstanden, zum Wohl von Hülfslosen und Kranken, zur Förderung des Wissens, zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse unter der Masse. Eben jetzt erhebt sich wieder am Ende der fünften Avenue ein ähnliches Gebäude aus dem Grunde, das ein schlichter Bürger, Peter Cooper, „der Wissenschaft und den Künsten“ widmet. Peter Cooper ist von ärmster Herkunft, und er verdankt ausschließlich seinem Fleiße, seinem Unternehmungsgeiste und dem raschen Aufschwunge der Stadt sein großes Vermögen, das man auf mehr als 5 Millionen Dollars schätzt. Der biedere alte Herr erzählte uns, in einem äußerst gemächlichen Lehnstuhle in seinem fürstlich eingerichteten Salon sitzend, wie er sich noch der Zeit erinnere – es mögen einige 50 Jahre sein -, wo New-York kaum 50.000 Einwohner zählte, und er als armer Junge hinter einem Fuhrwerk ging, das die Straßen in reinlichem Zustande zu halten bezweckte. Jetzt rechnet man die Bevölkerung von New-York auf 750.000 Seelen; die früher werthlosen Grundstücke haben einen furchtbaren Werth erlangt, und Peter Cooper, der sich später dem Eisenhandel und der Eisenfabrication widmete, ist ein steinreicher Mann geworden. Im Verhältnis, daß sich sein Geschäft ausdehnte, fühlte er die Lückenhaftigkeit seines Wissens, den Mangel einer ausreichenden Erziehung und den Nachtheil, der ihm dadurch in seinem Erwerb erwuchs. Dies gab ihm zuerst den Gedanken, wie nützlich und vortheilhaft die Gründung einer Anstalt sein müßte, welche armen, unbemittelten und freundlosen jungen Leuten aller Nationen und aller Bekenntnisse die Mittel an die Hand gäbe, ihre Kenntnisse zu vermehren und zu erweitern, und sich in dem Fache, das sie zu ihrem Berufe gewählt, gründlich auszubilden. Es sollte dazu nichts weiter erfordert werden, als der ernste Wille und ein moralisches Betragen. Technische Wissenschaften sollten in diesem Institute hauptsächlich gelehrt werden.

(K.Z.)

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Dok-Nr. 95: „Oldenburger Zeitung“ No. 85 vom 31.05.1860

Vermischtes.

- Amerikanische Bescheidenheit. Daß wir eine große Nation sind – so schreibt der „Newyork Herald“ – weiß die ganze Welt. Wir haben das schönste Land, die größten Seen, die längsten Flüsse, die höchsten Berge, die ausgedehntesten Eisenbahnen, die allerbesten und allerschlechtesten Zeitungen; wir liefern der übrigen Welt Gold, Getreide und Baumwolle; unsere Atmosphäre beherbergt die größten Luftballons, unsere Seen die größten Schiffe, und wer wird läugnen, daß wir die allergrößten Feuersbrünste zu Stande bringen, die dieseits der ewigen Verdammniß zu schauen sind! – Doch das ist bei Weitem noch nicht Alles. Wir sind auch die Lehrmeister der alten Welt. Amerika ist die Schulstube des Universums. Bei uns ist Kaiser Napoleon in die Schule gegangen; von uns hat er die Kunst gelernt, auf dem Schlachtfelde von Solferino per Telegraph zu commandiren, die Industrie aufzumuntern, die Hülfsquellen Frankreichs zu vermehren – mit einem Worte ein Franzose in Yankee-Hosen zu sein.

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Dok-Nr. 96: „Oldenburger Nachrichten“ No. 73 vom 11.09.1864

[Leitartikel] Zur Tagesfrage.

Amerika.

„Was schreibt es aus Newyork?“ – so fragten wir dieser Tage einen Collegen, der so eben den Brief unseres trefflichen Correspondenten von dort gelesen hatte.

„Was soll der arme Mensch schreiben?“ war die Antwort. „Es wird immer miserabler da. Nichts als diese elende Schlächterei, dieses schändliche Raubsystem – und das Alles immer auf dieselbe Weise.“

Und in Wahrheit, dieser Krieg zwischen den Süd- und Nordstaaten der ehemaligen Union ist in seine schlechteste Phase getreten. Nicht nur, daß er durchaus nichtswürdig ist, er ist auch langweilig geworden.

Immer dasselbe, strategisch wie taktisch, politisch wie social. Derselbe wüthende Haß zwischen republikanischen Brüdern; dieselben Gewaltsamkeiten und Willkürlichkeiten der freiheitlich und selbstgewählten Regierung im Norden; dieselbe hastige Geldmacherei dort – selbst aus hungernden, verwundeten und gefallenen Soldaten. Große Worte, kleine Erfolge.

Man liest es mit Widerwille. Wie viel schwerer muß es aber sein, mitten in diesen gräulichen Zuständen zu leben! –

General Mac Clellan hat noch als Capitän ein so vortreffliches Buch über den Krimkrieg geschrieben, er hat die von beiden Seiten gemachten Fehler so treffend kritisirt und ein so scharfes Urtheil bekundet, daß man berechtigt war, Bedeutendes von ihm zu erwarten. Was aber hat er geleistet? Ungefähr so viel, als der geistreiche Verfasser der „Theorie des großen Krieges“ auf dem Schlachtfelde von Idstedt zu Wege gebracht.*]

In Mac Clellan’s Bericht über die Kriegführung in der Krim heißt es am Schlusse, wo er die Anwendung des dort Gesehenen und Erfahrenen auf die militärischen Verhältnisse in den damals noch Vereinigten Staaten macht: „Hoffentlich sieht jeder Vorurtheilsfreie unter meinen Landsleuten ein, daß nur mit persönlichem Muthe in einem großen Kriege nichts erreicht, sondern daß er durch die Disciplin überhaupt erst brauchbar gemacht wird, was nur durch vollendete mechanische Fertigkeit zu erreichen ist, die ihrerseits nur das Resultat einer besonders darauf zugeschnittenen militärischen Erziehung und langer Gewöhnung sein kann.“

Es muß doch aber außer den „Vorurtheilsfreien“ unter den Landsleuten Mac Clellan’s – obgleich man ihn demnächst zum Präsidenten wählen will – noch einige Andere in den Nordamerikanischen Freistaaten gegeben haben, die vor lauter Freiheit und Republikanismus taub waren gegen diese einfache Nothwendigkeit. Denn nichts diesem Rapport Entsprechendes ist geschehen und die Union – oder vielleicht das, was von der Union übrig bleibt – wird nach Beendigung des Krieges eine gute Armee haben; wie sie überhaupt dann erst einsehen wird, daß das „alt gewordene“ Europa auch die Vortheile des Alters hat: längere Erfahrung, mehr Vorsicht und nicht so viel Ueberhebung, als das „junge“ Amerika.

Wie sind doch alle die republikanischen Glückseligkeiten und geträumten Vorzüge nach und nach seit dem Beginn dieses unverantwortlichen Krieges verschwunden! –

Wo ist der blühende, der alten Welt so oft als Spiegel der Erkenntnis vorgehaltene Finanzzustand? Wo ist die gerühmte Tugend republikanischer Uneigennützigkeit? Wo ist das ruhevoll-sichere Gewährenlassen von Seiten der Regierung? die Unsichtbarkeit und Unfühlbarkeit aller Polizei?

Der ersten wirklichen Prüfung gegenüber hat das Alles keinen Bestand gehabt.

Die freiheitliche Regierung hat sich entschließen müssen, so despotisch als möglich zu regieren; die Waffenpflicht für Alle hat die Straßen von Newyork mit Blut getränkt; Geld wird zu Millionen auf der Buchdruckerpresse gemacht, ohne jede Fundirung, ohne jede Gewähr für den dauernden Werth. Und doch hilft alle Uebermacht an Menschen, Geld und Ausrüstung nichts gegen den festen Willen der jedenfalls ritterlicheren und opferfreudigeren Südstaaten.

Wer möchte voraussagen wollen, welches das Ende sein wird des furchtbaren Krieges? Aber daß er der Anfang ist vom Ende dieses selbstsüchtigen, verlodderten Republikanerthums – nicht einen Augenblick ist uns das zweifelhaft.

(N.Pr.Ztg.)

 [*„Theorie des großen Krieges“, 1841-68 von Wilhelm von Willisen (1790-1879); verlor als kommandierender General der Truppen Schleswigs in der „Schlacht von Idstedt“ am 24.07.1850 gegen Dänemark; faktisches Ende des dt.-dän. Krieges]

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Dok-Nr. 97: „Oldenburger Zeitung“ No. 150 vom 30.06.1865

[Leitartikel] Oldenburg, 29.Juni.

Die Hessische Landeszeitung enthielt kürzlich einen wortgetreu abgedruckten interessanten Brief Hecker’s über die amerikanischen Verhältnisse, aus welchem wir unseren Lesern an dieser Stelle Einiges mittheilen wollen. Friedrich Hecker*] lebt bekanntlich noch in Amerika, wo er als Oberst eines Illinois-Regiments an dem dortigen blutigen Kriege lebhaft Antheil nahm. Sein Consulat in Zürich war eine Zeitungsente. Indem in jenem Briefe besonders die Kraft und die Machtentfaltung der nördlichen Staaten hervorgehoben wird, heißt es:

„Ohne Waffen, ohne Heer, knapp an Geld, getheilt im Norden, Verrath und Verschwörung daselbst aller Arten. Den europäischen Mächten zum Trotze haben wir die kolossale Rebellion, die je über die Weltbühne schritt, niedergeworfen, das heilige Palladium der Freiheit von dem schwarzen Schand- und Blutfleck gereinigt, den Moloch der Sklaverei erwürgt; und die Sterne und Streife flattern rein und frei hoch am Maste, über den Bajonneten unserer wettergebräunten, stahlharten Veteranen und den Thürmen des Landes. Mit welcher Gelassenheit und Opferbereitwilligkeit gab das Volk seine Kinder und sein Geld, wie freudig trägt es die gewaltige Steuerlast, und was steuerte es noch freiwillig in Fairs und ähnlichen Sammlungen für die Krieger im Felde, die Kranken im Lazareth, die Krüppel daheim, die Frauen, Wittwen und Waisen! Halte ich die knauserigen Schleswig-Holstein-Sammlungen an die Millionen, welche freiwillig und rasch nur in den vier fairs zu Newyork, Boston, Chicago und St.Louis gesteuert worden, bedenke ich, daß ursprünglich nur ein Theil des nördlichen Volkes den Riesenkampf trug, wie kleinlich erscheint, diesem Kampf um die Freiheit der Unterdrückten, der Verachteten gegenüber, dieses Vereinlen, Schießen, Singen und Tanzen! Wir sind aus diesem furchtbaren Kampfe hervorgegangen als ein mächtiges Kriegervolk zu Land und zu Meer. Unsere Industrie hat sich in gewaltigen Dimensionen entwickelt, Erfindungen, welche es ermöglichen, durch Greise und Knaben die Erzeugnisse der Urproduction zu vermehren, während wir mit unseren Söhnen die Schlachten schlugen, folgten in rascher Aufeinanderfolge, und wir dürfen mit Stolz wie vormals die Römer das gewuchtige Wort aussprechen: „Ich bin ein Amerikaner!"

Verkennen Sie die Tragweite dieses Sieges republikanischer Institutionen nicht. Als Lincoln so schändlich ermordet war, besuchten mich sofort zwei Freunde, die besorgt waren um die Zukunft, da der Mord in der höchsten Krisis begangen war. „Das Volk lebt noch, das Volk ist nicht ermordet; seid unbesorgt um die Zukunft.“ Und so ist’s gekommen. Welche Erschütterungen würde ein solcher Fall in Staaten und Staatchen anderwärts hervorgerufen haben, inmitten einer Krisis? Die Deutschen haben klug gethan, ihr Geld in unseren 5. 20-10. 40-7. 30 [**] anzulegen. Bedenken Sie nur, daß unsere Geldproduction allein sich auf 60-68 Millionen beläuft, also allein unsere Staatsabgaben deckt, folglich Zölle und Steuern zur Verzinsung, Amortisirung der Staatsschuld weitaus hinreichend sind. Und welche Reichthumsquellen in Petroleum, das offenbar allerorten in dem weiten Becken zu Alleghany und Mississippi vorhanden ist. Rechnen Sie gefälligst die Staatsschulden Oesterreichs, Englands, Frankreichs und Italiens, von anderen Staaten und Staatchen nicht zu reden, zusammen, betrachten Sie die durch vieltausendjährige Cultur ausgebeuteten Ressourcen und vergleichen Sie damit diesen jungfräulichen Boden, wo die freie Thätigkeit des Individuums in schrankenloser Freiheit sich entfalten kann, heute im Gewühle von Newyork, übermorgen in den wilden Thälern des Alleghany, bald in den rauhen Fluren und unerschöpflichen Kohlenlagern des Mississippibeckens, oder den Gold- und Silberbetten Idahos, Nevadas, auf und ab den Mississippi, den Columbia, den Rio-Grande. Ich begreife den Haß der Aristokratie Europas, ich begreife ihn; denn ich kenne den kecken Muth, das unerschütterliche Selbstvertrauen, die Lust an aller Wagnis unserer Jungen, und seit der Dampf die Oceane verbindet, ist Great-Britain keine Insel mehr, sie ist dem Festlande annectirt.

Die Armee wird nun bis auf 160.000 Mann entlassen. Glauben Sie nur, sind erst die wetterbraunen Gesellen wieder zwei Monate daheim, mit wildem Hurrah griffen sie wieder zum Schwerte, gegen wen es auch sei. Und diese Männer sind nicht nach erschöpfendem Marsche beim Bauer, beim Städter einquartirt worden. Sie haben ein Bivuakleben der härtesten Art durchlebt. Im strömenden Regen, durch Sumpf und Wald und Fluß, haben sie sich heute Abend am Feuer hingelegt, ihre karge Ration verzehrt, und schon 4 bis 5 Uhr des folgenden Morgens bliesen die Hörner und rollten die Trommeln zum Aufbruch. Das ist ein Kriegsvolk wie kein anderes. „Bin bei Düppel***] mit gewesen“, ist ein rühmendes Wort. Mein Gott, wenn die Herren erst wüßten, wo wir alle dabei gewesen! Nehmen Sie mein 82.Illinoisregiment und was auf seinen Fahnen steht!“

[*Friedrich Hecker (1811-1881; führender Vertreter bei der 1848 Revolution; Oberst der Bürgerwehr; 1848 nach den Vereinigten Staaten ausgewandert; gründete und führte ein Freiwilligen-Regiment, das auf der Seite des Nordens im Bürgerkrieg kämpfte]

[** Diese Zahlenfolge ist mir unerklärlich. Da ein Formatierungsfehler des Computers ebenso unwahrscheinlich ist wie ein bloßes Versehen des Setzers, liegt die Vermutung nahe, daß diese durchaus sinnvoll ist. Sollte ein(e) Leser(in) mir hierzu nähere Auskünfte geben können, wäre ich dafür sehr dankbar.]

[*** Düppel: dän. Dybbøl; Nordschleswig; 1848-50 und 1864 in dt.-dän. Krieg umkämpft]

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Dok-Nr. 98: „Oldenburger Zeitung“ No. 295 vom 20.12.1870

Vermischtes.

Eheschließung und Ehescheidung in Amerika. Daß Amerika das Land der Zukunft sei und daß wir Bewohner der alten Welt von den Amerikanern jetzt schon Vieles zu lernen haben, wenn wir nicht an der verkehrten „Spitze der Civilisation“ marschiren wollen, wagt jetzt schon Niemand mehr zu bezweifeln. Namentlich scheinen mehre veraltete deutsche Begriffe über die Ehe gar sehr der Auffrischung zu bedürfen, und eine Lehre, die uns Amerika in diesem Augenblick giebt, muß um so willkommener sein, als die barbarische Einschließung von Paris dem jungen Europa seinen hauptsächlichsten moralischen Stützpunkt geraubt hat. In den Ver.Staaten ist es jetzt Mode geworden, vor der öffentlich stattfindenden Vermählung bei geschlossenen Thüren mehre „Proben“ in der Kirche abzuhalten. Braut, Bräutigam und Brautführer üben sich dort feierlich „im Entree, der Verbeugung, der Positur und der Promenade“: die Entfernung zwischen den einzelnen, an der Ceremonie theilnehmenden Personen wird auf Fuß und Zoll abgemessen und die Schleppen der Damen werden in Position gebracht – kurz Alles geschieht, um bei der eigentlichen Trauung dieselbe Eleganz und dieselbe Exactheit beobachten zu können, wie bei einer wohleingeschulten Quadrille. Nur schade, daß man die Probe nur einmal verwerthen, nicht aber den Tanz gleich der Quadrille bei jeder Gelegenheit wiederholen kann, und man muß daher die rechte Bahn begrüßen, welche der gegenwärtig tagende Congreß für Frauenemancipation eingeschlagen hat, oder wenigstens eine „Fraction“ desselben unter Leitung der bekannten Mrs.Stanton. Genannte Dame erklärte ihre Ansicht dahin, daß es für die Männer ebenso unmöglich sei, die Sklaverei der Frauen in ihrem eigenen Haushalt zu verstehen, wie für die Sklavenhalter, die Lage ihrer schwarzen Arbeiter zu verstehen. Es müsse deshalb ein einförmiges nationales Gesetz geschaffen werden, welches eine Ehescheidung unter leichten Bedingungen ermögliche. Eine der Emancipationszeitungen, „The Womens Advocate“, stellte sich hierbei treu auf Seiten der Mrs.Stanton und schlug für die Partei zu Gunsten der Frauenemancipation das folgende Programm vor: „Der Heirathscontract werde auf ein bis drei Jahre, je nach Wunsch der Contrahenten, beschränkt.“ Andere Vertheidiger der Frauenemancipation wollen hiervon Nichts wissen und so hat sich denn in dem Parteilager eine Spaltung ergeben, die für das Wohl der Menschheit fürchten läßt.

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 II.3.1. Demokratie, Freiheit, Gleichheit


Dok-Nr. 99: „Oldenburgische Zeitung“ No. 34 vom 28.04.1843

Ausland.

Vereinigte Staaten von Nordamerika. Aus den Newyorker Nachrichten vom 20.März erfährt man nachträglich, daß die diesmalige Schlußsitzung des Repräsentantenhauses selbst dem am Congreßwunderlichkeiten gewöhnten Bruder Jonathan aufgefallen war. Es hatten sich nämlich – so erzählt der Cour. des Et. Unis – eine beträchtliche Anzahl Damen im Sitzungssaale eingefunden und saßen bunt durcheinander mit den Congreßmitgliedern, welche in Hast einige rückständige Bills zu genehmigen fortfuhren, auf denselben Bänken. Auf Begehren einiger Volksvertreter wurden Erfrischungen, daß heißt Weine und starke Liqueure herumgereicht, und man fuhr fort, mit dem Glase in der Hand und unter Scherzen und Lachen mit den Damen die Staatsgeschäfte abzuthun. Ein Repräsentant, Namens Klein, wegen seiner schönen Stimme bekannt, sollte sogar ein Lied singen, was jedoch unterblieb. Die meisten Damen zogen sich eine halbe Stunde nach Mitternacht zurück; die übrigen blieben bis 1 Uhr. Als ein paar Mitglieder die Meldung brachten, daß der Präsident dem Hause nichts mehr mithzutheilen habe und seinen Mitgliedern glückliche Reise und bestes Wohlsein wünsche, schrien Alle: „Vortrefflich! Vortrefflich!“ und schlugen mit den Fäusten auf Tische und Pulte. So endigte, nach den Angaben eines Augenzeugen, die 37. Congreßsession.

[...]

Unter den vom Repräsentantenhause unerledigt, ja unberührt liegen gelassenen zahlreichen Gegenständen befindet sich auch die bekannte Bill wegen Besetzung und Colonisirung des Oregon-Gebiets, welche im Senate durchgegangen, von einer Commission des Repräsentantenhauses aber als nicht zur Annahme räthlich erklärt worden war. Zu einer Berathung darüber im Congresse selbst kam es gar nicht.

[...]

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Dok-Nr. 100: „Oldenburgische Zeitung“ No. 24 vom 22.03.1844

Vermischte Nachrichten

Washington, 13. Febr. Die Bälle im Präsidentenhause werden jetzt sehr zahlreich besucht und machen dem Geschmack des Präsidenten alle Ehre. Es werden hiezu keine Einladungen ausgeschrieben, sondern Jeder ohne Unterschied des Standes (wohl aber der Farbe) hat Zutritt, ohne Vorschrift in Bezug auf Kleidung oder Uniformirung. Die Officiere kommen in halber oder ganzer Uniform, die Civilbamten und Bürger in jeder ihnen beliebigen Kleidung. Die Damen, welche in den Ver.Staaten immer elegant gekleidet erscheinen, machen auch hierin keine Ausnahme, und es ist zu bewundern, wie auf so ungezwungene Weise so viel Eleganz, Grazie und feine Lebensart sich dort vereinigt finden. Ein nicht ballmäßig gekleideter Herr, eine nicht mit allen Künsten der Toilette geschmückte Dame wäre beim Lever des Präsidenten ein Ereigniß. Die Armen bleiben von selbst weg und die Reichen und Gebildeten wissen sich zu benehmen. Für den Continental-Europäer bleiben dergleichen Erscheinungen immer ein Räthsel; denn auf dem Continent bestrebt sich die Gesellschaft, den Unterschied der Stände so viel als möglich zu verwischen. Es giebt in diesem Sinne nirgends eine mehr aristokratische Demokratie als hier in Amerika, nirgends eine mehr demokratische Aristokratie als vielleicht in Oesterreich – unter dem wahren österreichischen alten Adel. Die Humanität in England und Amerika ist etwas öffentliches, in Deutschland hat sie blos eine potentielle Existenz, oder findet sich im Umgang mit Menschen.

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Dok-Nr. 101: „Der Beobachter“ No. 4 vom 11.10.1844

Herrn Michels Freiheitsliebe

Ein Gedicht in Knittelversen

„Ach, Herr Gevatter, es ist doch gar ein schönes Ding
Um Freiheit und Recht! Ich schätze sie nicht gering!
Drum lobe ich mir die Republik Amerika,
Und wünschte, ich wäre zur Stelle da.
„Dort ist der Mensch dem andern ganz gleich,
Er sei hoch oder niedrig, arm oder reich.
Da steht es ganz klar in der Zeitung zu lesen,
Wie die Freiheit ein gar so herrliches Wesen.
„Was hilft mir nun hier all mein Geld und Gut,
Wenn der Herr Rath drüben so vornehm thut
Und schaut mich über die Achsel an,
Als wäre er ein viel besserer Mann.“


So der Herr Michel. – Da tritt herein zur Thür
Der Meister Sachs: „Ich bringe die Schuhe hier;
Doch bitte ich mir sogleich mein Geld aus,
Denn ich habe ein Weib und kranke Kinder zu Haus.“
Der Schuster steht da mit ernstem Gesicht,
Hält offen die Hand, krümmet den Rücken nicht.
Schon oft hat Herr Michel ihn warten lassen,
Drum will er jetzt auf seine paar Groschen passen.
Herr Michel zahlt aus und brummet dazu:
„Das ist doch gar zu viel Geld für die Schuh.
Das Leder ist mürbe, die Sohlen sind schlecht,
Die ganze Arbeit ist mir nicht recht.“
Der Meister aber streicht ruhig sein Geld ein.
„Die Schuhe können bei Gott nicht besser sein!
Ich bin, wenn gleich arm, doch ein ehrlicher Mann,
Und wer die Arbeit tadelt, thut nicht recht daran.“
Er geht zur Thür mit festem Schritt hinaus.
Herr Michel aber zieht drohend die Stirne kraus.
„Gevatter, hast Du den frechen Kerl gewahrt,
Thut er nicht schier, als wäre er unserer Art?
„Stellt sich mit uns in eine Kategorie,
Ein Schuster, zum Zerplatzen ist es! Nie
Darf mir der Kerl wieder über die Schwelle:
Denn er ist ein gar so frecher Geselle!“
Dann greift er wieder zur Zeitung: „Da steht es, da,
Wie wahre Freiheit blüht in Amerika.
Gevatter, da ist Einer dem Andern gleich,
Er sei hoch oder niedrig, arm oder reich.“

 Freimund Volkmann

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Dok-Nr. 102: „Der Beobachter“ No. 101 vom 19.12.1845

[Leitartikel] Treiben der amerikanischen Matrosen.

Ein kräftiges Hurrah für Jackson, das so eben von der Murraystraße in Newyork heraufschallt, verkündet etwas Neues. Die Scene ist wahrlich neu und ganz in ihrer Art. An die vierzig Lohnkutschen kommen gegen den Park heraufgezogen, zu beiden Seiten mit der wunderlichsten Cavalcade flankirt, die je ein menschliches Auge gesehen. Wettergebräunte, rührige Männer baumeln zu zwei und drei auf einem Pferde herum und herunter. Jeder Fall der unbeholfenen Cavaliere wird mit einem Hurrah begrüßt, das die Fenster zittern macht. Alle möglichen Trachten sind an den fahr- und reitlustigen Theers zu sehen; mit Pech geschwängerte Hüte und Hütchen und Jacken und Inexpressibles. Der eine ist mit einem neumodischen Frack angethan, der Andre prangt in einer Redingote, die so eben von Chatam-Place ihren Weg auf seinen Leib gefunden, ein Dritter erglänzt in seiner rothflammenden Jacke: Der tollste, buntscheckigste Haufe, der je gesehen wurde. Es sind die Matrosen, die Bemannung der Fregatte Constitution, die einberufen und diesen Morgen ausbezahlt worden, und die nun aus Leibeskräften bemüht ist, die fünf oder sechs hundert Dollars, die jedem von ihnen während des dreijährigen Kreuzzugs auf den Hals gewachsen, so geschwind wie möglich wieder los zu werden. Wer so das lustige Völkchen hinziehen sieht in Jubel, Saus und Braus, mit vollen Flaschen, Jeder eine Schöne neben sich, und brüllend, daß einem die Ohren gellen, der muß sich von unsrer polizeilichen Ordnung einen saubern Begriff machen. Thut jedoch nichts. Das sind Männer, die zwar nicht den Julius Cäsar und Cornelius Nepos gelesen, die aber für ihr Vaterland so heiß glühen, als die Helden Plutarchs. Zeigt ihnen eine Fregatte Britanniens, und sie werden darauf losstürzen und sie brechen, wie der feste, freie Mann den Uebermuth des stumpfen Herrendieners bricht. Und laßt den Sturm über sie hereintoben, und sie werden wie Felsen dastehen, im Gebrülle des Orkans, und hängen draußen am gefrornen Segeltuche, ihre Hände und Füße erstarrend am Taue – werden sie sinken unter den krachenden Balken und hereinstürmenden Wogen in den bodenlosen Abgrund, und ihr letzter Gedanke wird auf das Vaterland gerichtet sein. Solche Männer verdienen, daß man ihnen ihre Lust nach ihrer eigenen Weise gönne. Sie werden schon wieder nüchtern werden, ohne Polizei, Gensd‘armes und Wachthaus. Ihr rohes Treiben ist nicht den zehnten Theil so verderblich für des Volkes Sitten, als euer bon ton. In drei Tagen hat das Drittel dieser Vierhundert und fünfzig keinen Cent mehr in der Tasche, in sechs das zweite Drittel, und in zehn Tagen sind sie so ziemlich alle wieder flott, und in der rothen Jacke und auf der Reise nach allen Weltgegenden, die Wenigen ausgenommen, die sich einen eigenen Heerd suchen, oder sich in gewissen Affairen verspätet haben. Ein Paar Mal treiben sie das Wesen mit, und dann werden sie klüger, nehmen sich Weiber und setzen sich hin, um tüchtige Hauswirthe zu werden; anfangs ein wenig quer und verschroben, wie es Seemännern zu gehen pflegt; aber allmählig lehrt sie gesunder Menschenverstand sich in die neue Lage fügen. Es ist in diesen Männern ein fröhlich-freier, selbstständiger Sinn, ein tüchtiger, trotziger Muth, der, über die Nation zerstreut, herrlichen Samen getragen, der im letzten Kriege unser Vertrauen in uns selbst erkräftigt, und so unsern Feind bezwungen hat. Diese Männer haben den Neuseeländer und Chinesen, den Türken und Brasilianer und Franzosen kennen – und auf ihn stolz herabblicken gelernt, den Seebezwinger Aller – den Briten – haben sie bezwungen. Der britische Matrose kehrt immer dummer als er ausgezogen unter seine Zuchtruthe zurück; der amerikanische immer aufgeklärter, weil Knechtschaft immer zurück, Freiheit immer vorwärts führt. Der Eine weiß, daß Lebensweisheit für das Ziel seiner Laufbahn – das Greenwich-Hospital – überflüssig oder gefährlich ist; der Andre muß sie sammeln fürs thätige Bürgerleben, in das er ehrenvoll eintritt. Und John Bull wundert sich in seiner Dummheit, daß wir ihm mit unser fünf Fregatten zehn genommen, und ihn in zwei Haupttreffen von unsern Seen verjagt? Er, der seine armen Wichte von Matrosen mit fünfzehn Schillingen abfertigt, und wenn sie ein Bischen über die Schnur hauen, auf ein Paar Monate ins Loch steckt! Wir haben so manche Fehler, und Engel sind wir wahrhaftigt nicht – aber eine Tugend haben wir, die der Sünden viele bedeckt: sie ist Achtung für Menschenwürde und Bürgerrecht, und diese hat uns vom größten Tyrannen das Größte errungen, wonach der Mensch je gestrebt hat: Freiheit in unserm Lande und auf unsern Meeren. –

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Dok-Nr. 103: „Der Oldenburgische Volksfreund“ No. 94 vom 24.11.1849

Der Adel in Nordamerika.

(v. Raumer’s Briefe aus Frankfurt und Paris II. p.459)

In Bezug auf die Adelsverhältnisse in Deutschland und Europa hat man auch auf Nordamerika hingewiesen. Darum fühle ich mich veranlaßt (aus eigener Anschauung) noch Einiges hinzuzufügen.

Es giebt in den Vereinigten Staaten allerdings keinen Erbadel. Aber die dem Menschen natürliche Neigung nach Auszeichnung kommt auch dort zum Vorschein.

Abgesehen von der ärgsten Aristokratie, der des Freien gegen den Sklaven und des Weißen gegen den Farbigen und Schwarzen, hört man noch oft von Aristokratie anderer Art sprechen. In Virginien wurden in einem großen Turniere die Anwesenden mit der Anrede begrüßt, sie sollten sich erinnern, daß die Väter ihrer Väter die Kreuzzüge unter Richard Löwenherz mitgemacht hätten. Gar mancher Virginier ist stolz darauf, daß er von jenen ritterlichen Cavalieren abstammt, die zu Elisabeth’s Zeit ihr Glück in der neuen Welt versuchten, und er sieht mit Stolz auf die Hausirer und Kaufleute des Nordens. In New-York spricht man von einer doppelten Aristokratie: von einer, abstammend von alten angesessenen Familien, aus holländischem Geblüte, oft ohne viel Geld, und gleichwohl noch jetzt geachtet und geschätzt; und von einer andern, der sogenannten Pilz-Aristokratie (mushroom-aristocracy), durch viel Erziehung, aber in allem Glanze des europäischen Luxus lebend. Wie man wohl bei uns von einer crême der haute volée hört, hieß es bei Gelegenheit eines Balles, den die jungen Schüler der Militär-Akademie in Westpoint gaben, in den Zeitungen: es hätte sich aus New-York die Elite der Aristokratie eingefunden. In Boston hinwiederum bildet sich die Aristokratie besonders viel auf ihre Bildung ein, indem sie gleichzeitig äußerlich in allen Formen des hohen englischen Adels lebt. Eine Dame in Boston äußerte, sie hätten so gut Standesunterschiede, wie in Europa; und Dickens (auf den man damals wegen seiner amerikanischen Noten noch sehr böse war) hätte offenbar in die aristokratischen Zirkel, in die er in Folge seiner Empfehlungsbriefe zufällig gekommen, nicht gepaßt; man hätte ihm und besonders seiner Frau recht angemerkt, daß sie sich in England nur in niedriger Gesellschaft bewegt hätten.

Die erste aller Aristokratien in Amerika bleibt aber die des Geldes. Einer der ersten Staatsmänner und jetzigen Minister, Buchanan aus Lancaster in Pennsylvanien, sagte einmal im Congreß: „Geld, Geld und wieder Geld verleiht die höchste Auszeichnung in der Gesellschaft; die größten Talente, vom reinsten Patriotismus geleitet, sittlicher Werth, literarischer Ruhm, kurz, jede Eigenschaft, welche Auszeichnung verleihen sollte, sinkt im Vergleiche mit Reichthum in Nichts. In unsern großen Handelsorten ist Geld gleichbedeutend mit einem Adelstitel. Wir sind weit abgewichen von den mäßigen Gewohnheiten und einfachen Sitten unserer Vorväter, und doch sind diese die einzigen Grundsteine, auf denen unsere republikanischen Einrichtungen ruhen können. Die Begierde, eine prunkende Schaustellung des schnell erworbenen Reichthums zu geben, hat einen Glanz und einen grenzenlosen Aufwand hervorgebracht, wie er in frühern Zeiten unbekannt war. Mit Ausnahme des reichen, mächtigen Adels in England habe ich in keinem Theile der Welt eine solche Verschwendung und solchen Luxus gesehen, als in unsern großen Handelsstädten. In einem Ausschußberichte heißt es sogar: „Von allen Aristokratien knechtet keine ein Volk vollständiger, als die des Geldes.“

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Dok-Nr. 104: „Der Beobachter“ No. 66 vom 08.06.1852

Californien, Australien.

Truth is stranger than fiction, nichts ist romanhafter als die Wirklichkeit, sagen die Engländer. Der Satz ist richtig, aber es gehört zu ihm, wie zu einem Zwillingsbruder ein zweiter: nichts läßt so gleichgültig, als die Wahrheit. Nach den Urtheilen, die man allenthalben hört und die vielfach in der Presse ihren bewußten und unbewußten Ausdruck finden, sollte man meinen, wir lebten in dem langweiligsten, ereignißärmsten Zeitalter, das je über unsere alte Erde gegangen.

[…]

Vor wenig Jahren war Californien, mit Ausnahme einiger unbedeutenden Küstenplätze, nur von halbverhungerten Wilden bevölkert. Man hätte damals Manchen fragen können, wo Californien läge, und vergebens auf eine Antwort warten. Der Nachricht von der Entdeckung des Goldes folgten bald Berichte über den verzweifelten Charakter der Bevölkerung, die dort von allen Enden der Welt zusammenströmen. Es gab keine Behörden, keine Gesetze, kein Rescripte, keine Ruhe und Ordnung, kurz nichts von allem Dem, was man wohl sonst für das Wesen des Staates hält; nur eine Sammlung von Abenteurern, mit Bowiemessern und Revolvern im Gürtel, ohne Familie, ohne Haus, ohne blinden Gehorsam. Es war die reine Anarchie, und die conservative Presse Europa’s erzählte Schauergeschichten und sprach: ich danke dir, Gott, daß wir nicht sind in Californien. Und doch wird all das Gerede von Anarchie, das wir seit vier Jahren so zum Ueberdruß gehört haben, gerade durch Californien schlagend widerlegt. Der Mensch ist heute noch, wie zu Aristoteles Zeit, ein „politisches Thier.“ Wo er seiner Natur folgen kann, da richtet er sich ein, trifft Anstalten zur Befriedigung gemeinsamer Bedürfnisse, stellt das Recht über die Gewalt, bildet einen Staat, verbannt die Anarchie, so sicher wie der Biber seinen Damm, die Biene ihre Zellen baut. Was war die Lynchjustiz, der Wohlfahrtsausschuß in St. Franzisko, über die sich jeder ehrsame Urwähler bekreuzigte, Anderes, als eine gewaltsame Reaction des Ordnungstriebes gegen die Anarchie? Weil Diejenigen, die das Volk beauftragt hatte, Recht und Ordnung zu erhalten, noch zu schwach waren, nahm das Volk die Justiz wieder in eigene Hand. Die zwölf Männer, die zur Zeit der „wahren deutschen Freiheit“ unter der Eiche Recht sprachen, waren ja auch von keinem Regierungspräsidenten auf die Liste gesetzt, und erst vor wenigen Tagen drohte die conservative „Times“ dem nichtsthuenden Parlamente, das britische Volk werde ein Lit de justice abhalten. Eine dauernde Anarchie ist nur da möglich, wo eine Partei die Macht hat, die Gesetze zu verachten.

Im vergangenen Jahre ist Californien schon als Staat in die Union aufgenommen, hat seine drei Oberrichter, die auf sechs Jahre vom Volke gewählt werden, hat seine Districtsgerichte und hat in seiner Verfassung einen Paragraphen, den wir uns über die Thür schreiben sollten: 500.000 Morgen Congreßland, alle erblosen Verlassenschaften und ein noch zu bestimmender Procentsatz von dem Verkaufspreise aller Staatsländereien sind für die Volkschulen bestimmt. Californien besaß am Schlusse des vorigen Jahres 1151 Schiffe, San Francisco allein 45 Dampfer. Seit der Entdeckung der Minen bis zu Anfang dieses Jahres sind 250 Millionen Dollars in Gold ausgeführt; wie viel im Lande circulirt, weiß man nicht, und doch keine ungeheuerliche, krankhafte Erscheinung auf dem wirthschaftlichen Gebiete. Die Preise der Kaufmannsgüter stehen nicht viel über dem Productionspreise und der Fracht; der Tagelohn hat sein richtiges Gleichgewicht gefunden; der Ackerbau nimmt sich auf, das Land ist gesucht und die Ufer der kleinen Flüsse bedecken sich mit Fabriken.

Die Goldschätze Australiens sind noch reicher […]

Ungestört, sich selbst überlassen, schaffen die natürlichen Neigungen der Menschen, die natürliche Entwicklung der Dinge in Californien ein harmonisches, blühendes, beispiellos wachsendes Gemeinwesen. Staatlich und wirthschaftlich finden die Dinge, wie die Engländer mit einem von dem Wasser hergenommenen, mit „Gleichgewicht“ nur unvollkommen übersetzbaren Bilde sagen, ihr level.

In Australien werden mühsam geschaffene Staaten in einem Augenblick auf den Kopf gestellt, weil sie Schöpfungen der Geheimrathsweisheit von Downingstreet waren.

(N.Z.)

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Dok-Nr. 105: „Der Beobachter“ No. 89 vom 31.07.1852

Die Deutschen in Amerika.

Die „Deutsche Auswanderer-Ztg.“ theilt aus dem Cincinnati Commercial“ folgende Zeilen in wörtlicher Uebersetzung mit: „Wie können uns das Vergnügen nicht versagen, zu bemerken, daß die meisten deutschen Einwanderer fleißig, sparsam und ordnungsliebend sind; es würde eine endlose Arbeit sein, all das Gute aufzuzählen, welches sie diesem Lande bereits zugeführt. Der Reichthum an Geld, welchen sie in der letzten Zeit mitbringen, ist nur ein Tropfen in Vergleich zum Reichthum ihrer Industrie. Ihre Ankunft sichert mehr Gold, als die Minen Californiens, denn wenn diese erschöpft sind werden die Resultate des Wirkens jener von ewiger Dauer sein.“ – Leider sind wir Deutschen dadurch, daß man uns die Betheiligung an der vaterländischen Politik nahm, so sehr zu Weltpolitikern geworden, daß wir uns wohl selbst des Lobes freuen können, welches uns darüber zu Theil wird, weil wir an der Macht jener Republik mitwirken, an deren Entwickelung die Zukunft des Menschengeschlechts geknüpft zu sein scheint. Aber für den Mann, der sein Vaterland und sein Volk liebt, ist es ein herber Schmerz, daß nicht nur ein Stamm nach dem andern von dem Vaterlande losgerissen und den Fremden preisgegeben wird, sondern noch dazu jährlich Tausende der besten Bürger aus dem Vaterlande getrieben werden, um ihre reichen Kräfte der wachsenden Größe eines fremden Volkes zuzubringen. Augenblicklich empfinden wir freilich noch nicht die Schwächung unserer nationalen Lebenskraft, welche wir dadurch erleiden; aber die Thatsache jener Auswanderungen weist auf einen Verfall hin, den die Unterdrückungen der politischen Rechte des Volkes, die polizeilichen Maßregelungen und die kirchlichen Unduldsamkeiten gegen die individuelle Freiheit und das System der Beschränkungen gewerblicher und commercieller Thätigkeit wahrlich nicht aufhalten werden. Denn nicht diese Produkte abgestandener grauer Theorieen sind es, mit denen Nordamerika seine Anziehungskraft ausübt und denen es seine steigende Blüthe verdankt; sondern die Deutschen wandern über den Ocean, weil sie dort in politischer, kirchlicher und gewerblicher Beziehung das Gegentheil von dem finden, was sie hier zurücklassen, und Nordamerika wächst an Bildung, Reichthum und Macht, weil es Principien befolgt, die denen entgegengesetzt sind, auf welchen unser Heil befestigt werden soll. Freilich wäre es eben so thöricht, wie unmöglich, die nordamerikanischen Institutionen nach Deutschland verpflanzen zu wollen. Wie wir einmal sind, würden wir uns in unsrer Gesammtheit traurig genug bei denselben ausnehmen. Aber so viel könnten wir an dem Beispiele Nordamerikas gelernt  haben, daß politische Freiheit die Völker nicht schwach, gewerbliche Freiheit die Staaten nicht arm und kirchliche Duldsamkeit die Menschen nicht irreligiös macht.

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Dok-Nr. 106: „Der Beobachter“ No. 98 vom 21.08.1852

Corollarien.

Amerikanische und europäische Sitte.

In dem freien, mächtigen und glücklichen Amerika gilt nicht die Person, sondern ihr Wirken, der Handwerker wird geachtet, wenn er Achtung verdient, der Beamte verachtet, wenn er ein Schurke ist; da wird die Arbeit geehrt; der Arbeiter im schwarzen Bären, wenn er ein rechtlicher Mann ist, steht höher im Ansehn, als der Rath im Hôtel Casino, wenn er ein Schuft ist. – In dem unfreien, erniedrigten, ohnmächtigen und unglücklichen Europa gilt nur die Person, nicht sein Wirken, nur die Würde, welche dem Amte beigelegt ist, nicht die Würde, die es durch die Art der Verwaltung verdient. Der hohe Beamte – wäre er auch der gemeinste Schurke – schaut man mit Naserümpfen auf den Handwerker herab und spottet über sein Handwerk. Um den besternten Minister, um den Rath, im hohen oder höchsten Colegium, um den hohen Beamten im Hôtel Casino wirst du Alles in Unterwerfung und Verehrung sich sammeln sehen, wenn sie auch die größten Hallunken wären; der Arbeiter im schwarzen Bären wird kaum eines Grußes gewürdigt, wäre er auch der kräftigste und rechtlichste Mann.

Lieber Leser, halte diese Sitten gegeneinander, dann sag‘ uns, welche Du für die bessern achtest.

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Dok-Nr. 107: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 57 vom 10.08.1853

[Leitartikel] Gedanken über die Angelegenheit des Ungarn Koßta. I.

Betrachten wir in der Angelegenheit Koßta’s ferner einmal das Verfahren zweier Staaten gegen einen und denselben Mann, von dem beide Staaten zugleich behaupten, daß er ihnen gehöre, und leiten daraus die staatlichen Grundsätze ab.

Im Geiste Oesterreichs existirt der Staat nicht als Wohlthat für die Staatsangehörigen, sondern die Staatsangehörigen sind Unterthanen des Staates. Die Unterthanen haben Pflichten, die gar nicht abhängig sind von den Wohlthaten, die der Staat ihnen bietet. Der österreichische Unterthan ist ein Eigenthum des Staates. Er kann nicht sagen: ich will auf die Wohlthat verzichten, Oesterreicher zu sein, denn er ist nicht Oesterreich[er] zu seinem Wohl und Heil, sondern zu Oesterreichs Wohl und Heil. Nur der österreichische Staat selbst kann ihn freilassen, wie der Herr seinen Sclaven. Hat aber der Staat einen Menschen nicht freigelassen, so ist und bleibt er des Staates Unterthan, und wenn er an’s Ende der Welt ginge. Ja in den österreichischen Gesetzen von der Unterthänigkeit liegt es, daß ein Unterthan, der entflieht, nicht nur Unterthan bleibt, sondern sogar seine Kinder und Kindeskinder sind, wenn der Herr ihrer habhaft wird, immer noch seine Unterthanen.

Nach den freien Begriffen des Amerikaners giebt es keine solche Unterthänigkeit. Für den Amerikaner ist der Staat eine Institution zum Wohl und Schutz der Angehörigen. Geht Jemand aus dem Staate fort und sagt: ich will diese Wohlthat nicht mehr, so ist er fortan aller Pflichten gegen den Staat ledig, soweit diese nicht auf besonderen Verbindlichkeiten und nicht nur auf dem allgemeinen Verhältniß von Staat und Staatsangehörigen beruht. Denn jeder Mensch muß das Recht haben, Wohlthaten von sich zu weisen und muß daher auch jeder Pflicht entbunden sein, die nur ein Ersatz für die Wohlthat ist. Im Geist des Amerikaners ist es also eine ausgemachte Sache, daß, wenn Jemand als Flüchtling aus einem Staate auswandert, er auch aufhört von dem Staate irgend wie abhängig zu sein. Denn der Staat hat keinen Anspruch mehr auf einen Menschen, der die Wohlthat der Staatsangehörigkeit nicht genießen will.

Dagegen hat aber nach amerikanischen Begriffen Jeder sofort Anspruch auf die Wohlthaten und den Schutz des Staates, sobald er die Erklärung abgegeben hat, daß er dem Staate angehören will. Die vollen Rechte werden freilich erst nach einer gewissen Zeit gewährt, wie dies bei einem Staate, der einem sehr beträchtlichen Theile nach durch Einwanderung bevölkert wird, natürlich ist, aber auch darauf, diese Zeit zu verkürzen, ist schon das Streben der amerikanischen Democratie gerichtet.

Diese Gegensätze gehen ganz deutlich aus dem so sehr verschiedenen Verfahren der beiden Staaten in Betreff des Ungarn Koßta hervor, sie werfen ein grelles Licht auf die Verhältnisse der alten Welt, denen der neuen gegenüber; Fessel und Frohndienst auf der einen, Schutz und Wohlthat auf der andern Seite.

Der betreffende Vorfall hat weit und breit allgemeine Aufmerksamkeit erregt, bei einigem Nachdenken ist es leicht sich obige Folgerungen aus der Sache ziehen; die Folgen davon können nicht ausbleiben.

Wem kann es zweifelhaft sein, ob er lieber da leben will, wo er die Freiheit hat, wenn es ihm nicht gefällt oder nicht recht wohl ergeht, wegzugehen, oder da, wo er wie in einer Mausefalle sitzt, hinein ist erlaubt, aber nicht wieder heraus, wenn nicht eine mächtigere Hand die Thür öffnet, wenn der Staat ihn nicht freiläßt. Und wirklich ist auch schon seit einiger Zeit in den europäischen Staaten, weil sich die Wirkungen dieses Gedankens zeigte, der schon lange den Leuten gekommen ist und kommen mußte, und nur jetzt sich einmal recht deutlich zeigt und aufdrängt, vielfach der Versuch gemacht, die Thüre fester zu schließen durch Auswanderungsgesetze und Auswanderungsverbote, da den Staaten bange wurde, ihre Angehörigen möchten ihnen mehr und mehr weglaufen und am Ende die Regierungen mit ihren Beamten allein übrig bleiben und dann nichts mehr zu regieren – aber auch nicht mehr zu essen haben. Es ist an und für sich schon ein gar böses Zeichen, wenn man da, wo es den Leuten wohl sein sollte, die Thüren zuschließen muß, damit sie nicht weglaufen; aber so es wie nach dem Auseinandersetzungen des vorigen Artikel einen nachtheiligen Schluß für die Redlichkeit und Vortrefflichkeit der Staaten ziehen läßt, wenn sie sich ohne Noth da der Gewalt bedienen, wo sie behaupten, daß ihre Ansprüche aus dem Rechte hervorgehen, und nicht eben auf dies ihr angebliches Recht vertrauend den Weg Rechtens einschlagen.

[vgl. auch Dok-Nr. 86: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 88 vom 21.10.1853 „Zur Koßta-Angelegenheit“]

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Dok-Nr. 108: „Der Beobachter“ No. 74 vom 16.09.1853

Die Amerikaner und der russische Gesandte.

Das Albany Evening Journal erzählt folgenden Vorfall:

Herr Bodisco (der russische Gesandte in Washington) soll Lust gezeigt haben, einem Washingtoner Blatte (wenn wir nicht irren, wegen der Koßta-Geschichte) einen petersburgischen Maulkorb anzulegen. Wir hoffen, es wird damit gute Weile haben. Aber das Gerücht erinnert uns an ein Abenteuer, das Herr Bodisco im Beginn seiner hiesigen Laufbahn hatte. Vor einigen Jahren machte er mit einer Gesellschaft von Freunden einen Ausflug per Eisenbahn nach dem Niagara. Als der Zug nach Syracuse kam, fiel es einem Attaché, Secretair oder sonst wem ein, mit einem der Bahn-Beamten Streit anzufangen, seinen Stock aufzuheben und den Mann zu schlagen. Dieser war im Begriff, Vergeltung zu üben, aber der Fremde stellte sich unter den Schutz seines Herrn und der Suite, die alle natürlich seine Partei nahmen und kraft ihres diplomatischen Charakters ihn ungestraft fortzubringen meinten. Mr.Smith, der Conducteur und Agent, machte sogleich dem Gesandten seine Aufwartung und bemerkte, höflich aber fest, der Minister werde hoffentlich den Handel beilegen, er könne dies sehr leicht durch eine Abbitte thun. Der Minister lächelte. Abbitten! Ob Mr. le Conduteur wisse, mit wem er spreche? – Sehr wohl, entgegnete Mr.Smith; wenn Sie der Kaiser aller Reussen selbst wären, so hätte der Geschlagene das Recht, auf einer Abbitte zu bestehen, und ehe er sie erhält, fährt dieser Zug nicht weiter. Große Entrüstung in dem diplomatischen Cirkel, als diese verwegene Rede Einem nach dem Andern übersetzt wurde! Entsetzliche Flüche erschollen gegen Mr.Smith, gegen die Eisenbahn, gegen die Compagnie und gegen Amerika, aber da sie im reinsten Russisch waren, thaten sie Niemand was zu Leide. „Ich befehle, weiter zu fahren!“ sagte der außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister, auf die Plattform heraustretend. Die Passagiere starrten ihn an. Die Umstehenden winkten einander zu. Die kleinen Zuckerbäcker-Jungen sperrten Augen und Ohren auf und glaubten, der bärtige Mann sei verrückt. „Ich befehle, weiter zu fahren!“ wiederholte Herr Bodisco, mit Stock und Fuß auf den Boden stampfend. Kein Resultat. Träge kräuselte der Rauch aus der Lokomotive empor, die Heizer und der Ingenieur standen an einem Holzstoß gelehnt und ergötzten sich an der Komödie. Glücklicher Weise kam in diesem Augenblicke ein Bekannter des Ministers, ein Gentleman aus Washington, heran und nahm sich die Mühe, den Gesandten zu belehren. Ein langes Gespräch folgte, das Niemand verstand, da es in einer fremden Sprache geführt wurde, - und darauf ließ sich der Herr Gesandte herbei, eine recht anständige Abbitte vorzubringen, die gern angenommen ward, - namentlich, da er seine Unkenntnis der Sprache und Sitten des Landes als Entschuldigung für sein Benehmen geltend machte. Die Pfeife schrillte, die Glocke klang und fort dampfte der Zug mit zwei, drei Leuten, die etwas klüger als eine halbe Stunde vorher waren. So wird wohl auch Herrn Bodisco’s Handel mit dem Blatte in Washington ausgehen. Am Ende ist nicht der Mann selbst, sondern seine Erziehung zu tadeln; denn für einen Russen ist Herr Bodisco ein recht vernünftiger und gebildeter Gentleman.

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Dok-Nr. 109: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 43 vom 09.04.1854

[Leitartikel] Amerika.

Als der Kaiser von Rußland die Türkei überfiel, und große Lust hatte, sie für gute Prise zu erklären, als russische Schiffe bei Sinope zeigten, daß ihr Volk nicht zu den civilisirten gehörte, da hatte die Weser-Zeitung kaum ein Wort gegen die Barbarei und für die Unterdrückten, das Blatt der s.g. Republik Bremen durfte ja nicht gegen den Kaiser aller Reußen sprechen; aber kaum haben die nordamerikanischen Freistaaten einen Conflict mit Spanien, so ist die Weser-Zeitung da und heult über den drohenden Krieg, über die wahrscheinliche Eroberung Cuba’s, über zu erwartende Raubzüge, über den Nachtheil für den europäischen Handel u.s.w.

Mit der geistreichen Nachahmung – „Bruder Jonathan kann nicht schlafen, wenn er an die Lorbeeren John Bull’s denkt“ – wird das Ganze eingeleitet, lächerlich, als ob England schon Lorbeeren geerndtet hätte, wenn es große Schiffe ausgerüstet hat, oder als ob irgend ein Zusammenhang darin wäre, daß die Vereinigten Staaten sich auch zeigen müßten, wenn Rußland vom England geklopft würde. „Der kriegerische Unternehmungsdrang der transatlantischen Republik“ – an dem beiläufig gesagt auch nichts Wahres ist – „seit einigen Jahren durch californisches Excitement aus der Bahn gelenkt, findet bei dem Widerhall europäischer Kanonen seine verlorene Richtung wieder, und Präsident Franklin Pierce legt die unverkennbare Neigung an den Tag, seine Amtsführung durch Thaten der Eroberung zu verherrlichen, wen nicht gar zu verlängern“. Das sind vage Vermuthungen, oder auch Verdächtigungen, die dem Präsidenten freilich wenig schaden; die W.Z. hätte nur noch deutlicher sagen sollen, was sie erwartet, oder vielmehr wünscht, einen Staatsstreich, damit auch in Amerika das verderbliche Beispiel der Republiken aufhöre, damit alle Volksherrschaft vertilgt würde und es nur Herren und Knechte gäbe; das wäre dem servilen Blatt der Republik Bremen wohl das Genehmste und sein heißester Wunsch wahrscheinlich erst erfüllt, wenn Bremen selbst auch einen König hätte. Nun, wer weiß! Hoseas 13,11 zu Anfang. Brachte doch auch die Weserzeitung das alberne Mährchen von dem napoleonischen Prinzen, der Aussicht haben sollte, in Amerika die Herrschaft an sich zu bringen.

Aber es ist nicht genug, daß die W.Z. über den Conflict wegen der Confiscirung des amerikanischen Schiffes in Cuba einen Krieg der Vereinigten Staaten gegen Spanien prophezeit, daß es Cuba von jenen Staaten erobern läßt und selbst gegen den Willen der Regierung, die „wohl oder übel dem Strome wird folgen müssen“ – denn republikanische Regierungen müssen ja als schwach dargestellt, republikanische Völker als wilde, zügellose, anarchische Staaten dargestellt werden – sondern „man wird vielleicht sich noch Glück zu wünschen haben, wenn die Wegnahme Cubas auf dem üblichen Wege öffentlicher Kriegführung und nicht durch die regellosen Waffen eines Freibeuterheeres erfolgt.“ Das sind ja fürchterliche Zustände; alles Folgen der Republik; o heiliger Nikolaus bewahre uns vor ihnen!

Wir unsrer Seits würden uns nur freuen, wenn Cuba von dem zerrütteten Spanien getrennt und frei, wenn Cuba gleich Texas ein glücklicher freier Staat würde, mögen die Vereinigten Staaten es erobern, oder möge es sich selbst befreien. Daß ist nämlich der große Unterschied zwischen amerikanischen und russischen Eroberungen, daß die ersteren die Völker frei und glücklich machen, sie der Civilisation öffnen und der Welt nützlich machen, daß die russischen Eroberungen aber die Völker verschlucken und vernichten, daß die Ausdehnung Rußlands eine gleiche Einschränkung der Civilisation und ein Verlust für die Menschheit ist.

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Dok-Nr. 110: „Oldenburger Zeitung“ No. 204 vom 30.12.1858

Amerikanisches Freiheitsbild.

Eine Newyorker Zeitung, der „Herald“, giebt in seiner Nummer vom 11.Nov. d.J. ein Bild über amerikanische Freiheit, welches, wenn gleich es übertrieben und auch nicht wenig vom Parteihasse über das Ergebniß der kürzlich Statt gehabten Congreßwahlen gefärbt sein mag, doch einer besonderen Erwähnung besonders auch deshalb verdienen wird, weil man dergleichen selten in einem amerikanischen Blatte findet. Das Blatt sagt unter anderm: „Es ist bei uns Mode, uns über die traurigen Verhältnisse der angeblich zertretenen Massen Europa’s aufzuhalten. Mit einem Klageseufzer weisen wir hin auf Frankreich Prätorianerregierung, und danken dabei der Vorsehung, daß unser Bürgerthum von keinem stehenden Heer bedroht wird, und daß unsere Journalisten wegen eines Artikels sich nicht mit einem ganzen Regiment zu duelliren brauchen. Unsere Prediger vergießen Thränenbäche über die Pfaffenwirthschaft in Italien, und jeder Amerikaner ist besonders stolz darauf, daß wir keine englischen Lords haben und daß jeder Standesunterschied und alle Privilegien in unserem glücklichen Lande unbekannt sind. Aber welches ist denn die oberste Gewalt in der Hauptstadt der Union? Frei von religiösem, militärischem oder aristokratischen Despotismus, scheint es, haben wir die höchste Glücksstufe erreicht. Doch dem ist keineswegs so. Wir vermögen unsere Augen nicht vor der Wahrheit zu verschließen, und darum müssen wir anfangen, einzusehen, daß bei uns der Janhagel [= Pöbel] die oberste Gewalt behauptet. Und dieser Despotismus ist schlimmer als derjenige Rußlands oder Frankreichs, weil er sinnlos ist, grausam und blutig. In einem Umkreise von 2 ½ Meilen um das Stadthaus wohnt hier eine Million Menschen, die unter den glücklichsten politischen Institutionen leben, wie alle Welt sagt. Denn das Gesetz sichert ihnen das Recht, die eigenen Beamten zu wählen, es sichert ihnen Schutz, Freiheit und Eigenthum. Doch, wie ists damit in Wirklichkeit? Die Gesetze werden mit Füßen getreten, die Macht des Gesindels ist allüberwiegend, und die Million Menschen zittert vor einer Bande von Strolchen, deren bleibender Aufenthaltsort die Galeeren sein sollten. Diese Leiter aller hiesigen Verhältnisse theilen sich in folgende Klassen ab, nämlich: Klopffechter ersten Ranges 100; subalterne Boxer 1000; herumstreifende Schulterstößer 2500; falsche Spieler und Galgenvögel 2000; bekannte öffentliche Häuser 1500; gewerbsmäßige Banditen und Mörder 2000; Diebe, Schwindler und Gauner 6000; zusammen 15.100 Mann, welche die Stadt beherrschen. Alle sind Wähler, und viele von ihnen wählen sogar, so oft es ihnen beliebt. Mit Tausenden von Freunden belagern sie allein die Stimmkasten und halten jeden anständigen Mann mit oder ohne Gewalt ab, von seinem Rechte Gebrauch zu machen. Zu ihnen gesellen sich eben so viele Tausende von Dirnen. In den Händen solchen Gesindels befindet sich also die Gewalt in Newyork, und überall sonst im kleineren Maßstabe. Die Begeisterung kommt ihnen aus der Schnapsflasche, welche jede Art von Rohheit und Ausschweifung hervorbringt etc.“

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Dok-Nr. 111: „Oldenburger Nachrichten“ No. 63 vom 28.05.1865

[Leitartikel] Zur Tagesfrage.

Es kann nicht zu stark betont werden, daß der amerikanische Bürgerkrieg, wie sein Ende, das größte Ereigniß ist, welches sich in dem halben Jahrhundert zugetragen hat, das dem Wiener Congresse folgte. Er hat eine friedliche Nation in eine kriegerische umgewandelt; er hat das europäische Uebergewicht in politischen Dingen geschmälert und theilweise aufgehoben; er hat es für England unmöglich gemacht, die Herrschaft zur See beizubehalten, welche es seit hundertfünfzig Jahren behauptet; er hat im stillen Ocean die großen Aenderungen vorbereitet, welche sich bald dort zutragen müssen. Spanien und Brasilien, welche noch heute die Sklaverei dulden, werden bald durch die Vorgänge in den Vereinigten Staaten in bittere Verlegenheit gerathen. Ein Druck von Außen wird sich jetzt, da sie der moralischen Stütze der Vereinigten Staaten entbehren, in sehr verstärktem Grade gegen sie geltend machen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß sich in Havanna und in Rio de Janeiro noch lange ein Zustand wird behaupten lassen, der in Charleston und New-Orleans zu Falle gebracht worden ist. Aber die wachsende Macht des nordamerikanischen Freistaates wird noch eine andere Folge haben. Sie wird den Ideen der bürgerlichen und religiösen Freiheit in der ganzen civilisirten Welt eine breitere Bahn brechen. Je größer und herrschender die Nationen werden, welche Träger der modernen Entwicklung sind, desto unmöglicher, desto unstaatsmännischer und gefährlicher wird es, sich ihrem Einflusse zu entziehen. Daß ein monarchischer Staat einen ebenso ausgebildeten Zustand der politischen Freiheit zuläßt, als ein republikanischer, mag als vollkommen anerkannt gelten. Man ist nicht weniger frei in Montreal und Quebec, als in Boston und Newyork; Holland und Belgien können sich in ihrer politischen Vorgeschrittenheit kühn den Vereinigten Staaten an die Seite stellen. Der Luftstrom, welcher jetzt mit verstärkten Kräften von jenseits des Oceans zu uns herüberzieht, wird den inneren Zuständen dieser Staaten nicht gefährlich werden. Aber wohl wird er in Frankreich die imperialistischen Principien bedrohen. Wohl wird er unsanft an die Sicherheitsgesetze wehen, an den falschen Constitutionalismus, an die Scheinfreiheiten, welche wie ungesunde Pilze und Schwämme den französischen Boden bedecken.

(Wiener „Presse“)

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Dok-Nr. 112: „Oldenburger Zeitung“ No. 11 vom 14.01.1866

[Leitartikel] Oldenburg, 13. Januar

Wer mag es den Amerikanern verargen, wenn sie mit einem gewissen stolzen Selbstgefühle auf ihren Krieg zurückblicken, nach dessen Beendigung die losgelassenen furchtbaren Gewalten allen europäischen Prophezeiungen zum Trotze ruhig zu den Geschäften des Friedens, zur Arbeit zurückgekehrt sind, und jetzt dörfliche Homere an den langen Winterabenden ihren lauschenden Hörern ihr Iliaden und Odysseen vortragen und die Helden des Krieges die Schlachten noch einmal schlagen lassen.

„Kriege“, sagt die Newyorker Tribüne in einer ihrer neuesten Nummern, „erzeugen militärischen Ehrgeiz und militärischer Ehrgeiz ist der Untergang von Republiken“: - jeder Abiturient hat das seit Menschenaltern von den Schultribünen herab bewundernden Auditorien von Backfischen dargethan. Hat nicht Cäsar den Rubicon überschritten, Napoleon die Deputirten mit Bajonneten verjagt u.s.w.? Allein wir in Amerika treiben die Sache anders. Einer unserer Heerführer besorgt jetzt den Verschleiß einer patentirten Druckpumpe; ein anderer (Burnside) baut eine Eisenbahn durch das pennsylvanische Oelland. Einer der Corpsgenerale der Potomac-Armee (Franklin) ist Geschäftsführer einer Pistolenfabrik; einer unserer kühnsten und verwegensten Reitergenerale (W.H.Smith) und lange Zeit Befehlshaber eines selbstständigen Armeecorps, betreibt (in Chicago) einen Kleinhandel in Colonialwaaren; einer der bravsten Generale Shermans ist Makler für Forderungen an den Fiskus. Ein Divisionsgeneral (Sigel) redigirt eine Zeitung in Baltimore, ein anderer (Ferero) ist Tanzlehrer im fashionabeln Stadttheil von Newyork; ein dritter (Percy Wyndham, aus einer alten englischen Adelsfamilie) Fechtmeister. Einige unserer Offiziere sind in den Congreß gelangt, andere befinden sich auf der Reise nach den Hauptstädten ferner Länder (Kilpatrick nach Chile, Warren nach Guatemala), um dort die Ehre der Nation zu vertreten, die sie so tapfer vertheidigt. Diese Männer mit den goldbesternten Epauletten verlassen die Spitzen ihrer Legionen, um vielleicht Agenten oder Compagnons oder Geschäftsfreunde der Ordonnanz zu werden, die an ihrem Zelte stand, oder des Gemeinen, der ihnen den Steigbügel hielt.

Und nicht anders ist es mit den Heerführern der Rebellion. Der größte von ihnen ist jetzt Lehrer der Mathematik an einer Universität *]. Shermans große Widersacher (Johnston, Bragg, Beauregard) haben ein Passage- und Speditionsgeschäft. Der einst so gefürchtete Beauregard verkauft Dir jetzt höflich eine Fahrkarte von Neworleans nach Jackson, und wenn Du einem Freunde in Richmond eine Paar Schinken senden willst, wird sich Joe Johnston, einst der Führer großer Armeen, ein Vergnügen daraus machen, sie zu spediren. Der Mann, dessen Erdfestung zu Fort Donelson Grant nach dreitägigem Gemetzel erstürmte (General Buckner) giebt in Neworleans eine mittelmäßige Zeitung heraus, und der General (Gardiner), der das feste Bollwerk des untern Mississippi, Port Hudson, Jahr und Tag lang erfolgreich vertheidigte, ist sein Lokal-Berichterstatter, Stadtreisender in Neuigkeiten. Jener vielgenannte General Forest, dessen Name unauslöschlich mit dem Blutbade zu Fort Fillow verknüpft ist, ist Sägemüller; ein anderer General ist Schnapswirth in Houston (Texas), der General Anderson etablirte eine Metzgerladen in Atlanta und wurde, als es damit schlecht ging, Auctionator in Augusta; L.A.Thomas ist Conducteur eines Dampfboots auf dem Tombighee, der Reitergeneral Wheeler treibt Commissionsgeschäfte in Augusta; Royer A. Payor (der junkerlichste aller Junker) practicirt als Advocat in Newyork. Und so mit den übrigen dieser verwegenen, ehrgeizigen und leidenschaftlichen Männer. Die Bundesgewalt, gegen welche sie kämpften, ist jetzt ihre Freundin und Beschützerin. Die Rebellion ist ein verflogener Traum. Sie denken daran nur noch als eine zerstörte Illusion. – Unsere eigenen siegreichen Krieger aber haben das Schwert weggeworfen und rufen: Nun, da nicht mehr im Zorne Blut vergossen wird, werde es auch nicht aus Rache vergossen.

An unserm ganzen Kriege war nichts so glorreich und erhebend als sein Ende. Wir haben den ältesten civilisirten Nationen der Erde bewiesen, daß wir sie in der Kriegskunst übertreffen, wie in der Friedenskunst. Keine republikanischen Royaden weihen die Wiedergeburt der Nation. Keine Sipahi-Massacres**], keine Greuel wie die auf Jamaica bezeichnen unsern Triumph. Bei uns kein Galgen, kein Pranger, keine Garotten und keine Decembrisaden***]. Unser Sieg war über ein Volk, unsere Stärke ist die Stärke eines Volkes. Der Zweck unseres Krieges war Friede. Unser Friede ist nicht Rache und Blutvergießen, sondern Wiedervereinigung, Freiheit und Recht, Vergessenheit aller Trübsale und Bitternisse und die Zuversicht, daß die Zukunft uns eine Republik geben wird, groß und machtvoll, wie die römische, aber dauernder als sie, denn wir haben keinen Rubicon für ehrgeizige Cäsaren, keine Heldenvergötterung und kein Diadem für einen Triumphator.

[* General Robert Lee: ab 1865 Oberbefehlshaber der Konföderierten]

[** Sipahi (persisch): Angehörige der im 14.Jhdt. gegründeten und meist aus Renegaten bestehenden türkisch-osmanischen Reitertruppen; später gebräuchlich für berittene einheimische Soldaten europäischer Kolonialarmeen. In Indien als Sepoy bezeichnet. 1857/58 machten diese Sepoy mit Beteiligung des herrschenden Moguls einen Aufstand gegen die englischen Kolonialherren. Die Niederschlagung, welche mit der Absetzung des Moguls und Übernahme auch der formalen Herrschaft durch die Engländer endete, wurde von diesen mit besonderer Grausamkeit ausgeführt. So wurden z.B. Gefangene zur Abschreckung durch Kanonen hingerichtet.]

[*** Decembrisaden: gemeint sind die Vielzahl von Hinrichtungen und Verbannungen in Rußland nach dem Scheitern des Dekabristen-Aufstandes am 14.12.1825. Russische Adelsrevolutionäre kämpften für die Abschaffung der Leibeigenschaft und für bürgerliche Freiheiten.]

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Dok-Nr. 113: „Oldenburger Zeitung“ No. 127 vom 05.06.1866

Vermischtes.

* Seltsame Wandlungen sind es, welche oft die europäischen Familien-Traditionen, besonders die aristokratischen, in Amerika erfahren müssen. In Bezug auf die humoristischen Contraste, welche sich aus diesen Metamorphosen ergeben, stellt ein französisches Blatt aus der einzigen Stadt Chicago folgende Beispiele zusammen: Der Bruder von Charles Dickens bekleidet dort eine ganz unbedeutende Stelle in den Canzleien der Central-Eisenbahn von Illinois. Ein deutscher Baron, früher Reisegefährte Alexander von Humboldts, verkauft Bier um 4 Sous das Glas. Der Neffe Nelsons, ein Collingwood, befaßt sich mit Rindviehmästung. Ein adliger Ungar ist Anstreicher. Der Sohn eines englischen Grafen, früher Offizier, übt jetzt das wenig aristokratische Geschäft eines Wurstmachers aus, und ein Sohn des früheren Bischofs von London, der bereits alle seine academischen Grade in Oxford erhalten hatte, fabricirt gegenwärtig Seife.

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Dok-Nr. 114: „Oldenburger Zeitung“ No. 127 vom 04.06.1869

Amerika.

Newyork, 19.Mai. Die „Equal Rights Society“, die die Emancipirung der Frauen anstrebt, hielt neuerdings eine Sitzung. Den Vorsitz führte selbstverständlich eine Dame, Frau Caddy Stanton; und fast ebenso selbstverständlich ist es, daß sie, so wie die meisten anderen Anwesenden, Brillen trugen und sich noch auf andere Weise als „blue stockings“ auszeichneten. Es scheint, daß man hier und auch in Massachusetts nicht durch anderer Leute Schaden klug werden und selbst das Experiment durchmachen will, welches in Newjersey bereits vor einigen Jahren als durchaus schädlich eingestellt worden ist. Wie man sich vielleicht erinnern wird, sah die dortige Legislatur sich veranlaßt, die politische Gleichberechtigung der Frauen wieder aufzuheben und dafür in dem bezüglichen Gesetze den ausdrücklichen Grund anzugeben, daß „die Betheiligung der Frauen an der Politik gar zu große Scandale und Confusion mit sich bringe“. In unserer Versammlung beklagten die Damen sich darüber, daß man die Neger vor ihnen berücksichtige; für die Schwarzen sei genug geschehen und es werde Zeit, daß man auch einmal Etwas für die Frauen der Weißen thue. Die Sache, so komisch sie auch erscheinen mag und so wenig glänzend zunächst ihre Aussichten auf Erfolg sind, ist keineswegs so gar gering, wie man sich wohl denken möchte. Wozu aber die politische Gleichberechtigung der Frauen nach der Neger-Emancipation am Ende noch führen könnte, ist kaum abzusehen. Die „Newyork Times“ bereitet ihre Leser bereits allen Ernstes auf die Möglichkeit einer „schwarzen Präsidentin“ für die Vereinigten Staaten vor.

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Dok-Nr. 115: „Oldenburger Zeitung“ No. 209 vom 08.09.1869

Amerikanisches Badeleben.

„C’est tout comme chez nous“, sagte kürzlich ein von Long Branch zurückgekehrter Franzose, als er aufgefordert wurde, über seine Beobachtungen in Long Branch Bericht zu erstatten. Saratoga und Sharon Springs, Newburg und Atlantic City sind für dies Jahr verödet, denn der „Hof“ ist nach Long Branch gegangen und hat wie ein Komet den langen Schweif der Würdenträger und solcher, die es werden wollen, mit sich gezogen. General Grant mit seiner aus Gattin, Kindern und zwei Pferden bestehenden Familie, ist in Long Branch. Um ihn schaaren sich die hohen Generale, Civilbeamten, Aemterjäger, Correspondenten, Shoddy-Aristokraten, Berufspolitiker, begeisterte ehrliche Verehrer, kurzum Alles, was sich in Long Branch aufhält und was daselbst „kreucht und fleucht.“ Und „Kriechen“ scheint eine Hauptbeschäftigung zu sein.

Leider ist es nicht möglich, bei den mehr oder minder gefärbten Berichten, sich ein genaues Bild von dem Leben in Long Branch zu bilden, bei aller Uebertreibung aber bleibt doch noch Kern genug, um zu erkennen, daß Manches sehr faul ist. Von Long Branch gilt noch in viel höherem Maße in diesem Jahre, was man in früheren Jahren von Saratoga und Sharon sagte, daß es Badeörter sind, in denen alles Mögliche getrieben wird, nur nicht gebadet oder Brunnen getrunken. Kranke in diesen Plätzen werden wie die Wunderthiere betrachtet. Es ist der Sammelplatz der „Upperten“, namentlich derjenigen, welche mit Töchtern in heirathsfähigem Alter gesegnet sind. Hier giebt es Wettrennen, Bälle, Hazardspiele, kurzum Alles, was nur das sonst so verschriene Homburg oder Baden-Baden in der alten Welt aufzuweisen hatten.

Ein Ball, dessen Erfolg der Telegraph kürzlich nach Newyork meldete, soll „wirklich großartig“ gewesen sein. Lehrreich sind nach dem „N.-Y. Journ.“ die Berichte besonders in einer Beziehung. Man kann sich nämlich aus ihnen ersehen, wie sich die Umgebung des Präsidenten alle mögliche Mühe giebt, die Gebräuche bei Festen an europäischen Höfen nachzuahmen. Die Servilität läßt bereits nichts zu wünschen übrig, mit dem Tactgefühl und der Eleganz der Manieren hapert es aber ganz bedeutend, weil diese angeboren sein müssen und sich nicht mit weißen Glacéhandschuhen und Lackstiefeln anziehen lassen. Als der Präsident mit seiner Gattin in den Ballsaal trat, spielte die Musik die Melodie des Liedes: „Hail to the Chief!“ Im königlichen Preußen wird bei solchen Gelegenheiten „Heil Dir im Siegerkranze!“, im kaiserlichen Frankreich „Partant pour la Syrie!“ gespielt, was gerade auf dasselbe hinausläuft.

[…]

Bei dem großen Balle vertagten sich gegen Mitternacht die Berichterstatter der Newyorker Zeitungen in ein Privatzimmer, bestellten Champagner und ließen dann die „Großen“ vorladen und sie kamen alle, denn die Newyorker Bad-Berichterstatter sind gefährliche Menschen und führen sehr scharfe Federn. Phil. Sheridan*] riß sich sogar aus den Armen seiner Tänzerin, die er schmollend ihrer Mamma zuführte. Auch Olive Logan**] kam und sprach über Frauenmoden.

[…]

So sarkastisch aber auch manche Zeitungen über das ganze Leben in Long Branch herfallen, der Frau Grant lassen sie alle das höchste Lob widerfahren. Sie sei bescheiden, liebenswürdig, und drängt sich nicht vor, trotzdem sie sehr einnehmend sei und sehr viel repräsentire. Andere Damen kommen nicht so gnädig davon. Eine Dame machte ihrer weinenden 17jährigen Tochter harte Vorwürfe über ihr Verhalten in der Gesellschaft: „Warum bist Du nicht zu Dem und Dem freundlicher gewesen, weißt Du nicht, daß sein Vater eine halbe Million werth ist?“ In allen Hotels sind diese unsichtbaren, aber immer thätigen Heiraths-Agentinnen vorhanden. Im Großen und Ganzen ist übrigens die ganze Menschheit der Ansicht, daß „matrimony the great object“ ist, und weiter hat sie keine Zwecke.“

(Ill.St.Ztg.)

[*Sheridan, Philip;  General seit dem Sezessionskrieg, ab 1884 Oberbefehlshaber]

[** führende Vertreterin der Frauen-Emanzipations-Bewegung, „Equal-Rights-Society“]

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Dok-Nr. 116: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 30 vom 13.04.1870

[Leitartikel] Schwarze – weiße – schwarz-weiße Sclaverei.

Der erste Neger hat im Senate der vereinigten Staaten seine Jungfernrede gehalten. Der Neger Ravels, jetzt ein angesehener Senator im freien Amerika, ein Posten, der immerhin an Bedeutung und Wichtigkeit einige deutsche Erlauchten und Durchlauchten, Hoheiten und Herrlichkeiten aufwägen möchte. Als der Neger-Senator sprach, war die Galerie gefüllt, die Diplomatenloge besetzt und auf dem Flur jeder leere Platz von Personen eingenommen, die auf eine besondere Auszeichnung Anspruch machen können. Angesehene Senatoren verließen ihre Sitze, um sich ermuthigend um den Mann zu schaaren, der das große Probestück für sich und seine Race ablegen sollte. Das Repräsentantenhaus wurde von seinen talentvollsten und einflußreichsten Mitgliedern verlassen, weil sie der Sitzung des Senates beiwohnen wollten. Ein tiefes feierliches Schweigen entstand, als der Moment kam und der Senator Ravels sich erhob, und schon seine ersten Worte verriethen eine Sicherheit und Klarheit, die seine Freunde beruhigte und erhob und die Hoffnungen seiner Gegner zu Nichte machte. Er verwies in ruhiger und objectiver Weise auf das gute Verhalten seiner Race während des Krieges und nach seiner Beendigung, und nahm für die Seinigen den Schutz des Bundes in Anspruch gegen die Verfolgungen, welche noch jetzt gegen sie gerichtet sind. Mit tiefem Schweigen wurde seiner Rede gelauscht, welche sich durch ihre Klarheit und ihre sittliche Haltung über die Mehrzahl der Reden erhob, welche man im Senate zu hören bekommt, und als er geendet, brach der lauteste Beifall aus, und die ersten Männer des Landes drängten sich heran, um ihm beglückwünschend die Hand zu drücken. So feierten einen Triumph alle die, welche an die natürliche Gleichheit aller Menschen glauben und in der Anerkennung derselben das Grundelement eines freien und gesitteten Staatswesens erblicken. Solche Dinge gehen vor im freien Amerika, dem Lande, auf welches man vom Standpunkt eines beschränkten Beamtenthums, als noch in mehr oder minder rohem Urzustande, von oben herabzublicken pflegt in erklärlicher Weise, da es ja kaum bei jenem glücklichen Volke Beamte im büreaukratischen Sinne des Wortes giebt. Aber vergleicht man in großen Zügen die Entwicklung und den Culturzustand jener großen Republik der neuen Welt mit den Zuständen in den monarchischen Staaten der alten Welt, so fallen letztere wahrlich nicht so glänzend aus, daß ihnen ein besonderer Vorzug eingeräumt werden könnte. Es zeugt von einem großen sittlichen Gehalt im Innern des Volkes selbst, wenn es in eigner Wahl die edelsten Kräfte an seine Spitze zu stellen weiß, wenn die ganze Reihe der Präsidenten von den Zeiten des großen Washington bis auf die heutige Zeit fast ausnahmsweise ebenso begabte, intelligente als sittliche edle Naturen zeigt, Männer des Volkes freilich, Gerber, Schneider, Holzhacker u.s.w., mit denen sich aber schwerlich vergleichen läßt, was an gesalbten und gekrönten Häuptern Europa aufzuweisen hat. Es zeugt von einer gewaltigen sittlichen Kraft im Volke, wenn nach einem großen blutigen Kriege ein sieggekröntes Heer, eine Million Soldaten, ohne weiteren Lohn, als ihre Bürgerpflicht erfüllt zu haben, in aller Ruhe und Stille auseinandergeht, wenn Feldherren und Generäle, Offiziere und Gemeine in brüderlicher Gleichheit wieder zu den gewohnten Geschäften des Friedens zurückkehren, hier ein General wieder seinen Kramladen aufschlägt, dort ein Oberst seine Bierschenke eröffnet, oder sein früheres Handwerk betreibt. Es regnet keine Trophäe, keine Orden, keine bunten Flitter, keine Bevorzugung, sondern einfach und bescheiden, ohne Ueberhebung fügt sich ein jeder Theil der Gliederung des großen Ganzen.

Es zeugt von einer großen, sittlichen Kraft im Volke, wenn nach einer gewaltigen, tief eingreifenden Finanzkrisis, nach einer Zeit der schwersten Geldnoth, die ganze Steuerkraft des Volkes in der Weise angespannt wird, daß schon nach wenigen Jahren eine solide Regelung als feststehend angenommen wird, wenn innerhalb eines Monats sich der Staatsschatz um 10 Millionen Dollars vermehrt, wenn trotz der großen Opfer jeder künstliche Schritt vermieden wird, um den nothgedrungenen hohen Zinsfuß herabzusetzen, oder den Gläubiger des Staats in irgend welcher Weise zu schädigen. Es wird weder convertirt noch consolidirt, sondern in scharfer Klarheit und Bündigkeit, in ehrlich-ernstlicher Offenheit rollt der Finanzminister die Schilderung auf von der jedesmaligen, wirklichen Finanzlage des großen Landes. Da giebt es kein Versteckspiel, keine Hinterhalte, keine künstlichen Verschleierungen und Verdeckungen. In welch‘ ein winziges Nichts verschwinden die Summen, welche in dem als so materiell verschrieenem Lande der Vereinigten Staaten für Schulen und Bildungsanstalten aller Art, für Arbeits- und Krankenhäuser und sonstige Zwecke des allgemeinen Wohl mit freigiebiger Hand ausgetheilt werden.

In großen Zügen bahnt sich so der Fortschritt weiter in dem Lande, wo früher die schwarze Sclaverei herrschte und wo jetzt ein schwarzer Senator mit ruhiger Würde seinen richtigen Platz ausfüllt, als Zeichen, wie die große Idee der Humanität immer tiefere Wurzel schlägt. Freilich, nach kleinen Zügen formt sich Mancher auf dem alten Continent sein besonderes Bild, wie mancher Lakai eines großen Mannes sich selbst in der Regel als Lakai höher zu schätzen pflegt, als seinen Herrn, da er nur das Kleine aufzufaßen vermag und nicht das Große. In der Bedientenwelt „seht ihr doch so manchen pflicht’gen, kniegebeugten Schuft, der, ganz verliebt in seine Sclavenfessel, ausharrt, recht wie der Esel seines Herrn, ums Heu,“ der nicht im Stande ist, zu begreifen, wie ein Volk ohne „alle Regierungsweisheit des alten Regime“ Großes zu leisten vermag. Aber wir werden im nächsten Artikel einmal vergleichsweise nachsehen, wie es aussieht im Lande, wo diese Regierungsweisheit in blüthenhafter Ausbildung ihr Wesen treibt und welches Verhältnis stattfindet zwischen der schwarzen Sclaverei und der weißen und – wie man drüben sagt – der schwarzweißen Sclaverei.

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II.3.2. Religion, Moral, Erziehung


Dok-Nr. 117: „Oldenburgische Blätter“ No. 39 vom 27.09.1831

Die Americanischen und Schottischen Mäßigkeits-Vereine.*)

[Fußnote] *) Aus einem Schreiben aus London

Unter allen Segnungen, welcher sich das alte Europa, mit seiner, noch in großer, ja oft in tiefer Vernachlässigung versunkenen Bevölkerung der unteren Classen, von seinen Germanischen Stammgenossen in America schon zu erfreuen hatte, wird dereinst wohl keine größeres Glück über dieselben Germanischen Nationen verbreiten, als die Idee der Vereinigung von Districten, ja ganzer Provinzen, zur gänzlichen Verbannung und Ausrottung des Gebrauches stark berauschender und destillirter Getränke, wie Rhum, Branntwein, Liquers; mit der seltenen Ausnahme, wo diese, nach ärztlicher Vorschrift, gleich anderen Giftarten, als Heilmittel empfohlen werden. Die großen Folgen, welche für die Sittigung, für die physische und moralische Erhebung der ärmern und mittlern Classen unsers eignen Volkes und unsrer verwandten und benachbarten germanischen und slavischen Stämme aus der Vertreibung des Unheil verbreitenden Hanges zu destillirten Getränken erwachsen müssen, fallen schon bey oberflächlicher Betrachtung ins Auge. Es ist also verdienstlich, die Aufmerksamkeit Deutschlands auf das, in den Americanischen Freystaaten, und nun auch schon in Schottland, volksthümlich gewordenen Institut zu wenden, das keinen geringeren Zweck hat, als den Hang zur Trunkenheit gänzlich zu verbannen, und somit der Gesellschaft einen neuen jugendlichen Charakter zu geben, der von den gröbsten Schlacken der menschlichen Leidenschaften frey seyn wird, die bis jetzt den Grundstoff der Erniedrigung, der Laster und des Elendes so vieler Millionen unsrer Mitmenschen bilden.

Dem Beobachter wird es Mühe kosten, ein Institut zu entdecken, das, nächst der Einführung der christlichen Lehre, eine unmittelbarere und wohltätigere Wirkung auf die Erhebung und Civilisirung der geringeren Volksclassen äußern könnte, als grade jenes, und schon um deswillen verdienen die Mittel, die zu seyner so wunderbaren Verbreitung in kaum drey Jahren angewendet worden, eine ganz vorzügliche Aufmerksamkeit; sie zeigen uns zugleich den Mechanismus, den ein Volk, wie das Americanische, zur Aufrichtung so großer moralischer Gebäude ins Werk setzt, ohne alle Einmischung von Regierungen, Behörden und öffentlichen Verordnungen.

Vier Wege sind es, welche die Menschenfreunde in Amerika und Schottland zu gleicher Zeit einschlugen, um schnell und wirksam zu ihrem Ziele zu gelangen, und die Pest der Trunkenheit auszurotten. – Nachdem einmal die große moralische Wahrheit erkannt worden, daß der Gebrauch jener destillirten Getränke unverträglich mit den Fortschritten wahrer Civilisation sey, und ihrem Endzwecke entgegen wirke, gingen die ersten Unternehmer des guten Werkes gleich von Anfang an mit keinem geringern Plane um, als die gänzliche Vertilgung des Uebels zu erreichen, und nahmen daher als einzig wahre und richtige Regel den Grundsatz an, daß jedes Mitglied ihres Vereines sich des Trinkens geistiger destillirter Getränke gänzlich und zu allen Zeiten enthalte. Branntwein, Rhum und Liquers wurden mit einem allgemeinen Bann belegt. Biere und Weine sind zwar ausgenommen, allein in ihrem Gebrauche wird Mäßigkeit empfohlen, und die freywillige Enthaltung von den ersteren Getränken giebt auch schon die Bürgschaft, daß ein Mitglied genug festen Willen besitzen werde, um auch beym Gebrauche der Biere und Weine nicht auf Abwege zu gerathen.

 Zur Beförderung des guten Zweckes waren die Geistlichen der Vereinigten Staaten und Schottlands besonders thätig. In Schriften und auf der Kanzel, wie in ihrem persönlichen Verkehre mit den Familien ihrer Gemeinden, wandten sie ihren wohlthätigen Einfluß an, dem allgemeinen Feinde der häuslichen Glückseligkeit die Thüre zu verschließen. Ihre Bemühungen hatten einen solchen Erfolg, daß viele Wirthe, aus Gewissensbissen, daß sie eine unedle Handthierung trieben, die zur Erniedrigung und Entartung ihrer Mitmenschen führt, den Verkauf solcher Getränke gänzlich aufgaben. In jedem Staate der Union giebt es nun einen Haupt-Staats-Enthaltsamkeits-Verein mit unzähligen Filialvereinen. [...]

Alle diese Gesellschaften gehen von dem richtigen Grundsatze aus, weniger auf die Umwandlung unverbesserlicher Trunkenbolde, als auf die sogenannten mäßigen Trinker und die heranwachsende Jugend zu wirken. Daher auch die vielen Kindervereine, selbst in den Elementarschulen, die, nach dem Muster der größeren, ihren Präsidenten, Viecepräsidenten, Secretair und Ausschuß wählen, alle Monate eine Sitzung halten und ihr Miniaturprotocoll führen. Schon hat manches Kind durch sein Beyspiel seine Eltern beschämt, und die Wirkung auf die Sitten und gesellschaftlichen Bräuche in den Vereinigten Staaten zeigt sich auch dem ungeübten Auge deutlich. Selten trat sonst ein Fremder in ein Haus, ohne daß man ihm gleich ein Glas Rhum reichte. Diese Sitte ist seit den letzten zwey Jahren ganz verschwunden, aus Furcht, man möchte beleidigen. Eine sehr große Anzahl Schiffe geht nach allen Welttheilen, ohne mehr als eine oder zwey Flaschen Branntwein für den Medicinkasten, gleich andern Medicamenten, mitzunehmen. Den jungen Seeleuten wird dafür täglich eine Portion Cacao mehr, und am Sonntage zwey Gläser Französischen Weins zu ihrem Mahle gereicht. – Ein Capitain, der keine geisten Getränke an Bord hatte, schrieb aus Canton an seine Rheder in Salem: „Nie war ich glücklicher auf meinem Schiffe mit meiner Mannschaft; jedermann scheint aufmerksamer, folgsamer und zufriedener zu seyn, und auf meiner ganzen Reise hatte ich keinen Kranken.“ – Auch geht bereits die Regierung der Vereinigten Staaten, auf eine Resolution des Congresses, mit dem Plane um, den Branntwein und Rhum bey der Kriegsmarine gänzlich abzuschaffen. Auch unter den Soldaten, Lehrlingen und Farbigen haben sich Vereine gebildet; ja der Segen dieser moralischen Neuerung hat sich sogar schon über ureingeborne Stämme verbreitet.

[...]

Möchte doch Deutschland, mein geliebtes Vaterland, das so empfänglich für alles Gute ist, bald jenes große Beyspiel mit Eifer nachahmen! Mittel- und Norddeutschland insbesondere bedürfen dieser moralischen Verbesserung gar sehr. Nur möge solche nicht durch Regierungsverordnungen beschafft werden! Ein Volk, welches verfassungsmäßige Freyheit wünscht, muß freywillig und aus sich selbst sich Bürgschaften geben können, besser und kräftiger werden zu wollen.

Daß die Branntweinsäufer fast allenthalben die ersten Opfer der Cholera werden, ist bekannt. – Daß diese furchtbare Krankheit, von fernem Osten herstammend, mit der aus fernem Westen über England kommenden Mäßigkeits-Gesellschaft im nördlichen Deutschland zusammentrifft, ist ein höchst merkwürdiges Welt-Ereigniß.

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Dok-Nr. 118: „Oldenburgische Zeitung“ No. 84 vom 21.10.1845

Vermischte Nachrichten

- Ein Matrose in Newyork wurde bei einer Prozeßsache nach seinem Glauben gefragt. – Sind Sie ein Bischöflicher? fragte der Richter. – Nein, Sir! – Ein Katholik? – Nein, Sir! – Ein Methodist? – Nein, Sir! – Nun, was sind Sie denn? – Ich bin Kapitän des Vordertop, Sir!

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Dok-Nr. 119: „Neue Blätter für Stadt und Land“ No. 27 vom 07.04.1849

Amerikanische Zustände.

Der treffliche Verfasser des „deutschen Protestantismus“, eines Buches, in dem uns der treueste Spiegel unsrer Sünden und Schwächen vorgehalten wird, Friedr. Hundeshagen, sagt in einer kleinen Broschüre: Das deutsche Parlament, über die Nord-Amerikaner, unter denen er zehn Jahre gelebt, Folgendes:

Wir finden in den Vereinigten Staaten, deren Bevölkerung ehemals fast ausschließlich aus streng religiösen, rechtlichen Bewohnern bestand, wenig, fast keine Treue, keinen Glauben mehr, wir finden zwei, wenn nicht drei Fünftheile der Bevölkerung in völliger Unbekanntschaft mit dem Christenthum, wirklich existirt die Kindertaufe dort gar nicht, auch nicht bei den Sekten, daneben sehen wir religiöse Heuchelei und Fanatismus. Es gibt kein Recht, obgleich Gesetze, kaum eine Sicherheit des Eigenthums und der Person, außer die sich der einzelne selbst schafft. Die Sittenlosigkeit ist in vielen Staaten, namentlich im Süden, der Frankreichs an die Seite zu setzen. Die Presse ist nur frei, so lange sie nicht die Sklavenfrage berührt *), überhaupt aber zur Partheigängerin herabgewürdigt. Die öffentliche Meinung ist völlig korrumpiert, und allgemein gilt der Grundsatz „kannst du jemals, sei es Vater, Bruder, Freund oder Staat, um eine namhafte Summe betrügen, so bist du ein Thor, wenn du es unterlässest“, aber eine Kleinigkeit zu veruntreuen wird verachtet, mit der Größe der Veruntreuung wächst die Achtung vor dem Individuum. Außerdem finden wir bei Schlauheit und Lebensklugheit Unwissenheit und Rohheit. Dies, ja alles dies finden wir bei einem Volke, welches große Männer wie Jefferson, Franklin, Washington erzeugt, und welches im Besitz so herrlicher Institutionen ist und anfänglich einen so tüchtigen Bürgersinn hatte. Die politischen Fragen der Nation drehen sich nur um Materielles, und hier herrschen grobe Irrthümer vor; wie wenig das Volk im Großen dort politisch durchgebildet ist, beweist, mit welcher großen Majorität man Harrison gewählt, und wie man vier Jahre nachher schon einer andern Ansicht huldigte, so daß eine Bestechung der Ansichten durch Volksredner, allerdings auch großen Theils durch ungeheure Geldmittel stattgefunden und daß an 80.000 stimmfähige Bürger umgesattelt hatten.

Der Verf. findet die Ursachen dieser Mißverhältnisse in Folgendem:

Als man die Konstitution der Vereinigten Staaten verfaßte, hatte man nichts im Auge, als die Gewalt, die Tyrannei abzuschaffen, und dieses ist meisterhaft gelungen. Allein man versah es ganz, auch der obersten Staatsgewalt die Leitung über Erziehung und sittliche Fortentwicklung an die Hand zu geben, weil man von dem falschen Grundsatze freiester Menschenentwickelung ausging.

Man gab zuerst die Religion frei, statt festzusetzen, es müsse jeder einer kirchlichen Gemeinde angehören, welcher er auch wolle, und eine religiöse Erziehung erhalten. Daraus folgte Heidenthum und Ruchlosigkeit; denn wo keine Religion, ist auch kein Eid, kein Recht. Auch die übrigen Bildungsmittel sind den einzelnen Staaten und Privaten freigestellt, einzurichten, sie zu benutzen oder sie liegen zu lassen. Da aber bei dem öfteren Wechsel der Regierungen, der Gouverneure u.s.w. kein dauernder Staatsdienerstand sich bilden kann, auch dies ohne größere umfassende Bildungsanstalten unmöglich ist, so kann in den einzelnen Staaten, auch trotz der in manchen derselben reservierten Schulländereien, sich doch kein solider Lehrerstand ausbilden. Dasselbe gilt von den Richtern und Geistlichen, die nur selten auf längere Jahre gewählt sind. Auch geben die ausgedehnten Länderstrecken und die Einwanderung u.s.w. dem speculativen Geiste solche Mittel zur Ausbeutung an die Hand, daß kaum ein Lehrer, Richter, Doctor, Pfarrer sein will, der sonst wo noch besser anzukommen weiß; daher finden sich nur höchst mittelmäßige Menschen zu jenen Stellen. Da aber kein gesicherter intelligenter Staatsdienerstand da ist, so gebricht es an tüchtiger öffentlicher Meinung, denn diese sind als Männer der Wissenschaft die Träger der geistigen Fortentwicklung.*) Hätte man aber auch wirklich der obersten Staatsgewalt diese Oberleitung anvertraut, so könnte bei dem öfteren Wechsel des Oberhauptes kaum das Erziehungswesen nach einem Plane geleitet werden, auch müßte alsdann der Grundsatz der Nothwendigkeit der Absetzbarkeit aller übrigen Staatsbeamten bei Präsidentenwechsel aufgegeben werden.

[1.] *) Dem Redacteur Lovejoi wurde sein Haus und seine Presse zweimal in St.Louis zerstört, er ging in den benachbarten Freistaat Illinois nach Alton; dort wurden ihm ebenfalls mehrere Male seine Typen zerstreut und die Presse ins Wasser geworfen; als er eine neue Presse insgeheim kommen ließ, mußte er in einem Waarenhause mit einigen seiner Freunde eine völlige Belagerung aushalten, man schoß gegenseitig aufeinander, und Lovejoy fiel durch einen Schuß getödtet, als er eben einen Mann, welcher das Dach in Brand zu stecken versuchte, zu schießen im Begriff stand. Im Jahr 1837.

[2.] *) Wir bemerken für diejenigen Leser, denen des Verf. größeres Werk unbekannt geblieben ist, daß derselbe nichts weniger als ein Verehrer der alten Büreaukratie ist.              D.Red.

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Dok-Nr. 120: „Der Beobachter“ No. 126 vom 26.10.1852

Amerikanische Geisterseher.

Es ist für die geistige Entwicklung der amerikanischen Bevölkerung ein sehr beschämendes Zeugniß, daß die Secten der Spiritualisten oder Geisterseher sich täglich vermehren, selbst unter den besseren Classen der Gesellschaft Proselyten werben, mit ihrem Wahnsinn auf offenem Markte auftreten, und mit demselben eigene Journale füllen. Am 30. des vorigen Monats hielten sie längst angekündigtes Meeting in Worcester, und die Scenen, die dabei auftauchten, wären selbst für ein Irrenhaus noch zu barok gewesen. Zuerst wurde ein Mr.Davis der Versammlung vorgestellt, als ein Mann, den der „Geist“ zu wiederholten Malen mit einem Besuche beehrt hatte, und der einen getreuen Bericht über seine Zwiegespräche mit dem „Geiste“ abzustatten bereit sei. Der Fall war selbst für diese Versammlung, die doch ohnedies aus lauter Geistersehern bestand, abnorm, denn Mr.Davis erzählte, er sei, wie Keiner vor ihm, so glücklich gewesen, einen ganzen Geistercongreß gesehen zu haben. Sein Privatengel habe ihm nämlich ein aus Hagelschlossen bestehendes, in den Lüften schwebendes Kreuz und außer diesem ganze Massen eingesammelter elektrischer Elemente, Meteorsteine u.dgl. gezeigt, mit der Bemerkung, daß man noch sehr unklare Begriffe von den Gesetzen der Schwerkraft habe. Sein Engel zeigte ihm diese vergeistigte Materie, um ihm klar darzuthun, daß geistige Körper d.h. spiritualisirte Materie in der Luftregion wandeln und ruhen können, ohne gegen die Gesetze der Schwerkraft im geringsten zu verstoßen. Das Resultat dieser merkwürdigen Offenbarung war das alte, oft dagewesene. Der „Geist“ sagte ihm nämlich, daß der Untergang der Erde vor der Thüre sei, er möge sich aufraffen und seine Brüder zur Reue auffordern. – Ein anderer Namens Mr.Hewitt las eine Mittheilung von J.Hancock’s Privatgeist, bestätigt durch die Privatgeister der Herren Washington, Franklin, Henry u.s.w. Darin wird Mr.Spear als eine Art von Heiland der sündigen Welt angekündigt. Dazwischen rief eine Frau von der Gallerie, die auch viel mit Geistern zu thun hatte: O könnte ich meine Erlebnisse seit meinem zwölften Jahre verkünden! Thut Buße, denn der letzte Tag bricht an! Dann erhob sich ein breitmäuliger Schotte und rapportirte, eben sei Mr.Hancock’s Geist bei ihm gewesen und habe sich über einige Unrichtigkeiten in dem zu Anfang der Sitzung vorgelesenen Berichte beschwert. Eine Dame las eine Mittheilung von einem Geiste in Ohio vor. Ein anderes Mitglied schilderte die Ehe als die Wurzel alles Unheils; und während all dieser Wahnsinn vorgetragen wurde, sah man einzelne Männer und Frauen, „die eben mit ihrem Geiste in Widerspruch waren, sich wie Rasende geberden, sich im Kreisel drehen und die furchtbarsten Grimassen schneiden“. Der Präsident scheint noch der Vernünftigste gewesen zu sein, denn er hat zu wiederholten Malen dem tollen Treiben Einhalt zu thun. Vergebens. Die Geister geberdeten sich darum nur noch wüthender. Die Sitzung schloß wie sie angefangen hatte. Die Majorität der Geister scheint sich für den Weltuntergang ausgesprochen zu haben. Doch kam es zu keiner entscheidenden Abstimmung und die nächste Versammlung auf den December angesagt.

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Dok-Nr. 121: „Oldenburger Zeitung“ No. 87 vom 03.06.1856

Vermischtes.

Ueber die gesellschaftlichen Zustände der Mormonen giebt ein [in] Philadelphia erschienenes Werkchen unter dem Titel: „Aus dem Tagebuche einer Engländerin, als Gast unter den Mormonen“ ein lebendiges, interessantes Bild. Wir geben einige Bruchstücke aus diesem Buche, welches einiges Aufsehen erregt hat. …. Nachdem ich an einem schönen Tage einen Ausflug gemacht hatte und auf dem Rückwege umherstreifte, trat ich gelegentlich in eine offene Thür, um auszuruhen. Ich fand die Frauen sehr gesprächig. In einem Hause war eine nette englische Frau aus Bath, von feinem Benehmen. Das Zimmer war mit kleinen Erinnerungszeichen an ihre Vaterstadt ausgeschmückt, und als sie ein Bildchen herabnahm, um mir die Gegend zu zeigen, wo sie hergekommen war, füllten sich bei der Erinnerung an die Heimat ihre Augen mit Thränen. Ich konnte die grausame Frage, ob sie die einzige Frau sei, nicht über die Lippen bringen. Eben trat ein dickes, rothbäckiges Weib ins Zimmer, die hier völlig zu Hause schien. Als sie wieder hinausgegangen war, fragte ich: „Dieses Weib wohnt mit Euch zusammen?“ „Ja“ „Seid ihr verwandt?“ Die Aermste spielte mit ihrer Schürze, ihre Lippen zitterten. „Sie ist Eures Mannes zweite Frau?“ Es dauerte eine Weile, ehe sie mir mit „Ja“ antworten konnte. Dann erzählte sie mir, wie glücklich sie mit ihrem Manne gelebt hatte, wie sie bemüht waren, nach diesem Lande auszuwandern, wie man ihnen das Salzseethal als ein Paradies gerühmt hätte, wo ihr Mann Land für nichts bekommen und 5 Dollars täglich verdienen könnte, wie ihnen von den Mormonenagenten die Reisekosten vorgestreckt wurden, unter der Bedingung, daß ihr Mann sie hier durch Arbeiten bei öffentlichen Arbeiten abzahlen sollte. Dann aber, fügte sie mit Thränen hinzu, wurde vor drei Monaten ihr Mann dahin gebracht, eine zweite Frau zu nehmen; und wie unglücklich sie sich fühlte, als sie zuerst diesen seinen Entschluß erfuhr. Das rauhe, plumpe, schmierige Weibsstück beherrschte die Unglückliche mit eiserner Gewalt, indem sie so sehr alle Autorität an sich zu reißen wußte, daß die erste Frau nicht eine Tasse Thee ohne deren Erlaubniß zu trinken wagte. Mein Herz weinte um sie. Sie glaubte an den Mormonismus, weil ihr Mann daran glaubte, und dieser glaubte daran, weil es ihm so schön dünkte, Land zu besitzen, hohen Lohn zu bekommen und ein Priester in der Kirche zu sein. Auf Rechnung dieser Logik kommt wahrscheinlich ein großer Theil der Bekehrung unter den Engländern und Europäern überhaupt.…. Gestern Abend hatte der Gouverneur Gesellschaft im Gesellschaftssaale. Wir waren eingeladen und gingen spät genug, um nicht unter den Erstkommenden zu sein. Einige Stufen führten uns aus dem Vorzimmer in einen langen Saal, wo sechs Cotillons in voller Bewegung waren. Wieder eine kurze Treppe brachte uns in eine vergitterte Altane, von der man die Tänzer übersah. Sie war mit Sitzen versehen; auf den zwei oder drei Sophas lehnten Aelteste und Apostel mit ihren Concubinen. Brigham Young, der Gouverneur und erste Prophet, nach seiner Gewohnheit mit dem Hut auf dem Kopf, war unter ihnen. Wir wurden mit ausgezeichneter Aufmerksamkeit behandelt, und die ganze Gesellschaft schien bestrebt, uns den Abend recht angenehm zu machen. Der Aelteste Kimble war auch da, und man sagte mir, daß sein Harem 25-30 Frauen zählte, er behandle aber seine erste Frau als Gebieterin aller. Sie saß ihm zur Rechten; zur Linken hatte er eine seiner Mätressen, ein dreistes, verschmitzt aussehendes Weib aus Philadelphia. In der Nähe saß ein zartes Wesen mit Rabenhaar und durchdringenden schwarzen Augen, Elisa Snow, die mormonische Dichterin, die zu Brigham Youngs Harem gehört. Die Polygamie kann kein Gegenstand sein poetische Begeisterung hervorzurufen; mindesten würden die Ergüsse, die unter ihrem Namen in einer Mormonenzeitung erscheinen, die Musen selbst um den Verstand bringen. Amasa Lyman, einer der zwölf Apostel, wurde uns ebenfalls vorgestellt, dem die rohe Sinnlichkeit aus jedem Zuge spricht. Er lebt in San Bernardino und hält einen wandernden Harem, der von hier bis an den Salzsee abwechselnd an verschiedenen Punkten weilt. Ein plumper, dunkelfarbiger finsterblickender Mann wurde mir als der Aelteste Taylor vorgestellt. Er hatte zwei Weiber an den Armen und mehre folgten ihm. Nach ihm erschien einer der Zwölfen, Parly Pratt, mit seinen vier Weibern, die er mir mit einer Leichtigkeit und Ungezwungenheit nach einander als Madame Pratt vorstellte, daß ich nur mit Mühe an mich hielt, ihm nicht ins Gesicht zu lachen, Ich dachte mir in dem Augenblick, mit welcher Entrüstung man diese Menschen, welche hier die ersten Rollen spielen, in meiner Heimat aus jeder Gesellschaft jagen würde. Der Tanz dauerte bis spät in die Nacht, wo wir endlich zu Tische gingen, und wo die Concubinen des Gouverneurs die Aufwartung machten.…. So oft ein Zug von Einwanderern herannaht, pflegt Brigham Young demselben eine Tagesreise weit mit Musik und frischem Mundvorrath entgegenzugehen. Das giebt im Gelegenheit, ein Schaugepränge zu entfalten und mit dem neuen Zuwachs der Colonie zu prahlen. Mit schallender Musik und flatternden Fahnen in die Mormonenstadt eingeführt, von einem fröhlichen Willkomm aus dem Thale begrüßt, leben die Herzen der armen Fremdlinge auf; allein es war das letzte Aufblitzen der Lampe, bevor die Flamme der Hoffnung auf immer erlöscht. Wenige Tage darauf sehen sich die Familien in einer sehr engen Wohnung unansehnlich von außen, unbehaglich und dürftig von innen, einquartiert, müssen für die Priester arbeiten. Die Männer müssen oft noch ihre Weiber und Töchter abtreten, die dann unter die Priesterschaft vertheilt werden, und dieses Alles, wie der große Prophet Young sagt, zur „Ehre Gottes“!! Könnte ich mich in einen Caligula verwandeln und diesen abscheulichen Schelmen Einen Hals geben, ich wäre versucht, den Streich zu führen, um das ganze Gezücht auf Einen Hieb von der Erde zu vertilgen.

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Dok-Nr. 122: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 19 vom 12.02.1857

Vermischtes.

- Aus Philadelphia, 17.Januar, meldet der „Schw. M.“: Die religiösen Schwärmer mehren sich in der Union wie der Sand am Meer, und täglich liest man von den hirnlosesten Auftritten, welche man je erlebt. Die „Tochter Gottes“, welche jetzt eine bedeutende Schaar Jünger und Jüngerinnen um sich versammelt hat, erhielt kürzlich ein grünseidenes Kleid, bordirt mit Gold- und Silberstoffen, zwei schwere goldene Pokale und einen sehr werthvollen Sarg, indem sie nach vollbrachter Mission drei Tage ruhen soll und dann mit allen ihren Gläubigen die Reise durch die Wolken in den Himmel antreten will. In Brooklin erschoß ein Mann einen armen Kutscher auf offener Straße. Als man den Mörder zur Rede stellte, sagte er ganz frei, „daß es auf Befehl Gottes geschehen sei, ein Geist sei ihm erschienen und habe gesagt: lade deine Pistole und opfere einen Menschen zum Heil deiner Seele; das Gesicht des Kutschers habe ihm am besten gefallen und daher habe er ihn vom Bock geschossen.“ Ein Deutscher, der total verwirrt ins Irrenhaus gebracht werden mußte, ist kürzlich entlassen worden und erzählt jetzt öffentlich, daß ein Brief aus Boll in Württemberg den bösen Geist aus ihm getrieben und räth allen Besessenen, nach Boll zu ziehen. Weltuntergangspropheten, Seligmacher und Seligmacherinnen, Geisterseher, Geisterklopfer, Wunderdoctoren, Weissager und Weissagerinnen, Teufelsbeschwörer giebt es in der amerikanischen Union in Masse, so daß es dem Verstand vor der Zukunft bange wird.

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Dok-Nr. 123: „Oldenburger Zeitung“ No. 54 vom 05.04.1860

Amerika. […]

Aus Newyork vom 14.März wird der „K.Z.“ geschrieben: Vorgestern passirte das illiberale und engherzige Sonntagsgesetz die Legislatur des Staats Newyork. Dasselbe verbietet bei strenger Strafe alle Arten von Sonntagsvergnügungen in der Stadt Newyork. Namentlich wird davon die Viertelmillion Deutscher empfindlich betroffen, die in und um Newyork wohnt. Unsere Landsleute sind auch hier die ruhigsten und friedfertigsten Bürger von der Welt, wenn man sie nur ungeschoren läßt. Der Mehrzahl von ihnen ist der Sonntag der einzige Tag der Erholung und Ausspannung, und jetzt will ihnen der beschränkte Bauernverstand der Newyorker republikanischen Gesetzgeber (die meisten sind Bauern vom Lande) denselben rauben. Es ist wirklich eine in der ganzen civilisirten Welt unerhörte und nur aus der Corruption der Newyorker Politiker erklärliche Anomalie, daß der größte See- und Handelsplatz der neuen Welt, daß eine Stadt von etwa 800.000 Einwohnern sich von den Inlandbauern in einem Provinzialstädtchen ihren eigenen Haushalt vorschreiben und gesetzgeben lassen muß. Jeder Cent, der hier für einen Nachtwächter oder einen Straßenbesen ausgegeben wird, muß erst in Albany genehmigt werden, und im vorliegenden Fall werden Hunderttausende, ja Millionen von Eigenthum und Werthgegenständen durch ein abgeschmacktes Puritanergesetz vernichtet. Der einzige Trost, der übrig bleibt, ist der, daß es leicht ist, Gesetze zu machen, aber sehr schwer, sie auszuführen. Die Deutschen hoffen jetzt, daß der  Gouverneur dem Gesetz sein Veto entgegensetzen werde; allein so weit ich Herrn Morgan kenne, wird diese Erwartung getäuscht werden. Die gegen das Gesetz in Gang gebrachte Opposition kommt zu spät und tritt nicht kräftig genug auf; zudem stehen Männer an ihrer Spitze, die wenig Einfluß und Ansehen haben und deshalb wohl vergebens petitioniren werden.

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Dok-Nr. 124: „Oldenburger Nachrichten“ No. 6 vom 12.01.1865

Ein Beispiel schöner Glaubensharmonie aus Amerika.

In Evanswill wurde vor Kurzem der Grundstein zu einer Synagoge gelegt. Der israelitische Prediger, Herr Fould, lud zur Mitwirkung bei dieser Feierlichkeit zwei christliche Prediger, die Herren Mc.Carer von der englischen Presbyterienkirche und Rank von der deutschen evangelischen St.Johanneskirche, ein, welcher Einladung die beiden Herren Folge leisteten.


Herr Mc.Carer sprach zuerst in einer Weise, die seinem Kopfe und Herzen alle Ehre machte. Er dankte Gott, daß die finstern Zeiten der Verfolgung um des Glaubens willen verschwunden seien, daß ein Band der Humanität, der Bruder- und Nächstenliebe alle Menschen umschließen u.s.w. Daran anknüpfend verfolgte der Herr Fould diesen Gedanken weiter, den Gedanken, daß wir nun als Menschen und Brüder gegenseitig uns anerkennen, behandeln und Hand in Hand gehen sollten in Verfolgung des großen Zieles, welches uns für dieses Erdenleben gesteckt ist. Und nun folgte Herr Rank mit einer Rede voll edler Begeisterung über das wahre und reine Menschenthum, das keine Scheidewand kenne. – Wie fein ist es und lieblich, wenn Brüder einträchtig bei einander wohnen!  (Ps.134.)

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Dok-Nr. 125: „Oldenburger Zeitung“ No. 179 vom 03.08.1868

Amerikanische Zustände.

Der demokratischen New-Yorker Abendzeitung entnehmen wir die nachstehenden Notizen. Zur Aufnahme in das Asyl für Trunkenbolde des Staates New-York werden nach offiziellen Berichten der Anstalt gemeldet:

            Geistliche...................................            39

            Richter.......................................              8

            Kaufleute...................................         340

            Aerzte........................................         226

Gentlemen..................................         240

            Töchter von reichen Männern         1300

                                      Zusammen........         2153

Das Blatt macht zu dieser skandalösen Statistik folgende Bemerkungen: Es ist sehr leicht möglich, daß das New-Yorker Institut für Trunkenbolde nicht alle Klassen von Säufern und Säuferinnen repräsentirt. Aber unwiderleglich geht aus obiger Statistik hervor, daß die Unmäßigkeit weit mehr unter den vornehmen Klassen grassirt, als unter den eigentlichen Volksklassen, weit mehr unter Denen, die zu Hause in üppig ausgestatteten Palästen pokuliren, als unter den sogenannten mittleren und unteren Klassen, welche zu Hause keine geistigen Getränke halten, sondern im Wirthshause solche zu sich nehmen. Am auffallendsten ist die Ueberhandnahme des sich bis zur förmlichen Krankheit steigernden unmäßigen Trinkens unter den vornehmen Damen. Man denke an die in obiger Tabelle figurirenden 1300 (sage dreizehnhundert) reichen Frauenspersonen aus dem Staate New-York, die den Soff soweit treiben, daß ihre Versetzung in eine Heilanstalt für Trunkenbolde unvermeidlich wird. Mit verächtlichem Nasenrümpfen gehen solche vornehme Damen am deutschen Bierhause vorüber, um sich zu Hause in einem versteckten Prunkgemache oder mit ihren Freundinnen in einer eleganten geheimen zu diesem Zwecke gemietheten Trinkstube durch den Genuß der stärksten Getränke habituell zu berauschen und zu ruiniren. Auch die „Gentlemen“, Handelsherrn, Richter, Pastore u.a. von denen oben die Rede ist, holen sich ihr „delirium tremens“ weit öfter zu Hause oder in geheimen Clubs (wo sie heimlich dem Alcohol huldigen, während sie öffentlich Wasser predigen) als in offenen Wirthschaften.

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Dok-Nr. 126: „Oldenburger Zeitung“ No. 97 vom 28.04.1870

Eine weibliche Spielhölle in Newyork.

In der 23. Straße, nahe der Madison Avenue, steht ein einfaches, von Backsteinen erbautes Haus von drei Etagen, deren Blenden stets verschlossen sind, was leicht zur Vermuthung führen könnte, daß es nicht bewohnt sei. Aber dem ist nicht so, im Gegentheil, es verkehren allabendlich viele Personen und rouliren Tag für Tag große Summen darin. Das schmucklose Aeußere entspricht eben so wenig dem Glanz und der Pracht des Innern, als die geschlossenen Blenden, welche auf ein vollständiges Stillleben scheinbar hindeuten, die Scene voll wilder Leidenschaften errathen lassen, welche von Eintritt der Dunkelheit bis zur Mitternacht hinter denselben sich ereignen.

Der vordere Eingang ist vor Eintritt der Nacht Niemanden zugänglich und bei eingetretener Dunkelheit auch für diejenigen, welche in das Geheimniß eingeweiht sind „how to ring the bell“, dagegen giebt es noch einen Eingang durch eine Hinterthüre, zu welcher eine Alleh führt und durch die alle durch die „Eingeweihten“ empfohlene Fremden eingelassen werden und auch alle diejenigen schlüpfen, welche Entdeckung zu fürchten haben. – Zutritt erhalten im Durchschnitt nur Damen, ausnahmsweise auch Herren, dieselben müssen aber in diesem Falle gute Protection haben und werden nie zum Spielen zugelassen. In einer „night for gentlemen“ erscheinen alle Ladies in kleinen sammtnen Halbmasken, ausgenommen diejenigen, denen es gleichgültig ist, ob man sie in der Spielhölle der 23.Straße gesehen hat oder nicht.

Eben jetzt zieht eine „Eingeweihte“ die Thürschelle, es ist dies nach 8 Uhr an einem kalten Novemberabend, und es währt nicht lange, so öffnet eine reich gekleidete Pförtnerin die Thüre, durch welche die Dame rasch eintritt. Folgen wir derselben bei ihrem nächtlichen Besuche. Die Hausflur ist mit echten Brüsseler Teppichen belegt, welche alle Schritte lautlos machen, und an den Wänden ziehen sich prachtvolle Frescogemälde hin, meist Gegenstände aus der griechischen Mythologie, wenn auch grade nicht immer in der decentesten Auffassung darstellend.

[…]

Das Spiel ist in vollem Gange und das Geld roulirt auf dem Tische in flotter Weise; auf den Gesichtern der Spielerinnen zeigen sich bereits all die Leidenschaften, welche Gewinn und Verlust hervorzurufen pflegen – nur die Bankhalterin, eine noch ziemlich junge und dabei schöne Frau von junonischem Wuchse, zugleich Besitzerin des Etablissements, bleibt kalt und gleicht einer Marmorstatue, welche nur dann etwas Leben zu bekommen scheint, wenn Gewinne einzuziehen sind, und ihre gefüllte Kasse beweist, daß dies schon des Oefteren geschehen sein muß.

Die willkommensten Spielerinnen für sie sind die Ladies der Demimonde, welche ungefähr die Hälfte der regulären Kundinnen bilden, denn diese lassen die Dollars auf dem Spieltische coursiren nach dem Grundsatze: „wie gewonnen, so zerronnen“; sie kümmert der Verlust nicht allzusehr, muß doch der nächste Tag das ersetzen, was am heutigen vergeudet wird.

Anders sieht es bei denjenigen Spielerinnen aus, welche sich aus der „besseren Gesellschaft“ rekrutiren, bei ihnen handelt es sich neben der Spielleidenschaft an sich schon mehr um das Mein und Dein, denn sie spielen aus der eigenen Tasche, die – wenn leer – neu zu füllen nicht so leicht fällt, wie dies den „ladies of low standing but high income“ möglich ist.

Wie scharf beobachtet daher jene Frau in mittleren Jahren – sie ist die Frau eines der reichsten Kaufleute Newyorks, aber ihr Mann hält sie relativ knapp in Geld und sie hat dabei die verschwenderischten Neigungen – alle Manipulationen der Bankhalterin, von der sie weiß, daß sie alle möglichen Vortheile benutzen wird, um ihre Kasse zu füllen. Und mit welch zitternder Hand legt jenes junge Mädchen, sie zählt wohl noch nicht zwanzig Jahre und ist die Tochter eines der angesehensten Richter der Stadt, ihre letzte zehn-Dollar-Note auf den Spieltisch; weiß sie doch, daß – falls sie dieselbe verliert – sie von Neuem die Kasse ihre Vaters - - bestehlen muß, wie sie dies schon oft gethan und wofür schon Unschuldige hatten büßen müssen; sie besitzt noch einen Funken von Gewissen, doch wie bald wird derselbe verglüht sein! – gerade wie bei jener Frau, die zur Linken der Bankhalterin sitzt und von der man uns sagt, daß sie die Wittwe eines im Kriege gefallenen Generals sei und bereits den größten Theil des ihr hinterlassenen Vermögens verspielt habe. Sie will nicht allein spielen, sie muß es thun, die Spielleidenschaft hat bei ihr bereits den höchsten Grad erreicht. Das Geld, das sie heute mitgebracht, hat sie schon verloren, aber weiter spielen will sie um jeden Preis; die Bankhalterin giebt keinen Credit, das weiß sie, mit fieberhafter Geberde zieht sie daher einen kostbaren Diamantring vom Finger, ein Geschenk ihres verstorbenen Gatten, und reicht ihn der Besitzerin der Spielhölle hin. Diese übergiebt denselben mit derselben Gleichgültigkeit, als ob es ein halber Dollar wäre, einer Negerin, die stets hinter ihrem Stuhle steht, indem sie ruhig beifügt:

„Nelly, gehe in das Bureau und lasse dies abschätzen.“

Die schwarze Dienerin entfernt sich, um den ihr gegebenen Auftrag auszuführen, und nach wenigen Minuten kehrt sie mit der Antwort zurück:

„Hundert und zwanzig Dollars ma’am.“

„Hundert und zwanzig Dollars, madam“, wiederholt die Bankhalterin maschinenmäßig, nur die etwas vulgäre Abkürzung ma’am in das elegantere madam verwandelnd.

„Hundert und zwanzig Dollars!“ schreit die Generalin wüthend auf, „das ist Betrug, der Ring ist mindestens 500 Dollars werth!“

„Hundert und zwanzig Dollars, Madam“, erwidert die Bankhalterin kalt. „Wollen Sie die Summe auf einmal setzen?“

Die verwittwete Generalin sieht ein, daß hier Widerstand nutzlos ist.

„Auf einmal“, lautet daher ihre Antwort, indem sie den kostbaren Ring auf den Spieltisch wirft.

Sie verliert.

„Ein Glas Wein“, herrscht sie der schwarzen Aufwärterin zu, welche hauptsächlich dafür da ist, um den Spielerinnen, die leider gar zu häufig im Genuß geistiger Getränke gehabte Verluste in Vergessenheit zu bringen suchen, die exquisitesten Weine zu serviren.

Es währt nicht lange und die unglückliche Spielerin wird total berauscht auf ein elegantes Ruhebett im Nebenzimmer placirt, woselbst man sie so lange schlafen läßt, bis es Zeit zur Heimkehr ist. Die äußerste Grenze ist 12 Uhr, denn nach Mitternacht muß das Haus von allen „customers“ frei sein: daß ist die strengste Hausregel, die von der Bankhalterin mit seltener Gewissenhaftigkeit geübt wird. Es ist dies freilich nicht ihr eigener Wille, sondern ihr von der Polizei „anempfohlen“ worden, damit allzu ernste „Ausschreitungen“, welche diese zum „Einschreiten“ nöthigen könnten, vermieden würden.

Ein solcher Trunk über das Maß, wie ihn die verwittwete Generalin genommen, gehört vollständig zu den unschuldigen, so etwas kommt jeden Abend vor, aber es ereignet sich leider auch des öfteren, daß eine der Spielerinnen, nachdem sie den letzten Dollar und den letzten Werthgegenstand, den sie ihr Eigen nennen kann, verloren, an das Buffet tritt, dort ein Glas Limonade, Wein oder Liqueur verlangt und dann, ohne daß es jemand wahrnimmt oder verhindern kann, den Inhalt eines mit Laudanum gefüllten Fläschchens hineingießt und das Glas in einem Zuge leert ….

„Look here, sir“, sagte die Dame des Hauses zu mir, als ich mich anschickte, den Spielsalon, in welchem keine Spielerinnen mehr zugegen waren, zu verlassen, und sie zeigte dabei auf eine ganz ansehnliche Collection von Juwelen und Goldsachen, die ihr der Abend eingebracht: Sie werden morgen in den Zeitungen Inserate lesen über verlorene Juwelen u. dergl. Sie sind allerdings verloren, aber auch gefunden.

Und bei diesen Worten glitt ein solch diabolisches Lächeln über das Gesicht dieser Frau, die noch hübsch genannt werden konnte, daß ich mit einem kurzen Good bye, und ohne die dargereichte Hand zu berühren, rasch den Salon und das Haus verließ.

(Elb.Z.)

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Dok-Nr. 127: „Oldenburger Zeitung“ No. 23 vom 27.01.1872

Kirche und Staat in Nordamerika.

So nennt sich eine etwa 200 Seiten starke in Zürich erschienene Schrift, welche von der staatswissenschaftlichen Fakultät in Zürich Robert v.Mohl zu dessen fünfzigjährigem Doktorjubiläum überreicht und von einem ihrer Mitglieder, Professor Rüttimann, dem Bearbeiter eines „nordamerikanischen Staatsrechts,“ verfaßt ist. Das Buch ist in Folge mancher formellen und methodischen Schwächen nicht ganz leicht zu lesen. Mancher Leser wird ermüdet und schon vor dem Schluß überwältigt werden durch die Unmasse von lose an einander gereihten und Wichtiges und Unwichtiges und Anekdotenhaftes oft recht seltsam durch einander werfenden Einzelheiten. Aber es lohnt trotzdem, sich einige Mühe nicht verdrießen zu lassen, denn jene Einzelheiten enthalten zumTheil wenig bekannte Thatsachen und nicht ganz leicht zugängliche Bestimmungen aus den Gesetzgebungen der verschiedenen Staaten der nordamerikanischen Union, und deshalb sind sie sehr lehrreich und geeignet, manche über das dortige Verhältniß von Staat und Kirche herrschende irrige Vorstellungen zu berichtigen.

Die nordamerikanische Union gilt gemeiniglich als das Land der durchgeführten Trennung von Staat und Kirche und auch Rüttimann sieht es als solches an. Aber, näher betrachtet, versteht der Verfasser unter diesem vieldeutig gebrauchten Ausdruck nichts weiter als Religionsfreiheit und Unabhängigkeit der bürgerlichen und politischen Berechtigung von dem religiösen Bekenntniß. Diese Religionsfreiheit hat sich allerdings seit der Unabhängigkeitserklärung der Union gegenüber England aus einem oft sich sehr kraß äußernden Staatskirchenthum, aber auch nur sehr allmählig durchgearbeitet. Während lange noch und in vielen Staaten die christliche Religion als diejenige angesehen wurde, welche eigentlich von jedem Staatsbürger verlangt werden müßte, so ist man schließlich zur Duldung und Gleichberechtigung fast aller religiösen Kulte gelangt. Das Mormonenthum ist die einzige religiöse Sekte, welcher die Union, allerdings bis jetzt noch ohne durchgreifenden Erfolg, die rechtliche Anerkennung versagt, und außerdem sind noch bis in die neueste Zeit in einzelnen Staaten solche Personen nicht zum gerichtlichen Zeugniß zugelassen worden, welche nicht Gott und die Unsterblichkeit als ein Glaubensminimum bekannten. Ferner darf man in der Union in sofern von Trennung von Staat und Kirche sprechen als dort ein besonderes Staatshoheitsrecht über die Kirche, ein jus majestaticum circa sacra, nicht besteht. Ein eigenthümliches Aufsichtsrecht über die Kirche ist ebenso wenig bekannt als die Befugniß wegen Mißbrauchs der Kirchengewalt an den Staat sich zu berufen: Kloster- und Ordenswesen selbst entwickelt sich frei und das gemeine Recht gilt für ausreichend, einem Mißbrauch der kirchlichen Gewalt entgegen zu treten und Präventivmaßregeln gegen die Kirche entbehrlich zu machen.

Will man in diesem beschränkten Sinne die Trennung von Kirche und Staat verstehen, dann ist sie allerdings in der Union vorhanden, keineswegs aber in dem eigentlichen Sinne des Wortes, daß nun der Staat Religion und religiöse Vereinigungen irgnorire und sie lediglich sich selbst überlasse. Im Gegentheil ist, wie Rüttimann hervorhebt, den Amerikanern die Behauptung ganz geläufig, daß das Christenthum einen Bestandtheil ihres gemeinen Rechts bilde und in nicht seltenen Fällen ist mit dieser Ansicht in der Rechtsprechung durchaus Ernst gemacht worden. Der Verfasser des angegebenen Werkes macht ferner wiederholt und mit Recht darauf aufmerksam, daß durch die gesammte nordamerikanische Gesetzgebung ein religiöser und zwar ganz bestimmt christlicher Zug gehe. Der Staat übersieht auch in Nordamerika mit Nichten die Kirche und verschiedene religiöse „Denominationen,“ einerseits nimmt er sie in ganz anderer Weise in Schutz und priviligirt sie ganz anders, als wir in Deutschland ertragen möchten, und andererseits unterwirft er sie Beschränkungen, welche nur aus einem für sie geschaffenen Spezialrecht, nicht aus dem gemeinen Recht zu erklären sind. Zu jenem Sonderschutz gehören die Bestimmungen, welche der Staat über die Sonntagsheiligung erläßt, welche in Staaten wie Connecticut, Pennsylvanien, Ohio von einer uns völlig unverständlichen Strenge sind und theilweise selbst den Eisenbahnbetrieb an Sonntagen verbieten oder beseitigen; es gehören dahin ferner die Verbote gegen Störung des Gottesdienstes, die so weit gehen, daß z.B. zwei bis drei englische Meilen im Umkreise eines solchen Versammlungsortes keine geistigen Getränke geschenkt werden dürfen. Gotteslästerung gilt in den meisten Territorien als ein strafbares Vergehen. […] Aber auf der anderen Seite unterliegen die kirchlichen Gemeinden auch Beschränkungen, sofern die Erwerbsfähigkeit der Kirchen rücksichtlich des beweglichen wie unbeweglichen Vermögens regelmäßig sehr eingeschränkt ist, die Testirfähigkeit zu Gunsten von geistlichen Gesellschaften und Stiftungen sehr enge Grenzen hat und die kirchliche Vermögensverwaltung insofern vom Staate nicht freigegeben ist, als nach Staatsgesetz die Temporalien nothwendig von Laien verwaltet werden müssen.

Aus diesen leicht noch zu vermehrenden Zusammenstellungen wird ersichtlich sein, wie wenig selbst in der nordamerikanischen Union die gegenseitige Isolirung von Staat und Kirche vorhanden ist, welche so vielfach als ein auch in Deutschland zu erstrebendes Ziel hingestellt wird. […]

(Nat.-Ztg.)

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Dok-Nr. 128: „Oldenburger Zeitung“ No. 133 vom 11.06.1873

Vermischtes.

Newyork, 7. Mai. Auch in Amerika geschehen Zeichen und Wunder. Die Jungfer Collins in San Francisco blutete am heiligen Charfreitag aus den 7 heil. Wunden und diese Erscheinung wiederholt sich nun alle Freitag regelmäßig. Der katholische Pfarrer Pendergast und ein Arzt, Dr.Paulintzky, haben die Erscheinung ihrer Beobachtung unterzogen und die Richtigkeit derselben bestätigt, worauf sie als ein neues Wunder von dem Bischof in San Francisco anerkannt wurde. Am letzten Freitag nun hat dieses Wunder durch eine neue Erscheinung erhöhte Bedeutung erhalten. Ehe nämlich die Blutung bei Jungfer Collins sich einstellte, verfällt dieselbe in einen Schwächezustand, Krämpfe bemächtigen sich ihres Körpers, während sie von heiligen Visionen heimgesucht ist. Als nun die Krämpfe am letzten Freitag heftiger als je sich einstellten und ihr Zustand ein furchtbar leidender war, sprach sie plötzlich die Worte: „Träufelt 3 Tropfen von dem Wasser der Quelle der Jungfrau von Lascaletts in meinen Mund und betet drei Ave Maria!“ Es wurde Wasser gebracht und davon, wie sie es geheißen, 3 Tropfen in ihren Mund geträufelt und 3 Ave Maria gebetet. Als dies geschehen war, kam plötzlich eine Verklärung über die Jungfer, ihr Leiden hatte ein Ende und die 7 heil. Wunden fingen zu bluten an, was immer dann der Fall ist, sobald die Leiden aufhören. Die Einwohnerschaft von San Francisco weiß nun, was ihr bis jetzt verschlossen war, daß sich in der Nähe ihrer Stadt die Quelle der heil. Jungfrau von Lascaletts befindet, und dieser heilige Ort wird wohl in Zukunft ein Wallfahrtsort für die Bekenner zur katholischen Kirche bilden, welche in San Francisco ziemlich zahlreich sind. Die deutschen Blätter sind sehr ungehalten über die amerikanische Presse, daß sie keine Worte des Tadels über diesen „Skandal“, wie sie die Erscheinung benennt, habe. Allein die deutsche Presse vergißt in ihrem Eifer, daß Amerika ein Land der Freiheit ist. Hat die katholische Kirche in San Francisco das Bedürfniß eines Wallfahrtsorts, wer will ihr das Vergnügen wehren? Ueber die Jungfer Collins erfährt man, daß sie noch gar nicht lange aus Frankreich eingewandert ist, daß der Bischof in San Francisco, wahrscheinlich in Ahnung des hohen Berufs dieser Dame, sich von Anfang ihrer annahm, ihr eine Wohnung miethete und für ihren Lebensunterhalt sorgte. – Bei einem katholischen Kinderfest, das neulich in einer westlichen Stadt gehalten worden, ist den Kindern ein Theaterstück vorgeführt worden, in welchem der Kaiser von Deutschland und Fürst Bismarck als die Bedränger des Papstes erschienen. Zur Genugthuung und zum Gaudium für die Zuschauer kam am Schlusse des Stücks eine Schaar Teufel (oder vielmehr als Teufel verkleidete Jesuiten), welche erbarmungslos über diese Beiden herfielen und sie zum verdienten Lohn in die Hölle schleppten.

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Dok-Nr. 129: „Oldenburger Zeitung“ No. 79 vom 07.04.1875

[Leitartikel] Friedrich Hecker’s Brief über die wachsende Macht des Vaticans in den Vereinigten Staaten.

Die im März von Bischof Ryan in Buffalo erlassene Aufforderung an die Mitglieder seiner Diöcese, sich zu organisiren und bei der nächsten Stadtrathswahl dahin zu wirken, daß nur solche Männer in die Gemeindevertretung erwählt werden, die sich verpflichten, dem Freischulsystem entgegen und dahin zu wirken, daß die Glaubensschulen aus den öffentlichen Geldern dotirt werden, hat es von Neuem angeregt, einen Blick auf die Macht des Vaticans in der Union zu werfen. Die Dinge liegen an vielen Orten bereits so, daß keine Wahl, local, staatlich oder congreßlich, mehr durchgeführt werden kann, außer cum approbatione superiorum, d.h. es könne nur solche Candidaten erwählt werden, die der Billigung der vaticanischen Partei sich erfreuen. Bei der bodenlosen Ignoranz der Angloamerikaner über das Wesen, die Macht, den Einfluß und die im Stillen vor sich gehende Ausbreitung des Vaticanismus, bei dem hochmüthigen Dünkel, der glaubt, die aufs Papier gedruckten Freiheitsprincipien seien an und für sich schon ein Bollwerk, muß jene Macht immer mehr sich ausbreiten und befestigen. Sie wissen nicht, daß unter der Aegide Lehrfreiheit, Gewissensfreiheit, Vereinsfreiheit, Corporationsrechte diese Freiheitsgrundlagen und Sätze benützt und mit Posaunenstößen verkündet werden, um mittelst derselben und unter deren Schutz Klassen- und Confessionsschulen, mächtige Corporationen und mit Hülfe der Glaubenssätze fest verkittete Vereine u.a. zu gründen, die auf einen Wink aus dem Vacitan aus einem Gusse arbeiten und in nie ruhender Thätigkeit wirken. Ehe 20 Jahre herum sind, werden alle Wahlen hier in den Händen des Vaticans, der großen Eisenbahn- und ähnlicher Monopole sein und die republikanischer Freiheit geht zu Grunde. Besonders wenn als der Dritte im Bunde noch Rom seine Macht auf die farbige Race wirft und auch diese planmäßig für den Glaubens- und Wahlpferch sich erzieht. Es fehlt zu den farbigen Römlingen dann nur noch das Weiberstimmrecht, und wenn Sie einen Blick in ein merkwürdiges Buch thun wollen, nämlich: „Sadlier’s Catholic Directory“, so werden Sie aus der Zahl der unter Controle des Klerus stehenden weiblichen Erziehungsanstalten schon ersehen, was von weiblicher Seite uns hier in der Republik droht. Denn der Einfluß der Schwarzen auf das weibliche Geschlecht war zu allen Zeiten ein gewaltiger, vor dem alle Phrasen der Frauenrechtlerinnen in Dunst zerfließen; das Weiberstimmrecht würden die Schwarzen noch viel mehr und leichter ausbeuten, als die Sätze unserer Bill of rights. […] Schreiber dieser Zeilen ist in den Besitz eines Documents gelangt, aus dem hervorgeht, daß schon die Kinder in Vereine geschaart werden und so das weiche, eindrucksfähige, empfindliche Kinderherz Römisch gestempelt wird. Die Urkunde ist ausgestellt in St.Louis: „Verein der heiligen Kindheit“ und die Statuten enthalten unter den verschiedenen Abschnitten: „Zweck, Mittel, Vereinsglieder, Verpflichtungen, Geistliche Gnaden, Ablässe.“ Die eine Seite enthält ein Marienbild und den Namen des Vereinsmitgliedkindes. Auf der zweiten Seite finden sich klein gedruckt die obigen Statuten. *] Welche Confession in den Vereinigten Staaten hat etwas Aehnliches aufzuweisen? Welche arbeitet so von der Pike auf für die vaticanische Armee? Gegenüber diesen Thatsachen mögen nun gewisse Blätter abermals den Vogel Strauß spielen und keine Reaction sehen. Ganz dasselbe, wie von den weiblichen Erziehungs-Instituten, gilt aber auch für die männliche Jugend. Ganz praktisch schlau werden in diesen Erziehungs-Anstalten nicht blos die sogenannten classischen Studien betrieben, sondern auch polytechnische und commerzielle. Alles natürlich unter vaticanischem Einfluß und vaticanischer Sauce servirt und unter allerhöchster Approbation der oberen und des obersten Unfehlbaren. […]

[ * Die genannten Statuten sind nicht meiner Willkür zum Opfer gefallen, sondern auch im Original nicht vorhanden]

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Dok-Nr. 130: „Oldenburger Zeitung“ No. 236 vom 09.10.1875

[Leitartikel] Die römische-katholische Kirche in Amerika.

Der Präsident Grant hat kürzlich, wie mitgetheilt, es für angezeigt gehalten, in einer Ansprache an den Kriegerverein des Staates Tenessee sich über seine Ansichten hinsichtlich der Bestrebungen der römischen Hierarchie in den Vereinigten Staaten und zwar im anscheinend liberalen Sinne zu erklären. Man darf hierin vielleicht eine Gegendemonstration oder den Bescheid des Washingtoner Cabinets auf die Ernennung des Erzbischofs von Newyork, Mac Chloskey, zum Cardinal erblicken.

Es ist dies das erste Mal, daß es einem amerikanischen Prälaten gestattet wurde, in das Colleg der Cardinäle einzutreten. Diese Ehre gilt aber nicht sowohl der Person des amerikanischen Erzbischofs und dessen Verdiensten, sondern ganz eigentlich der römisch-katholischen Bevölkerung in Amerika. Der Vatican wollte durch diese Ernennung seine Anhänger jenseits des Meeres ganz besonders ehren und das Band mit der römisch-katholischen Kirche in Amerika noch fester knüpfen. Der amerikanische Prälat hat das seinen Landsleuten gegenüber, welche zu seinem Empfange herbeigeeilt waren, offen erklärt und damit die Politik der Curie treffend gezeichnet.

[…]

Die katholische Kirche hat verstanden, sich in ungeahnter Weise in Amerika einzunisten, und zwar nicht nur in denjenigen Gebieten, in denen sich zuerst die Spanier oder die übrigen romanischen Völker heimisch gemacht hatten, sondern auch in den Districten, die fast ganz ausschließlich von der anglo-sächsischen Race bewohnt werden. Dieses Factum ist bemerkenswerth, aber nicht neu. Neu allein ist, daß man in Rom beginnt, sehr große Hoffnungen auf diese Erscheinung zu setzen. Vor zwanzig Jahren, als die katholische Kirche in Amerika noch sehr ernste Kämpfe durchzufechten hatte und die unaufhörlichen Einwanderungen aus Irland eine gewisse Beunruhigung hervorriefen, war die Sachlage noch eine ganz andere. Damals hatten die guten Katholiken in diesem entfernt gelegenen Welttheile nur zu hören und zu gehorchen, wenn Rom sprach, aber es wäre verwegen gewesen, hätte man damals das Verlangen gestellt, daß auch die amerikanischen Katholiken im hohen Rathe des Vaticans vertreten sein sollten, daß ein Mitgleid ihrer Priesterschaft Sitz und Stimme im heiligen Colleg haben müßte. […]

Es muß einigermaßen Wunder nehmen, daß der Vatican, der sonst allen politischen Bewegungen auf der Erde mit so großen Eifer gefolgt ist, erst jetzt die Bedeutung Amerikas für seine Zwecke erkennt. Hätte er die Bewegungen der amerikanischen Bevölkerung etwas aufmerksamer verfolgt, würde er bereits seit längerer Zeit zu der Politik geschritten sein, die er jetzt einzuschlagen im Begriffe steht. In allen Ländern Amerikas hat bereits seit vielen Jahren die katholische Bevölkerung eine Ziffer erreicht, die von der zunehmenden Machtfülle der römischen Kirche zeugt, und in keinem Staate ist bisher das unbeschränkte Papstthum durch irgend welche Maßnahmen an der freien Entwicklung gehindert worden, Brasilien ausgenommen. Die spanisch-amerikanischen Republiken sind Rom treu ergeben und eben so sind die Abkömmlinge der französischen Colonisten in Canada und in Louisiana die eifrigsten Verbündeten der römischen Kirche. Aber nicht in diesen Staaten liegt die Entscheidung über die künftige Machtstellung Roms in Amerika. Die Geschicke des Erdtheils werden ganz vorzugsweise von den Ländern bestimmt, in denen die englisch sprechende Bevölkerung vorherrscht, also in erster Linie von den Vereinigten Staaten von Nordamerika. In diesen muß der unternommene Kampf ausgefochten werden. Darf man nun wohl annehmen, daß die römische Kirche das vorgesteckte Ziel erreichen wird? Das Werk ist sicherlich nicht leicht, sehr widerstrebende Kräfte stehen ihm entgegen und es wird langer, unermüdlicher Arbeit bedürfe, um den Geist dieser Bevölkerung, dem das Sehnen nach individueller Freiheit gleichsam angeboren ist, sich so dem Urtheil der römischen Kirche unterwirft, daß von einem vollständigen Triumph des Papstthums die Rede sein kann. Aber man darf nicht verkennen, daß die Leiter im Vatican die ihnen ergebenen Kräfte vorzüglich auszunutzen und zu lenken verstehen, und daß ihnen mächtige Bundesgenossen für ihre Zwecke in den zahlreich eingewanderten Iren erwachsen, die zu den gebildetsten und bigottesten Anhängern der römischen Kirche zählen. Diese Iren, deren Zahl mehr als vier Millionen beträgt, haben sich im Gegensatze zu den anderen Einwanderern meist in fest geschlossenen Massen in den großen Städten niedergelassen und dort unter der Leitung ihrer Priester einen nicht unbeträchtlichen Einfluß auf das Gemeinde- und Staatswesen errungen. Hierdurch hat sich die römische Kirche indirect eine Betheiligung an den Angelegenheiten des öffentlichen Lebens gesichert, die ihren Zwecken ganz vortrefflich dient. Dazu gesellt sich eine ganz beispiellose Propaganda, die vorzüglich unter den reichen Klassen, denen der Pomp des katholischen Ritus imponirt, große Erfolge erzielt. Die Gesetze der dortigen Staaten, in denen das Princip „freie Kirche im freien Staate“ in seiner schroffsten Form zum Ausdruck gelangt, begünstigen das Treiben der katholischen Missionare ganz außerordentlich, und dieselben haben es verstanden, in einem verhältnißmäßig sehr kurzen Zeitraum die Zahl der Anhänger und das Vermögen der Kirche derartig zu vergrößern, daß die Regierung der „Vereinigten Staaten“ gegen die hierdurch drohende Gefahr unmöglich lange noch die Augen wird verschließen können. Augenblicklich will man in Amerika an das Vorhandensein einer solchen Gefahr überhaupt noch nicht glauben und ist überzeugt, daß die gesunde Anschauungsweise des amerikanischen Volkes die beste Gegenwehr gegen derartige Machinationen sein würde. Man kann nur hoffen, daß diese Zuversicht sich in der Zukunft bewahrheiten möge. Daß der Vatican aber ernstlich mit dem Plane umgeht, Amerika zu einer passenden Operationsbasis für seine weitausschauenden Pläne zu machen, darüber kann kein Zweifel mehr herrschen, und diese Ansicht wird eben vollauf durch die Ernennnung des Erzbischofs Mac-Closkey zum Cardinal bestätigt. Von den Regierungen Amerikas wird es abhängen, ob die Hoffnungen des Vaticans sich erfüllen werden.

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II.3.3. Wirtschaft, Technologie, Fortschritt


Dok-Nr. 131: „Oldenburgische Zeitung“ No. 1 vom 01.01.1847

Vermischte Nachrichten.

Man erzählt, daß ein Yankee von reinem Blute sich in drei Monaten 1172 Dollars dadurch verdient hat, daß er sich von öffentlichen Wagen überfahren ließ und nachher von den Eigenthümern Schadenersatz verlangte. Diese Art des Verdienstes wird von unsern Industriellen wohl noch vervollkommnet werden. Man kann sich auf Eisenbahnen überfahren lassen und nachher gegen die Compagnie Klage erheben. Es wäre dieses ein gutes Mittel, um aus den Armen und Beinen derjenigen Nutzen zu ziehen, welche nicht wissen, was sie damit anfangen sollen.

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Dok-Nr. 132: „Der Beobachter“ No. 26 vom 30.03.1847

[Leitartikel] Telegraphisches

Dieser Gegenstand wird in Nr.16 des Beobachters besprochen, daher möchte es geeignet sein, einen Auszug vom Gutachten, welches Herr C. Gonon der französischen Pairs- und Deputirten-Kammer widmet, durch dasselbe Blatt mitgetheilt zu sehen.

„[…] Die electrischen Vorrichtungen, die auf einigen Punkten von Europa und Amerika zu Kommunication benutzt werden, geben allerdings Zeugniß von dem sinnreichen Streben mehrerer geschickten Physiker, doch scheinen diese Vorrichtungen, im Uebrigen ohne Unterlaß durch tausenderlei atmosphärische und materielle Hindernisse in ihrer Anwendung behindert, aus ihrer Ohnmacht sich nicht erheben zu können, weil das unbezwingliche Fluidum, welches ihnen eine richtige und abgemessene Bewegung geben soll, sich der Herrschaft des menschlichen Willens launenhaft entzieht. Nun ist aber das elektrische Fluidum für den Telegraphen dasselbe, was die Unruhe der Uhr, das Brennmaterial den Dampfmaschinen, und ohne Triebkraft keine Bewegung denkbar. Nachdem die englische Regierung durch große Experimente, die auf ihre Kosten gemacht worden sind, eingesehen hat, daß diese Telegraphie für ihren Gebrauch nicht anwendbar ist, so hat sie deren Ausbeutung Privatgesellschaften überlassen. Andererseits erwarten die Vereinigten Staaten, die mit dem System nicht zufrieden sind, was ihnen von dem Herrn Morse dargeboten worden ist, ein bündiges Resultat der anderen in Europa versuchten Systeme. Bei dieser Lage der Dinge besteht die Erfindung in nichts Weiterem, als in bloßen Vervollkommnungen der früheren Vorrichtungen, in experimentirenden Studien, die aus dem Gesichtspunkte der Wissenschaft interessant, aber völlig nutzlos für die telegraphische Kunst sind, die keinen wesentlichen Nutzen davon erlangt hat und auch nicht erwarten kann.“

[…]

Die neuesten Berichte aus Washington sagen: - „Zählen wir alle electrischen Telegraphen, die errichtet sind, die noch entstehen sollen und die, welche bereits wieder eingegangen sind, so haben diese, dem Namen nach, eine bedeutende Ausdehnung. Bei Benutzung jener Telegraphen treten jedoch gar zu viele Hindernisse ein, bald durch die Elemente, Gewitter, Sturm und Regen, bald durch zufälliges Brechen der Drähte, bald durch böswilliges Durchschneiden derselben und durch das Stehlen von ganzen Drahtstrecken. Jedesmal, wenn man wichtige Nachrichten erwartet, traten obige und andere Störungen ein. Der Glaube an das neue Kommunikationsmittel ist dadurch sehr gesunken und die Actien desselben, die sich anfangs sehr gut anließen, haben ganz ihren Werth verloren.“ – […]

Nachschrift.

Die in Obigem erwähnten Hindernisse, welche bei Benutzung des elektro-magnetischen Telegraphen eintreten können, sind nicht unglaublich; aber es muß dennoch nicht ohne sein mit diesem Telegraphen. Die Bremer Zeitung vom 24.März theilt einige Notizen aus der Newyorker Deutschen Schnellpost über denselben mit, wonach in den Ver.Staaten sich unermeßliche Linien von elektro-magnetischen Telegraphen gebildet haben und immer noch bilden, die, sonderbar genug, grade das Gegentheil von dem beweisen, was der Herr Einsender des obigem Artikels zu ihrem Nachtheile anführt. Nach diesen Notizen ist seit 1844 nach und nach von Washington aus bis Boston eine elektro-magnetische Telegraphenlinie von 500 Meilen in Thätigkeit getreten. Von dieser Linie laufen bis jetzt zwei Linien westlich ab, wovon die eine, von Philadelphia bis St.Louis, 1000 Meilen – die andere von Newyork bis Buffalo, 510 Meilen, über weite Länderstrecken hinausgeführt werden soll, die letztere sogar bis nach Milwauki in Wisconsin – 1300 Meilen lang; ja man beabsichtigt, die Linien bis zu 1500 und 1800 Meilen auszudehnen; anderer kleinerer Strecken nicht zu gedenken. – Es ist nirgends bemerkt, daß den Telegraphen bedeutender Schaden zugefügt werde – von Schaden zufügen ist überhaupt gar nicht die Rede; im Gegentheil wird hervorgehoben, daß sich die Actien der Telegraphen-Gesellschaft in 4 Monaten mit 12 pCt. verinteressirt hätten und durch die bedeutende Frequenz in der Zukunft sich noch mehr verinteressiren würden. – Unter andern wesentlichen Vortheilen, welche der electro-magnetische Telegraph durch seine Schnelligkeit allen Ständen zu bieten scheint, ist noch der hervorzuheben, daß ein Professor Göpy, Gründer einer neuen Theorie über die Entstehung und Bildung von Stürmen, Anstalt getroffen, von Westen her jeden Sturm im Osten anzukündigen, um den Seeleuten zeitige Warnung zu geben, damit selbige günstige Momente zum Auslaufen wählen können. Die Amerikaner spötteln sogar darüber, daß wir uns noch damit beschäftigen, Druckapparate zu ersinnen, und nennen dies eine Spielerei, die der Professor Morse, der Erfinder des electro-magnetischen Telegraphen, gleich Anfangs erdacht, aber wegen ihrer unpraktischen Natur auf die Seite gelegt hätte. Er giebt mit seinem electro-magnetischen Telegraphen 125 Zeichen in 1 Minute, während ein Druckapparat hierzu 4 Minuten bedarf. Welcher Zeitverlust bei letzterem dadurch im Großen entsteht, läßt sich leicht übersehen.

Solche Bemerkungen sind jeden Falls nicht uninteressant – sie tragen den Stempel des Großen; natürlich sie kommen auch von den praktischen Amerikanern und sind schon deshalb werth, bei einer etwaigen Wahl wohl beachtet und geprüft zu werden.

Der Beobachter

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Dok-Nr. 133: „Oldenburgische Zeitung“ No. 81 vom 08.10.1847

Ausland

Nordamerika. Die Dampfschifffahrt auf dem nördlichen Theile dieses Continents bekommt eine ungeheure Ausbreitung. Eine Newyorker Compagnie hat eine Linie von Newyork nach Charleston in Südcaroline errichtet, in der immer zwei Dampfschiffe hin und her gehen, und läßt eben zwei andere Dampfschiffe für die Reise von Newyork nach Neworleans bauen. Eine andere Compagnie hat mit der Regierung einen Contract geschlossen, zwei Dampfschiffe von Charleston nach Havanna und zurück über Keywest zu bauen, die spätestens bis zum nächsten Frühjahr fertig werden. Mit Major Arnold Harris hat der Staatssekretär der Marine einen andern Contract abgeschlossen, die Ver.-Staaten-Briefpost von Cagres nach Astoria in Oregon mit Dampfschiffen zu tausend Tonnen Last zu bringen. Nimmt man hiezu noch, wie der Strom der Einwanderer sich großen Theils nach dem Westen zieht, so daß Cincinnati fast jährlich um ein Viertel wächst; daß die Ziegelbrennereien in Obermissouri dem gefühlten Bedürfniß kaum entsprechen können; daß Milwaukie, das vor einigen Jahren noch eine öde Wüstenei war, zur reichbevölkerten Stadt heranwächst; daß Buffalo, Syracuse, Chicago u.a. einen Aufschwung nehmen, der sie alle zu bedeutenden Handelsstädten in der Union erhebt; so bietet sich hier die Blüthe eines Staates dar, wie sie die Geschichte noch nie gesehen und sich daher auch nicht berechnen läßt.

[…]

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Dok-Nr. 134: „Oldenburger Zeitung“ No. 122 vom 10.10.1848

Ausland

Nordamerika. […]

Große Sensation machen die neuesten Berichte aus Kalifornien. Wenn sie nicht – wie stark zu vermuthen – große Uebertreibungen enthalten, so wüßte man endlich, wo das wahre Goldland – El Dorado – liegt. In dem Uferland einiger Arme des Sacramento, namentlich des sogenannten „Feather und Fork“, soll nämlich   in unglaublicher Menge gefunden werden – Körner von der Größe eines Senfkorns bis zu einer Unze Gewicht! Die Erzählungen klingen mährchenhaft. Die ganze amerikanische Bevölkerung, heißt es, befindet sich gegenwärtig an den Ufern dieser Flüsse, auch die Weiber und Kinder haben ihre Wohnungen verlassen und sammeln Gold. Ihr Gewinn beträgt täglich 400-500 Dollars! Alle andern Geschäfte in Kalifornien sind vor der Hand aufgegeben. Soldaten, Matrosen, Handwerker, Beamte, ja der Gouverneur selbst sind an Ort und Stelle abgegangen. Für Gefäße und Siebe werden die ungeheuersten Preise bezahlt. Amtliche Berichte fehlen noch; inzwischen hat sich die Speculation der Sache bemächtigt; es werden Maschinen zur Erleichterung der Goldwäschen abgeschickt und Lebensmittel und Kleider für die, welche ihre früheren Beschäftigungen für die neue gewinnreichere aufgegeben haben.

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Dok-Nr. 135: „Oldenburger Zeitung“ No. 8 vom 21.01.1851

[Extraspalte] In Baltimore – erzählt der Verfasser von „Across the Atlantic“ – besuchte ich den Friedhof, der an schönen und prunkvollen Monumenten reich ist. Ein Grabdenkmal vor allen anderen fesselte meine Aufmerksamkeit durch den Reichthum seiner Verzierungen. Der hier begraben liegt, dachte ich, muß zu den ersten Männern der Stadt gehören, und ich begann die Grabschrift zu lesen, deren goldene Buchstaben, wie gewöhnlich, nichts als Gutes und Lobenswerthes dem Verstorbenen nacherzählten, bis ich an eine auffallende Lücke kam: das Datum seines Todes war nicht ausgefüllt. – Wie ist das? fragte ich meinen Führer. – Ganz einfach, entgegnete dieser; der Mann lebt und ist frisch und gesund; er hat sich den Stein vor fünf Jahren setzen lassen, am Tage seiner Hochzeit und der Eröffnung seines Gewölbes. – Wer ist dieser seltsame Kauz? – Sehen Sie, weiter will der Mann nichts, als daß die Fremden, wenn sie unsern schönen Kirchhof besuchen und sein Denkmal sehen, neugierig werden und fragen: Wer ist dieser seltsame Kauz? Dann antwortet der Cicerone, der Todtengräber, der Küster oder wer sonst bei der Hand ist: Das ist Mr. B., in Puffstreet Nr. so und so, der die beste Schuhwichse und Seife in Baltimore fabricirt. Sehen Sie, der Grabstein hat ein gut Stück Geld gekostet, aber er rentirt sich.

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Dok-Nr. 136: „Oldenburger Zeitung“ No. 33 vom 27.02.1853

Vermischtes.

- Vor fünfzig Jahren – sagt ein amerikanisches Blatt – waren Dampfer unbekannt – jetzt schwimmen allein 3000 auf den amerikanischen Gewässern. Im J. 1800 war keine einzige Eisenbahn in der Welt – jetzt sind 10.000 (engl.) Meilen in den Ver.Staaten und ungefähr 22.000 Meilen in Amerika und England. Vor einem halben Jahrhundert brauchte man einige Wochen, um Nachrichten von Washington nach Neworleans zu bringen. Vor 50 Jahren ging die schnellste Druckerpresse mittelst Händekraft – jetzt druckt Dampf 20.000 Blätter die Stunde auf einer einzigen Presse. – Der Jetzt ist ein großer Bursch, wird aber nach einem halben Jahrhundert noch viel größer sein.

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Dok-Nr. 137: „Oldenburger Zeitung“ No. 45 vom 20.03.1855

Amerika. – Californien ist und bleibt der schönste Stern, den die Vereinigten Staaten im 19.Jahrhundert in ihr Banner aufgenommen haben. Während der letzten vier Jahre betrug die Summe des declarirten, aus Californien ausgeführten Goldes 186.684.088 Dollars im Werthe; nämlich: 1851 34.492.000 D., 1852 45.776.000 D., 1853 54.906.957 D., 1854 51.506.956 D. Der Ausfall des letzten Jahres beweist nichts gegen den steigenden Goldgewinn, sondern bedeutet nur, daß die Zahl derjenigen, welche ab- und zureisen oder aus Californien nach den atlantischen Staaten und Europa heimkehren und Massen Goldes mitnehmen, bedeutend zugenommen hat. Auch sind die nach Oceanien, China und den östlichen Staaten gehenden Schiffskapitäne nicht gehalten, ihr an Bord genommenes Gold zu declariren. Dazu kommt, daß viele Diggers auf dem Landwege durch Mexico gehen und ihr Gold mitnehmen. Endlich bleibt auch noch viel gemünztes oder zu Goldarbeiten benutztes Gold in Californien. Aus allem Diesem ist man zu dem Schluß gelangt, daß das declarirte Gold kaum die Hälfte des wirklichen Goldgewinns betragen habe und daß man ohne Uebertreibung den Gesammtwerth von den letzten vier Jahren auf 372 Millionen Dollars veranschlagen dürfte. Die Zahl der Goldsucher ist mit 100.000 nicht zu hoch angeschlagen. Wenn Jeder täglich nur 3 Dollars Wert gräbt, so wäre die Jahresausbeute schon 93 Mill. Dollars, was aber nach der Erfahrung zu gering geschätzt ist.

Aus den Quecksilbergruben von Newalmaden (60 engl. Meilen südlich von San Francisco) wurden im letzten Jahre verschifft 19.220 Krüge, enthaltend 1.449.000 Pfund, 39.000 Pfund mehr als im Jahr 1853. Es geht, behufs der Silberscheidung, meist nach Mexico, Peru, Chili und China; in Californien selbst wird wenig verbraucht.

Eingelaufen waren im Jahr 1854 617 Fahrzeuge aus allen Welttheilen von 407.485 Tonnen (6494 Tonnen weniger als im Jahr 1853), davon 261 mit 215.822 Tonnen aus Amerika und 58 von 26.013 Tonnen aus England. – San Francisco selbst besitzt schon 631 Schiffe von 63.423 Tonnen.

[…den folgenden Text siehe, Dok-Nr. 192]

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Dok-Nr. 138: „Oldenburger Zeitung“ No. 1 vom 01.01.1856

Chicago in Illinois,

der größte Getreidemarkt in der Welt.

Wir ersehen aus den Börsenberichten der Newyorker Blätter vom 27.Nov., daß in den beiden letzten Wochen die Getreideverschiffungen ungemein lebhaft waren. Allein nach Großbritannien waren mehr als 400.000 Bushels Weizen aus dem Hafen von Newyork versandt worden, nach Frankreich mehr als 200.000, wovon 161.000 nach Havre; die deutschen Häfen exportirten [„importirten“!] hauptsächlich Rocken, selbst nach Konstantinopel waren 8800 Fässer Mehl abgegangen. Nordamerika zieht aus der Getreidenoth Europas im Jahr 1855 ungeheuern Profit; denn es hat einen Ueberschuß von mindestens 100 Millionen Bushels verschiedener Getreidegattungen abzugeben. Die Ernte des Jahres 1854 war nicht gerade knapp, aber auch nicht eben reichlich; die Zeitungen wiesen auf den orientalischen Krieg hin, folgerten, daß Europa in jedem Fall einer beträchtlichen Zufuhr benöthigt sein würde, und riefen tagtäglich den Farmers zu: Bestelle jeder von euch zum mindesten einen Acre mehr als 1854 mit Getreide, insbesondere mit Weizen, und der Nutzen wird nicht ausbleiben. Der gute Rath wurde befolgt; man hat berechnet, daß 1855 etwa eine Million Acres mehr als im Vorjahr mit Brodfrüchten bestellt worden sind; die Ernte fiel ergiebig aus, und nun sind die Vereinigten Staaten für uns das geworden, was im Alterthum Aegypten für Italien war, - eine Kornkammer. Die europäischen Regierungen senden ihre Agenten zum Einkauf nicht bloß in die atlantischen Städte, sondern bis in die Häfen an den großen Binnenseen und an den Ohio. Im Anfang November erschienen dergleichen am Michigansee, in Chikago, dem größten Stapelplatz für Getreide, und schlossen so umfangreiche Käufe ab, daß durch die Hände eines einzigen Hauses nicht weniger als 1.200.000 Dollars für Weizen gezahlt wurden, der nach Europa bestimmt war. Daraus mag man einen Schluß auf die Bedeutung des Getreidegeschäfts ziehen.

Chicago ist ein Wunder, die Welt hat kein Nebenstück zu dem fabelhaft raschen Aufschwung dieser merkwürdigen Stadt. Im Jahr 1836 wohnte auf der Prairie, die gegenwärtig von mehr als zehntausend Häusern bedeckt ist, noch kein weißer Mann; vor nun genau zwanzig Jahren wurden die ersten Blockhütten gebaut; im Juli 1855 war Chicago eine Stadt vom 87.511 Seelen und am Schluß des Jahres wird es deren mehr als 90.000 haben. […]

Das Anwachsen der Bevölkerung bezeichnet zugleich genau den Aufschwung, welchen Gewerbe und Handel genommen haben. Im Jahr 1840 betrug sie 4479 Köpfe, mit einem beweglichen und unbeweglichen Eigenthum von 94.437 Dollars.

                        Seelen              Eigenthum

1845                12.088               3.065.022 Doll.

1850                28.269               7.220.249 

1853                60.652             16.841.831 

1854                65.872             24.394.239 

Auf je 92 Köpfe kommt 1 Kaufmann, auf  je 480 ein Holzhändler, auf je 439 ein Advokat, auf je 548 ein Arzt, auf je 1330 ein Geistlicher, auf je 747 ein Handwerker. […]

Die Einfuhren betrugen 1854 schon 30 Millionen, die Ausfuhren 24.709.191 Dollars. Im Jahr 1836 stellten sich die ersteren auf 235.000, die letzteren auf 1000 Doll.64 Cts. Die zum Hafen gehörende Rhederei betrug 1854 schon 48.158 Tonnen.

[…]

Man sieht, wie kolossal der Verkehr dieses binnenländischen Seehafens ist. Der ungeheure Aufschwung, den die Verkehrsmittel unserer Zeit dem Handel geben, zeigt sich gerade im westlichen Nordamerika am auffallendsten. Chicago hat dort nur Eine Stadt, die sich mit ihr an raschem Aufblühen messen kann und an der sich gleichfalls der wunderbare Einfluß nachweisen läßt, welchen die Eisenbahnen ausüben, besonders wenn sie an einem Strome oder an einem See münden, welchen Dampfer beleben, - wir meinen Cincinnati.

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Dok-Nr. 139: „Oldenburger Zeitung“ No. 101 v. 30.06.1857

Amerika. – Newyork, 11.Juni. […]

Seit einiger Zeit lassen sich hier in Newyork Stimmen voll ahnungsschwerer Besorgniß vernehmen, die eine Krisis von noch nicht vorgekommener Heftigkeit prophezeien. Die Speculationswuth, von der wir im Frühjahr 1856 in Europa Zeugen waren, hat sich jetzt mit der ganzen Gewalt, welcher die amerikanischen Zustände fähig sind, auf Nordamerika geworfen und Formen angenommen, die jedes europäische Muster weit hinter sich lassen. So tobt z.B. nach den neuesten Nachrichten die Schwärmerei für Mobiliar-Credit-Gesellschaften ganz maßlos in Cuba. Zwölf neue Banken, sechs neue Eisenbahngesellschaften, sieben neue Versicherungsanstalten sind allein im April und Mai in Havannah proclamirt und suchen und finden Actionäre. Mobiliaros und Formentos sind das Feldgeschrei, Häuser, Boote, Kirchen, Klöster, Magazine, kurz alles Denkbare, ja selbst Barbierstuben werden auf Actien gegründet, bloß Kirchhöfe noch nicht. – Die diesem Treiben mit kaltem Blute zusehen, schaudern bei dem Gedanken an den Zusammenbruch aller dieser Schwindeleien. In Newyork sind fast alle Artikel um 20 Procent aufgeschlagen, in Michigan ist Hungersnoth, im Westen kennt die Ländereispeculation keine Gränzen, die in Newyork projectirten Bauten zu privaten und öffentlichen Zwecken werden auf zehn Millionen Dollars veranschlagt. Im Nordosten der Ver. Staaten sind es augenblicklich die Eisenbahnprojecte, welche der Speculation zu Grunde liegen und für die in Newyork der allgemeine Markt ist; tagtäglich tauchen neue Plane auf, die Papiere kommen in Massen auf die Börse, und eine großartig operirende Haussepartei weiß dafür hohe Course zu notiren und durch fabelhafte Reclamen Käufer anzulocken. Dabei sind die mittleren Staaten spinnenwebenartig mit Schienen überzogen, im Westen hat fast jedes Dorf seine Eisenbahn, keine rentirt, und Neuengland hat allein schon an 100 Millionen in solchen Anlagen eingebüßt.

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Dok-Nr. 140: „Oldenburger Zeitung“ No. 145 vom 24.06.1864

[Leitartikel] Die Finanzen in den Vereinigten Staaten.

Oldenburg, 23. Juni.

Die öffentliche Schuld der Vereinigten Staaten bestand am 10.Mai 1864 aus folgenden Posten:

1. Verzinsliche Schuld, deren Interessen in klingender Münze zu bezahlen sind: 812.836162 Doll. 55 C. Kapital, 49.472714 Doll. 74 C. Zinsen.

2. Verzinsliche Schuld, deren Interessen in gesetzlichem Courant (Papier) bezahlt werden: 404.191935 Doll. 13 C. Kapital, 22.109429 Doll. 67 C. Zinsen.

3. Unverzinsliche Schuld: 509.220313 Doll.

Das macht in Summa 1727.248411 Doll. 65 C. Kapital, 71.582144 Doll. 41 C. Zinsen.

So groß die vorstehenden Summen auch erscheinen mögen, so stehen sie doch, nach dem Urtheile der verständigsten Männer in Amerika, durchaus noch in keinem beunruhigenden Verhältniß zu der Größe des Staatshaushalts im ganzen, dem schnellen Steigen der Einwohnerzahl und dem fortwährenden Wachsen ihrer Ressourcen. Unter den letzteren sind die noch nicht zum zehnten Theil aufgeschlossenen Metallreichthümer des fernen Westens und Nordwestens (welche des Friedens und des Zuströmens von Arbeitskraft warten), die durch den Krieg und den erhöhten Tarif unendlich gesteigerte inländische Industrie und die durch die Abschaffung der Sklaverei zu erwartende Erhöhung der Productionskraft des Südens in erster Reihe zu nennen. Bei Gelegenheit der Berathung des Besteuerungsgesetzes stellte der talentvolle Abgeordnete Morill v.Vermont die finanzielle Lage des Landes durchaus nicht so drohend dar, als Schwarzseher und Unglückspropheten dies zum Besten der Speculanten und Schwindler sich mit Erfolg zu thun bemühen. Er wies nach, daß wenn der Krieg im Jahre 1865 beendigt werde, die Vereinigten Staaten dann eine Nationalschuld von ungefähr 3000 Millionen haben, aber durch die erhöhte Anstrengung der Steuerkraft des Landes nicht nur völlig im Stande sein würden, die Regierung wie bisher fortzuführen, sondern auch jene öffentliche Schuld in wenig mehr als zehn Jahren vollständig abzutragen.

Schon unter dem gegenwärtigen Steuergesetz seien 40-50 Mill. mehr als im vergangenen Jahre eingenommen worden, das Einkommen aus den innern Revenuen sei für das Schatzamt schon jetzt von größerer Bedeutung als die Einnahme aus den Zöllen, die Regierung habe mehr Gold als sie zur Bezahlung ihrer Verbindlichkeiten bedürfe, und wenn das neue Steuergesetz vollständig in Wirksamkeit getreten sei, so würde es mehr als 250 Mill. jährlich eintragen. Dieser Ertrag mit der Einnahme von den Zöllen werde, nach Abzug der gewöhnlichen Ausgaben im Betrag von 100 Mill. jährlich, mehr als hinreichen, um die Interessen einer Schuld von 3000 Mill. zu zahlen und einen ansehnlichen Tilgungsfonds zu bilden.

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Dok-Nr. 141: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 70 vom 31.08.1867

Wie man in Amerika Eisenbahnen baut.

Die Generale J.S. und D.C. Caseman von Ohio gradiren die Bahn nach dem Stillen Meere, legen die Geleise und errichten die Telegraphen. Voran ziehen die 2000 Arbeiter, welche die Gradirung besorgen. Sie legen das große Werk auf indianischen Schlachtfeldern und unter täglichen Kämpfen an.

Die Aexte der 1500 Holzfäller erklingen unaufhörlich. Eine Meile vor Denjenigen, welche die Geleise legen, sind die drei Abtheilungen, welche die Legung der Querschwellen besorgen. Zuerst setzen die Ingenieure ihre Nivellirstangen in Entfernungen von 100 Fuß, resp. 50 Fuß; dann werden in Entfernungen von der Länge einer Eisenbahnschiene die Querschwellen von der zweiten Abtheilung gelegt; die dritte Abtheilung legt die Bindehölzer und die Unterlage für das Eisen ist fertig.

Zwanzig Meilen und weiter zurück sind die endlosen Construktionszüge, mit allem für die Arbeit Nöthigen beladen.

Diesen Zügen am nächsten und demselben Stunde auf Stunde folgend sind die Boarding-Cars, das Lager der Tausende von Arbeitern. Diese Wohnungswagen der Arbeiter sind je 80 Fuß lang; einige enthalten Betten, zwei sind als Speisezimmer eingerichtet, einer dient als Küche, Vorrathskammer und Office. Viele, welche die frische Luft vorziehen, haben unter dem Ganzen Hängematten angebracht. Ueberall hängen, so daß man sie gleich zur Hand hat, geladene Büchsen und Revolver. Die Arbeiter müssen sich eben selbst schützen, ohne Hülfe von der Regierung.

Die Abtheilung der Schienenleger zählt 400 Mann; auf den bereits fertigen 350 Meilen sind 1000 Arbeiter fortwährend mit dem Ausbessern der Geleise und der Vervollkommnung des Bahnweges beschäftigt.

Drei Schleppwagen, jeder von zwei Pferden gezogen, fahren zwischen den Schienenlegern und den Vorräthen hin und her. Die Pferde laufen außerhalb der Geleise und ziehen an langen Seilen, wie bei Canalbooten, damit sie den Arbeitern nicht im Wege sind. Nachdem abgeladen, werden die Pferde im Galopp zurückgeritten, um neue Ladungen zu holen, und so geht es den ganzen Tag in unablässiger Geschäftigkeit fort.

Wenn die Schienen ankommen, werden sie einzeln auf die Rollen geworfen, dann von 3 Männern ergriffen und in die gehörige Entfernung vorgeschoben; mittlerweile sind die Unterlagen gestellt, die Schiene wird daraufgeworfen und ein neues Glied ist fertig. Alle 30 Sekunden ertönt der Ruf: „Nieder, nieder“ auf beiden Seiten des Geleises und bezeichnet den Fortschritt des Riesenwerkes.

Hierauf folgen die Arbeiter, welche die einzelnen Schienen an einander festnieten und die Zwischenräume ausfüllen. Sowie die Auffüller das Geleise verlassen, können volle Züge mit einer Geschwindigkeit von 20 Meilen in der Stunde über dasselbe laufen.

Die Axt- und Hammerschläge, das Niederfallen der Schienen, das Getriebe der Cars und dazu die fortwährenden Angriffe der wilden Sioux und anderer feindlichen Indianerstämme geben ein Schauspiel, wie die Welt noch keins gesehen hat.

Und diese Riesenarbeit ist keineswegs umsonst verschwendet. Am 9.Mai 1866 waren nur 40 Meilen der Bahn fertig. – In 182 Werktagen wurden weitere 245 Meilen in bestem Zustande hergestellt. – Sieben Sägemühlen liefern die Bindeschwellen und Hölzer. Alle Brücken sind fertig, die einzelnen Stücke nummerirt, und sie können, wo man sie braucht, ohne Verzug aufgeschlagen werden.

Die Bahn wird im kommenden Herbst bis an den Fuß des Rocky Mountains reichen. Die Californische Abtheilung hat bereits einen 100 Meilen östlich gelegenen Punkt erreicht und steigt über den östlichen Abhang der Sierra Nevada in das Humbold Thal hinab. Man rechnet mit Bestimmtheit darauf, im nächsten Jahre den Salzsee zu erreichen, und daß bis 1870 die ganze Bahn fertig sein wird. Fast ein Drittel des ganzen Werkes ist jetzt schon vollendet.

Es dürfte ein kleines interessantes Rechenexempel abgeben, wenn man nun in Beziehung auf den Bau der Bremen-Heppenser Eisenbahn, als die uns zunächst liegende, fragt: Wie viel würden die Amerikaner nach obigen Ausführungen Tage gebraucht haben, um die genannte Linie fertig zu stellen und wie viel hätte man wohl Zeit gebraucht, um die Bahn nach dem Stillen Meere nach der bei uns üblichen Methode zu bauen? Um Antwort wird gebeten!

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Dok-Nr. 142: „Oldenburger Zeitung“ No. 125 vom 02.06.1869

[Leitartikel] Die Pacific-Eisenbahn

Oldenburg, 2.Juni.

Die großartigen Schöpfungen häufen sich in unserer Zeit so sehr, daß die einzelnen ihrer ganzen Bedeutung nach kaum gewürdigt werden. Der Kanal, welcher die Landzunge von Suez durchschneidet, harrt seiner Vollendung, am 10.Mai ist an der großen Pacific-Eisenbahn die letzte Schiene gelegt. Ein ununterbrochener Schienenweg führt jetzt von dem Hafen Halifax in Neuschottland bis zu dem Hafen San Francisco in Californien, mithin vom äußersten Osten bis zum äußersten Westen der von civilisirten Menschen bewohnten Strecke des nordamerikanischen Continents.

Die Länge des Schienenwegs von Meer zu Meer beträgt 3285 englische Meilen. Von Omaha aus läuft die Bahn geradezu nach Westen mehr als 500 Meilen durch das schöne Thal des Platteflusses und die großen Ebenen jenseits desselben, um an den „Schwarzen Hügeln“ mit der Uebersteigung des Felsengebirges zu beginnen. In einer Höhe von 8242 Fuß braust dort das Dampfroß über den Paß und senkt sich nach einer Gebirgsfahrt von 150 Meilen in das wundervolle Thal hinab, wo die Mormonen einen von der Welt abgeschiedenen Zufluchtsort gefunden zu haben glaubten. Durch das reiche Silberland Nevada zieht sich der Schienenweg über manches Hundert von Meilen bis zu der Sierra Nevada hin, von welcher nach Westen die Ströme hinabeilen, die Californien zu einem Paradiese der Anmuth und Fruchtbarkeit machen. Eine Höhe von 7042 Fuß ist auf diesem Schneegebirge zu besiegen, von wo sich mit starker Senkung der Schienenweg bis zur Stadt Sacramento hinabwindet. Alles Material zum Bau der Bahn mußte die Locomotive, welcher durch das Geleise erst der Weg eröffnet wurde, aus immer weiteren Entfernungen herbeischaffen; und wie die Schiene von beiden Seiten vorrückte, verschwand um sie die Wildniß; Ansiedelungen schossen aus dem Boden empor und Städte, von deren Name viele noch den neuesten Handbüchern der Geographie unbekannt sind.*] Wo der Büffel frei umhergestreift und nur mit unstet wandernden Indianerhorden das weite Gebiet getheilt hatte, braust jetzt der laute Lärm des Marktes, entfaltet sich ein buntes und abenteuerliches Leben, wie Europa es nicht kennt. Einem stetigen Einmarsche in Feindesland glich der Riesenbau; die vorrückende Civilisation, deren Character seltsam genug ist, hatte Schritt um Schritt den feindseligen Indianer abzugewinnen, und noch zuletzt mußten die auf die Zahl 10.000 angewachsenen Arbeiter, unterstützt von beschützenden Truppen, alle ihre Kräfte aufbieten, um sich und ihr Werk vor Raub und Zerstörung zu sichern.

Ebenso großartig wie das Unternehmen selbst, sind die Erfolge, welche man sich von ihm versprechen darf, politische, commercielle und sociale Erfolge. Die Köln.Ztg. schreibt: Begeisterte Newyorker preisen ihre Stadt schon als den zukünftigen Mittelpunkt des Welthandels. Jedenfalls aber wird der Stille Ocean, the Pacific, von welchem die Riesenbahn den Namen hat, dem Handel in einem Umfange erschlossen werden, wie man bisher kaum geahnt, und die Eröffnung der überreichen Hülfsquellen der westlichen Küste Amerikas muß gleichfalls mit wunderbarer Schnelle fortschreiten. Nicht minder wichtig für die Vereinigten Staaten ist die Verbindung mit den weiten fruchtbaren Ebenen und den metallführenden Gebirgszügen des Innern. Was bisher eine Wildniß gleich zu achten war, wird jetzt Ströme von Einwanderern zu sich heranziehen, die dort neue Staaten gründen, die umherschweifenden Indianerstämme zurückdrängen und aller Vermuthung nach auch das eigenthümliche Staatsgebilde in Utah von der Wurzel auf umgestalten werden. Die Mormonen, welche das Thal des Salzsees in einen reichen Garten umgewandelt und dort einen allerdings seltsam gearteten Vorposten der Civilisation geschaffen haben, gehen der nothwendigen Bedingung ihres Daseins, der Abgeschiedenheit von der Welt, verlustig und müssen entweder ihren gesellschaftlichen Einrichtungen, zumal der Vielweiberei, entsagen oder den Auszug nach einem andern Lande Kanaan antreten, wo sie ihre Vereinzelung wieder finden können. Von größter politischer Bedeutung für den nordamerikanischen Staatenbund aber ist die Thatsache, daß eine schleunige Verbindung auch der fernsten Gebietstheile mit der Hauptstadt der Regierung hergestellt ist und die Republik nicht mehr in zwei gesonderte Hälften zerfällt. Die zahlreichen schon in Angriff genommenen Zweigbahnen werden dazu beitragen, diesen unschätzbaren Vortheil immer mehr zu erhöhen.

[*vgl. auch Dok-Nr.203: „Oldenburger Zeitung“ No. 103 vom 05.05.1869 „Eine Pacific-Eisenbahn-Stadt“]

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Dok-Nr. 143: „Oldenburger Zeitung“ No. 146 vom 27.06.1870

Amerika.

- Der K.Z. schreibt man aus Newyork: Beachtenswerth ist ein vor Kurzem erschienener Bericht über die Lage der Arbeiter in Massachusetts, ein Bericht, der Vertrauen verdient, da er im Auftrage der Legislatur des genannten Staats angefertigt wurde. Es ist eine nicht weniger denn 420 Seiten füllende Abhandlung, voll von Zeugenaussagen der verschiedensten Handwerker, Fabrikbesitzer, Arbeiter und Arbeitgeber. In den dortigen Fabriken scheint angestrengter und länger gearbeitet zu werden als in Deutschland und England. Das Gesetz, welches die zarte, unterrichtsbedürftige Jugend vor schwerer Arbeit zu schützen berufen ist, wird als „todter Buchstabe“ mißachtet. Unter den 17.455 Arbeitern gewisser Fabrikbezirke fanden sich 3055, welche des Lesens und Schreibens unkundig waren, während in einem einzigen, in obiger Zahl nicht einbegriffenen Etablissement, welches 1600 Arbeiter beschäftigt, ihrer 855, somit über die Hälfte, weder lesen noch schreiben konnten. Dabei befinden sich Lüftung und Vorsichtmaßregeln gegen Feuersgefahr und Beschädigung durch Maschinen meist in sehr erbärmlichem Zustande. Die Hausmiethe ist so theuer, daß sie den Löwenantheil des Arbeitslohns verschlingt und zu einer entsetzlichen Überfüllung der Stuben führt. Für eine einzige Stube von 14 Fuß Quadrat wurde 1 Doll. 75 C. wöchentliche Miethe gefordert, d.h. gegen 120 Thlr. auf das Jahr. Andererseits sind die Lohnsätze durchaus nicht um so viel höher, daß der Arbeiter sich besser stände als bei uns. Dem vorliegenden Bericht nach scheint das gerade Gegentheil der Fall zu sein. Noch schlimmer steht es um die weibliche Arbeit. In und um Boston ernähren sich an 30.000 Frauen mit Nähen, die bei einem Wochenverdienst von nur 11 Thalern 2 Thlr. 20 Sgr. Miethe zahlen müssen. Ladendienerinnen sind oft von 7 Uhr Morgens bis Mitternacht angestrengt. Die bei Nähmaschinen angestellt sind, „halten es kaum länger als zwei Jahre aus.“ Wenn die Geschäfte schlecht waren, wie oft vorgekommen, und Mangel an Arbeit sich einstellte, „lebten arme Mädchen mitunter von ein paar Cents trockenen Brodes den Tag, bis sie wieder Arbeit fanden“. Die wenigsten dieser Arbeiterinnen verdienen so viel, „um sich ein anständiges Bett, hinreichende Kost und Kleidung anschaffen zu können“. „Nur zu oft verkommen diese Unglücklichen körperlich und geistig, bevor sie noch zur vollen Reife des Lebens gediehen sind.“ Das sind traurige Schilderungen der Arbeitsverhältnisse eines Staats, zumal wenn man erwägt, daß seine Industrie nun schon seit Jahren durch hohe Einfuhrzölle „geschützt und gehoben“ wird. Sie sind wohl werth, daß man sie in Deutschland ins Auge fasse, wäre es auch nur, um dem deutschen Fabrikarbeiter zu beweisen, daß jenseits des Oceans nicht Alles so glänzend sei wie er wohl träumen mag, wenngleich das deutsche Fabrikwesen auch seine schwarzen Seiten hat.

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Dok-Nr. 144: „Oldenburger Zeitung“ No. 102 vom 02.05.1872

Das gesegnete Californien.

Ueber die wunderbaren Fortschritte in der Entwicklung der Hülfsquellen des gesegneten Californien gibt folgender Artikel aus dem in San Francisco erscheinenden „Demokrat“ interessanten Aufschluß:

„Wer sehen will, was Californien ist, der gehe in’s Land. Wie unter einem Zauberstab scheint, nach der Noth der letzten zwei Jahre, überall neues Leben erwacht zu sein. Die Zukunft unseres Landes muß jetzt dem Blindesten klar werden. Lieber Leser, gehe einmal nach Antioch und reise von da das San Joaquin Thal hinauf, und du wirst dein blaues Wunder sehen. Wo kommen die Pflüge alle her, und was für Pflüge? Vierspännig fahren die Mammuthpflüge über meilenweite Felder, kein Stückchen Land bleibt unbebaut, ein ungeheurer Landstrich, hunderte von Meilen lang und 20, 30 bis 40 Meilen breit, wird binnen wenig Wochen ein großes, blühendes, grünes Weizenfeld sein, ein einziges Thal wird für 10 Millionen Dollars Getreide produziren. Und so geht es in den weiten Thälern des Sacramento, des Yuba, in den üppigen Küsten-Counties von Nava Sonoma, Petaluma, so geht es in dem gesegneten Santa Clara, so geht es in allen Küsten-Counties bis Humboldt hinauf. Ein wahrhaft fieberischer Eifer ist erwacht; so wie jetzt ist noch nie gepflügt worden. Ein Freund von uns wollte eine kleine Niederlassung bei Antioch besuchen, allein Alles war fort bis auf den Pastor, und auch dieser war im Begriff abzureisen, um eine Farm von 160 Acker, die er aufgenommen hatte, zu bestellen. Damit sind wir aber noch nicht am Ende. Alle unsere südlichen Counties, die in gewöhnlichen Jahren nur ein kleines Areal von unbestellbarem Boden haben, werden umgepflügt bis hoch auf die Berge hinauf. Die Steppen um Los Angelos, die sonst wüste liegen, werden eben vom Pfluge durchzogen. Fresno, Kern, Monterey, San Diego, San Louis, Obispo, Santa Barbara haben sich plötzlich in produzirende Counties verwandelt, wo hunderte von Meilen so reiche Erträge liefern, wie in den fruchtbarsten Counties unseres Landes. Ueberall dieselbe rasende Eile der ganzen Bevölkerung. Jeder weiß, daß wir in diesem Jahre hohe Weizenpreise erhalten, mag auch unser Ueberfluß noch so groß sein, jeder benutzt den Segen des nassen Jahres. Die kühnste Berechnung kann unsere zu erwartende Ernte noch nicht berechnen, denn kein Mensch hat eine Ahnung, wie weit in diesem Jahre die Kultivirung geht: Das ganze Land wird ein großes Weizenfeld.

Während so unser Wunderland plötzlich seine Agrikulturschätze entfaltet, während unser Weinbau in einem  Umfange in den Vordergrund tritt, von dem vor zwei Jahren die kühnste Phantasie noch keine Ahnung hatte, während wir im Begriff sind, nicht allein unsern ganzen Zuckerbedarf selbst zu ziehen, sondern auch noch Zucker auszuführen, während unsere Wollenproduktion nicht allein zahlreiche Fabriken beschäftigt, sondern auch noch jährlich für 6 Millionen Dollars Wolle zur Ausfuhr übrig hat, während unsere Seidenfabriken wie durch Zauber aus dem Boden springen und unser Land mehr Rohseide zu fabriziren verspricht, als irgend ein Land der Welt, sind unsere Mineninteressen plötzlich in einem Umfange in den Vordergrund getreten, welche die Zeit der ersten Goldentdeckung weit hinter sich zurückläßt. Wir haben Goldquarzminen in Amador, Nevada und anderen Orten, deren Ertrag sich in die Millionen beläuft; der Wasserüberfluß hat unsere Placers mit neuem Reichthum gefüllt, in allen Winkeln unseres Landes überreiche Entdeckungen gemacht. Unsere Goldproduktion wird sich in diesem Jahre verdoppeln. Und doch tritt sie ganz zurück im Vergleich zu der fabelhaft raschen Entwicklung unserer Silberminen. Utah, White, Pine, Idahoe, Montana, Humboldt sind nur einzelne Glieder der großen Kette, welche sich an Comstock anreiht, und Comstock selbst hat plötzlich wieder das Füllhorn seines Reichthums geöffnet. Mag die gegenwärtige Minenaufregung übertrieben sein, die Thatsache steht fest, daß sie sich auf überreiche Entdeckungen stützt.

Vor zwei Jahren war unsere Silberproduktion beinahe ganz geschwunden. Im letzten Jahre stieg sie schon auf 14 Millionen, d.h. das Doppelte der früheren blühendsten Zeiten, und dieses Jahr wird sie auf 30 Millionen steigen. So tritt also unser Wunderland dieses Jahr auf den Schauplatz mit einer Ausfuhr von mindestens 20 Millionen an Getreide, von 6 Millionen an Wolle, von 30 Millionen an Silber, von 3 Millionen an Wein, mit einer verdoppelten Goldernte, mit einer Produktion von 2 Millionen Zucker und 1 ½ Millionen Seide, mit dem Produkt einer Wollenfabrikation, welche neben dem eigenen Verbrauch schon 1 ½ Millionen zur Ausfuhr liefert. Zeigt uns ein Land der Welt, welches auch nur annähernd etwas Aehnliches liefern kann!

Und doch sind wir damit noch nicht zu Ende. Ein Netz von Eisenbahnen ist eben im Bau, welches in diesem Jahre wenigstens 10 Millionen fremden Kapitals verausgabt. Das ganze Land überzieht sich mit Eisenbahnen. Von Marion County wird soeben die große Eisenbahn begonnen, welche, längs der Küste hinlaufend, alle die reichen Küsten-Counties dem Ackerbau erschließt. Und nach Oregon hinauf strecken sich schon die Linien der Centralbahn, die Southern Pacific, diese Weltbahn, geht mit Riesenschritten ihrer Vollendung entgegen, und streckt schon jetzt nach allen Richtungen ihre Zweige, durch welche sie Santa Cruz, San Joaquin und den Garten unseres Landes in ihren Bereich zieht, durch die sie uns mit San Diego und Los Angelos verbindet und San Bernardino eröffnet, welches allein ein Land des Segens ist. Ein wahres Netzwerk von Eisenbahnen zieht sich durch alle unsere Bay Counties, die für sich allein mehr Quellen des Wohlstandes in sich schließen, als irgend ein Staat der Union. Schon ist Cloverdale beinahe erreicht und ein völlig neues Gebiet erschlossen.

Die Quellen des Wohlstandes, die diese Eisenbahnen uns eröffnen, können wir bis jetzt kaum ahnen. Die Entwicklung des Ackerbaus in diesen reichen Gebieten wäre allein schon ein überreicher Gewinn. Und doch ist diese nur ein einzelner Punkt in dem Gemälde einer glänzenden Zukunft. Von den Schätzen, die die Erde in dem Gebiete dieser Bahnen birgt, haben wir bis jetzt kaum eine dunkle Ahnung. Allein selbst das Wenige übersteigt schon die Erwartungen der kühnsten Phantasie und hat im Auslande ein Aufsehen erregt, daß fremdes Kapital unserem Lande zuzuströmen anfängt, wie keinem Lande der Welt.

Zeigt uns irgendwo in der Welt eine wunderbarere, raschere Entwickelung, als in unserem Staate der Wunder, wo Alladin’s Wunderlampe zur Wahrheit geworden, wo in den geheimnißvollen Höhlen der Berge die Schätze glitzern, reicher als die, welche die Mährchen von 1001 Nacht verheißen. Unser Zinn, unser Kupfer, unser Antimon, Zink, Borox, alle die Schätze, welche allein den Wohlstand eines jeden anderen Landes begründen würden, haben bis jetzt kaum Beachtung gefunden. Wir stehen erst an den schwächsten Anfängen einer Entwickelung, deren Umfang noch Niemand ahnen kann, wir haben ein Klima, schöner als irgend ein Klima der Welt. Bei uns blühen Rosen, während Schnee und Eis unser Vaterland decken. Wer will da noch klagen?“

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Dok-Nr. 145: „Oldenburger Zeitung“ No. 80 vom 08.04.1874

Vermischtes.

Amerikanisches.

Wie erfinderisch auch europäische Industrielle in ihren Annoncen und Reclamen sein mögen, sie werden weitaus von den Amerikanern übertroffen, welche unerreichte Meister in diesem Genre sind. So ließ z.B. ein speculativer Agent in Newyork ein Gebetbuch drucken und an den Kircheneingängen an alle Eintretenden vertheilen, welches, wenn man es aufschlug auf der rechten Seite den Text der Gebete enthielt, während die linke Seite mit Annoncen bedruckt war. In einer neuen Stadt im fernen Westen miethete ein Industrieller die Front einer Kanzel, um daselbst Annoncen über eine Saugflasche anzukleben. In einer anderen Stadt berieth der Municipalrath über die Offerte eines Speculanten, welcher eine bedeutende Summe anbot, um das Recht zu erwerben, seine Annoncen auf dem Rücken der Policemen anbringen zu dürfen.

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Dok-Nr. 146: „Oldenburger Zeitung“ No. 303 vom 31.12.1874

[Leitartikel] Der „Newyork-Herald“ und Graf Arnim.

Aufsehen zu erregen, ist auch dem bessern Theile der Presse nicht unerwünscht. Die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, erhöht die Rentabilität eines jeden literarischen Unternehmens. Man muß sich darüber klar sein: die Presse ist nicht ein höheres Wesen, das nur von Nectar und Ambrosia lebt; die Bedingungen ihrer gedeihlichen Existenz sind handgreiflich.

Die Linie aber, welche die achtungswerthen Organe der öffentlichen Meinung von der Demi-Monde der Zeitungswelt scheidet, ist eine scharfe und bestimmte. Der letzteren gilt Sensation mit ihren lucrativen Folgen als Zweck und in der Wahl der Mittel ist sie nicht wählerisch.

In Europa – das läßt sich ohne Ueberhebung behaupten – bildet sie die Ausnahme von der Regel; und selbst die Ausnahme hier zu Lande, deren Souvenir wir gerne unaufgefrischt lassen, streift höchstens an überseeische Sitten und Gewohnheiten.

Diese Sitten – um derentwillen die anständigen amerikanischen Blätter uns um so verehrungswürdiger erscheinen – gipfeln, so weit unsere Kenntniß reicht, in einer der gelesensten Zeitungen von Newyork. Es ist dieselbe, welche in letzter Zeit von sich auch diesseits reden machte, indem sie den Vorzug genoß, den Wirkl.Geh.Rath Grafen v. Arnim *] zu unterstützen – der „Newyork-Herald“.

Diese Zeitung war es, die am 27. und 29.Oct.d.J. in spaltenlangen, mit Summern erkauften „Special-Kabel-Depeschen“ den deutschen Wortlaut des zu den Untersuchungsacten gehörigen Briefwechsels des Staatssecretärs des Auswärtigen Amtes mit dem ehemaligen Botschafter veröffentlichte. Und es waren diesmal veritable Telegramme, nicht, wie im vorigen Jahr, die im Postwege eingegangenen und als Kabelmittheilung verkleideten umfangreichen Correspondenzen von Berthold Auerbach und Frau Mühlbach über die Wiener Weltausstellung. Den Grafen Arnim hatte sich in der That der „Newyork-Herald“ (oder vice versa) ein Rittergut kosten lassen.

Dem „Newyork-Herald“ stehen gewaltige Geldmittel zu Gebote. Sie und die weite Verbreitung, welche das Blatt in Amerika erlangt hat, verdankt es dem Raffinement, mit welchem seine talentvollen Leiter das nach aufregenden Neuigkeiten verlangende Publikum Tag für Tag in überraschender Weise zu befriedigen wissen.

Es ist in der Lage, überall, wo es ihm paßt, Berichterstatter zu halten und sich – ohne nach den Kosten zu fragen – das reichhaltigste Material zu beschaffen, das jedesmal in mundgerechter Weise verarbeitet wird.

Von solcher Industrie, wie sie bei diesem Blatte im Schwange ist, hat man bei uns keine Ahnung, und zur Ehre der amerikanischen Presse, sei es gesagt, denn auch drüben kaum ein zweites Beispiel. Doch schon wirken an unserer Presse aufstrebende Kräfte, die im Dienste des „Newyork-Herald“, wohin verschuldetes Mißgeschick sie verschlagen, ihre Schule gemacht haben. Diese Specialitäten erlebten es dort, daß Prämien ausgeschrieben wurden für die packendste Sensationsnachricht – unbeschadet der Fruchtbarkeit des Erfindens – und haben zum Oeftern dann den Eingeborenen den Rang abgelaufen.

Unter einer kleidsamen Draperie vornehmer Unparteilichkeit versteht es der „Herald“, schwebende Fragen von den verschiedensten Seiten zu beleuchten. Je nach der Mode des Tages wartet er heute mit diesem, morgen mit jenem politischen Urtheil auf; völlig unabhängig von dem sittlichen Zwang einer Gesinnung und in Bezug auf die Autorität der Wahrhaftigkeit weder officiell noch officiös gebunden, fährt er unter beliebiger Flagge und macht Beute auf Beute.

[…]

Ist dann aber Humbug der alleinige Gott dieses in Amerika so verbreiteten Blattes? Und war das gemeinschaftliche Bedürfniß nach Reklame das einzige Band zwischen dem „Newyork-Herald“ und seinen deutschen Klienten?

Die interessanteste Seite des Verhältnisses aufzuweisen, sind wir nun noch unsern Lesern schuldig.

In einer Hinsicht, so chamäleonhaft die Zeitung sich sonst gestaltet, bekennt der „Newyork-Herald“ doch beständig Farbe. Seit den deutschen Siegen über Frankreich ist er deutsch-feindlich. Das ist aber Nebensache und ergiebt sich nur als eine Folge aus tieferem und bleibenden Grunde. Ueberall, wo die Interessen des irisch-katholischen Elements in Amerika berührt sind, ist das Blatt zuverlässig und nimmt im Ernste dafür Partei. Der „Newyork-Herald“ ist das Organ des Ultramontanismus.

Wir wissen ja aus Erfahrung, wie frivol dieser ist, bald hochconservativ, bald social-demokratisch und radical, ebenso deutsch, wie undeutsch, nicht weniger französisch, polnisch, dänisch, welfisch, je nachdem es paßt; aber unzweifelhaft richtet Alles und Jedes sich nach Maßgabe des wechselvollen, doch zweckbewußten Programms – nicht der Religion, nicht einmal der römischen Kirche und der Hierarchie und des Papstes, vielmehr – der Jesuiten.

Das stimmt; so fügt sich das gesinnungslos sensationelle Blatt von Newyork der es vollkommen beherrschenden Tendenz des Jesuitismus.

Dies war bisher wenig in Europa bekannt, verdient aber selbstverständlich die allgemeinste Aufmerksamkeit.

Der Gründer des „Newyork-Herald“, der verstorbene Gordon Benett, war ein schottischer, mithin fanatischer Katholik. Sein Sohn, der jetzige Geschäftsinhaber, gehört ebenfalls zur römischen Kirche; sämmtliche namhafte Mitarbeiter dieser Zeitung gehen fleißig zur Messe.

[…]

(N.A.Z.)

[*Arnim, Harry Graf von (1824-1881) ab 1872 dt. Botschafter in Paris; wurde 1874 von Reichskanzler Bismarck wegen angeblichem Landesverrat abberufen und 1876 in Abwesenheit zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt]

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Dok-Nr. 147: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 116 vom 30.09.1875

Rundschau.

- In amerikanischen Blättern findet man Schilderungen der Krise, welche gegenwärtig auf den Vereinigten Staaten lastet. In New-York giebt es Tausende von Menschen ohne Arbeit. In Neworleans ist die Krise vielleicht noch schrecklicher. Vor 15 Jahren noch war diese Stadt eines der großen Entrepots des Handels zweier Welten. Der Hafen war von zahllosen Schiffen bedeckt, die Kais mit Waaren aller Art gefüllt; alle Welt konnte mit geringer Mühe reichlichen Verdienst finden; man lebte allgemein im Wohlstande, ohne zu denken, daß dieser Zustand sich je ändern könne. Jetzt ist diese Stadt kaum mehr gegen früher zu erkennen; sie zählt mehr als 40.000 verschämte oder unverschämte Arme. Handel und Verkehr stocken vollständig, und wenn neun Zehntel der Kaufleute ihre Bücher zeigen müßten, könnte man ein erschreckliches Bild der kommerziellen Situation ersehen. Ein leerer Hafen, leere Kaufläden, Handelsleute mit verdüsterten Mienen, Unglückliche, welche zum Selbstmord ihre Zuflucht nehmen, keine Arbeit, kein Credit, kein Vertrauen, keine Hoffnung auf Besserwerden.

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II.4. Offen für alle? Für alle gleich? - Umgang mit Minderheiten


Dok-Nr. 148: „Oldenburger Zeitung“ No. 169 vom 23.07.1869

Die Einfuhr chinesischer Frauen nach Californien.

Mit Recht sagt W. Hepworth Dixon*], daß es kaum ein Land auf unserer Erde giebt, dessen Bevölkerung größere Contraste hinsichtlich der Farbe, der Sprache, der Religion, der Sitten und Gebräuche aufzuweisen hat, als das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika. Weiße, rothe, schwarze, gelbe Menschen, sie sind alle Bürger dieses Landes, bezahlen dessen Steuern, nähren sich von dessen Producten und gehorchen seinen Gesetzen.

Der weiße Mann, der sich aus Frost und Hitze nichts macht, so lange er gute Nahrung für seinen Mund, passende Kleider für seine Glieder bekommen kann, spielt die Rolle des Herrn in der großen transatlantischen Republik; er ist im Stande, alle Klimate zu ertragen, jede Arbeit zu unternehmen, alle Entbehrungen zu überwinden; er wirft Netze in der Bai von Fundy, wäscht Gold in den Thälern des Sacramento, zieht Datteln und Limonen in Florida, fängt Biber in Oregon, hält Kuhherden in Texas, pflanzt Reben am Ohio und Missouri, spinnt Zwirn in Massachusetts, lichtet Wälder in Kansas und Minnesota, schmilzt Eisen in Pennsylvanien, giebt Gesetze im Districte von Columbia und schreibt Leitartikel in Newyork und in allen großen und kleinen Städten der Union. Er ist der Mann mit plastischem Genie und ausdauernder Thatkraft, gleich zu Hause unter Palmen und unter Tannen, in jeder Breite der Führer, der Arbeitgeber und der König Aller.

Der schwarze Mann, ein echtes Kind der Tropen, dem Wärme wie der Athem des Lebens ist, meidet, wenn er kann, die rauhen nordischen Felder, in denen der Weiße seine Muskeln kräftigt und sein Blut erfrischt, und zieht die Sümpfe und Savannen des Südens vor, wo er unter Palmen, Baumwollstauden und Zuckerrohr die reichen und grellen Farben findet, welche sein Auge liebt, die sonnige Hitze, in der sein Blut schwillt. Kaum Geld und Freiheit können ihn verlocken, nordwärts in Eis und Nebel zu gehen. Im Reisfelde sitzend, am Rohrdickicht, unter den Maulbeerbäumen seines geliebten Alabama, mit seinem Baumwollentuche um den krausen Kopf und seinem Banjo auf dem Knie, ist er fröhlich wie ein Vogel, wenn er seine eintönigen, endlosen und närrischen Ringelreime singt und die glühende Sonne ihm ins Gesicht brennt.

Der rothe Mann, einst ein gewaltiger Jäger in den Alleghanies, ebenso wie auf den Prairien und zerklüfteten Felsengebirgen, ist vom Blaßgesichte sammt seiner Squaw, seinem Elenn**], seinen Büffeln und seinen Antilopen in das Land des „fernen Westens“ getrieben worden, in die wüsten, oft traurigen Ländereien, welche westwärts vom Mississippi und Missourie liegen. Die Rothhaut will kein fester Ansiedler werden, sie will nicht arbeiten, schämt sich aber nicht zu betteln; die Axt und der Spaten haben sie von den Gräbern ihrer Väter mehr verjagt, als die Donnerbüchse.

Der gelbe Mann, gewöhnlich ein Chinese, oft ein Malaie, bisweilen ein Dayak, ist, angelockt durch das große Angebot von Arbeit, von Asien und dem östlichen Archipelagus in die Staaten am stillen Ocean gezogen. Er versteht die verschiedensten Arten von Arbeit; er kann vom Goldgraben bis zur Zubereitung einer Omelette und dem Plätten eines Hemdes Alles thun, womit er sich Dollars verdient. Die Chinesen sind gegenwärtig unter allen Unionsstaaten wohl am zahlreichsten in Californien, Utah und Montana vertreten. Die gelben Menschen, welche Buddhisten sind, sich zur Polygamie bekennen und Kindermord ausüben, werden sich immer zahlreicher in den westlichen Staaten und Territorien der Union ansammeln, und wohl mag einst die Zeit kommen, wo ein Arbeiterkrieg entsteht zwischen den Racen, welche vom Rindfleisch leben, und denen, welche bei Reis gedeihen.

Wie bei den Weißen, wenn sie im fernen Westen Gold graben, Biber fangen und Büffel schießen, die Frauen selten sind, so sind auch die chinesischen Schönheiten dem bezopften männlichen Personal, welches Golddurst über den Stillen Ocean lockte, bis jetzt nur in verhältnißmäßig geringer Zahl nachgefolgt. In der neuesten Zeit jedoch soll, wie amerikanische Blätter berichten, eine förmliche Einfuhr chinesischer Frauen nach Californien stattgefunden haben.

So war z.B. seit Mitte Februar dieses Jahres die sehnlichst erwartete Ankunft eines Dampfers, der mehre Hundert „grüner“, d.h. frisch auswandernder Chinesinnen an Bord haben sollte, die brennende Frage in dem mongolischen Viertel von San Francisco. Für jeden Junggesellen unter den langzöpfigen Bewohnern der californischen Hauptstadt – und Junggesellen bilden, wie bereits angedeutet, die überwiegende Mehrzahl der Chinesenbevölkerung – war der Moment gekommen, sein unveräußerliches Recht auf eine Lebensgefährtin seiner Race geltend zu machen.

Als der Dampfer endlich am 22.Febr. signalisirt wurde, ging die Nachricht wie ein Lauffeuer durch das chinesische Quartier. Es fand allgemeine Arbeitseinstellung statt. Alles, was mongolisch Blut in seinen Adern rollen fühlte, eilte dem Hafen zu. Sogar die wenigen Weiber zogen aus, bewaffnet mit ihren Sonnenschirmen. Das Rowdy Element wälzte sich, mit Knitteln, Messern und Pistolen bewaffnet, als lärmender „Mob“ dem Hafen zu. Die bemittelteren Kaufleute wußten sich Einladungskarten zu dem „Dock“ zu verschaffen und auf ihre Veranlassung war ein starkes Detachement der Polizeimannschaft erschienen, um dem zu erwartenden Mädchenraube en masse vorzubeugen. Hinter den Gittern aber, welche den Zugang zum „Dock“ absperren, tobte ein tausendköpfiger gieriger Chinesenhaufe.

Als der Dampfer anlegte und das Landen der „grünen Chinesinnen“ begann, wurde beim ersten Anblick derselben die Aufregung unter den liebesdurstigen Mongolen eine grenzenlose. Es bedurfte der energischen Intervention der Polizei, um sie vom Demoliren der Gitterthore und dem Stürmen des „Docks“ abzuhalten. Jedes Boot, jeder Nachen, die herbeizuschaffen waren, wurden theuer bezahlt. Hunderte versuchten auf diese Weise an den Dampfer zu gelangen. Einzelne Boote wurden in Compagnie genommen, in anderen wurden fabelhafte Preise für den Platz bezahlt.

Beim Betreten dieser Kähne entstanden blutige Schlägereien. Die Desperados unter den Chinesen fielen über die Inhaber der kleineren Boote her, trieben sie hinaus und benutzten das erbeutete Fahrzeug selbst. Mehre verzweifelte Angriffe der Chinesen, um mit Gewalt an Bord des Dampfers zu gelangen, wurden von der Polizei abgeschlagen. Man hatte indessen die gelandeten Chinesinnen in mehren Reihen abgetheilt, um sie in einzelnen Partien unter Bedeckung nach den Orten zu schaffen, welche von den chinesischen „Geldaristokraten“ bezeichnet worden waren.

Dreihundert und neunzig weibliche Passagiere waren gelandet und wurden in einzelnen Abtheilungen auf riesige Expreßwagen geladen. Vorn auf dem Wagen saß ein Polizist, auf jeder Seite des Wagens saßen zwei Polizisten und hinten pflanzte sich ein sechster auf. So oft einer dieser Wagen das Gitterthor passirte, wo das mongolische Junggesellenthum und Rowdythum in dichten Haufen zusammengedrängt stand, galt es tapfere Abwehr. Auf jede dieser eigenthümlichen Wagenburgen wurde von den liebesentflammten Mongolen ein Angriff gemacht, und die sechs Polizisten hatten die Häupter der Stürmenden mit ihren Amtsknitteln zu bearbeiten. Mit knapper Noth wurden die schönen „Grünen“ an den Orten, welche für ihre Aufnahme bereit waren, untergebracht; im Verlauf des Abends kam es jedoch zu zahllosen Händeln. Schlägereien und vielen lebensgefährlichen Verwundungen unter den Freiern, die zu Hunderten die betreffenden Herbergen umschwärmten.

[*Dixon, W.Hepworth: Neu Amerika. Jena , Hermann Costenoble. 1868]

[** das Elen; germanisch für Elch]

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Dok-Nr. 149: „Oldenburger Zeitung“ No. 263 vom 13.11.1871

Amerika.

Ein ganz empörender Auftritt wird aus Los Angelos in Californien berichtet. Die Polizei mischte sich in einen Streit von Chinesen und es wurde ihr Widerstand geleistet. Da umzingelte die Bevölkerung den chinesischen Stadttheil, es entstand ein wilder Kampf, eine Anzahl von Chinesen wurde massacrirt, sechszehn wurden nach schrecklichen Mißhandlungen summarisch aufgeknüpft, und unter diesen Letzteren war nicht ein Einziger am Widerstand gegen die Polizisten betheiligt. Der Auftritt war ein Ausfluß des Racenhasses und der Intoleranz, welche die schlimmste Seite des amerikanischen Nationalcharakters – so weit von einem solchem die Rede sein kann – bilden.

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II.4.1. Einwanderer


Dok-Nr. 150: „Oldenburgische Zeitung“ No. 64 vom 09.08.1844

Ausland

Cincinnati, 19. Juli (S.M.) Die Zwistigkeiten zwischen den National-Americanern und den Irländern zu Philadelphia hätten hier beinahe Veranlassung zu ähnlichen Auftritten gegeben. Statt der Irländer ist aber hier die Aufregung gegen die Deutschen gerichtet, welche fast den dritten Theil der Bevölkerung Cincinnati’s bilden und von den Natives längst mit neidischem Auge betrachtet wurden. Da sie aber friedfertigerer Natur sind, als die Kinder Erins, und mehrere wohlbewaffnete und einexercirte Militaircompagnien auf den Beinen haben, so haben sich ihre Gegner noch nicht an sie gewagt. Es ist aber durchaus nicht unwahrscheinlich, daß es bei den nächsten Wahlen zu einem Ausbruch kommen wird. Man geht jetzt auch damit um, das Naturalisirungsgesetz aufzuheben und den irischen und deutschen Einwanderern das Stimmrecht zu entziehen. Nach der Unabhängigkeitserklärung von 1776 sind zwar alle Menschen frei und gleich, aber man bleibt hier lieber bei der Theorie stehen, da man die Praxis etwas unbequem findet.

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Dok-Nr. 151: „Oldenburgische Zeitung“ No. 76 vom 21.09.1847

Ausland.

Nordamerika. […]

Unverantwortlich wird mit manchen deutschen Freiwilligen verfahren, die so thöricht sind, sich in Newyork für den Kriegsdienst werben zu lassen. Man schafft sie bis zum Abmarsch auf Governors Eiland. Dort leiden sie Druck und Willkür wie im despotischsten Lande der Welt. Der Stand des Newyorker Recrutendepots wird als „scheußlich“ geschildert. Ein Angeworbener hat seine erwiesenermaßen begründeten Klagen der Newyorker deutschen Schnellpost mitgetheilt. „Die empörendsten Mißhandlungen – heißt es darin – sind an der Tagesordnung. Als z.B. kürzlich, bei Gelegenheit eines unbedeutenden Dienstfehlers, ein Deutscher angeklagt wurde, während, wie sich später erwies, ein Irländer der Schuldige war, deßhalb eine etwas tumultuarische Aufregung eintrat, schlug ein Korporal, mit einem gewaltigen Prügel bewaffnet, einen, wie es scheint, ganz unbetheiligten deutschen Soldaten zu Boden. Als ein anderer Deutscher, der in der Nähe stand, jenem den Prügel entriß, um ihn einem Offizier zu übergeben, war die Folge, daß der Gemißhandelte wie sein Beschützer in den Bock gespannt wurden, eine Strafe, welche – fügt der Schreiber des Briefes hinzu – hier in höchst barbarischer Weise vollzogen wird.“ Er sagt: „Die Delinquenten bekamen einen Holzspan in den Mund, die Hände wurden ihnen gebunden und über die Knie gebogen, alsdann ein Stock zwischen dieselben durchgesteckt; ließ man sie Stunden lang liegen; dem Einen lief das Blut aus dem Halse, er schrie erbärmlich, es half ihm jedoch Nichts. Durch 500 Mann Spießruthen zu laufen kann keine barbarischere Strafe sein. So werden Menschen zu Krüppeln gemacht, wird ihre Gesundheit zerstört. Die Beispiele sind nicht selten; einige so Mißhandelter liegen noch im Spital, andere hat man als Krüppel entlassen. Ich möchte jeden Deutschen warnen, und wäre er in der äußersten Noth, sich durch die Versprechungen, besser gesagt: die lügenhaften Angaben eines Werbers bestimmen zu lassen, sich zu engagiren. Ein Jeder wird es bereuen. Von einer Kaserne ist keine Rede; wir schlafen nicht einmal in Betten; unter Zelten im Freien auf Brettern müssen wir liegen. – Was das Essen betrifft, so erhalten wir die ganze Woche Nichts als den schlechtesten, ekelhaft anzusehenden Speck mit einer Suppe, in der Bohnen sein sollten, - und den miserabelsten Kaffee. Mit der Auszahlung des Soldes vertröstet man uns auf Mexiko, wo vielleicht nicht mehr die Hälfte von uns am Leben sein wird, ihn zu empfangen.“

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Dok-Nr. 152: „Der Oldenburgische Volksfreund“ No. 27 vom 30.04.1850

Urtheil eines Amerikaners über deutsche Demokraten

Unsere Demokraten fühlen sich so häufig zu den Bewohnern Nordamerika’s hingezogen; nur Schade, daß diese Zuneigung vom Bruder Jonathan schlecht erwiedert wird, denn von Newyork aus wird vom 23.Februar d.J. der Kölnischen Zeitung (No.71) geschrieben:

„Vermuthlich habt Ihr im März wieder leichte Fieberanflälle, die sich in Cravallen, Putschen und sogenannten Schilderhebungen kund geben. Wir wollten alle, Ihr hörtet drüben das revolutioniren einmal auf, denn dadurch schickt Ihr uns eine Race Kerle auf den Hals, die nicht zu verdauen sind. Es scheint mir fast, als ob der ganze Republikanismus Eurer edlen Volksfreunde, einzig in den gewaltigen Bärten bestände, denn sonst habe ich  noch nichts Merkwürdiges an ihnen gefunden. Hier überschwemmen sie uns alle Städte, betteln, lamentiren, kritisiren, bramarbasiren, daß es geradezu zum Ekel wird, und man diesen Weltverbesserern gern aus dem Wege geht, wenn dies in unserer Hafenstadt nur so leicht gethan wie gesagt wäre. Schon fangen sie an in ihrem deutschen Republikenwahnsinne Gesellschaften zu stiften, um uns Reformen aufzudrängen, und dem Amerikaner Unterricht in der Demokratie zu geben! Unsere Republik taugt, nach der Ansicht dieser deutschen Freiheitsapostel, wenig oder gar nichts, und Jefferson und unsere andern Staatsmänner haben Schnitzer gemacht, welche kein Schuljunge unter unsern modernen Solonen sich zu Schulden kommen lassen würde. Ich versichere Ihnen, wenn etwas im Stande währe, mich aus dem civilisirten Leben unter die Indianer, oder nach Californien zu treiben, so wären es dies sämmtlichen politischen Poltrons.“

Derber noch äußerst sich das „Wiskonsin Banner“ vom 4.Febr. d.J., das bedeutendste politische Organ im Wiskonsin-Staat; es sagt:

Die Cholera hat uns bei ihrem letzten Umzuge ziemlich verschont, allein eine andere Pest droht über uns hereinzubrechen. Seit geraumer Zeit ist die Vorhut der deutschen Demokraten bei uns eingerückt, und wenn ein Schluß von der Klaue auf den Löwen erlaubt ist, muß der Kern der Nachhut aus liederlichen Schuften bestehen.

Wir gedachten immer die blauen Kuppen der Alleghany’s würden uns beschirmen vor einer Fluth, auf welche die östlichen Staaten mit Verachtung herabsehen. Zwar sagen unsere großen Staatsmänner: wer an die Pforten des weißen Hauses klopft, dem wird aufgethan werden – und unsere Präsidenten reichen beim Neujahrsgruß die Hand dem Bettler sowohl als einem Astor, allein die deutschen rothnasigen, langbärtigen Demokraten nehmen unsere Geduld doch etwas unverschämt in Anspruch. Unter ihnen begehrt keiner ein ordentliches Settlement – dazu sind sie zu faul, wie sich solches auch nicht anders erwarten läßt von bankerotten Kaufleuten, Advocaten ohne Praxis, entsetzten Staatsdienern, Handwerkern ohne Kunden, versoffenen Arbeitern u.a.m. Ihre langen Bärte stecken sie in die Wälder, ihre funkelnden Nasen in die Prairien, ihre latschigen Lumpen in die halbgerodeten Aecker, und über alles hin soll flattern unser Sternenbanner als schirmender Geist. Wahrlich, wenn wir nicht wüßten, daß es gebe eine alte Welt, wir würden ihre Existenz entnehmen aus diesen Demokraten, den Pilzgewächsen eines verrotteten Baumstammes.

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Dok-Nr. 153: „Oldenburger Zeitung“ No. 68 vom 14.06.1851

Ausland

Amerika. – Newyork, 27.Mai. Gestern feierte eine große Masse der hiesigen Deutschen ein Maifest in Hoboken, einem unserer nahe gelegenen und beliebtesten Vergnügungsorte. Man war recht heiter und gemüthlich unter sich im Freien, vergnügte sich im grünen Grase und zwischen den hohen Bäumen wie man konnte, kurz, es war ein Fest voller Harmonie und Frohsinn, bis gegen Nachmittag eine rohe Schaar vom Loafers und Rowdies, von Irländern und anderem Nativegesindel die harmlosen Deutschen überfiel und deren Zorn provocirte, indem sie ihnen ihre Speisen und Getränke zu entreißen suchten. In Folge dieser Provocation und dabei gewechselten Schimpfreden entstand denn leider ein höchst beklagenswerther, erbitterter Kampf, welcher sich bis gegen Abend hinzog und mit der Verwundung Vieler, der Tödtung Einiger, der Demolirung mehrerer Häuser und der Verhaftung von vielen Personen endigte. Die Berichte sind noch zu widersprechend als daß man die Details jetzt schon feststellen könnte; so viel scheint aber gewiß zu sein, daß der Reporter des Herald nach seiner gewohnten die „Dutchmen“ geringschätzenden Manier eine unverschämte Lüge sagt, wenn er behauptet, daß die Schuld auf beiden Seiten sei. Es steht so viel wenigstens fest, daß die wilden Banden von rohen Taugenichtsen extra mit dem Vorsatze nach Hoboken hinübergegangen sind, um den harmlos ein frohes Fest feiernden Deutschen eins anzuhängen. Möge die Schuldigen nur die verdiente Strafe ereilen!

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Dok-Nr. 154: „Oldenburger Zeitung“ No. 138 vom 02.09.1855

Amerika. Berichte aus Louisville vom 6.August melden, daß es bei den Staatswahlen, wie man schon lange befürchtet hatte, zu blutigen Conflicten zwischen den Knownothings (Nichtswissern) und Fremden, namentlich Irländern, gekommen ist. Die Blätter der verschiedenen Parteien schieben die Schuld einander gegenseitig zu, beide aber stimmen darin überein, daß es bei dieser Gelegenheit greulich in Louisville hergegangen sei. Ein dortiges deutsches Blatt berichtet, daß die Bemühungen der Knownothings, alle Parteigegner von den Stimmurnen zu vertreiben, zu Raufereien zuerst Anlaß gaben. Schon des Morgens wurde ein deutscher Tischler getödtet. Ein anderer Deutscher wurde so geschlagen, daß man an seinem Aufkommen zweifelt. Des Nachmittags entspann sich ein allgemeiner Kampf, fünfzehn Mann wurden niedergeschossen, zwei oder drei getödtet. Eine Anzahl verfolgter Irländer und Deutscher flüchtete sich in eine Brauerei; und als das Haus angegriffen wurde, feuerten sie auf die Angreifer; die Brauerei wurde darauf in Brand gesteckt und zerstört. Mehre von den Deutschen wurden darauf arg zusammengehauen und einer der Irländer erhielt einen Schuß, an dessen Folgen er später starb. Ein bewaffneter Haufe Knownothings wollte die katholische Kirche stürmen, wurde aber durch den Mayor Barber davon abgehalten. Am Abend wurde eine Reihe von Häusern, einem Irländer gehörend, in Brand gesteckt. Das Feuer griff über auf die andere Seite und 12 Häuser brannten nieder; mehre Bewohner, die den Flammen zu entrinnen versuchten, wurden niedergeschossen. Man kann sich keine Idee von der Anzahl der Getödteten machen. Fünf Mann wurden zu Tode geröstet, nach dem sie so verwundet worden, daß sie sich nicht mehr retten konnten. – Kein Mensch machte einen Versuch, das Feuer zu löschen.

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Dok-Nr. 155: „Oldenburger Zeitung“ No. 223 vom 23.09.1864

[Leitartikel] Die Auswanderung nach Amerika. I. Oldenburg, 22. September

Die Regierung von Washington beschäftigt sich schon seit länger als einem Jahre mit Plänen zur Vermehrung und Ermunterung der Einwanderung. Der Congreß hat zu dem Ende ein specielles Comite eingesetzt und der Minister des Auswärtigen, Herr Seward, will in seinem Ministerium ein besonderes Einwanderungsdepartement schaffen. Vor allem blickt man nach Deutschland, um die durch den Krieg in die Bevölkerung des Landes gerissenen Lücken zu stopfen. Unter anderen Anlockungen und Verleitungen zur Auswanderung will Seward den unbemittelten Einwanderern auch freie Reise über den Ocean geben. Das lautet sehr human, ist aber, bei Lichte besehen, keine große Wohlthat, denn der Einwanderer soll dort das ihm vorgestreckte Reisegeld abverdienen. Wie? Nun eben dadurch, daß man ihn an einen bestimmten Ort und in einen bestimmten Staat schafft und ihn, resp. seine Arbeit dort für eine bestimmte Zeit bindet. Der Einwanderer soll also für einen kleinen Vorschuß von 25 bis 30 Thlrn. nicht allein die freie Wahl der Niederlassung, sondern auch seine persönliche Freiheit, wenn auch nur für eine gewisse Zeit, verlieren. Es ist der alte „Redemptionen“-Unfug, den Seward wieder ins Leben rufen möchte. So schlimm dieses Verhältnis an sich schon ist, so gestaltet es sich in der Praxis doch noch viel schlimmer. Rohe Capitäne und wo möglich noch rohere Beamte behandeln den Einwanderer wie eine Waare, wie ein rechtloses Stück Vieh, das froh sein muß, wenn man ihm das nackte Leben läßt. Man braucht nur ein Dutzend Jahre in einem großen Einwanderungshafen, wie Newyork, gelebt zu haben, um zu wissen, wie selbst dem freien, unabhängigen Einwanderer mitgespielt wird, wie Jeder ihn ausbeutet und zu übervortheilen sucht, und wie selbst die uneigennützigste wohlthätigste Fürsorge ihn nicht vor den Verfolgungen habgieriger Menschen zu sichern vermag. Die Ausführung des Seward’schen Planes hieße nichts als die Rechtlosigkeit und Hülfslosigkeit des Einwanderers vollständig in System zu bringen. Aber es ist noch ein anderer schlimmer Umstand damit verbunden. Wenn die amerikanische Regierung die Controle über die ersten Schritte des Einwanderer bei seiner Ankunft in Amerika hat, so zwingt sie ihn natürlich auch zur sofortigen Abschwörung seiner alten Unterthanenverhältnisse und zur Bürgerrechts-Erklärung. Dadurch werden aber diese Einwanderer conscriptionspflichtig, müssen also in den Krieg ziehen, dem sie durch die Auswanderung vielleicht in Europa ausweichen wollen. Den Vereinigten Staaten paßt das natürlich sehr gut. Wenn er kein Arbeitsvieh, so ist der Einwanderer wenigstens Kanonenfutter, er bringt also die für seine Ueberfahrt an ihn verwandten 26 bis 30 Thlr. mit Zins und Zinseszins wieder ein. Die unabhängige deutsche Presse kann nicht zeitig und oft genug auf dieses Attentat der Vereinigten Staaten auf deutsche Arbeitskraft und deutsches Kapital, sowie auf die daraus für den Einzelnen hervorgehenden Consequenzen aufmerksam machen, und dadurch vielleicht die Ausführung der „humanen“ Absichten Sewards verhindern. Sie laufen auf nichts als auf Seelenverkäuferei im Großen hinaus. Bisher wurde sie von herzlosen Speculanten auf eigene Privatrechnung betrieben; jetzt wollen die Vereinigten Staaten ihnen Concurrenz machen. Das ist der Kern der neuen Washington-Pläne zur Beförderung der Einwanderung und der Lobeserhebungen der fleißigen, braven, nüchternen und soliden Deutschen! Hands off! Wenn der Amerikaner den Deutschen lobt oder ihm gar schmeichelt, so führt er gewiß eine selbstsüchtige Absicht im Schilde. Ein altes russisches Sprüchwort sagt: „Wenn man ein Schaf schert, so geschieht es sicher nicht in der Absicht, um ihm einen Rock aus der Wolle zu machen.“ Möge Deutschland nicht wieder das Schaf sein, das sich scheren, ja, auf die Schlachtbank führen läßt! Es hat schon zu sehr für die Vereinigten Staaten geblutet, die Deutschen sind zu gut dazu, um den chinesischen Kulis oder den afrikanischen Negern Concurrenz zu machen.

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Dok-Nr. 156: „Oldenburger Zeitung“ No. 131 vom 09.06.1869

Ansiedelung im nordamerikanischen Westen.

„Hier in den Vereinigten Staaten vermag ein Jeder, der ein Paar kräftige Arme und den guten Willen hat in einem Tage so viel zu verdienen, daß er damit einen Acre guten Landes von der Regierung erstehen kann.“ So sagte vor Kurzem Anthony aus Rhode Island in einer Rede, die er in dem Washingtoner Senate hielt. Und in der That sind bei den staatlichen Landämtern im Westen Ländereien zu 2 Dollars den Acre (1 ½ Morgen) und zuweilen noch billiger zu kaufen; ja, nach den Bestimmungen des Heimstättengesetzes werden sie an solche Ansiedler, die sich anheischig machen, dort zu bleiben und Ackerbau zutreiben, sogar ohne jedwede Zahlung vergeben. Die westlichen Staaten bieten mannigfache Vortheile, um die Einwanderer anzulocken, und täuschen sich in ihrer Rechnung nicht.

Der Vorsteher des Ländereien Amtes der Vereinigten Staaten, Herr Joseph L. Wilson, hat in Erwiderung auf ein im Namen zahlreicher deutscher Familien an ihn gerichtetes Gesuch einen erwähnenswerthen Bericht veröffentlicht, der für den Auswanderungslustigen viele wissenswerthe Mittheilungen enthält. Die Entscheidung über den Ort der Niederlassung hängt vornehmlich von den Absichten des Einwanderers ab. Will er unter dem Heimstättengesetz (Homestead law) umsonst oder unter dem Erstkaufsgesetze (Preemption law) gegen eine kleine Zahlung Land erwerben, so hat er die Auswahl in den Staaten oder Gebieten vom Missouri bis zum Stillen Meere. Hierbei setzt er sich freilich westlich von den angebauten Landstrichen der Staaten Kansas und Nebraska der Gefahr aus, von den Indianern beunruhigt zu werden; daher dort nur Niederlassungen von mehreren hundert Menschen rathsam sind, die sich, mit Waffen und Pulver wohl versehen, gegen räuberische Ueberfälle zu decken vermögen. Der obenerwähnte Beamte führt das Beispiel der Mormonen an, die sich am Salzsee in Utah in einer wenig verheißenden gebirgigen Einöde durch die Gründung fest zusammenhaltender und sich gegenseitig Schutz leistender Ansiedelungen eine blühende Colonie geschaffen haben. Von der anfänglichen Zahl von 150 Menschen sind sie in 20 Jahren auf 100.000 gestiegen; die in ungefähr 100 Städten und Dörfern eine Menge von Mühlen, Tuchfabriken, Hochöfen, Gießereien, Gerbereien gegründet, große Pferde- und Viehherden gezüchtet, prachtvolle Obstgärten angelegt haben und die umliegenden Bergwerksbezirke mit Vorräthen versehen. Zu solcher Blüthe hat es kaum irgend eine Niederlassung in den üppigsten Gegenden Nordamerikas gebracht; und in den Gebirgsgebieten giebt es noch manche Landstriche in viel günstigerer Lage, als die Umgegend des Salzsees vor 20 Jahren war. Im südlichen Idaho, im nordöstlichen Oregon, im südöstlichen Washington, im südlichen Neumexico und in Arizona giebt es große Strecken unbebauten Landes, die so fruchtbar sind, wie nur irgend ein Punkt Utahs, und in anderen Beziehungen dieses Gebiet bei Weitem übertreffen. Dasselbe gilt von einzelnen Theilen Nevadas und Californiens, wo die Thäler des Colorado und anderer wenig besuchter Flüsse weite Strecken vorzüglichen Landes darbieten, die gegenwärtig nur zum kleinen Theile angebaut sind. Boden und Klima eignen sich für Getreide und Baumwolle, welche letztere schon in beträchtlicher Menge von den jetzigen Ansiedlern gewonnen wird. Auch ist der Mineralreichthum dieser Gegenden sehr bedeutend. Die dortigen Ländereien sind meist noch unvermessen, können aber jeder Zeit in Besitz genommen werden, so daß die Ansiedler sich nach der Vermessung als Eigenthümer einschreiben lassen, entweder unter dem Heimstätten- oder dem Erstkaufsgesetze.

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Dok-Nr. 157: „Oldenburger Zeitung“ No. 153 vom 05.07.1870

Vermischtes.

* Der Courier de San Francisco erzählt unter der Ueberschrift la traite des blanches (Handel mit weißen Sclavinnen) von einem jener schmachvollen Geschäfte, deren Opfer, trotz so vieler Warnungen der Presse, vorzugsweise deutsche Mädchen werden. Es besteht in San Francisco in Folge des Mißverhältnisses zwischen den beiden Geschlechtern der Bevölkerung fortwährend starke Nachfrage nach „weiblicher Waare“, und die verschiedenen Häuser dieses Geschäftszweiges unterhalten eigene Agenten, welche in den großen Städten des amerikanischen Ostens und in Europa die „Zufuhr“ vermitteln. Kürzlich fuhr ein bekannter Zwischenhändler eines öffentlichen Hauses von San Francisco, Namens Kaiser, an Bord des Dampfers Golden City von Newyork nach San Francisco in Gesellschaft von fünf Frauenzimmern, von denen eine als seine Frau und die vier anderen als seine Schwestern in die Passagierliste eingetragen worden waren. Drei dieser „Damen“ machten die Reise mit vollständiger Kenntniß der Sachlage mit, die beiden anderen aber waren unbescholtene Mädchen (Auguste May und Emilie Gosman), denen man in Newyork vorgespiegelt hatte, sie würden, die eine als Pflegerin einer alten Dame, die andere als Haushälterin eines möblirten Hotels, untergebracht werden. Erst auf dem Isthmus von Panama ahnten die Beiden Schlimmes, als mehrere dort weilende Californier mit lautem Gelächter riefen: „Da führt wieder einmal der Kaiser der Mutter Heise eine Heerde zu!“ Erschreckt wandten sich die Mädchen an den Capitän und die Mitreisenden, deren Achtung und Zuneigung sie sich durch ihr ehrbares Wesen erworben hatten, und erfuhren so ziemlich die Wahrheit. Zugleich erhielten sie aber auch von dem Capitän Lapidge und dessen Buchhalter insgeheim die tröstliche Versicherung, daß man sie nicht in die Klauen des Lasters abliefern werde. Bei der Ankunft des Schiffes setzte sich der Capitän sofort mit den Polizeibehörden, welche an Bord kamen, in Verbindung. Der saubere Herr Kaiser ging [als] einer der Ersten ans Land und schickte sehr bald einen sehr fein gekleideten und vornehm thuenden Spießgesellen mit den Fahrbillets herbei, um die Koffer und mit diesen selbstverständlich die weibliche Reisegesellschaft zu reclamiren. Man wies ihn ab und schickte ihn, da er aufbegehrte, etwas unsanft ans Land zurück. Nun erschien die würdige Matrone Heise, dem Namen nach zu urtheilen leider ebenfalls eine Deutsche, in höchsteigener Person um Beschlag auf die Mädchen zu legen, bis sie ihr die für die Reisekosten ausgelegten 270 Doll. zurückerstatttet! Sie mußte jedoch sehr schnell und unverrichteter Sache wieder abziehen. Die beiden genannten Mädchen wurden von dem Capitän bei ehrbaren Familien untergebracht, wo sie so lange verweilen können, bis sie eine ihnen zusagende Stellung gefunden haben.

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Dok-Nr. 158: „Oldenburger Zeitung“ No. 293 vom 18.12.1873

„Chinesische Arbeit“ in Nordamerika.

Die Yankees haben sich lange Zeit gerühmt, daß ihr Land ein Aufnahmebecken für alle Völker der Welt bilde. Wer einwandere, sei willkommen und finde neben staatlicher und bürgerlicher Freiheit ein weites Feld, auf welchem er ungehindert seine Thätigkeit entfalten, seine Arbeitskraft nutzbar machen könne. In der Praxis freilich sehen die Dinge anders aus. Die Knownothings stellen sich feindlich gegen die Eingewanderten und wollen „Amerika für die Amerikaner“ ausbeuten, die Beute (the spoils) soll allein ihnen gehören. Als man die Neger frei gab, sah Jedermann voraus, was die Folge sein werde; man hat die nichtsnutzigen Schwarzen systematisch verhätschelt, benutzt sie als Stimmvieh und sie haben sich mit Leidenschaft auf die Politik geworfen. Im Durchschnitt arbeiten sie wenig und unregelmäßig, und deshalb hat man in einigen südlichen Staaten fleißige Chinesen eingeführt. Im Norden erhoben in manchen Städten die weißen Arbeiter so exorbitante Lohnforderungen, daß die Arbeitgeber, wenn sie dieselben hätten erfüllen wollen, nicht mehr in der Lage gewesen wären, trotz der widersinnig hohen Schutzzölle, die Concurrenz zu halten. Einige Schuhfabriken in Massachusetts ließen deßhalb Chinesen kommen, die fleißiger, für mäßigern Lohn und eben so gut arbeiten, wie die Weißen. Die letzteren schrien gegen die „mongolischen Barbaren“, welche es übrigens ermöglichten, daß das consumirende Publikum seine Kaufwaaren zu den früheren, allerdings schon hohen Preisen erhält. Es nahm Partei für die Chinesen.

In Pittsburg, Westpennsylvanien, ist die Eisenindustrie von großem Belang. Die Arbeiter in den Messerschmieden erhielten einen Monatslohn von 50 bis 70 Dollars; sie verlangten dann, bei verminderter Arbeitszeit, 100 Dollars und mehr. Die Besitzer der großen Messerfabrik Beaver Falls ließen deshalb eine Anzahl Chinesen kommen, die sich so anstellig zeigten und mit denen man so zufrieden war, daß Anfangs Januar noch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von mongolischen Barbaren aus Californien ankamen: „Freie Arbeit“ war der Wahlspruch der weißen Arbeiter; wenn aber ein gelber Mann bei einem weißen Arbeitgeber sich nützlich machen will, dann – das ist die Logik - muß er daran verhindert werden, man muß ihn prügeln und den Arbeitgeber zwingen, den Gelben zu entlassen, um sich der Tyrannei und den unverschämten Forderungen eines beliebigen irischen Schnapstrinkers zu unterwerfen.

Die Vorsteher jener Beaver Falls Messerschmiede sind zwei Deutsche, die Herren Leutz und Henrici; man suchte ihnen begreiflich zu machen, daß Fabrik und Publicum leiden, wenn man die Chinesen nicht ablohne. Nun haben jene weißen Arbeiter eine Bittschrift an den Congreß gerichtet, in welcher sie darum nachsuchen, daß die Einfuhr von Chinesen in die Vereinigten Staaten durch den Congreß verboten werden möge! Diese Petition steht als ein Muster von Unverschämtheit und Widersinn würdig neben der albernen Botschaft, mit welcher Präsident Grant den Hohn der ganzen gebildeten Welt auf sich gelenkt hat. Die „Arbeiter“ sagen, daß sie mit den Chinesen nicht concurriren könnten; diese seien eine versklavte Race, demoralisirt; sie brächten Entsittlichung in die christliche Gemeinschaft. Die Verwendung chinesischer Arbeiter sei ganz offenbar ein Attentat zur Wiedereinführung der Sclaverei; eine Handlung von Untreue und Mißtrauen gegen die weißen Arbeiter, denen doch der Staat 55 pCt. Schutzzoll gegen die auswärtige Concurrenz zugebilligt habe. Es sei gewiß bei Aufstellung des Tarifs Absicht des Congresses gewesen, den amerikanischen Arbeiter gegen fremde zu schützen, und die Chinesen seien Fremde etc.

Gleichzeitig aber wird überall im Süden der Ruf nach Einführung chinesischer Arbeiter erhoben, da man mit den faulen, übermüthig-frech gewordenen Negern nichts anfangen könne. Die Compagnie, welche in San Domingo die Samanabai mit 300.000 Morgen Landes erworben hat, will dorthin nicht weniger als 30.000 Chinesen schaffen. Das „New York Journal of Commerce“ verlangt aber dringend, den Pittsburger Messerschmieden gegenüber, auch für die nördlichen Staaten chinesische Arbeiter, und dann auch so viele, wie irgend zu haben sind, für den Süden zum Baumwollen- und Zuckerbau. Der bekannte Holländer, welchen man als Koopmanschap bezeichnet, will auch jede beliebige Anzahl beschaffen, wenn er sicher sein kann, daß der miserable Congreß nicht ein Gesetz giebt, welches die chinesische Einwanderung verbietet. Das genannte Blatt, Organ des rechtschaffenen Theils der Newyorker Kaufleute, bemerkt: „Es ist allerdings einige Gefahr vorhanden, daß eine Regierung, welche einen so hohen Tarif aufrecht erhält, die stupende Albernheit begeht, billige, gute und zuverlässige Arbeit zu repudiiren. Die pennsylvanischen Messerschmiede zeigen, worauf es abgesehen ist. Ihre Bittschrift ist maliciös und ungerecht gegen die Chinesen, und wiederholt die absurde Behauptung, daß die auf Contract beruhende Arbeit derselben eine Wiedereinführung der Sklaverei sei. Aber sie ist vielleicht nicht ohne Einwirkung auf das vulgäre Vorurtheil.“

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II.4.2. Indianer


Dok-Nr. 159: „Oldenburgische Zeitung“ No. 93 vom 21.11.1837

[Im Kleingedruckten] Es befinden sich jetzt in Washington 150 Indianer, Häuptlinge, Krieger und Wahrsager der Sack-, Fuchs- und Iowa-Indianer, deren seltsame Gebräuche und wildes kriegerisches Aeußere eben so sehr die lebhafte Aufmerksamkeit erregt, als das wichtige Geschäft, mit dem sie von ihren Stämmen beauftragt sind. – Ihre Absicht ist nämlich, einen Theil ihres Jagdbezirkes an die „blassen Gesichter“ zu verkaufen. Diese Absicht sollen sie wirklich durchgesetzt haben; sie forderten 1.600.000 Doll.; man empfing sie sehr freundschaftlich, rauchte die Friedenspfeife mit ihnen, theilte Geschenke aus, und die rohen Wilden gaben ihren Jagdbezirk für 1 Mill. Doll. hin. Die Gesandschaft besteht aus Männern und Frauen. Als der erste Häuptling fast im Zustande völliger Nacktheit nach dem Capitol ging, trug sein Weib ihren Säugling, sorgfältig in eine Decke gehüllt, keuchend auf dem Rücken. Sein Kopfschmuck war ein großes Paar Hörner, und er hatte zwei große Hunde auf den Rücken gemalt. Diese Indianer besuchten auch das Schauspiel; und waren von dem Spiel der Künstlerin Nelson und von dem Glanz ihrer Schönheit ganz bezaubert. Ein Indianer drang bis auf die Bühne, und legte seine prächtige Büffelhaut der Sängerin zu Füßen. Als nun die Sängerin durch den Dolmetscher erklärte, sie achte sie eben so sehr als die Söhne ihres Königs, und an jeden ihrer Verehrer eine weiße Straußfeder vertheilte; da erhoben sich alle Indianer, ihr Beifall erschütterte die Mauern des Hauses und Büffelhäute und Schlangenfelle, Keulen und Waffen flogen zum Zeichen ihrer Huldigung auf das Theater.

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Dok-Nr. 160: „Oldenburger Zeitung“ No. 64 vom 25.04.1858

Amerika. […] In Tuolomne County waren 4 Weiße von 5o Indianern angefallen und 2 getödtet, die anderen beiden verwundet worden. Die Indianer suchten wahrscheinlich nach Lebensmitteln, woran sie (wie fast alle nordamerikanischen Indianer) beinahe immer Mangel haben, oder auch daß sie Rache üben wollten für die Unbill, welche ihnen in jener Gegend im vorigen Jahr widerfahren ist. Ein Freiwilligencorps wurde sogleich organisirt und sollte zu ihrer Verfolgung ausgehen, um sie zu züchtigen, und es unterliegt keinem Zweifel, daß, wenn dies sie einholt, stark unter ihnen aufgeräumt oder vielleicht ein anderer Stamm, den sie antreffen, dafür zu büßen haben wird. Die Amerikaner nehmen es in dieser Hinsicht nicht sehr genau. […]

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Dok-Nr. 161: „Oldenburger Zeitung“ No. 49 vom 27.03.1860

Amerika. – Newyork, 8.März. Der „San Francisco Overland and Ocean Mail Letter“ erzählt ein Beispiel von der Art und Weise, wie die weiße Race in Amerika die Indianer bekriegt. Der Artikel schildert und brandmarkt General Kibbe’s letzten Indianerkrieg. Derselbe wurde angeordnet, weil ein sonst friedlicher, aber um seine Fischereien und Jagdgründe betrogener Stamm einen Ochsen gestohlen hatte! General Kibbe hatte binnen 70 Tagen 15 „Schlachten“ mit den Indianern; in 13 davon war er der angreifende Theil; er tödtete über 400 Indianer und nahm 600 gefangen; von seiner 20 Mann zählenden Truppe wurden 3 Mann verwundet und 1 getödtet. Dieses zeugt jedenfalls von Ueberlegenheit der Bewaffnung. Aber unter den getödteten Indianern waren über 60 Weiber und Kinder. Ein paar Tagereisen von San Francisco nämlich überfiel der amerikanische Feldherr bei Nacht einen in seiner Rancheria schlafenden Stamm, aus 60 Weibern und Mädchen bestehend. Die Ueberfallenen wurden sämmtlich mit Tomahawks, Dolchen und Säbeln niedergemacht, die Fliehenden erschossen; kleine Kinder, die ihren Müttern nachliefen, wurden eingeholt und mit zerschmetterten Schädeln auf einen Leichenhaufen geworfen, Säuglinge an der Mutterbrust oder in Körben wurde die Tomahawkspitze ins Hirn gestoßen. Eine flüchtende Squaw (indianische Frau) versteckte sich in einen Teich an einer Stelle, wo nur ihr Kopf aus dem Wasser ragte; aber sie ward entdeckt, der Flintenlauf berührte mit der Mündung ihre Stirn und spritzte ihr Gehirn ins Wasser, in welchem ihr Säugling ertrank. Manche der Weiber hatten früher mit den Männern gelebt, die ihnen jetzt den Garaus machten. Zur Anerkennung dieser Waffenthat läßt die Legislatur von Californien eine Summe von 70.000 Dollars unter die Mörder vertheilen!

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Dok-Nr. 162: „Oldenburger Zeitung“ No. 127 vom 05.06.1866

Vermischtes.

* Amerikanische Blätter berichten, daß in einem Meeting zu Owyhu in Idaho beschlossen worden ist, drei Männer zu ernennen, die sich 25 andere auswählen sollten, um auf die Indianerjagd zu gehen! Diejenigen, welche sich selbst equipiren, sollen eine bestimmte Summe für jeden Scalp erhalten, den sie liefern; diejenigen, die das Comite ausrüstet, sollen bei jedem Preis für einen abgelieferten Scalp die Kosten für die Ausrüstung abgezogen werden. Die Taxe ist festgestellt: Für jeden Scalp eines Mannes 100 D., für den einer Frau 50., für ein Indianerkind von mindesten 10 Jahren 25 Doll. Jeder Scalp muß noch die Kopfhaare besitzen, und jeder dieser „Jäger“ eidlich bekräftigen, daß der Scalp von der „Gesellschaft“ erbeutet worden. Die allergrausamsten Indianer von Idaho scheinen civilisirt, wenn man sie mit diesen weißen Barbaren vergleicht, die das Meeting abgehalten und einen so entsetzlichen Beschluß gefaßt.

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Dok-Nr. 163: „Oldenburger Zeitung“ No. 238 vom 10.10.1867

Die Indianerkriege.

Den jetzt in der Köln.Ztg. erscheinenden „Reisebriefen aus Amerika“ von Friedrich Gerstäcker entnehmen wir folgende Darstellung:

Nicht unbedeutende Sorge macht dem Norden gegenwärtig der indianische Krieg, der auf das unbegreiflichste von einem kleinen Trupp Menschen provocirt wurde und gefährliche Dimensionen anzunehmen droht, auf jeden Fall aber die Casse der Union so in Anspruch nimmt, daß sie gegenwärtig nicht mehr daran denken kann, ihre Schulden abzutragen, während zu gleicher Zeit wieder Tausende von Menschen geopfert werden.

Höchst interessant und zugleich wichtig ist der Bericht, den Colonel S.F.Tappan, einer der von der Regierung der Vereinigten Staaten dorthin gesendeten Commissare, giebt, die den Auftrag hatten, die Ursache des Krieges zu erforschen und wo möglich wieder freundliche Beziehungen zwischen Weißen und Indianern herzustellen. Er sagt darüber Folgendes:

Der Kampf entstand nahe bei Denver (Colorado) im April 1864 dadurch, daß ein Offizier der Ver.Staaten versuchte, einen kleinen Trupp von Cheyennes und Arapahus gefangen zu nehmen. Die Ursache dazu war einzig und allein, um einen Krieg mit den Indianern zu beginnen, und zwar 1) um das erste Colorado-Freiwilligen-Regiment (das nach den Staaten zurück beordert worden war) dort zu behalten; 2) das zweite, damals in Missouri stationirte Colorado-Regiment zurück zu bekommen und 3) noch ein anderes Freiwilligen-Regiment errichten zu können. Diese 3 Regimenter sollten dann dazu benutzt werden, um eine Staatsregierung dort zu bilden und den damaligen Territorialgouverneur in den Congreß zu senden.

Gerade in jener Zeit war also das erste Colorado-Freiwilligen-Regiment nach Missouri zurückbeordert worden, wo schon das zweite stationirt war. Dem Gouverneur und Districts-Commandeur behagte aber die Maßregel nicht, und um sie zu verhüten, sah er kein anderes Mittel, als einen indianischen Krieg anzufachen, wonach natürlich die Soldaten nicht aus dem Territorium gezogen werden konnten.

Ein kleiner Trupp Indianer lagerte unweit Denver, und ein Bursche Namens Ripley fand sich, der erklärte, daß ihm diese Indianer Vieh gestohlen hätten. Das genügte. Lieutenant Dunn wurde beordert, das gestohlene Vieh zurückzuholen und die Indianer zu entwaffnen und gefangen einzubringen. Lieutenant Dunn hat das selber ausgesagt (Senate Executive Document 39, Congreß Nr.26). Er fand kein gestohlenes Vieh bei den Indianern, wahrscheinlich aber mit dem Zweck seiner Sendung vertraut, führte er trotzdem die übrigen Befehle aus. Er befahl seinen Leuten, abzusteigen und die Indianer zu entwaffnen. Diese widersetzten sich aber, ein Kampf entstand, ein oder zwei Soldaten wurden getödtet, ein Indianer tödtlich verwundet, und das genügte vollkommen.

Sämmtlichen Indianern wurde der Krieg erklärt und Truppen ausgesandt, um sie, wo und wann man sie antreffen könne, zu tödten. Major Downing griff ein Indianerdorf in Cedar Canyon an. Ohne sie zu irgend etwas aufzufordern, eröffnete er sein Feuer auf Männer, Frauen und Kinder, marschirte dann wieder ab und machte seinen Rapport, daß der indianische Krieg in vollem Ernste begonnen habe, 127 getödtet etc. etc.

Lieutenant Eyre mit einem Commando ging dann nach Smoky Hill. Die einzigen Indianer, die er tödtete, waren ein Vater mit seinem Sohn, Lean Bear, ein Häuptling der Cheyennes. Lean Bear, der Truppen durch das Land ziehen sah und keinen Grund dafür wußte, nahm seinen Sohn und ging ihnen mit einer weißen Fahne entgegen. Sie wurden beide wie Wölfe niedergeschossen, mit kaltem Blute und gegen alle Gesetze des Völkerrechts ermordet. Natürlich schraken die Indianer empor und konnten gar nicht anders glauben, als daß die Weißen es darauf abgesehen hätten, sie einfach zu vernichten. Schon ihrer Selbstvertheidigung wegen mußten sie da den verzweifelten Kampf aufnehmen. Ihre Frauen und Kinder mußten sie schützen, und wo ist der Mann – ehrlos und verderbt genug -, der sie deshalb tadeln könnte? Seit der Zeit hat der furchtbare Conflict gewährt, und nicht allein auf Kosten großer Summen und werthvolleren Lebens, nein, auch auf Kosten der Ehre der Vereinigten Staaten.

Während des Sommers 1864 wüthete dieser Kampf, in welchem die Weißen die Indianer in Bestialität zu übertreffen suchten. Sie schonten weder Männer, Frauen noch Kinder, während die Indianer dagegen einige gefangene Frauen und Kinder wieder in ihre Heimath sandten.

Indessen drängte der Gouverneur immer heftiger um die Rückkehr des zweiten Colorado-Regiments (da nur dieses in Colorado stimmen konnte) und um die Bildung eines dritten zur Unterstützung in dem indianischen Aufstande. Das geschah denn auch, und außerdem wurde ein neues Regiment geschaffen, das unter dem Befehl von Chivington am Sandcreek über einen kleinen, unter dem Schutze unserer Flagge stehenden Trupp Indianer herfiel und mit kaltem Blute 40-50 Krieger und 120 Frauen und Kinder mordete und verstümmelte – der 20.November 1864, der Tag dieses Blutbades am Sandcreek, wird stets eine Schmach für die Unionstruppen bleiben.

Soweit der Berichterstatter der Regierung selber.

Ob es gelingen wird, die Indianer wieder zu versöhnen, mit welcher Mission der wackere General Sherman jetzt betraut ist, mag die Zeit lehren – ich fürchte nein, denn die Indianer sehen ihre Existenz durch die Pacific-Eisenbahn bedroht.

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Dok-Nr. 164: „Oldenburger Zeitung“ No. 298 vom 22.12.1868

Amerika.

Newyork, im Decbr. Was eigentlich die Indianerkriege sind und was sie der Nation kosten, geht aus folgender, officiellen Urkunden entnommenen Zusammenstellung hervor. In den Jahren 1831 und 32 wüthete der Krieg mit den Black Hawks. Noch jetzt wissen die, welche daran betheiligt waren, nicht, wie er eigentlich entstand und weshalb er geführt wurde; aber er kostete direct 2 Millionen, indirect, durch Verwüstungen und sonstige Störungen, 3 Millionen mehr, und 4000 Menschenleben auf Seiten der Weißen. Unter Kundigen herrscht allgemein die Ansicht, daß wir diesen Krieg Politikern und Spekulanten zu danken hatten. Der Krieg mit den Seminolen, bei dem die Armee, die Flotte, die Miliz von Florida und Freiwillige aus anderen Staaten aufgeboten werden mußten, kostete 15.000 Menschenleben und 100 Mill. Dollars. Die Anzahl der darin engagirten Indianer wurde von Indianeragenten auf 500, von den Offizieren der Armee auf 1000 Krieger geschätzt; die Meisten von diesen leben noch jetzt, theils in Florida, theils in Mississippi, und geben keineswegs zu, daß sie geschlagen worden. Die Veranlassung dieses Krieges war eine sehr geringfügige. Ueberdies wüthete zu derselben Zeit ein Krieg mit den Crooks und Irokesen, der eine Million kostete. Im Jahr 1852 brach der Krieg mit den Sioux aus, weil ein Indianer eine Kuh getödtet hatte, die einem Mormonen gehörte und 10 Dollars werth war. Der Krieg dauerte fast vier Jahre und kostete 300 Menschenleben und gegen 40 Millionen. Im Jahr 1864 gab es den Krieg mit den Cheyennes und Sioux, welcher ungefähr ein Jahr dauerte, 1000 Menschenleben und 60 Millionen kostete. Ursache: Die Cheyennes waren fälschlich angeklagt worden, ein Pferd im Werth von 50 Dollars gestohlen zu haben, umd man hatte den Sioux dem bestehenden Vertrag zum Trotz eine Eisenbahn durch ihr Land gebaut, ohne sich vorher mit ihnen ins Vernehmen zu setzen. Der Krieg mit den Cheyennes endete im Herbst 1865, der mit den Sioux aber dauerte, bis kürzlich die Friedenscommission einen Vertrag mit ihnen abschloß. Der Krieg mit den Cheyennes brach im Jahr 1867 von Neuem aus und dauerte 7 Monate, mit einem Verlust von 300 Menschenleben und 10 bis 15 Millionen. Grund: Die Zerstörung eines Dorfs durch unsere Truppen. Die Indianerkriege am Stillen Meer haben während der letzten 20 Jahre 300 Millionen gekostet. So ergiebt es sich, daß seit 40 Jahren die Kämpfe mit den Indianern 1000 Millionen verschlungen haben und daß sie fast in allen Fällen sehr leicht hätten vermieden werden können. Gewiß empfiehlt sich unter diesen Umständen der Antrag Grants, durch Beseitigung der jetzigen Willkür und Einführung eines festen Systems in der Behandlung den Indianerkämpfen ein Ende zu machen, bei denen kein Ruhm zu holen ist, die nur zur Brutalisirung der Betheiligten beitragen und überdies das Land finanziell ruiniren.

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Dok-Nr. 165: „Oldenburger Zeitung“ No. 159 vom 12.07.1870

Ein Indianerbesuch.

Die vielfachen Beschwerden der freien Indianer über Gebietsverletzungen seitens der weißen Ansiedler sind meist ohne Erfolg geblieben. Deshalb hatten die Sioux-Indianer vier ihrer hervorragendsten Häuptlinge, Spotted-Tail, Swift-Bear, Yellow-Hair und Fast-Bear zum „großen Vater“ nach Washington entsandt, um dort persönlich wegen Beschützung ihres Territoriums zu verhandeln. Nach Beendigung dieser Verhandlungen begaben sich die vier Häuptlinge mit der ihnen vom Präsidenten beigegebenen Begleitung nach Newyork, wo sie im Astorhause abstiegen. Sie sind (so schreibt ein Newyorker Blatt) schöne hochgewachsene Männer, sehen ernst und würdevoll aus wie römische Senatoren, sind im Besitz von gebogenen Adlernasen und durchdringenden glänzenden schwarzen Augen. Sie hatten ihre Angesichter gewaschen und ihre langen groben Haare sorgfältig gekämmt. Auf ihren dunkelblauen Decken, die sie malerisch um ihre Schultern geworfen, hatten sie messingene Sterne und Ordenszeichen angebracht. Am Sonnabend – 18. Juni – gegen 11 Uhr machten sie eine Spazierfahrt den Broadway hinauf und Spotted-Tail, der ein großer Krieger ist, wurde ganz aufgeregt, als er die großen Haarbeutel der Frauen am Broadway sah, die er für Scalpe hielt und für sein Leben gern besessen hätte. Es kostete viele Mühe, ihn zu überzeugen, daß der Haarreichthum nicht auf den Köpfen unserer Schönen gewachsen wäre, sondern nach Belieben vom Kopfe entfernt werden könnte. Ueber die neumodischen Mother-Hupard-Hüte war Fast-Bear ganz entzückt und meinte, wenn er Geld hätte, würde er seiner Squaw einen solchen mitbringen, denn die Mode komme ihm ganz heimathlich indianisch vor und er glaubte sich erinnern zu können, daß seine Großmutter, die Squaw des großen Häuptlings Red-Day, einen solchen auf einem indianischen Maskenball getragen habe. Die großen schönen Häuser am Broadway erregten das Staunen und die Bewunderung der rothen Söhne der Wildniß und sie ließen ihr rauhes, durchdringendes Ugh! Ugh! erschallen. Nachdem sie von ihrem Ausflug am Broadway zurückgekommen, waren sie sehr hungrig und erkundigten sich bei den Kellnern, ob auch bald der gebratene Hund aufgetischt werden möchte. Daß wir hier in Newyork solche Leckerbissen verschmähen, konnten sie gar nicht begreifen. Am Abend führte man die Häuptlinge nach Niblos Theater, wo sie der Vorstellung des pompösen militärischen Dramas „Nichtschuldig“ bei wohnten. Da sie schon verschiedene „Kurze“ genossen hatten, waren sie sehr guter Laune. Sehr aufgeregt wurden sie aber, als Militärmusik und Truppen auf der Bühne erschienen und der fingierte Kampf zwischen den Sepoys und britischen Truppen begann. Spotted-Tail wollte aufspringen und an dem Kampfe Theil nehmen, Swift-Bear und Yellow-Hair dagegen saßen ziemlich kaltblütig da und betrachteten sich das Kampfgewühl mit großen Lorgnetten, deren Gläser sie jedoch, anstatt vor die Augen, unter die Augen hielten. – An einem anderen Tage machten die Indianer-Häuptlinge einen Ausflug nach dem Centralpark und hatten eine große Freude, als sie dort zwei Büffel antrafen. Fast-Bear wollte sogleich Jagd auf sie machen, während Yellow-Hair sehr verächtliche Blicke auf die Wasserfälle (Hüte) der Damen warf und eine unbändige Lust an den Tag legte, einige dieser Scalps in seinen Besitz zu erhalten. – Uebrigens haben sich neuerdings die Beziehungen zwischen Weißen und Indianern sehr verschlimmert. Unlängst näherte sich ein Zug der Pacificbahn dem Plattefluse, als der Maschinenführer eine Schaar von etwa 300 Indianern erspähte, welche das Geleise überschritten. In Furcht gesetzt durch ein entsetzliches Geheul, welches die Rothhäute beim Herannahen des Zuges ausstießen und dasselbe für das Kriegsgeschrei zum Angriffe haltend, ließ er seine Maschinen in größtmöglicher Geschwindigkeit vorwärts und durch die Indianer schießen, wobei 13 Indianer ums Leben kamen. Bewiesen scheint es nicht, daß die Indianer einen Ueberfall im Schilde führten, und die Schienen müssen wohl nicht zerstört gewesen sein, indem von einer Entgleisung nichts erwähnt wird. Den letzten Nachrichten zufolge erwartet man eine allgemeine Erhebung der Indianer längs der Pacificbahn, und die Yancktons und Sioux betreten den Kriegspfad. General Sherman schickt in Folge dessen Cavallerieverstärkungen nach dem Westen.

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Dok-Nr. 166: „Oldenburger Zeitung“ No. 100 vom 01.05.1873

Das große einsame Land.

            (Schluß.)*]

 Die Veränderungen in socialer und moralischer Beziehung, die dem großen einsamen Lande bevorstehen, werden ein Widerspiel von dem Aufblühen der Vereinigten Staaten sein. Es wird sich dort der gewaltige Proceß des machtvollen Gedeihens eines großen Staatenwesens wiederholen, den wir im Verlauf der letzten vierzig Jahre bereits schauten. Sowie der Rahmen der Union nur auf das Nothdürftigste mit Menschen gefüllt sein wird, - und wie bald ist dieses der Fall! – dann ergießt sich der Strom über den 49.Breitengrad, die Grenze und bevölkert jene Distrikte wieder, welche durch blutige Indianerfehden und die Blattern heute fast menschenleer geworden sind. Butlers Werk zählt auf vielen Seiten die Schändlichkeiten auf, die gegen den rothen Menschen dort begangen wurden; es ist die traurigste Partie des Buches, die von dem Aussterben der amerikanischen Race erzählt und unser Mitgefühl in hohem Grade rege macht. In einer französischen Missionsstation am Grand Lac erzählten die Geistlichen unserm Gewährsmanne, daß von einer 900 Seelen starken Bevölkerung dreihundert im letzten Jahre den Pocken erlegen waren. Es ist wieder das alte Lied, die Tage des rothen Menschen sind gezählt. Immer weiter nach Westen wird der Indianer gedrängt, immer näher und näher rückt er jener majestätischen schneegekrönten Bergkette, die er in seiner Sprache als die Berge der niedergehenden Sonne bezeichnet. Es ist eine traurige Aufgabe für den amerikanischen Geschichtsschreiber, dieses ewige Zurückweichen des rothen Mannes nach Westen hin zu verzeichnen und die Stämme aufzuzählen, die heute schon alle dahingeschwunden sind. Es betrübt das Gemüth, wenn wir die Bücher lesen, die von der „alten Colonialzeit“ sprechen, jener, die auch Longfellow schildert, und wenn wir dort von mächtigen Indianer-Conföderationen lesen, deren Namen heute verschollen sind. Wo sind die Mohawks und Oneidas, die Huronen und Tuskaroras?

Sie alle sind dahin, und kaum eine Spur ist von Ihnen geblieben. Nur der Name einzelner Stämme haftet noch hier und da an Bergen, Seen und Flüssen, wie bei uns im östlichen Deutschland altwendische Namen. Erie und Ottawa, Seneca und Cayuga mahnen uns an große Nationen, die heute vergessen, vor einem Jahrhundert noch mächtig dastanden. Aber zu keiner Zeit, seit der erste weiße Mann an den neu entdeckten Gestaden des westlichen Continents von seinem rothen Bruder gastlich willkommen geheißen wurde, ist solche Vernichtung, solches Unheil über den Letzteren hereingebrochen, wie gerade in unseren Tagen. Früher da waren es einzelne Pioniere Englands, Frankreichs, Spaniens, mit denen sie zusammentrafen, jetzt aber ist es die ganze weiße Welt, die verbündet, millionenweise gegen sie anstürmt. Auf britischem Grund und Boden wohnen im Osten der Felsengebirge noch etwa 100.000 Indianer, in den Vereinigten Staaten etwa 300.000 – das ist Alles, was übrig ist. Gerade jetzt wieder sind sie im Aufstande begriffen und wehren sich gegen den Eindringling, der ihre Jagdgründe nimmt, der sie im Handel und Wandel betrügt. Wenn auf der ganzen langen Linie, vom mexikanischen Golfe bis zum Mackenziestrome, auch nur ein weißer Mann unter dem Tomahawk oder der Kugel des Indianers fällt, dann melden hundert Blätter den Mord und schreien um Rache. Die perfiden Thaten der Weißen aber kommen nur selten ans Licht; der rothe Mensch aber hat keinen Telegraph, keine Presse. Butler steht ganz entschieden und ohne falsche Sentimentalität auf Seiten der Rothhäute. „Mein Gott, ruft er aus, welche fürchterlichen Geschichten könnte ich erzählen von den Thaten der Weißen gegen den weit nobleren rothen Mann. Vom südlichen Texas bis zum nördlichen Montana giebt es nur ein Universalmittel gegen ihn – ihn zu töten. Sagt mir nicht, daß dies nicht der Fall sei. Ich antworte, daß ich hundertmal gehört habe: „Trau niemals einer Rothhaut, bis sie todt ist.“ „Schießt jeden Büffel todt, den Ihr seht, sagte mir einst in Nebraska ein Yankeecolonel, denn mit jedem Büffel geht auch ein Indianer dahin.“ Aber das sind nur Kleinigkeiten. Hört die Geschichte, die mir ein Händler in Montana erzählte. Ein Krämer in Helena hatte ihm etwas Zucker gestohlen. Er vergiftete nun seinen Zucker und ließ in der nächsten Nacht seine Thüre offen. Am anderen Morgen fand man draußen sechs todte Indianer. Und es giebt noch schändlichere Thaten, die ich nicht erzählen mag; aber ich glaube, sie werden einmal in jener Welt geklagt werden, und die welche sie gethan, werden sich zu verantworten haben.“ Die Krihs sind vielleicht noch der einzige Prärieindianerstamm, welcher bisher von den Weißen nicht zu leiden hatte; ihr Land ist noch ihr Eigenthum, ihre Jagdgründe wurden noch nicht gestört. Aber auch ihre Tage sind gezählt, und schon brandet die Woge der westlichen Einwanderung bis an die Einöden des Krihlandes. Es ist überall die gleiche Geschichte vom atlantischen bis zum pacifischen Weltmeere, - erst war der weiße Mann der willkommene Gast, der hochgeehrte Besuch; dann tritt er auf als Jäger, als todtbringender Händler von Feuerwasser, als Verbreiter böser Krankheiten; zuletzt als Ansiedler und Vertilger. Ueberall die gleiche Geschichte.

[…]

Auch gefährlich ist jetzt für die Beamten der Hudsonsbaycompagnie der Aufenthalt in diesen Handelsposten geworden. Seit die alten Privilegien aufgehoben wurden, geht ein Geist des Aufruhrs durch alle Mischlinge und Indianer; oft wird den Beamten der Gehorsam verweigert, was früher niemals vorkam; Mord und Todschlag sind an der Tagesordnung, und die Verbrechen bleiben meist unbestraft. Butler schlägt der Regierung vor, wanderne Richter zu ernennen, die zweimal im Jahre das Land bereisen und summarisch Recht sprechen sollen; neben diesen müßten ein paar hundert „fliegende Polizisten“ umherstreifen, denen man zur Belohnung Ländereien austheilen könne, auf welchen sie, nach Art der Grenzer, dann in Militärcolonien angesiedelt werden sollen. Ordnung und Ruhe werden aber erst im „großen einsamen Lande“ einkehren, wenn dort der Strom weißer Einwanderer sich ausgebreitet hat und der letzte Indianer hingeschwunden ist.

Richard Andree.

[*erster Teil Dok-Nr. 51: „Oldenburger Zeitung“ No. 99 vom 30.04.1873]

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Dok-Nr. 167: „Oldenburger Zeitung“ No. 275 vom 27.11.1873

Der Ausrottungskrieg der Yankees gegen die Apatsches-Indianer.

            (Aus dem Globus.)

Von den Ureingeborenen im heutigen Gebietsumfange der Vereinigten Staaten Nordamerikas sind im Verlaufe von dritthalb hundert Jahren volle neun Zehntel aus dem Dasein verschwunden. Gleich nachdem im ersten Viertel des siebenzehnten Jahrhunderts die puritanischen Pilgerväter, diese düsterfanatischen Gesellen, den Boden der neuen Welt betreten hatten, begann das Geschäft der Ausmordung, und wenn recht viele Indianer umgekommen waren veranstaltete man kirchliche Feierlichkeiten, und sang dem Herrn der Heerschaaren ein Hosiannah!

Zwischen dem Atlantischen Ocean und dem Mississippi leben heute nur noch wenige Tausend „Rothhäute“, und auf der weiten Strecke von diesem Vater der Gewässer bis an den Stillen Ocean verschwindet nach und nach ein Stamm nach dem andern. Eben jetzt*) wird auf der Grenze von Californien und Oregon den Modoks die Todtenglocke geläutet; die Indianer der nördlichen Prairien sind in Bewegung. Pocken, Branntwein, Syphilis und Krieg wirken zusammen bei diesem Prozesse der Vernichtung. Wir sehen hier in der That einen Kampf um das Dasein. Die Schwächeren wehren sich, aber sie werden von dem Stärkern, der ganz unbarmherzig zu Werke geht, vertilgt. Die Indianer fühlen instinctmäßig, daß ihre Tage gezählt sind, daß sie die Berührung mit den Weißen auf die Dauer nicht aushalten können. Die fremden Eindringlinge eignen sich Grund und Boden an auch auf den Prairien, wo der Jagdnomade mit seiner ganzen Existenz an den Büffel gebunden ist; man nimmt ihm die Grundbedingungen seines ganzen Lebens.

Der braune Wilde übt das Vergeltungsrecht an dem weißen Barbaren, und beide Theile haben einander in Betreff der Grausamkeiten nichts vorzuwerfen. Der braune Mann scalpirt, mordet, martert ohne Unterschied Jung und Alt, Weib und Kind; die Weißen haben ihm das Beispiel gegeben; er steckt die Ernten in Brand und setzt den rothen Hahn auf die Dächer.

Diese Kämpfe in Nordamerika sind Racenkriege, und sie werden und können nicht aufhören, bis die Eingeborenen vernichtet oder nur noch vereinzelt in spärlichen Trümmern vorhanden sind, welche dann langsam verenden.

Die Politik, welche von Seiten der Bundesregierung gegen die Indianer verfolgt worden ist, war bis auf den heutigen Tag eine unverständige. Die Leute dort in der Stadt am Potomac verstanden und verstehen nichts von der Völkerkunde und von anthropologischen Grundgesetzen. Sonst würden sie nicht mit allerlei Versuchen hin und her experimentiren, die nothwendig allesammt fehlschlagen müssen. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, aus dem Prairie-, Wald- oder Fischernomaden einen civilisirten, seßhaften Ackerbauer oder einen in Städten wohnenden Handwerker zu machen. Ihm hat die Natur selbst zu dergleichen jegliche Anlage und Begabung versagt. Er muß sein freies, ungebundenes Leben führen; er geht zu Grunde, wenn man ihm dasselbe nimmt. Dafür spricht eine mehrhundertjährige Erfahrung.

Nun hat man den Indianern ihren Grund und Boden weggenommen und pfercht sie in „Reservationen“ ein, d.h. man verweist sie auf ein abgegrenztes Gebiet, welches sie nicht verlassen dürfen. Häufig ist dabei auf ihre Bedürfnisse gar keine Rücksicht genommen und auf manchen Reservationen können sie nicht leben, weil dort die Existenzmittel nicht gegeben sind. Das ihnen aufgezwungene Gebot der Washingtoner Regierung lautet aber: Wer die Grenzen der Reservation überschreitet, soll ohne Weiteres als geächtet und vogelfrei betrachtet werden; wer einen Indianer, welcher „ausbricht“ todtschießt, begeht keinen Mord! – Der braune Mann aber weiß in einer solchen Reservation nichts mit sich anzufangen; er hat vermöge seiner ganzen Naturanlage einen Drang zum Hinaus in die Weite in sich, und dieser Drang ist unwiderstehlich. Folgt er demselben, dann ist er „vogelfrei“.

Von Seiten der Weißen sind aber die Reservationen und die Rechte der Indianer auf dieselben nie beachtet worden. Wenn sie das Land gebrauchen, so verdrängen sie auch dort die Indianer. Die Bundesregierung hat allerdings ihnen ausdrücklich verboten, die Reservationen zu betreten, aber darum bekümmern sie sich nicht; sie depossediren den braunen Mann und bauen Eisenbahnen in seinem Lande. Sie kümmern sich nicht um Recht, Gesetz oder Billigkeit, nehmen in Besitz, was ihnen gefällt, und wenn sie etwa offene Gewalt scheuen, chicaniren sie den Indianer hinweg. Sie reizen ihn bis zur Verzweiflung und legen die Dinge so an, daß ein Krieg gegen die Mißhandelten für nothwendig erklärt wird. Im Congreß und bei der Regierung in Washington haben diese Läuflinge, Gauner und Speculanten ihre Helfershelfer und Fürsprecher; jeder Krieg gegen die Indianer ist sehr kostspielig und wirft den Lieferanten, die schamlos betrügen, viel Geld ab. Ist es doch jüngst im Congresse nachgewiesen, daß 600.000 Dollars liquidirt wurden an Ausgaben für den Krieg gegen einen Stamm der Dakotas, welcher gar nicht existirt, und die Betrüger hatten obendrein die eiserne Stirn, noch auf weitere 250.000 Dollars Ansprüche zu erheben für fingirte Lieferungen.

Wir lesen nun, daß die Apatsches aus ihren Reservationen ausgebrochen sind, daß sie weite Strecken von Arizona und Neumexico durchziehen und auch Streifzüge in Sonora unternommen haben. Sie rauben, sengen und morden, als ob ein böser Dämon sie triebe; es ist gleichsam ein Wüthen der Verzweiflung. Nun schreien und toben die Yankees über die Barbarei dieser unverbesserlichen, blutgierigsten unter allen Rothhäuten, und verlangen völlige Ausrottung derselben. Das Individuum, welches den Präsidentstuhl in Washington einnimmt, hat in einer von Rohheiten und Albernheiten strotzenden Botschaft eine solche in Aussicht gestellt.

Sehen wir zu, wie gegenwärtig die Dinge stehen, und auf wen die Schuld fällt, wer Veranlassung dazu gegeben hat, daß diese Apatsches ihre Streitaxt emporhalten.

Alle Verantwortlichkeit trifft lediglich die Yankees, welche auch in Arizona im Verkehr mit den Landeseingeborenen Schimpf, Schmach und Schande auf ihren Namen laden und Gaunerei und Betrug handwerksmäßig treiben. Nachfolgende Thatsachen liefern den Beweis, daß diese Ausdrücke nicht etwa zu hart sind.

Als Arizona von Mexico getrennt und an die Vereinigten Staaten abgetreten wurde, mußten die letzteren mit den Apatsches, einem streitbaren Reitervolke, ein Abkommen zu treffen suchen. Mit den Mexicanern stehen diese Indianer seit Menschengedenken in erblicher Fehde, und beide Theile geben einander kein Quartier; das gegenseitige Blutvergießen nimmt kein Ende. Den Yankees gegenüber verhielten sie sich längere Zeit friedlich; sie, die wilden Menschen der Steppen, ließen sich in eine „Reservation“ einpferchen, die in dem südöstlichen Winkel des Territoriums, nahe der Grenze des mexicanischen Staates Sonora, ihnen angewiesen wurde. Man nimmt an, daß die Zahl der in Arizona und Neumexico noch vorhandenen Apatschesstämme oder Banden noch etwa 60.000 Köpfe betragen, was mir fast um die Hälfte zu hoch gegriffen scheint. Sie stehen unter verschiedenen Häuptlingen, unter welchen Kotschise (Cochise) der mächtigste ist; die übrigen sind der einäugige Riley, Del Schay, Es zim en fin und Shelter pau. Sie alle haben während der letztverflossenen Monate den Kriegspfad beschritten und rauben im nördlichen Sonora. Indem sie aus ihren Reservationen ausgebrochen sind, haben sie allerdings den ihnen aufgezwungenen Vertrag verletzt, und die Yankees erklären, daß der Vernichtungskrieg gegen sie mit allem Nachdrucke geführt werden solle.

*) Der Artikel ist im Frühjahr d.J. geschrieben

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 167a: „Oldenburger Zeitung“ No. 276 vom 28.11.1873

Der Ausrottungskrieg der Yankees gegen die Apatsches-Indianer.

            (Fortsetzung.)

[…]

Von Dakota bis an die Küste von Südoregon, auf den Prairien und im Südwesten sind die sämmtlichen Indianerstämme in Gährung; sie alle sind den Weißen feindlich, weil die Yankees ihnen alle Treue und Glauben gebrochen haben, weil sie alle von denselben in einer Art und Weise mißhandelt werden, die in der That zum Himmel schreit.

Auch die Apatsches sind schwer beeinträchtigt und betrogen worden. Wenn Kotschise seit nun zwölf Jahren den Yankees feindselig gesinnt ist, so hatte dieser Häuptling dazu vollauf Grund und Veranlassung. Es ist erwiesen, daß ein Offizier der Bundestruppen (- der Schurke hieß Bascom -) in verrätherischer Weise vier Unterhäuptlinge Kotschise’s, welche in friedlicher Weise zu ihm gekommen waren, unter den nichtigsten Vorwänden hängen ließ, und daß Kotschise selbst nur mit genauer Noth sein Leben durch die Flucht rettete. Es wundert uns nicht, daß er bis jetzt allen Lockungen, den großen Vater in Washington zu besuchen, widerstanden hat; er weiß wie verrätherisch die Weißen sind. Selbst den Friedensvermittlern Colyer und Howard, die es doch redlich meinten, traute er nicht, erbot sich jedoch, auf seine Reservation zurückzukehren. In dem Gebirgslande, wohin er sich zurückgezogen, hatte man ihm nichts anhaben können.

Im Februar zog er mit einigen Tausend seiner Krieger im mexicanischen Sonora umher und der amerikanische General Cook war nicht befugt die Grenze zu überschreiten und ihn dort zu verfolgen. Nun ist dieser Staat vorzugsweise ein „blutiger Grund“ geworden, wie bisher Arizona gewesen. Im April 1871 wurden die Apatsches von den Yankees beim Camp Grant verrätherisch überfallen und viele ermordet. Selbst Offiziere und Regierungsagenten erklärten laut, daß alle Schuld auf die Weißen falle; die Indianeragenten und ihr Anhang aber sagten: „Das Ungeziefer (vermin) muß ausgerottet werden; Weiße und Indianer können nicht neben einander leben; die Apatsches sind Teufel.“ – So sprachen sich auch die Goldjäger aus, welche in dem an edlen Metallen so ergiebigen Lande einige Gruben bearbeiten. Ein humanes Verfahren gegen diese Teufel sei einfach eine Absurdität; seit einem halben Jahrhundert seien sie die Geißel des Landes, aber dabei so feig, daß es nur eines nachdrücklichen Eingreifens bedürfe, um ihnen zu beweisen, daß sie sich ruhig verhalten müssen oder ausgerottet werden sollen. Auf den Reservationen blieben sie ja doch einmal nicht; sie brächen vielfach aus, verübten Räubereien, und man wisse dann immer nicht, wer Schaden angerichtet habe.

Es ist richtig, daß die Apatsches, wenn irgend möglich, ihre Reservationen verlassen und in weniger unfruchtbare Gegenden ziehen, aus welchen sie durch die weißen Ansiedler verdrängt worden sind. Dabei kommt es allemal, nicht selten durch beiderseitige Schuld, zu Blutvergießen. Es wird nicht in Abrede gestellt, daß manche Indianer nicht schlecht seien und mehrere Häuptlinge sich bemühen, den Frieden mit den Weißen aufrecht zu erhalten. „Aber die weißen Bürger machen keinen Unterschied zwischen ihnen.“ So schreibt ein Berichterstatter des „New York Herald“, der offenbar bestrebt ist, die Verhältnisse darzustellen, wie sie wirklich sind. Die Indianer, so sagt er, haben sich über sehr Vieles zu beschweren. Man hat sie gezwungen, ihre alten Jagdgründe zu verlassen und auf unfruchtbare Reservationen zu gehen, wo sie nicht genug zu essen finden. Sie wollen nicht verhungern, und es nicht mit ansehen, daß ihre Kinder Hungers sterben, während doch ganz in der Nähe fruchtbares Land ist, das früher ihnen gehörte und von welchem man sie zwangsweise vertrieb. Die Bundesregierung bewilligt allerdings die Mittel, um dem Mangel abzuhelfen, aber Agenten und andere Leute eigenen sich von den für die braunen Leute bestimmten Vorräthen und Annuitäten Vieles an. Die weißen Ansiedler nehmen davon keine Notiz: die denken nur daran, daß sie durch die Indianer in ihrem Familienwesen vielfach geschädigt worden sind, und meinen, daß sie nicht auf Ruhe und Frieden rechnen dürfen, so lange die Wilden in ihrer Nähe bleiben. […]

Ihre Feindschaft mit den Mexicaner hat folgende Ursache. Diese wollten ihnen, den alten Bewohnern und Besitzern des Landes, gar kein Anrecht auf Grund und Boden zugestehen, und begannen einen Vertilgungskrieg. Mit den Amerikaner blieben aber die Apatsches so lange in gutem Einvernehmen, bis auch jene die mexicanische Theorie der Vernichtung sich aneigneten, gemaß derselben in der Praxis verfuhren und begreiflicherweise dadurch die Indianer zu unversöhnlichen Feinden machten. Diese unternahmen vor dreißig Jahren, wie noch heute, Raubzüge in das mexicanische Gebiet und trieben Vieh weg. Die Mexicaner wagten nicht, ihnen Mann gegen Mann gegenüber zu treten.

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 167b: „Oldenburger Zeitung“ No. 277 vom 29.11.1873

Der Ausrottungskrieg der Yankees gegen die Apatsches-Indianer.

            (Fortsetzung.)

Damals fanden amerikanische Trapper an den Quellgewässern des Rio Gila viele Biber, in denselben Gebirgsgegenden, wo auch jetzt die Apatsches im Gebirge Zuflucht suchten. Einer dieser Amerikaner, welcher das Vertrauen der Indianer gewonnen hatte, machte einen Besuch in Sonora. Der dortige mexicanische Gouverneur bot im eine Unze Gold für jede einem Apatsche abgenommene Schädelhaut (Scalp), welche jener ihm einliefern werde. Er verabfolgt dem Amerikaner eine Kanone, und dieser gab Kartätschenfeuer auf seine vertrauensvollen Freunde, die von einem so scheußlichen Verrathe keine Ahnung hatten. Sie feierten, als er wieder zu ihnen kam, ein Fest. Viele wurden sofort niedergestreckt, andere von jenem Amerikaner und dessen weißen Spießgesellen mit Büchsenkugeln todtgeschossen.

Dann haben die Apatsches Gleiches mit Gleichem vergolten. Sie zerstreuten sich im Gebirge und machten jeden Trapper nieder, den sie fanden. Und nun sagen die Weißen, jeder Apatsche sei blutgierig und grausam! Wer aber hat den Anfang mit dem entsetzlichen Systeme der Barbarei gemacht? Die weißen Christen haben es gethan!

Im Jahre 1871 war eine beträchtliche Anzahl Indianer bei dem schon erwähnten Camp Grant versammelt. Ihr Zweck und ihre erklärte Absicht war, sich friedlich auf der benachbarten Reservation niederzulassen und sich der Aufsicht der Regierung zu unterwerfen. Als sie ruhig in ihren Zelten lagen, wurden sie bei Nacht von weißen Bürgern überfallen, und dieser ermordeten auch 118 Indianerfrauen und Kinder.

[…]

(Schluß folgt.)

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Dok-Nr. 167c: „Oldenburger Zeitung“ No. 278 vom 01.12.1873

Der Ausrottungskrieg der Yankees gegen die Apatsches-Indianer.

            (Schluß.)

Der Berichterstatter des „New York Herald“ verschweigt wohlweislich, wo er sich befindet; die weißen Banditen würden ihm, weil er die Wahrheit enthüllt, übel mitspielen. Er erzählt weiter, daß vor kurzem etwa zweihundert Mormonen nach Arizona gekommen seien, um sich entlang dem 35.Breitengrade anzusiedeln, weil auf demselben die Bahn gebaut wird, welche die Southern Pacific of California mit der Atlantic und Pacific verbinden soll. Er bemerkt dann ganz richtig, daß die Mormonen allezeit und bis heute mit den Indianern im besten Einvernehmen gestanden haben. Weshalb ist es Anderen nicht gelungen, eben so befriedigende Verhältnisse zu erzielen? –

[…]

Gegen alle Apatsches, welche ihre Reservationen verlassen haben, wird nun Krieg geführt; den amerikanischen Soldaten schlossen sich weiße Freiwillige und befreundete Indianer, namentlich Pimos vom Rio Gila und Papayos, an. Im September 1872 wurden vier Lagerplätze überfallen, 40 Apatsches niedergemacht, viele verwundet, die Frauen und Kinder diesmal nicht ermordet, sondern gefangen genommen. Einige Tage später wurden von einer Streifpartie 17 Apatscheskrieger erschossen, und jüngst im Januar, sind mehr als 100 niedergemacht worden.

„Uns Amerikaner hat der Krieg in Arizona während der letztverflossenen zwölf Jahre Tausende von Menschen und ungefähr 40.000.000 Dollars gekostet, aber die völlige Ausrottung der Apatsches ist doch noch nicht erreicht worden. Von nun an wird der Kampf noch viel blutiger werden und sich über einen größeren Flächenraum ausdehnen. In die Versicherungen Kotschise’s und der übrigen Häuptlinge darf man jetzt keinen Glauben mehr setzen. Die weißen Ansiedler verlangen ein nachdrückliches Verfahren, und gewiß werden auch viele Mexicaner über die Grenze kommen, um ihre Erbfeinde zu bekämpfen. Die Friedenspolitik hat keinen Erfolg gehabt.“ –

Wir haben die Einzelheiten dieses Berichts gegeben, weil gerade sie einen Einblick in das innere Getriebe eröffnen und darthun, was von den Deklamationen der Yankees gegen das wilde Ungeziefer zu halten ist. Das wahre „Vermin“ sind die weißen Schurken, Diebe und Landräuber, welche in den Indianergegenden ihr Unwesen treiben. Uebrigens stellt sich die gesammte weiße Bevölkerung in dem großen Territorium Arizona mit seinen 5358 deutschen Quadratmeilen auf kaum 10.000 Köpfe; die Zählung von 1870 ergab 9658 Seelen. –

Es liegt uns fern, diese Apatsches idealisiren zu wollen, es soll nur hervorgehoben werden, daß die weißen christlichen Barbaren, welche sich mit Civilisation brüsten, um kein Haar besser sind, als die braunhäutigen Heiden, die ihrerseits nicht prätendiren, civilisirt zu sein. Daß sie auf der Welt zu etwas nütze wären, will uns nicht einleuchten, und da ihnen, diesen Gebirgs- und Steppenindianern, die Natur selbst es unmöglich macht, anders zu werden, als sie einmal geschaffen worden sind, sich zu transmutiren, wie man heutzutage sagt, so werden auch sie untergehen, wie unzählige andere Indianervölker aus dem Dasein verschwunden sind.

[…]

Es wird keine leichte Aufgabe sein, diese Wilden auszurotten. Feinden, die Tausende von Reitern ins Feld stellen, in gestrecktem Laufe 50 Meilen am Tage mit ihren Rennern über den Grasocean oder die dürre Steppe hinrasen, ist schwer beizukommen. Und sie werden und können sich nicht dem Joche der Civilisation fügen, unter welchem sie ihre ganze Lebensweise ändern müßten, - und die Fähigkeit dazu hat, wie bemerkt, die Natur ihnen verweigert, - deshalb werden und müssen sie untergehen; zu retten sind sie nicht.

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II.4.3. Sklavenfrage und Bürgerkrieg


Dok-Nr. 168: „Oldenburgische Zeitung“ No. 66 vom 19.08.1834

Nordamerica. Nach Berichten aus Newyork vom 17.Juli hatten sich daselbst vom 7. bis zum 11. überaus beklagenswerthe Auftritte zugetragen. Der Anti-Sklavereiverein hatte nämlich in Newyork und mehreren andern Städten der Union Versammlungen zur Beförderung seiner Zwecke gehalten, was unter der Masse der Einwohner großen Unwillen erzeugte. Anlaß gab ein Gottesdienst für Schwarze, welche am 7.Juli in einer eigens dazu eingerichteten Capelle Statt fand, bei welcher Gelegenheit die Neger Hymnen sangen und die Unabhängigkeits-Erklärung verlasen. Die Mitglieder des geistlichen Musikvereins, die jene Capelle für die Montage und Donnerstage gemiethet hatten, drangen jedoch in die Kirche ein, und man schlug sich gegenseitig mit Bänken und Stühlen, wobei Viele beschädigt wurden. Dies war nur das Vorspiel zu den traurigen Auftritten am 10. Im Publicum verbreiteten sich Gerüchte, die Negerfreunde beabsichtigten nichts Geringeres, als die unmittelbare Freilassung aller Schwarzen und die Vermischung beider Menschengattungen. Nun griff die Hefe der weißen Bevölkerung die Wohnungen und Magazine der angesehensten Emancipationisten an; ein gleiches Schicksal hatten die Wohnungen mehrerer angesehenen Farbigen, so wie die Kirchen oder Capellen, in denen sich die Negerfreunde zu versammeln pflegten. 20 Privathäuser sind spolirt und gänzlich ausgeplündert, und 7 gottesdienstliche Gebäude mehr oder weniger verheert. Viele Schwarze haben ihre Sicherheit in der Flucht gesucht. Die Miliz war unzureichend, um diesem Unfuge Einhalt zu thun, und nun wurden mehr als 1000 Mann Militair aufgeboten. Erst in der Nacht vom 11. Juli gelang es, den Excessen ein Ende zu machen, die bisher in den ver. Staaten nicht ihres gleichen gehabt. Am folgenden Tage zog das Militair mit scharfen Patronen durch die Straßen, nachdem es von den Behörden Befehl erhalten, nöthigenfalls auf das Volk zu schießen. Der Anti-Sklavereiverein hat ein Circular erlassen, worin er sich gegen die ihm zugeschriebenen Plane feierlichst verwahrt.

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Dok-Nr. 169: „Oldenburger Zeitung“ No. 143 vom 10.09.1854

Vermischtes.

- Der Globe erzählt folgende, hoffentlich nicht wahre Geschichte, die sich im Staate Missisippi zugetragen haben soll: „Ein Pflanzer war von einer widerlichen Krankheit befallen. Die Geschwüre, an denen er litt, waren so ekelhaft, daß ihn alle seine Freunde im Stiche ließen. In seiner Verlassenheit und in seinen Schmerzen pflegte ihn ein Mädchen, eine seiner Sclavinnen, mit Liebe und Ausdauer, verband seine Wunden und verrichtete alle Dienste als Krankenwärterin bei ihm, bis er endlich genas. Von Dankbarkeit und Zuneigung gegen seine Wohlthäterin beseelt, nahm er sie mit sich nach Cincinnati in Ohio, ließ daselbst eine Freilassungs-Urkunde ausfertigen, kehrte darauf nach Missisippi zurück und heirathete das Mädchen unter Beobachtung aller gesetzlichen Formen. Die Beiden lebten viele Jahre hindurch glücklich zusammen und sahen eine Schar von Kindern an ihrer Seite aufwachsen. Als der Mann auf dem Todtenbette lag, vertheilte er sein Vermögen testamentarisch zwischen seiner Frau und seinen Kindern. Seine Brüder jedoch traten auf die Kunde von seinen Tode hin auf und beanspruchten das Vermögen. Die Wittwe und die Kinder waren empört über dieses Ansinnen. Sie wurden verhaftet, und die Gültigkeit der oben erwähnten Heirath kam vor dem Richter Sharkley (ein schöner Name; denn Shark heißt auf Deutsch Haifisch) zur Sprache. Derselbe entschied, die ganze Sache sei als ein an dem Sclaven-Gesetze verübter Betrug anzusehen, und das Vermögen komme den Seitenerben zu. Die Wittwe ward von den Brüdern ihres verstorbenen Mannes verkauft. Die Kinder wurden öffentlich versteigert, und sowohl Mutter wie Kinder arbeiten jetzt in Ketten oder schlummern in Sclaven-Gräbern.“

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Dok-Nr. 170: „Oldenburger Zeitung“ No. 102 vom 29.06.1856

Amerika. Aus Newyork vom 30.Mai wird der Allg.Ztg. geschrieben: Die bewaffnete Sklavereipropaganda ist jetzt ins Werk gesetzt. Unter den Auspicien und im Namen der Bundes-Centralgewalt hat am 21.Mai ein zu drei Vierteln aus Staatsbürgern von Missouri bestehender Gewalthauf von mehr als 1000 Bewaffneten den Flecken Lawrence (Kansas), wo die Antisklavereipartei sich concentrirt hatte, erobert, die wichtigsten öffentlichen Gebäude dem Erdboden gleichgemacht, und alle Häuser in einer Weise ausgeplündert, welche lebhaft an die im 30jährigen Kriege vollbrachten Heldenthaten erinnert. Weiber und Kinder flüchteten sich in die benachbarten Gebüsche, wo sie voll Bangen die Nacht zubrachten. Später zogen sie sich nach einem andern neu begründeten Flecken Topeka zurück, und die letzten telegraphischen Berichte melden uns, daß die drei wichtigsten von Antisklavereileuten angelegten Ortschaften – Lawrence, Topeka und Offawatomie – Linienmilitär als Besatzung erhalten haben. Das alles – man beachte es wohl – geschieht aus keinem andern Grunde, als weil die Bewohner dieser Orte nicht Lust haben, die Sklaverei in Kansas eingeführt zu sehen, und weil sie sich nicht den Verordnungen einer Körperschaft fügen wollen, die, wie jetzt actenmäßig feststeht, dem Volk von Kansas durch gewaltsam eingedrungene Fremde (aus Missouri) octroyirt wurde! Da nach diesen Verordnungen jeder öffentlich ausgesprochene Zweifel an dem Rechtsbestande der Sklaverei in Kansas als Criminalverbrechen mit dem Tode oder mehrjähriger Zuchthausstrafe bestraft wird, und da der Präsident Pierce diese Verordnungen der sogenannten Territorialgesetzgebung als rechtsverbindlich anerkannt hat, so fehlt es nicht an triftigen Vorwänden, um jedem Gegner der Sklaverei vom Rechts wegen an den Kragen zu gehen. In der That hat man gegen alle hervorragenden Mitglieder der Freistaatspartei Hochverraths- oder sonstige Criminalklagen erhoben, und die Vollstreckung der gegen sie ausgefertigten Haftbefehle lieferte den Vorwand zu den verübten Gräueln. […]

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Dok-Nr. 171: „Oldenburger Zeitung“ No. 182 vom 18.11.1856

Ausland.

Amerika. – Newyork, 29.October. Wie die im Memphis erscheinenden Blätter melden, ist in Arkansas eine weitverzweigte Negerverschwörung entdeckt worden. Wie man versichert, war die Erhebung für den Tag der Präsidentenwahl verabredet. Erst sollten die Weiber und Kinder der Weißen ermordet und dann die unbewaffnet auf dem Wahlplatz befindlichen Männer angegriffen werden. Auch einige Weiße sollen bei dem Anschlage betheiligt gewesen sein. Man hatte ihnen zu verstehen gegeben, daß man sie hängen würde, wofern sie nicht in einer bestimmten Frist das Land verließen. Texas ist, wie es heißt, dem Unternehmen nicht fremd gewesen. Die Aufregung am Colorado wird als sehr groß geschildert und, wie gemeldet wird, waren bereits mehre Neger gehängt worden.

Im Lauf des Jahres, sagt das „Newyork Journal of Commerce“, sind von Newyork 15 Negerschiffe abgegangen, und die amerikanischen Behörden wußten sehr wohl darum. Es sind meistens alte Schiffe, die man zu diesem Gebrauch einrichtet. Nach beendigtem Geschäft werden sie in den Grund gebohrt oder verbrannt. Ihr Ankauf kostet kaum je mehr als 5. bis 7000 Dollars. Die Neger werden an der Küste mit 10 bis 40 Dollars pr. Stück bezahlt, und in den Vereinigten Staaten werden sie zu 300 bis 800 Dollars wieder verkauft. Eine Negerladung von 500 Stück gewährt, wenn die Operation gut von Statten geht, einen Reingewinn von 795.000 Dollars.

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Dok-Nr. 172: „Oldenburger Zeitung“ No. 142 vom 08.09.1861

Amerika. – Newyork, 22. August. Aus Washington wird gemeldet, die Sonderbündler hätten einen Plan organisirt, binnen wenigen Tagen mit bedeutenden Heereskräften unterhalb Washingtons über den Potomac in Maryland einzubrechen, und daß sie zu diesem Zweck schwere Batterien bei Acquia Creek und Mathias Point aufgeworfen hätten. Es handle sich bei diesem Plan um die Wegnahme von Anapolis und einen Angriff auf Washington vom Norden her. – Eine Proclamation fordert sämmtliche, vom Kriegsdepartement angenommenen, vollständigen oder in der Bildung begriffenen Freiwilligenregimenter auf, mit oder auch ohne Waffen und Uniformen sofort nach Washington abzumarschiren. Es wird diesem Aufruf von allen Seiten rasch Folge geleistet. – Der „Washington National Republican“ bedroht die Sclavenbesitzer in Unter-Maryland mit gewaltsamer Emancipation ihrer Sclaven, für den Fall, daß sie sich von der Union lossagen sollten. – In Missouri herrscht allgemein große Aufregung. Mehre Städte im Süden dieses Staates befinden sich in den Händen des Sonderbundes und die Truppen des Letztern sollen auf verschiedenen Punkten im Vorrücken begriffen sein. – Verhaftungen von Verräthern finden fortwährend Statt und die Zahl der Gefangenen im Fort Lafayette nimmt mit jedem Tag zu. – Präsident Lincoln hat eine Proclamation veröffentlicht, in welcher er erklärt, daß Reisende von oder nach einem der verdächtigen Staaten mit einem vom Staatssecretär oder von einem der im Ausland beglaubigten Gesandten ausgestellten Paß versehen sein müssen. – Man hört fortwährend von reichen Prisen der Kaperschiffe. – In Massachusetts ist der Herausgeber eines Secessions-Journals gefedert und getheert worden. – Der Potomac ist durch heftige Regengüsse stark angeschwollen.

Die „Philadelphia Preß“ enthält folgende Mittheilung: In Richmond gehen jetzt viele Neger müßig, weil die Tabakfabriken geschlossen sind, und die weiße Bevölkerung schwebt deshalb in lebhafter Unruhe. Die Patrouillen und Polizeileute, welche Tag und Nacht das Pflaster treten, gehen stets mit geladenen Gewehren. Die Neger erfahren so ziemlich alles, was vorgeht, von den farbigen Kellnern in den Hotels, wo die Offiziere bei der Flasche Wein oder Whisky mit mehr Freiheit als Vorsicht, die militärischen Angelegenheiten besprechen. Vor Kurzem gingen drei Neger über die Straße in Richmond, als einer von ihnen sich über die Behandlung von Seiten seines Herrn beklagte. Mach dir nichts daraus, sagte einer der Andern, Massa Lincoln wird kommen und dann wird Alles gut sein. Das Gespräch war gehört worden, die Neger wurden verhaftet, und erhielten Jeder 20 Peitschenhiebe. Ein andermal sah unser Gewährsmann, wie ein Neger in einer etwas entfernten Vorstadt einige 40 oder 50 Neger auf ächt militärisch drillte. Er fragte ihn, wozu er das thue? und erhielt zur Antwort: O, Jeder jetzt lernen Soldat sein, warum nicht schwarzer Mann auch? Nicht zufrieden mit dieser Antwort, wiederholte unser Freund die Frage, worauf der Neger erwiederte: Nun wirklich, Massa, ich mag nicht gern sagen. Die Klage ist allgemein unter den Weißen, daß die Neger viel frecher seien als sonst und sich nicht mit so guter Miene wie früher den üblichen Beschränkungen unterwerfen.

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Dok-Nr. 173: „Oldenburger Zeitung“ No. 179 vom 14.11.1861

Vermischtes.

Ein amerikanisches Witzblatt erklärt die berüchtigte Niederlage der Bundestruppen bei Bulls Run jetzt folgender Maßen: „Die Schlacht war beinahe gewonnen, da traf die Kunde auf dem Schlachtfelde ein, daß zwei einträgliche Posten im Zollamt zu vergeben seien. Da machten sämmtliche Offiziere – Rechtsum, und die ganze Armee lief hinterdrein.“ Eine beißende Anspielung auf die amerikanische Stellenjägerei.

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Dok-Nr. 174: „Oldenburger Zeitung“ No. 8 vom 10.01.1863

Die Schlacht bei Corinth.

(Aus einem Privatbriefe eines nach Amerika ausgewanderten Oldenburgers vom 14.November)

Lieber Bruder! Obschon uns das Brüllen der Kanonen jeden Morgen aus sanftem Schlummer sehr unangenehm erweckt und die feindlichen Kugeln unsere unmittelbare Nähe zum Ziele wählen, bleibt einem Soldaten doch oft eine ruhige, müssige Stunde, die ihn über die Vergangenheit und die Lieben zu Hause nachdenken läßt. Eine solche Stunde bleibt mir jetzt, und will ich sie zu einem Gespräche mit dir verwenden. Da bereits über volle 12 Monate verflossen sind, seit ich dir schrieb, muß ich doch sagen, daß es mir in Folge unserer täglichen Märsche (wir sind jetzt 850 Meilen von Hause, nämlich von Kansas) unmöglich war. Ich will dir in Kürze erzählen, was mir seit meinem Eintritt in die Reihen der freiheitliebenden Männer Amerika’s begegnete. Im August des letzten Jahres hättest du eines schönen Morgens ein 960 Mann starkes, gut bewaffnetes Cavalleriecorps, in dessen Reihen sich dein Bruder befand, aus der Stadt Leavenworth in Kansas marschiren sehen können. Wir zogen unserem Feinde entgegen und gaben ihm am 6. Tage ein Treffen, in welchem wir Sieger waren, verfolgten ihn, bis unser Staat Kansas in Sicherheit war, und begaben uns dann in die südlichen Staaten zu der westlichen Armee des Feindes von ca. 100-150.000 Mann Stärke. Etwa 600 Meilen von Kansas vereinigten wir uns mit der Bundesarmee, welche ca. 75.000 Mann stark war und von dem deutschen Generalmajor Rosencranz commandirt wurde. Mit einer Armee von 125.000 Mann zogen wir „vorwärts“, jagten den Feind aus seinen Festungen und von der Grenze unseres Nordens und ließen ihn mit einem Verluste von mehr als 6000 Mann eine der größten Festungen des Südens, Corinth im Staate Mississippi, räumen. Dies geschah im Juni dieses Jahres. Das heiße südliche Klima machte das Vorrücken beschwerlich, und da unsere Truppen von den täglichen Märschen und Gefechten sehr ermattet waren, legten wir uns hier fest, bis es dem Feinde gefiel uns wieder in Thätigkeit zu setzen. Wir zogen ihm entgegen und schlugen eine zweitägige Schlacht, die mit einer Wuth ohne Gleichen geliefert wurde. Der Feind zog sich mit einem Verluste von mehreren Tausend Todten und einer Unmasse von Verwundeten und Gefangenen zurück. Aber auch im Norden hatten manche Eltern den Verlust ihrer Söhne zu beklagen. Wir lagen wieder still bis zum 3.October, wo plötzlich der Feind mit 50.000 Mann vor Corinth erschien, während wir nicht mehr als 20.000 Mann in Corinth hatten. Aber die Jungen fochten wie die Löwen, wohl wissend, daß, sobald die Sonne sich zum Untergange neigte, 15.000 Mann Bundestruppen von einer benachbarten Festung zu Hülfe kommen würden. Die dichten Reihen der Feinde wurden von unseren 50-pfündigen Bomben schrecklich mitgenommen, und gelangten sie über Hügel gefallener Kameraden an unsere Verschanzungsgräben, dann wurden sie von unseren braven Infanteristen mit den Bajonetten von den Wällen gestoßen und von den Kugeln unserer tapferen Jäger haufenweise ins Jenseits gesandt. Erst die Nacht machte dem Gemetzel ein Ende. Unser Regiment hatte an diesem Tage mit zwei anderen Cavallerie-Regimentern und zwei zwölfpfündigen Kanonen den Feind im Rücken belästigt, Nachts aber wurden wir in die Festung beordert, wo wir uns um drei Uhr Morgens des 4.October in Schlachtlinie hinter den Kanonen aufstellten. Gegen vier Uhr Morgens begann der Tag mit neuem Muth, denn wir hatten in der Nacht 20.000 Mann Verstärkung erhalten. Unsere Compagnie wurde beordert abzusteigen und zu Fuß eine unserer Batterien von den feindlichen Scharfschützen zu befreien. Wir fochten fünf Stunden lang und trieben die Feinde um 10 Morgens in  ein offenes Feld, wo sie von unseren Granaten und Kartätschen begrüßt wurden; wir selbst kehrten dann zu unseren Pferden zurück. Um 3 Uhr Nachmittags zog sich der Feind mit einem Verluste von 13.000 Mann in der größten Unordnung zurück.

Bevor ich indes weiter gehe, muß ich einer Attaque erwähnen, welche vom Feinde auf eine unserer Batterien, enthaltend 6 Siege-Kanonen, daß heißt 57pfündige, von einem Wall von 15 Fuß Höhe und einem Graben von 7 Fuß Tiefe beschützt, gerichtet wurde; sie hatte den ganzen Morgen wie ein Feuermeer geraucht und Tod und Verderben in die Reihen der Feinde geschleudert, war daher diesen ein Dorn im Auge und sie beschlossen dieselbe mit 3000 Mann zu nehmen oder im Beginnen zu sterben. Acht hoch kamen sie über ein Feld, eine halbe Meile lang. Unser Führer, ihre Absicht errathend, richtete drei Batterien, zwei von je sechs 57pfündigen und eine von sechs 20pfündigen gezogenen Kanonen auf sie, welche Batterie von 2500 Infanteristen vertheidigt wurde. Still, aber fast wie eine Mauer rückten sie heran, geführt von ihrem General Ropers. Auf einmal, als sie auf 500 Schritte nahe gekommen, erbebte die Erde, ein Knall, ein Geschrei – und als der Pulverdampf verflogen war, lag ein großer Theil des feindlichen Trupps am Boden und sahen wir die noch lebenden, theilweise verstümmelt, mit nur einem Arm, in blinder Wuth über die Leichen ihrer gefallenen Kameraden klettern, ihrem Verderben entgegen. Und noch einmal blitzten die Kanonen und abermals trat eine Menge unserer  Feinde vor den Richterstuhl des Höchsten. Dennoch marschirten die Ueberlebenden vorwärts und stürzten sich mit einem Geheul, dem wilden Thiere ähnlich, in unsere Verschanzungsgräben, um die Wälle zu erklimmen. Aber hier stand unsere Infanterie und gab mit ihren blutgefärbten Bajonetten hunderten und aberhunderten den Todesstoß. Der feindliche Anführer fiel, von drei Kugeln getroffen und einen Stich im Kopfe, und der Tod dieses tapferen oder besser wahnsinnigen Mannes ließ bei seinen noch übrig gebliebenen Soldaten den Muth sinken, sie flohen in Bestürzung. Aber jetzt kommandirte unser Oberst: „Drauf Jungens! keine Gnade!“ und im Moment wurde auf die so tapferen Rebellen eingehauen, daß nicht 50 Mann entkamen. Eine Menge von ihnen fanden wir, zurückkehrend, mit verstümmelten Gliedmaßen, gespaltenen Schädeln, abgeschlagenen Armen und Stiche im Bauche, aus denen Blut und Gedärme hervordrangen. Nach diesem Gemetzel ging ich an die große Batterie, wo die Kanoniere von Pulver geschwärzt in den Gräben standen und – o jammervoller Anblick! über 50 Mann waren als Opfer der Attaque gefallen und Verwundete kamen aus den Gräben, zum Theil einen Arm oder ihre Gedärme in der Hand tragend. - -

Der Feind war geschlagen und Cavallerie, die nicht thätig gewesen war, verfolgte die Fliehenden auf dem Fuße. Wir ruhten bis zum nächsten Morgen. Als der Feind 20 Meilen in südwestlicher Richtung ohne Aufenthalt geflohen war, kam er an einen Strom, über den eine Bogenbrücke führt. Doch kaum hatte die halbe Armee die Brücke überschritten, als unsere Cavallerie und fliegende Artillerie erschien und dem Feinde ein fünfstündiges Gefecht lieferte, welches mit seiner wilden Flucht endigte; er verlor 13 Kanonen, seine ganzen Provisions- und Munitionswagen, 800 Todte und Verwundete und 700 Gefangene, die vor Entkräftung kaum zu gehen vermochten. Bei dem Bombardement der Brücke durch unsere Artillerie hatten etwa 300 Mann ihren Tod in dem Strome gefunden. Am 7.October trieb unser Regiment den Nachtrab des Feindes aus einer Stadt 35 Meilen südwestlich von Corinth; wir drangen dort Nachts um 12 Uhr ein, hungrig und zum Tode ermüdet, verfolgten aber am nächsten Morgen den Feind noch 12 Meilen weit und kehrten dann mit 173 Gefangenen und einer Menge erbeuteter Waffen und Pferde zu dem Gros unserer Armee zurück, welche sich zur Erholung nach Corinth zurückbegab. Seit dem 7.November sind wir hier (in Grand-Junction im Staate Mississippi) 60 Meilen südwestlich von Corinth mit ca. 100.000 Mann, um den Feind mit seiner ganzen westlichen Armee zu der östlichen von ca. 250.000 Mann, dem Kern des Rebellenheeres, zu treiben und uns selbst mit dem Kerne der Unionsarmee zu vereinigen. Gott gebe, daß die Fahne des freiheitsliebenden Norden bald und für immer überall wehe und daß ich es erleben möge Ruhe und Frieden zu genießen in meinem freien Adoptivvaterlande, für das ich jetzt kämpfe!

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Dok-Nr. 175: „Oldenburger Zeitung“ No. 78 vom 03.04.1863

Amerika.

Newyork. Das neue Aushebungsgesetz beschäftigt auf das Lebhafteste alle Gemüther in den loyalen Staaten der Union. Die nicht von seinen Bestimmungen Betroffenen fürchten, daß die Regierung binnen drei Monaten ohne ein verwendbares Heer sein wird, wenn die Ausführung des Gesetzes auf Schwierigkeiten oder gar auf offenen Widerstand stoßen sollte; die der Aushebung Unterworfenen und besonders die große Zahl, die keine 300 Dollars besitzt, um einen Stellvertreter zu erkaufen, fürchten nicht allein die Maßregel, sondern verurtheilen sie grundsätzlich und drohen, ihr keine Folge zu leisten. Die Reichen werden zwar ohne viel Umstände ihr Geld hergeben, wenn der Präsident sie einberufen will; aber die ärmeren und zumal die arbeitenden Klassen beklagen sich über die bevorzugte Stellung jener, die mit einigen Hundert Dollars ihrer Pflicht gegen das Vaterland sich entledigen können; sie bilden schon geheime Gesellschaften, um die Regierung zu zwingen, auch die Reichen den Truppen einzureihen, wenn sie selbst die Waffen nehmen müssen.

Noch von einer andern schwierigen Lage, in welche die Regierung gerathen, berichtet der Newyorker Times Correspondent. Die Deutschen und Irländer, schreibt er, haben allmälig in ihrer überquellenden Begeisterung nachgelassen und das Herz für die Sache verloren. Die Regierung, die, von politischen und persönlichen Einflüssen Befehlshaber aus anderen als militärischen Gründen ernannte, war nicht einsichtig genug, um zu begreifen, welch großer Fehler es ist, in einem solchen Augenblick den deutschen und irischen Offizieren mit Geringschätzung zu begegnen, Männern, die sie in der Zeit der Noth in die Hitze des Kampfes hineingestellt hatte. Von den drei vorzüglichen deutschen Generalen, welche beim Ausbruch des Kriegs der Union ihre Dienste anboten und mit Dank bewillkommnet wurden, ist keiner mehr in Thätigkeit. General Sigel, der beste und tapferste unter den dreien, hat in Verstimmung seine Stelle niedergelegt, und eine große Anzahl seiner Leute ist dem Beispiel des Führers gefolgt. General Schurz liegt an einer im Felde erworbenen Krankheit gefährlich darnieder, wozu noch der Aerger über die von der Regierung ihm zu Theil gewordene Behandlung kommt. General Blenkers Fall ist freilich ein anderer. Er ist wegen seiner Vergehen gegen Disciplin und Eigenthum in Untersuchung gezogen worden und wird wahrscheinlich seiner Stelle verlustig gehen. Die irischen Generale stehen in keiner höhern Gunst als die deutschen. General Meagher, dessen Brigade fast auf 1000 Mann herabgebracht worden, hat immer Stellungen angewiesen erhalten, wo es fast ein Wunder war, wenn ein einziges Bataillon mit dem Leben davon kommen konnte und doch hat er vergebens den Kriegsminister mit Bitten bestürmt, seine kleine Schaar für eine kurze Zeit von der Fronte des Heeres in ein etwas ruhigeres Lager schicken zu dürfen, damit die noch lebengebliebenen wieder ihre Gesundheit und Stärke erlangen könnten. Alle seine Vorstellungen sind in den Wind hineingesprochen. Mit General Corcorans Brigade steht es noch nicht ganz so übel; aber eben so wenig wie Meagher’s Leute kann sie auf das Wohlwollen der Regierung rechnen. Nur Feldherren amerikanischer Abstammung werden mit der Rettung der Republik betraut.

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Dok-Nr. 176: „Oldenburger Zeitung“ No. 107 vom 09.05.1863

Betreffend die Oldenburgische Sammlung für Verwundete der Vereinigten Staaten Armee.

Vom General-Kriegsmarschallamte in Newyork wurde dem Consul der Verein.Staaten in Oldenburg neulich folgendes, hier im Auszuge übersetztes Schreiben:

Gestatten Sie mir in Erwiederung Ihres Geschätzten vom 14.Febr. und in Bestätigung des Empfanges der großmüthigen Gabe der edelsinnigen Bewohner Oldenburgs ……

Worte genügen kaum, um die Empfindungen auszudrücken, die solche Beweise von Theilnahme und Mitgefühl in unserem Innern hervorrufen. In einem Kampfe begriffen, wobei es sich nicht nur um unsere nationale Existenz, sondern auch um das Recht der gesammten Menschheit handelt, drängte sich uns manchmal der Zweifel auf, ob auch wohl unsere Brüder in Europa die eigentliche Natur und das Endziel dieses Krieges richtig erkennen. Beweise solcher Sympathie sind nun ganz geeignet, derlei Besorgnisse zu verscheuchen, indem sie überzeugen, daß die Herzen aller Edlen für uns schlagen, während wir, dadurch neu gestärkt, für Menschenrechte in den Kampf gehen.

Sagen Sie demnach, werthbester Herr, den guten und großmüthigen Bewohnern Oldenburgs, daß ihre Sendung dankbar empfangen und sofort der Sanitäts-Commission übermittelt wurde, ja, daß eben jetzt, während Sie diese Zeilen lesen, ihre Liebesgabe bereits zu dem heiligen Zweck verwendet und die Leiden unserer verwundeten Krieger durch diese Theilnahme edler Menschen, welche – obgleich tausende von Meilen entfernt, - für ihre Schmerzen Mitgefühl und für ihre Aufopferung Achtung bezeigen, wesentlich gelindert werden.

Solche Sympathien, wie die hier ausgesprochenen, verbinden die Herzen der Völker und, während in unseren Schlachten deutsches Blut in Strömen vergossen wird, empfangen wir über das weite Weltmeer die Wünsche und Gaben großherziger Deutscher und fühlen uns dadurch in dieser Zeit schwerer Prüfung ermuthigt.

Nicht vergebens wird solch‘ edle Saat bleiben, sondern nach erkämpftem Frieden in gegenseitiger Achtung und dauerhafter Zuneigung reiche Früchte tragen im innigen Verbande der Völker.

Indem ich vom Präsidenten der Sanitäts-Commission, dem hochwürdigen Herrn H.W. Bellows, den Dank für das Empfangene zu melden habe, können wir nicht umhin, den ……, von welchen diese Sendung ausgegangen, unsere inniggefühlte Anerkennung auszusprechen.

Seien Sie so gefällig, diesen Ausdruck unserer Empfindungen den Betreffenden mitzutheilen und etc. etc.

S.Draver, Provost-Maschall-General

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Dok-Nr. 177: „Oldenburger Zeitung“ No. 247 vom 23.10.1863

[Leitartikel] Zur Tagesgeschichte.

Oldenburg, 22.October.

Es wird Zeit, daß wir die Aufmerksamkeit unserer Leser wieder einmal auf die amerikanischen Händel lenken, die wir während der polnischen, deutschen und dänischen Frage gänzlich aus dem Auge verloren haben. Der Siegeslauf, welchen die Union mit dem Siege bei Gettysburg, der die Offensivkraft des Südens brach, und dem Falle von Vicksburg und Port Hudson, welcher die Schifffahrt auf dem Mississippi wieder freimachte, antrat, scheint nach und nach wieder ins Stocken gerathen zu sein. Die Belagerung von Charleston zieht sich in die Länge, die Trümmer des zerschossenen Forts Sumter sind von den Conföderirten wieder besetzt und mit Kanonen armirt, während die Föderirten allmälig das Bombardement der Stadt vorbereiten. Von den beiden Hauptarmeen unter Meade und Lee hört man nichts Wesentliches. Ersterem scheint es an Mannschaften zu fehlen, da viele Soldaten nach abgelaufener Dienstzeit in ihre Heimath zurückgekehrt sind und zum Ersatz derselben die Rekrutirung nur kärgliche Resultate liefert. Bei Chattanooga hat unterdessen eine furchtbare Schlacht zwischen den durch Zuzüge von Lee verstärkten General Bragg und Rosenkranz stattgefunden, welche mit einer Niederlage von Rosenkranz endete, freilich eine solche, die des Rosenkranz wohlverdienten Ruhm, welchen er bei Corinth und Murfreesborough erworben, nicht verdunkelt, freilich nur die Ueberwältigung eines kaum 40.000 Mann starken Heeres durch ein mindestes 75.000 Mann starkes, freilich eine solche Niederlage, welche die fernere Kampffähigkeit des siegreichen Heeres in eben so hohem Grade schmälerte wie die des besiegten, aber doch immer eine Niederlage, welche den Sieg des Nordens um lange verzögern wird.

Es ist überhaupt interessant zu beobachten, wie der Krieg sich in die Länge zieht. Der Norden mit allen seinen reichen Mitteln und Hülfsquellen hat bis jetzt den Süden nicht bezwingen können. Die Armeen des Südens können sich an Stärke mit denen des Nordens nicht messen. Bei ihnen herrscht Mangel an Transportmitteln und vor Allem fehlt es an systematischer Organisation. Der Süden hat keine Magazine, kein Train- und Fuhrwesen. Bei jedem Vorgehen der Armee werden Vorräthe zurückgelassen oder zerstört, der ermüdete Soldat wirft Decke und Mantel von sich, die Truppen leiden bald vom Wetter, bald von Nahrungssorgen, Tausende bleiben zurück, träge, müde und krank. Gewöhnlich sind aber alle sogenannten Schlachten nur getrennte Gefechte. Mit wenigen Ausnahmen sind sie in der Mitte von Wäldern und Gebüschen geliefert worden und selten hat mehr als eine Brigade einer andern gegenüber gestanden. Man erblickt den Feind, der Oberst zieht den Degen, erhebt die Mütze, ruft: „Vorwärts, Leute!“ und mit furchtbarem Geschrei werfen sich beide auf den Feind.

Was aber der Süden vor dem Norden voraus hat, das sind die trefflichen Generale. Der Präsident Jefferson Davis war einst selbst ein tüchtiger Offizier und Kriegsminister in Washington. Unter den Generalen steht Lee obenan. Er commandirt die Armee von Virginien, die wieder in drei Corps: Hill, Ewell und Longstreet getheilt ist. Ihm zur Seite stand einst Jackson, ein überaus entschlossener und allzeit schlagfertiger Führer, der noch jetzt, nachdem ihn der Tod von der Hand der eigenen Soldaten erreicht hat, im Süden fast vergöttert wird. Beauregard, ein tüchtiger Ingenieur, war offenbar dem Commando eines größeren Corps nicht gewachsen und findet jetzt in der Vertheidigung des stark befestigten Charleston eine geeignete und angemessene Verwendung. Johnson gilt als der beste Strategiker des Südens und obgleich er Vicksburg nicht hat retten können, so erwarten doch Alle Großes von ihm.

Der Krieg hat jetzt 2 Jahre lang gedauert und die Resultate stehen auf keiner Seite im richtigem Verhältnisse zu den Opfern, die er an Geld, Blut und Sittlichkeit gekostet hat. Doch wir wollen hierüber später in einem besonderen Artikel sprechen.

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Dok-Nr. 178: „Oldenburger Zeitung“ No. 14 vom 17.01.1864

[Leitartikel] Rückblicke auf das vergangene Jahr. VII

Amerika  1.

Oldenburg, 15. Januar

Seit 1861 wüthet in Amerika jener Bürgerkrieg, welcher Dimensionen angenommen hat, wie noch kein Krieg, der jemals geführt ist. Man kann annehmen, daß nicht weniger als drei Millionen Kämpfer in Amerika in den Jahren 1861-1863 sich gegenüberstanden. Diese Heere entwickelten sich aus einer stehenden Kriegsmacht von nicht mehr als 14.000 Mann und zwar so rasch, daß vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Beginn des Krieges schon mehr als eine Million wohlgerüsteter Krieger auf beiden Seiten zu den Fahnen geeilt waren. Die vereinigten Staaten Nordamerika’s, der südliche Theil sowohl wie der nördliche, haben im Laufe der letzten Kriegszeit eine ungemeine Wehrkraft an den Tag gelegt, die freilich dadurch zu erklären ist, daß sie in den vorgehenden Jahren nicht ihre Kraft auf das Halten von Friedensheeren zu verwenden brauchten.

Der Krieg hat sich schon lange mit wechselndem Erfolge hingezogen. Im Anfange war der Süden glücklich, dann der Norden. Man muß die Schwierigkeiten, des dortigen Kriegführens recht würdigen, um zu einem klaren Urtheile darüber zu kommen. Denn die Schwierigkeiten, welche die amerikanischen Feldherren zu überwinden hatten, bestanden nicht bloß in der Größe der zu bewegenden Heeresmassen, sondern auch in der Unermeßlichkeit des Kampfgebietes. Dieses umfaßte zuerst 35 Staaten, von welchen manche einzeln einen größeren Flächeninhalt als Deutschland haben, und außerdem ein noch nicht in den Staatenverbund angenommenes Gebiet (die sog. Territorien), welches den Grund und Boden zu vielleicht noch eben so viel künftigen Staaten enthält. Entsprechend müssen die Entfernungen nach Hunderten und Tausenden Meilen berechnet werden.

Im vergangenen Jahre sind auch wieder viele bedeutende Schlachten geschlagen worden. Bei Chancellorsville (3.März) wurde der unionistische General Hooker geschlagen. Sein Nachfolger Meade besiegte Lee in der Schlacht bei Gettysburg, und zu derselben Zeit eroberte General Grant Vicksburg und machte den Mississippi frei. Später besiegte derselbe Feldherr bekanntlich den südlichen Feldherrn Bragg, welcher zuerst Rosencranz zurückgedrängt hatte. So macht der Norden immer mehr Fortschritte und der Süden wird bald zur Niederstreckung der Waffen gezwungen sein. Es bleibt bis zur völligen Unterwerfung des Südens noch ein gutes Stück Arbeit zu thun, und die Unterwerfung des Südens ist noch nicht die Herstellung der Union. Ueberall ist sonst das Ende eines Krieges zugleich der Anfang des Friedens, in Nordamerika ist das Ende des Krieges erst der Anfang neuer Wirren und Umwälzungen.

Indes muß doch zunächst anerkannt werden, daß die Unterwerfung des Südens nicht mehr ganz fern ist. Langsam schreiten die Unionsheere vorwärts; ihre Führung ist vielleicht nicht um vieles besser, wie sie vor 15 Monaten war, allein in dem Verhältniß der streitenden Theile hat sich dadurch eine bedeutende Veränderung zugetragen, daß der Süden mehr und mehr sich materiell erschöpft hat. Wie im Krimmfeldzug endlich die Unfähigkeit Rußlands, weitere Kräfte aufzubringen, es zur Annahme des Waffenstillstands und des endlichen Friedens bestimmte, so scheinen ähnliche Ursachen letztlich die Sklavenstaaten zu Unterwerfung bestimmen zu sollen. Zwischen ihnen und dem Czarenreiche bieten sich im Hinblick auf eine solche Eventualität mannigfache Vergleichungspunkte dar, und die Unfähigkeit zur Ausdauer im Kampf läßt sich letztlich in dem einen wie in dem anderen Falle auf dieselben Ursachen zurückführen. Es ist die fehlende breite Basis, welche einem freien Volk, das nicht zur größeren Hälfte in Leibeigenschaft oder Sklaverei schmachtet, die zähe Energie und die Leistungsfähigkeit der unteren Schichten bietet. Die oberen Schichten, weil weniger massenhaft, verbrauchen sich schnell. Sie gaben den Baumwollstaaten bei Eröffnung des Kampfes durch ihren mehr soldatischen Geist das Uebergewicht auf dem Schlachtfelde; aber zerrieben von der zerstörenden Friktion dreier Campagne, werden sie allem Anschein nach das Feld nicht mehr lange behaupten können.

Wenn, wie die amerikanischen Stimmen aus dem Norden es voraussehen, die Rebellion im Laufe dieses Jahres zur Streckung der Waffen gezwungen sein wird, kann ein Umschwung der Gesammtsituation auf dem amerikanischen Continente nicht ausbleiben. Es wird dann zu allererst auf das Entscheidenste ins Gewicht fallen, daß die Union eine gewaltige Militärmacht geworden ist, eine Thatsache, welche wir überhaupt und ganz abgesehen von der französisch-mexicanischen Verwickelung, als die bedeutendste ansehen, die uns die Entwickelungen der letzten Jahre brachten. Ohne den Aufstand der Südstaaten würde die große transatlantische Republik noch lange dieselben Wege wie vordem gegangen sein. Den Arbeiten des Friedens bot sich in dem entlegeneren und noch wesentlich unbevölkerten Westen ein unermeßliches Feld.. Es hätte den Raum zwischen Kalifornien und dem Mississippi in seiner ganzen ungeheure Breite zu besiedeln gegolten. Der Geist, welcher zu solchen Unternehmungen antreibt, war noch der vorwiegende im amerikanischen Volk, als seine eigentlichen Führer sah es kühne Entdeckungsfahrer wie Fremont*] an. Der Hinterwäldler und der in die Wildniß des Urwalds einbrechende Pionier waren die Ideale der Nation. Aber in den Kämpfen des Bürgerkrieg ist ein anderer Hang über die Massen gekommen. Es konnten 800.000 frei Bürger nicht Soldaten werden, ohne mit dem neuen Beruf zugleich einen neuen Geist in sich aufzunehmen und eine anders gerichtete große Tendenz zu erfassen. Die Entwöhnung von der stillen fleißigen Arbeit ist eine schwere Strafe, die der Krieg mit sich bringt. Das Volk ist durch die Gewalt der Umstände militärisch geworden und als unvermeidliche Consequenz wird es sich herausstellen, daß auch seine Regierung und die Politik militärisch werden muß.

[* John C. Fremont; 1842-49 Leiter dreier Expeditionen zur Erforschung des Westens; 1856 Präsidentschaftskandidat der Republikaner]

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Dok-Nr. 179: „Oldenburger Nachrichten“ No. 16 vom 25.02.1864

[Extraspalte] [ohne Überschrift]

 Folgender Brief ward uns freundlichst zur Veröffentlichung mitgetheilt. Derselbe ist von einem im Heere der Conföderirten zwangsweise dienenden Oldenburger an hiesige Verwandte geschrieben.

Sabine Paß, Oct. 18, 1863

-------------- Ich bin leider noch immer in der Armee und Gott mag wissen, wie lange der unglückliche Krieg noch dauert. Im Wesentlichen hat sich wenig verändert; die Aussichten auf Frieden sind noch eben so schlecht wie vor 1 ½ Jahren, der Süden giebt nicht nach, und sollten Land, Eigenthum und Alles zu Grunde gehen. Glücklicher Weise haben wir hier im Süden eine sehr gute Ernte gemacht, so daß wir es noch eine sehr lange Zeit aushalten können. Jedenfalls hoffe ich, daß eine sichere Entscheidung bei der nächstjährigen nördlichen Präsidentenwahl im November stattfinden wird. Am 1.Mai d.J. erhielt ich meine Ernennung zum Oberlieutnant, am 16.Mai erhielt ich einen Monat Urlaub nach San Antonio; es fiel ungemein schwer, denselben zu erhalten, ich schützte jedoch Krankheiten vor und bestand so erbittert auf meinen Willen, daß mir der Urlaub endlich bewilligt wurde. In San Antonio sparte ich weder Mühe noch Geld (1000 Doll.), um wegen Kränklichkeit ganz entlassen zu werden, ich schickte sogar ein Certificat von 3 Doctoren ein, nach welchem ich zum Dienste ganz untauglich sei; allein mein Gesuch wurde abschläglich beschieden und ich beordert, zum Regiment zurückzukehren, gleichzeitig erhielt ich meine Ernennung zum Capitain zugeschickt. Trotzdem aber blieb ich bis zum 20.Aug. in San Antonio, da kam eine Ordre, daß, wenn ich jetzt nicht freiwillig zurückkäme, ich unter Begleitung geholt werden würde, einer solchen Einladung konnte ich nicht widerstehen, und so folgte ich derselben schweren Herzens. Ich kann jetzt singen: „Tausend Dollar sind dahin, und doch nichts bezweckt.“

Ich traf meine Compagnie in Houston und wurde von derselben aufs Herzlichste empfangen; meine Compagnie ist die stärkste und bestdisciplinirteste, lauter sehr ordentliche, kräftige Leute, ein Muster für die anderen, ein Jeder hat mich gern und könnte ich mir nichts Angenehmeres vorstellen, wenn ich das Soldatenleben nicht so satt, und so große Sehnsucht nach den Meinigen hätte. Meine Gage beträgt 130 Doll.p.Monat. Zur Zeit, als ich in San Antonio war, eröffneten mein Schwager und ich ein neues Geschäft, wir haben 2 Commis; mein Schwager ist nämlich bei Maj.Howard im Commissary Departement als Clerk, er hat wenig zu thun und kann sich viel ums Geschäft bekümmern; wir machten und machen rasende Geschäfte, wir ließen von Mexico Waaren kommen; es verging während meines Dortseins selten ein Tag, an welchem wir weniger als 1000 Doll. einnahmen, häufig 2000 Doll.p.Tag, freilich Papiergeld; aber der Verdienst ist sehr bedeutend. Augenblicklich haben wir wenigstens für 20.000 Doll. Zucker an der Hand. Ich wünsche jetzt im Geschäft sein zu können, ich bin überzeugt, ich würde in einem Jahre auf jeden Theil 10.000 Doll. übermachen. […]

(Schluß folgt.)

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Dok-Nr. 179a: „Oldenburger Nachrichten“ No. 17 vom 28.02.1864

[Extraspalte]

Sabine Paß, Oct. 18.1863

(Schluß)

An diesem Platze liegen wir etwa 2 Monat; derselbe liegt unmittelbar am Meere und der Fluß dabei bildet die Grenze zwischen Texas und Louisiana. Es ist die schlechteste Gegend, die man sich denken kann; der größte Theil ist Morast, und Millarden Musquitos plagen Menschen und Vieh bei Tag und Nacht. Vor der Mündung liegen fast immer 10 bis 12 Yankee-Kriegsschiffe. Neulich versuchten diese eine Landung und einen Angriff; nach etwa 2 ½stündigem Gefecht mußten sie sich zurückziehen, wir hatten nicht einmal einen Verwundeten, sondern nahmen 186 Mann gefangen; außerdem hatten sie 142 Todte, 2 schöne Kriegsschiffe fielen ziemlich unversehrt in unsere Hände und ein drittes war so arg zugerichtet, daß es gleich darauf versank. Wir haben hier 8 kleine aber ziemlich starke Forts, woran täglich 1000 Neger beschäftigt sind. Seitdem haben sie es noch nicht wieder gewagt, uns hier anzugreifen. Wir erwarten indeß einen neuen Angriff von der Landseite, durch Louisiana, es sind 24.000 Yankees, die auf hier zu rücken. Im Allgemeinen fechten sie sehr schlecht, sonst hätten sie schon längst den Süden im Besitz.

Neulich war ein Kauffahrteischiff im Calcasien-River in Louisiana eingelaufen; ich erhielt Ordre, mit meiner Compagnie dorthin zu marschiren (gewöhnlich muß ich mit meiner guten Compagnie zu derartigem Dienst,) um Schiff und Ladung zu beschützen, es lag 35 engl. Meilen von hier und kam ich eben noch zu rechter Zeit, um zu verhindern, daß die Yankees dasselbe nahmen, denn so wie sie uns erblickten, nahmen sie Reißaus, trotzdem, daß sie stärker waren, wie wir. Sie haben eine panische Furcht vor texanische Soldaten. Eine Nacht kampirte ich nahe am Meere, als ich erwachte, lag eine halbe Stunde von uns ein großes Kriegsschiff, von dem auch wir bemerkt wurden, das uns aber nicht anzugreifen wagte. An diese Tour in Louisiana werde ich mein Leben lang denken; an einem Tage mußten wir 12 engl. Meilen knietief durch lauter Sumpf marschiren, die Luft war mit Musquitos angefüllt, deren Stiche unsere sämmtliche Kleidung durchdrangen. Hierbei  muß ich Etwas erwähnen, wobei Du gerne zugegen gewesen sein würdest. Wir gelangten an einen sumpfigen Fluß, welcher von Alligators wimmelte, meine Leute schossen in etwa einer halben Stunde circa 20 Stück, sie zogen die Bestien halbtodt ans Land und trieben ihren Spaß damit; keiner war unter 12, der größte sogar 18 Fuß lang.

Seit meiner Rückkehr von dort bin ich wirklich kränklich; ich leide an Rheumatismus, auch viele meiner Leute haben sich Krankheiten dort hergeholt. Ich thue schon seit 12 Tagen keinen Dienst; die Strapazen hier sind mit denen eines deutschen Soldaten gar nicht zu vergleichen; so z.B. mußten wir an einem Tage 22 engl. Meilen durch Moräste, hohes Gras, auf unsäglich schlechten oder auch gar keinen Wegen, mit vollem Gepäck beladen marschiren. Die gelieferten Lebensmittel genügen zwar für den Hunger, sind aber schlecht und immer einerlei; sie bestehen aus 1 ½ [Pfund] Fleisch, 1 ½ [Pfund] Kornmehl (kein Weizenmehl), etwas Salz und das ist Alles. Unsere Soldaten müssen mit Wenigem zufrieden sein. Kaffee, Erbsen, Bohnen, Reis u.a. sind hier Luxusartikel und an unserm Platz für keinen Preis zu haben, nur wir Officiere lassen uns mitunter dergleichen kommen, zumal Kaffee, sonst aber haben wir nichts Besseres wie jeder Andere.

So eben kommt die Nachricht, daß 60 Meilen von hier die Yankees angegriffen haben, es sind von hier 2 Regimenter nach dort hin abmarschirt, und in 2 Tagen werden wir auch wohl dorthin müssen. Für uns stehen tüchtige Prügel in Aussicht, denn sie rücken mit 30.000 Mann vor, 7000 Mann ist die Avantgarde stark und wir können ihnen nur etwa 4-5000 Mann entgegenstellen. Auch scheint es, als wollten sie uns hier noch angreifen, dann o weh, denn wir sind nur 2500 Mann stark. Texas werden sie jetzt wohl bald bekommen; aber vorher noch manch heißen Kampf kosten, und mancher rüstige Mann wird ins Gras beißen müssen. Bis jetzt bin ich immer mit heiler Haut davon gekommen und hoffe, auch ferner so glücklich zu sein. So eben kommt ein Bekannter zu mir, welcher dies Nacht versuchen will, mit seinem mit Baumwolle beladenen Schiffe die Blockade zu brechen. Er hat keine Zeit mehr, ich muß deshalb schließen, und hoffe, daß der Brief glücklich in Deine Hände gelangt, in Havanna will er denselben zur Post geben. Mit tausend herzlichen Grüßen Dein etc.

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Dok-Nr. 180: „Oldenburger Nachrichten“ No. 41 vom 04.04.1865

Politische Rundschau.

Amerika. Newyork, 18. März. Ueber den großartigen Verwüstungszug Sheridan’s ist bereits das Wichtigste mitgetheilt. Dieses Zerstörungswerk ist wahrhaft gräulich, wird aber um der Beschleunigung der Katastrophe willen nothwendig gewesen sein. Bei wem sich übrigens bei solchen Anlässen eine Spur Mitleid mit den Rebellen zeigen sollte, den verweisen wir auf die neulich constatirte Thatsache, daß in den letzten zwei Jahren 64.000 Unionssoldaten in Rebellengefängnissen gestorben sind, davon 30.000 in Andersonville, 12.000 in Danville und 10.000 in Richmond. Wir verweisen auf die Jammergestalten, welche jetzt tagtäglich zu Tausenden in Annapolis – ihren Fuß an’s Land setzen, wollten wir sagen; doch nein, dazu reichen ihre Kräfte nicht mehr aus, welche von Bord in’s Hospital getragen werden, um daselbst unter schrecklichen Qualen zu verenden, oder als sieche, arbeitsunfähige Krüppel nach Hause geschickt zu werden. Bei der Schilderung der Mißhandlungen, welche diese Unglücklichen erduldet, stehen einem die Haare zu Berge und erstirbt jeder Funke von Mitleid, welches man mit dem Süden haben könnte.

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Dok-Nr. 181: „Oldenburger Zeitung“ No. 108 vom 10.05.1865

[Leitartikel] Oldenburg, 9.Mai

Seit der Zeit, als die Kunde von dem Gefecht bei Bunkershill und die Aufrichtung der großen Republik von der neuen Welt zur alten über den Ocean drang, ist wohl keine wichtigere Nachricht von da zu uns herübergekommen als diejenige von der Niederlage der Südstaaten. Denn mit der Sprengung der Conföderation hat die Freiheit und die Menschlichkeit einen ihrer schönsten Triumphe gefeiert und die hochmüthige, ruchlose Aristokratie des Südens, die Coriolan’s und Sulla’s der neuen Welt, vernichtet. Wie blutig und thränenreich dieser vierjährige Bürgerkrieg auch gewesen, andere, edlere Früchte wird er zeitigen, als die Feldzüge eines Timur und Napoleon. Nicht um der Selbstsucht eines Einzigen willen ward er geführt, nicht Länder noch Kronen gab es zu erobern, es handelte sich in ihm um die große Sache des Jahrhunderts: die Freiheit. Die amerikanischen Kämpfe haben in ihrem Wesen die genaueste Aehnlichkeit mit dem peleponnesischen Krieg der hellenischen Stämme. Wie zwischen Athen und Sparta war im Lauf der Zeit auch zwischen den Nord- und Südstaaten Alles feindlich geworden, Lebensanschauung und Lebensart, hier Demokratie, dort Aristokratie, Industrie und freie Bauernwirthschaft gegen Sklavenarbeit; nicht um eine einzelne Frage, um sie alle, um Herrschaft und Leben entspann sich der Krieg. Naturgemäß konnte er nur mit dem Fall der einen Partei enden.

Jetzt liegt die Aristokratie am Boden; die Entschlossensten haben nicht einmal versucht, in Sümpfen, Wäldern und Felsen des weiten Landes den Kampf gegen die Truppen der Union noch fortzusetzen, der Bund der Südstaaten ist nicht wieder herzustellen, die Gefahr nicht noch einmal heraufzubeschwören, mit der er die Union bedrohte. Die weltgeschichtliche Bedeutung dieses Sieges drängt sich mächtig dem Sinne eines Jeden auf. Mit ihm ist der Sclaverei der Boden entzogen; die Befreiung der Sclaven ist fortan nur eine Frage der Zeit. An die Unfähigkeit der Neger, sich zur Kultur zu entwickeln und zu erheben, glaubten nur die Sklavenhalter, der Bildung, Gerechtigkeit und einer strengen Zucht wird es gelingen, auch sie ihrer Entwürdigung zu entreißen. Einen großen Theil des Bodens in den Südstaaten wird die Einwanderung aus dem Westen, die freie Arbeit einnehmen. Nordische Männer werden die Lücken füllen, welche der Krieg gerissen, die Dörfer und Städte aufbauen, die er verbrannt. Schwerlich wird für die Zukunft die Baumwollenstaude ihre fast ausschließliche Herrschaft in jenen Gefilden behaupten. Die während des Krieges in Aegypten, Algerien, im englischen Indien gemachten Versuche, diese Pflanze einzubürgern, haben im Allgemeinen ein viel zu günstiges Resultat geliefert, als daß man sie plötzlich aufgeben sollte. Manchester wird seine Baumwolle nicht mehr aus den Südstaaten allein beziehen. Eine politische und wirthschaftliche Revolution muß sich dort vollziehen, selbst die Volkselemente werden sich anders mischen, die Yankees, die Deutschen auch hier wie im Westen die Oberhand gewinnen. Gegen den traurigen Weissagungen von der allmäligen Ausnutzung und Verarmung des Bodens, von dem Wachsen und der im Verhältniß zu ihren Ernährungsmitteln zu starken Vermehrung des Menschengeschlechts bietet sich hier für Millionen eine Fülle kulturfähigen Landes. Goethe’s Wunsch wird hier an künftigen Geschlechtern sich erfüllen: „auf freiem Grund mit freiem Volk zu stehen.“

Fortan tritt in alle politischen Verwickelungen und Verhältnisse ein neues Element, die gewaffnete, siegreiche Demokratie, mit der man rechnen muß. Eine Demokratie, die nicht wie die französische von 1793-1799 auf einem bloßen Rausch, sondern auf festen, gediegenen Grundlagen eines eigenthümlichen, in seinem Mechanismus wunderbarsten Staatswesen beruht; eine Demokratie, welche eine lebensgefährliche Krankheit, ohne Schaden an Leib und Seele zu nehmen, bestanden hat; der das Geschick in dieser Krisis keinen rettenden Genius, keinen Krieger wie Washington oder Cromwell, keinen Staatsmann wie Pitt oder Mirabeau gesandt, die allein durch eigene Gesundheit und Kraft sich behauptet. Der Massengeist hat sich in diesem Kampfe glorreich bewährt. Weithin hat und wird die Kunde der Einnahme Richmonds Freude und Bestürzung verbreiten, denn innigst zusammen hängen die politischen Dinge.

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Dok-Nr. 182: „Oldenburger Zeitung“ No. 4 vom 06.01.1866

[Leitartikel] Oldenburg, 5.Januar

Auf das Jahr 1865 werden wir im Laufe der nächsten Wochen noch wiederholt zurückkommen, denn so ganz bedeutungslos ist das dahingeschwundene Jahr gewiß nicht gewesen, daß es nicht, gleich den anderen vor ihm, der Mühe lohnte, wiederholte Rückblicke zu thun in das speciell deutsche und in das allgemeine Leben der Erdenvölker und auf die Ereignisse, welche ihrer Zeit vor allen uns Deutsche, dann aber auch die Menschheit überhaupt berührt und in Bewegung gesetzt haben. Sehen wir für diesmal von der speciell deutschen Geschichte des verflossenen Jahres ab und wenden wir unsere Gedanken einem weiteren Kreise zu, dann ist es vor allen anderen Ereignissen der großartige Kampf in der Vereinigten Staaten von Nordamerika und seine Entscheidung zu Gunsten der Menschenrechte und der Menschenfreiheit, welche das Jahr 1865 als eines der bedeutungsvollsten einer ganzen großen Periode erscheinen läßt. Denn nicht nur, daß ein Kampf beendet wurde, welcher die Kriegsgeschichte mit Thaten so groß und gewaltig bereicherte, wie kaum ein anderer Krieg sie aufzuweisen hat, so sind auch die Folgen des Sieges der nordamerikanischen Union über die sonderbündlerischen Sklavenstaaten des Südens von unermeßlichern und entscheidenden Folgen für die Richtung, welche die politische und humane Entwickelung der Völker fortan nehmen muß.

Was für Mittel wurden nicht in Bewegung gesetzt, um diesen Krieg zu einem glücklichen Ende zu führen! Wie staunenswerth und fast beispiellos ist die Thatkraft, welche immer wieder die kolossalen Mittel herbeizuschaffen wußte, ohne deren zeitiges und reichliches Vorhandensein jede energische Bewegung verhindert oder zum Stillstand gezwungen worden wäre! Die Gesammtzahl der Soldaten, welche zum Kriege eingereiht wurden, betrug nach einer ziemlich zuverlässigen Zählung etwa 2.656.550 Mann, und wenn auch viele von dieser Mannschaft nur auf kürzere Zeit verpflichtet waren und daher ein und derselbe Mann oft zwei-, drei- oder viermal mitgezählt sein mag, so ist doch zum Mindesten eine Zahl von 1 ¾ bis zwei Millionen in den Krieg gezogen, um für den Bestand der Union, für die Befreiung der Sklaven zu kämpfen. Die Summe, welche für Sold, Gagen, Service u.s.w. ausgegeben ist, übersteigt fast die Grenzen der Glaublichkeit: es waren 1.029.250.000 Dollars! Hätte das Alles mit baarem Gelde bezahlt werden müssen, lieber Gott, wo wären da Sold und Gagen geblieben! – An Pferden wurden allein im letzten Jahre des Krieges etwa 230.000 angekauft, die Lieferungen des Kriegscommissariats gehen ins Fabelhafte; Lazarethe bestanden im letzten Kriegsjahre 204 mit 136.894 Betten. Es wurden 700 See- und 588 Flußfahrzeuge zum Truppentransport verwendet, 370 deutsche Meilen Eisenbahnen gelegt, gegen 300 Locomotiven und 3000 Wagen angeschafft. Die Ausgaben für die Mittel zur Herstellung und Unterhaltung der Kriegsflotte beliefen sich auf 314 Millionen Dollars. Und so könnten noch mehrere sehr bedeutende Ausgabenpöste, z.B. für Telegraphen u.s.w. aufgezählt werden, um die fabelhaften Mittel darzulegen, welche aufgewendet werden mußten, um den Krieg zu Ende zu führen, wenn es nicht schon genug der Zahlen wäre, um zu ermessen, was für ein enormer Aufwand nöthig war und durch die Opferwilligkeit der großen Nation herbeigeschafft wurde. Natürlich entspricht diesen kolossalen Mitteln die fast erschreckende Steigerung der Nationalschuld, welche am Schlusse des verflossenen Jahres auf etwa 3000 Millionen gestiegen sein wird. Wenn aber, wie zu hoffen, die Südstaaten sich allgemach in die neue Ordnung der Dinge fügen lernen, dann ist die Productions- und Leistungsfähigkeit der Vereinigten Staaten so unerschöpflich und so großartig, daß dieselben sich von dem erlittenen Schlage sehr bald erholen und allen ihren Gläubigern genügen werden. Dann aber steht die nordamerikanische Union als das leuchtende Muster der Opferfähigkeit einer Nation da, welche ihr Alles setzt an die Einigkeit und Größe des Vaterlandes und an den Sieg der menschlichen Freiheit und der Menschenrechte. Darum Heil einem Volke, das durch seine Opferfreudigkeit so Großes erreicht hat, Heil dem Jahre, dem es vorbehalten war, die Segnungen eines solchen Sieges auf die kommenden Jahre zu übertragen!

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Dok-Nr. 183: „Oldenburger Zeitung“ No. 195 von 23.08.1866

Amerika.

Newyork. Die Politik des Präsidenten Johnson, welche auf die schleunigste Wiederherstellung der vollen Herrschaft des Junkerthums im Süden gerichtet ist, hat die traurigsten Folgen. Das Junkerthum tritt mit seiner ganzen Anmaßlichkeit und unbändigen Rohheit wieder auf, unter der besonders die Neger zu leiden haben. Von solcher in hundertfachen Gestalten hervortretenden Brutalität, welche die Beamten der Freedmansbureaux*] nicht zügeln können, da die Richter von jedem gegen Neger begangenen Verbrechen freisprechen – werden der Allg. Ztg. folgende Beispiele mitgetheilt: Der Commandeur der Bundestruppen in Georgia, General Woods, meldet officiell die im Wilson County jenes Staats erfolgte lynchrechtliche Tödtung eines Negers. Der Neger, wegen Mordes in Gewahrsam genommen, ward von einem zwei- bis dreihundert Köpfen starken Volkshaufen aus dem Gefängniß gerissen und, nachdem ihm beide Ohren abgeschnitten worden, an einen Baum gekettet. Alsdann wurde in einiger Entfernung um ihn herum Bündel Reisig aufgehäuft, welche die in der Nähe befindlichen Neger unter Todesdrohung herbeischleppen mußten, das Reisig in Band gesteckt und der Delinquent an ganz langsamem Feuer bei lebendigem Leibe geschmort. Der Prozeß dieser Todesmarterung währte einige Stunden. Nachdem es vorüber war, wurde das nicht verkohlte, sondern saftig gebratene Fleisch des ermordeten Freedman (?) den Hunden zum Fraße zerstückt. Es ist, wie gesagt, der officielle Bericht eines Generals, der diese Mittheilungen enthält, und selbst die Johnsonschen Organe theilen ihn als thatsächlich richtig mit. Die südlichen Zeitungen, weit entfernt, solche Dinge auch nur zu bemänteln oder beschönigen zu wollen, ergeben sich vielmehr in maßlosen Schimpfereien auf die „frechen, zudringlichen Yankees“, die sich unterstehen, sich „darin einmischen“ zu wollen. Mit einer Naivetät, die ans Grasse streift, bezeichnen sie solche Einmischung als eine „schändliche Tyrannei“ und unerträglichen „Militärdespotismus“. So schreibt (um ein einziges Beispiel zu geben, wo man unter hundert die Wahl hat) der „Texan Ranger“: In voriger Woche ward von Millican nach hiesigem Orte ein Trupp Yankeesoldaten geschickt, um einen jungen Mann Namens Forrest (Bruder des General Forrest, welcher die Besatzung des Forts Pillow massakriren ließ), verhaften sollte, weil er einem Negermensch eine anständige und wohlverdiente Tracht Peitschenhiebe verabfolgt hatte. Wie sich herausstellt, war das Mensch gegen ihre Herrin frech gewesen, und der junge Mann, welcher in dem Hause logirte, beschützte die Dame, indem er dem frechen Niggermensch eine wohlverdiente Züchtigung angedeihen ließ. Sie lief zu ihren Mityankees, und diese, anstatt sie mit einer Tracht Hiebe zurückzuschicken, nahmen sich ihrer an. Gebe Gott, daß unser armer darniedergetretener Staat bald von der eiserne Ferse solches Militärdespotismus befreit werden möge.

[*Freedmansbureaux: Im März 1865 gegründete Ämter zur Verwaltung der durch den Bürgerkrieg frei gewordenen Ländereien in den Südstaaten und allgemein zur Betreuung der befreiten Sklaven]

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Dok-Nr. 184: „Oldenburger Zeitung“ No. 212 vom 10.09.1868

Die Südstaaten Nordamerikas.

Ueber die dortigen Zustände entnehmen wir einer geachteten englischen Zeitung folgende interessante Mittheilungen:

Die farbige Bevölkerung ist in verschiedenen Gegenden des Südens von ganz verschiedenem Charakter. So giebt es Districte, in welchen sie ihre kürzlich erlangten Rechte bereits nach allen Seiten mißbraucht haben, in anderen hingegen sind sie die einzigen Arbeiter der Gemeinde und sie arbeiten gut und ausdauernd. Täglich widerlegen sich die Berichte von ihrer Unfähigkeit für anhaltende Arbeit, wenn nicht von der Sklavenpeitsche bedroht; sie zeigen sich im Gegentheil ebenso arbeitsam, wie die weiße Landbevölkerung manches europäischen Landstriches. So liegt in Richtmond, der ehemaligen Hauptstadt der Conföderirten, ein schönes Stadtviertel noch in Trümmern, während in den weniger aristokratischen Quartieren die Industrie ruhig wieder auflebt, und dies fast ausschließlich durch die Arbeit der Farbigen. Aber die Südstaatler verschließen dieser Thatsache ihre Augen. Daß ihre früheren Sklaven nunmehr das Wahlrecht „usurpirt“ haben, setzte die „armen Weißen“ diesen gegenüber auf einen feindseligen Fuß, und Gewaltmaßregeln gegen die Farbigen, welche an Zahl und Bewaffnung jenen weit nachstehen, sind an der Tagesordnung. So wurde vor nicht langer Zeit ein in Carolina zum Senator gewählter Neger auf der Schwelle seines Hauses von einer bewaffneten Schaar niedergeschossen, und das ohne Verfolgung der Thäter. Zwar erregte die Sache ungewöhnliches Aufsehen und führte zu Interpellationen im Congresse, aber die Demokraten wußten sich zu helfen: sie drohten mit Untersuchung von Fällen, wo Leute ihrer Partei gemordet worden waren. Die Ermordung Ashburns in Georgia hat das amerikanische Phlegma etwas aufgerüttelt, die Militärbehörden nahmen einzelne Verhaftungen vor, und beschworen dadurch den Groll der demokratischen Presse auf sich herab, welche dieses Beispiel „republikanischer Naseweisheit und Unterdrückung“ nicht genug an den Pranger zu stellen wußte. Noch vor wenigen Tagen geschah es in der Gegend von Vicksburg, daß von vier des Mordes angeklagten und dort in Haft gehaltenen Negern zwei aus dem Kerker geschleppt und am Schandpfahl verbrannt wurden, und zwar, wie ein Bericht sagt, durch „die Notabeln der Gegend“. Allerdings schiebt ein Gegenbericht die grausige That den Negern selbst in die Schuhe. Der wahren Vollführer solcher Grausamkeiten giebt es glücklicherweise nur wenige, aber desto mehr, die mit ihnen sympathisiren und ihren Rücken von der politischen und socialen Zuchtruthe freizuhalten wissen. Der Klu-Klux-Club ist kein Phantasiegebilde sensationsliebender Zeitungen, wenn auch seine Geschichte vielfach übertrieben dargestellt wurde.

Von diesen Thatsachen werden Manche den Schluß ziehen, daß dann die Militärregierung so recht am Platze sei. Dem ist nicht so. Zur Unterdrückung derartiger Geschichten kann sie Nichts thun, könnte die Armee Louis Napoleons oder des Czaren Nichts thun, denn diese Thaten werden in abgelegenen Gegenden, inmitten ungeheurer Wälder und unter einer Bevölkerung begangen, deren Mehrzahl mehr oder minder geneigt ist, die Verbrecher zu beschützen.

Welche Folgen wird unter diesen Umständen die Verleihung des Wahlrechts für die Farbigen haben? Viele rechtschaffene Männer sind der Ansicht, es müsse zu einem Racenkampfe kommen, der, da die Weißen stärker seien, nur mit der Ausrottung der Farbigen enden könne. Glücklicherweise hat die Partei, welche diese Maßregel ins Werk gesetzt, eine andere Antwort, die zum mindesten erwogen zu werden verdient. Seit wir den Neger nicht mehr beschützen können – so lautet ihre Ansicht, müssen wir ihm politische Rechte geben; diese bilden an und für sich eine Schutzwache seiner Person und seines Eigenthums. Möge ein Neger ein Mann im wahren Sinne des Wortes sein oder nicht, ein Wahlberechtigter ist einer.

Doch dieser Haß zeigt sich nicht nur gegen die Neger; es ist ein eigenthümlicher und unglücklicher Zug in der Stimmung der Weißen in den Südstaaten, daß sie eben so feindlich wie jenen, auch den neuen Ansiedler so behandeln, der sich einfallen läßt, sich unter ihnen niederzulassen. Deutsche, welche sich mit der Leitung des Auswandererstromes befaßten und einen Theil desselben nach den Südstaaten zu führen versuchten, sind bisher erfolglos geblieben und betrachten es als Gewissenssache, den Versuch nicht zu erneuern, denn sie finden, daß die Auswanderer daselbst, gleichsam unter einer feindlichen Nation, nicht zum Wohlstande gelangen können. Und so strömen die deutschen Auswanderer nach den Prairien des Nordwestens oder nach Texas, wo sie bald aus einem Staate drei machen werden, während all das schöne Land in den Carolina’s, in Georgia und Alabama, der europäischen Constitution so angemessen, eine Wildniß bleibt. Für die Zukunft, wenn die Neger einmal recht im Genusse ihrer politischen Rechte sind, dürfte es vielleicht doch nöthig erscheinen, die Waagschale der Majoritäten durch Herbeiführung neuer Einwanderer zu beschweren. Welchen Einfluß dies auf die Neger und ihre Verhältnisse haben dürfte, möge unerörtert bleiben, dem allgemeinen Wohlstande würde es ein wirksamer Sporn sein.

Sehr langsam, aber, wie anzunehmen, mit großer Sicherheit schwindet die Antipathie der Racen unter den humanisirenden Einflüssen unserer Zeit. Diese concentrische Bewegung hat ihren Mittelpunkt im Innern der Union, in dem Theile, wo sich die Farben in nicht so großer Zahlenverschiedenheit gegenüberstehen, wo die Farbigen zahlreicher denn im Norden sind, und die Weißen weniger unter den Einflüssen des erst vor Kurzem geschiedenen Sklaventhums stehen, als dies im Süden der Fall ist. Die Erinnerung an den Krieg trägt auch dazu bei, das Vorurtheil zu schwächen, denn es ist unmöglich, den Ruhm der Waffen des Nordens von der Sache zu trennen, der sie dienten.

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II.5. Eine Civilisation im Stande der Kindheit –

Corruption und Lynch-Justiz, Mord und Todtschlag, aber keine Kultur


Dok-Nr. 185: „Oldenburger Zeitung“ No. 55 vom 08.07.1836

[Im Kleingedruckten] Die Zeitung  von St.Louis (Ver.St.) berichtet eine gräuelvolle That. Am 28. April Abends wurde ein freier Mulatte, Koch von dem Dampfboote Flora, arretirt, weil er sich auf der Werft in die Boxerei zweier Weißen thätlich eingemischt hatte. Auf dem Wege zum Gefängnisse suchte er zu entspringen, zog blitzschnell ein Messer aus der Tasche, tödtete mit einem Streich den ihn begleitenden Untersheriff Hammond, und verwundete mit einem tödtlich den Constable Mull. Hierauf von neuem festgenommen, führte man ihn zum Gefängniß, wo er wohl verwahrt wurde. Bald aber versammelten sich dort mehrere Verwandte und Bekannte der Ermordeten, rissen den Gefangenen aus dem Gefängniß, banden ihn mit Ketten an einen Baum und – verbrannten den Unglücklichen zum Hohn der Gesetze! Das Feuer war zu klein und das Holz von Regen des vorangegangenen Tages zu feucht: 36 Minuten lebte und krümmte sich das unglückliche Schlachtopfer, bis er den Geist aufgab. Diese Canibalenjustiz wurde von nur 8 bis 10 Tumultuanten vollzogen, wobei mehr als 2000 Einwohner von St.Louis ruhige Zuschauer waren.

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Dok-Nr. 186: „Der Beobachter“ No. 95 vom 28.11.1845

Die Civilisation von Nordamerika,

die edelste, die sich je gebildet und selbstthümlich entwickelt, hat wieder eigene Mißgeburten erzeugt, von denen die Civilisation anderer Länder nichts weiß, und die nur einem Lande entsprießen können, wo die Freiheit unbeschränkt ist. Es sind Auswürflinge, Trappers genannt, großentheils Geächtete, oder die dem strafenden Arm des Gesetzes entflohen sind, oder auch unbändige Naturen, denen selbst die rationelle Freiheit der Staaten noch Zwang däucht. Vielleicht ist es ein Glück für diese Staaten, daß sie gewissermaßen die Schlacke an ihrem Lande besitzen, die Steppen zwischen dem Felsengebirge und dem Missisippi, wo die wilden Leidenschaften austoben können; denn im Busen der bürgerlichen Gesellschaft dürften sie viel Unheil anrichten. Hätte z.B. Frankreich diese Schlacken während seiner großen Krisen gehabt, wie viele seiner großen Krieger würden nicht als Trappers verstorben sein, und wahrlich! weder Europa noch die Menschheit wäre ärmer, wenn sie von den großen Werkzeugen des absolutesten Despotismus, den Massena’s und Vandamme’s und Sebastiani’s und Davoust’s, und diesen bordirten Leuten sammt und sonders wenig oder gar nichts wüßten. Man findet diese Trappers oder Hunters, Jäger, von den Quellen des Columbia- und Missouri-Stroms herab bis zu denen des Arkansas und Red-River, an all‘ den tributären Flüssen des Missisippi, die auf dieser Seite durchgängig in den Felsengebirgen entspringen. Ihre ganze Existenz dreht sich um die Erlegung der Thiere, die sich seit Jahrhunderten und Jahrtausenden in diesen Steppen und Fluren zusammengehäuft haben. Sie morden den wilden Büffel, um Felle für ihre Kleidung, das schmackhafteste und nahrhafteste Fleisch von dessen Buckel für ihr Mahl zu haben; den Bären, um auf seiner Haut zu schlafen; den Wolf, weil es ihnen Vergnügen macht; und sie fangen und morden den Biber seines Felles und gelegentlich auch des Schwanzes wegen. Dafür erhalten sie Pulver, Blei, Flanelljacken und Hemden und Garne zu ihren Netzen und Whisky, um die Kälte in den Wintertagen abzuhalten. Sie ziehen häufig in Haufen von Hunderten hinüber in diese Wüsten, wo sie öfters mit den Indianern blutige Fehden anfangen; gewöhnlich jedoch thun sie sich in Gesellschaften von acht bis zehn zusammen, zu gemeinsamem Schutz und Trutz vereinigt, eine Art wilder Guerilla’s. Immerhin sind jedoch diese mehr Hunters als Trappers. Der wahre Trapper zieht nur in Gesellschaft eines geschworenen Freundes, mit dem er Jahr und Tag, öfters Jahre, aushält; denn es erfordert häufig Jahre, ehe sie mit den Verstecken der Biber bekannt werden. Stirbt der Gefährte, so bleibt der Uebriggebliebene im Besitze der erworbenen Felle und des Geheimnisses des Aufenthaltes der Thiere. Was Anfangs Furcht vor dem Gesetze bei Vielen bewirkt, wird bald zum absolutesten Bedürfniß, und die ungeregelte, zur wilden Lust gewordene, unbegrenzte Freiheit würden nur Wenige für die glänzendste Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft vertauschen. Es leben die Menschen das ganze Jahr hindurch in den Steppen, Savannen, Wiesen und Wäldern der Arkansas-, Missouri- und Oregon-Gebiete, die in ihrem Busen ungeheure Sand- und Steinsteppen und wieder die herrlichsten Gefilde bergen. Schnee und Frost, Hitze und Kälte, Regen und Sturm, und Entbehrungen aller Art haben ihre Glieder so abgehärtet, ihre Haut so verdichtet, wie die des Büffels, den sie jagen. Die stete Nothwendigkeit, in der sie sich befinden, sich auf ihre Körperkraft zu verlassen, erzeugen in ihnen ein Selbstvertrauen, das vor keiner Gefahr zurückscheut, eine Schärfe des Blicks, eine Richtigkeit des Urtheils, von der der Mensch in civilisirter Gesellschaft sich keinen Begriff machen kann. Ihre Leiden und Entbehrungen sind oft gräßlich, und es giebt Trappers, die Leiden ausgestanden haben, im Vergleich zu denen die erdichteten Abenteuer Robinson Crusoes blos Kinderspiele sind, und deren Haut sich in eine Art Leder verdichtet, das mit der gegerbten Menschenhaut mehr Aehnlichkeit als mit der menschlichen hat; nur Stahl und Blei vermögen durchzudringen. Es sind diese Trappers eine psychologisch-merkwürdige Erscheinung: in die wilde unbegrenzte Natur hinausgeworfen, entwickelt sich ihr Verstand häufig auf eine Weise, so eigenthümlich scharfsinnig und selbst großartig, daß man an Einigen Lichtfunken wahrnimmt, deren sich die größten Philosophen alter oder neuerer Zeiten nicht geschämt haben dürften. Der Gott des Trappers ist das Waidmesser, sein Schutzpatron die Flinte. Den Menschen scheut der Trapper, und der Blick, mit dem er den ihm in der Wüste Begegnenden mißt, ist seltener der des freundlichen weißen Bruders, als des mordgierigen; denn Gewinnsucht wirkt hier – eine eben so abscheuliche Triebfeder, wie in der civilisirten Gesellschaft – und gewöhnlich bezahlt von zwei sich begegnenden Trappers einer mit dem Leben. Er haßt seine weißen Nebenbuhler um die geschätzten Biberfelle noch weit mehr, als den Indianer. Letztern schießt er eben so ruhig nieder, wie einen Wolf, Büffel oder Bären. Ersterem stößt er jedoch sein Messer mit einer so wahrhaft teuflischen Freude in den Busen, als ob er fühlte, daß er die Menschheit von einem großen Mitverbrecher befreie. Viel trägt auch zu dieser entmenschten Wildheit bei, daß er die stärkste Nahrung, die es wohl geben kann, daß Fleisch des Bison, ohne Brod oder sonstiges Zubehör, Jahre lang genießt und so gewissermaßen zum Raubthier wird. Die Trappers kehren jedoch immer nach einem oder mehreren Jahren mindestens auf einige Wochen in den Schoß der Gesittung zurück, und zwar wenn sie eine hinreichende Anzahl von Biberfellen gesammelt haben. Gewöhnlich fällen sie einen hohlen Baum in der Nähe oder am Ufer eines schiffbaren Flusses, machen ihn wasserdicht, ziehen ihn in den Strom, packen ihre Felle und wenigen Habseligkeiten darein, und rudern Tausende von Meilen den Missouri, Arkansas oder Red-River hinab nach Saint Louis, Natchitoches oder Alexandria, wo sie in Thierhäuten auf den Straßen umherstarren, Erscheinungen, die den Fremden nicht selten in die Urwelt zurückversetzen.

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Dok-Nr. 187: „Der Oldenburgische Volksfreund“ No. 42 vom 25.05.1850

Kunstsinn in Nordamerika.

Die Kindheit, in welcher sich die weniger auf das praktische Leben sich beziehenden Wissenschaften und Künste bei uns befinden, hat man uns oft zum Vorwurf gemacht. Sie sind aber ebenfalls die Folgen jener Verhältnisse, die uns zu einem glücklichen Volke machen. Die Sucht nach Erwerb ist dem Menschen angeboren, und in einem Lande, wo es Jedem leicht wird, einen Wirkungskreis zu finden, wo er diese Sucht befriedigen kann, giebt es selbst unter der reichen Classe wenige, die, zufrieden mit dem gegenwärtigen Besitz, von ihren Renten leben, und ihre Zeit den schönen Künsten und abstracten Wissenschaften opfern. Der gebildete Europäer muß allerdings lachen, wenn er liest, daß ein Gouverneur von Connecticut einen Uhrmacher nach Italien sendet, um Gemälde für eine Staatsgallerie einzukaufen, wenn derselbe, dort angekommen, sich sehr wundert, daß die Leute oft für alte Bilder ungeheure Preise fordern, während die nagelneuen spottwohlfeil sind, wenn er natürlich auf diese grobe Art sich nicht betrügen läßt und nur die neuen kauft, wenn er ferner, als er die Gemälde verpackte, bemerkt, daß eine Madonna den nackten Jesusknaben in ihren Armen hält, über diese Unanständigkeit den Zorn der Damen seiner Vaterstadt fürchtet und schleunig dem unschuldigen Kinde Hosen und Schnürstiefeln malen läßt.

            (Zirkel.)

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Dok-Nr. 188: „Der Oldenburgische Volksfreund“ No. 50 vom 22.06.1850

Justiz in Californischen Goldminen.

(Von einem Oldenburger)

Zu den Dingen, die in den Minen mein Interesse besonders in Anspruch nahmen, gehörte die Rechtspflege, mit welcher ich mich schon am Tage nach meiner Ankunft bekannt zu machen bemüht war, weshalb ich den hier befindlichen Gerichtshof aufsuchte. Der Thron der blinden Gottheit war aufgeschlagen in einer Spiel- und Schnaps-Bude (bar-room of drinking and gambling-house), darinnen saß der Richter, gekleidet in alle Gravität seiner bewußten Würde – zur einen Hand den Schenktisch (Bar), zur andern einige Spielbänke für Monte, Roulett und Faro.

Nachdem der Richter ordnungsmäßig die Geschworenen ernannt hatte, wandte er sich in kräftiger Rede etwa folgendermaßen zu ihnen: „Ich gebe der Jury fünf Minuten vor gehöriger Verhandlung dieser Sache, mittlerweile kann die Jury einen Schluck nehmen“ (in the mean time the jury can take a drink).

Es mogten kaum zehn Minuten verflossen sein, als der Sheriff auf Befehl des Richters eine Handvoll Cigarren brachte und sie auf den Gerichtstisch legte, indem er bemerkte: „the jury can help themselves to cigars, and we will then proceed to business“ (die Geschworenen mögen sich selbst mit Cigarren bedienen und dann zum Geschäft).

Nachdem die Geschworenen ihre Cigarren angezündet, nahmen sie Platz, um den Rechtsfall anzuhören. Die Sitzung war eröffnet und Stillschweigen geboten, warum sich jedoch der Haufe wenig bekümmerte, sondern fortfuhr, um den Schanktisch herum zu rumooren (huddle), und Stimmen waren laut: „Ein Glas Branntwein“ (brandy strait), „einen Gin!“ (gin cocktail). Von einer andern Seite des Raumes ertönte plötzlich der Ruf: - „Seven in the red“ – (Sieben in Roth) heran, „Gentleman, nun ist es Zeit, Euer Glück zu machen.“ Der Richter rief den Sheriff, daß er Stille veranlasse, aber der Sheriff ist zu sehr am Montetisch beschäftigt, er kann nicht gehen, bis die Karte da ist, die entscheiden wird, ob er fünf Thaler gewonnen oder verloren hat.

Man fand es bald unmöglich, in solch tumultuarischer Confusion Gericht zu halten, und verschob deshalb die Verhandlung bis 4 Uhr Nachmittags. Richter, Advocate und Geschworene begaben sich an den Schenktisch, um noch einen zu nehmen (take a drink) und gingen dann auseinander, augenscheinlich wohl zufrieden mit dem Fortschritte, den sie in der Beleuchtung einer kitzlichen Rechtsfrage gemacht hatten. –

Einige Tage später besuchte ich abermals die obgedachte Gerichtshalle, wo ich es jetzt ruhiger fand und die Verhandlungen nur selten, z.B. durch Fordern von Schnaps und Ausrufungen an den Spieltischen gestört wurden, so daß innerhalb zwei Stunden zwei Untersuchungssachen abgemacht werden konnten. Die eine betraf einen Pferdediebstahl, welcher am vorigen Tage in diesen Minen begangen war, und weshalb man ein hier befindliches schon sehr übel berufenes Subject als Thäter in starkem Verdacht hatte. Nachdem der Damnifikat den Vorfall erzählt und eine Anzahl Zeugen namhaft gemacht hatte, die auf seinen Wunsch alle gegenwärtig waren, hörte der Richter diese ab, wobei sie fortwährend alle zugegen blieben und wandte sich alsdann zu den Geschworenen, die Sache zu berathen und ein Schuldig oder Nichtschuldig auszusprechen, im ersteren Falle aber auch zugleich ihre Ansicht hinsichtlich einer angemessenen Strafe abzugeben. Die Jury blieb ruhig auf ihrem Platze sitzen, fortwährend Cigarren schmauchend und besprach sich ganz vertraulich über die Zeugenaussagen und andere auf die Sache bezügliche Umstände. Nach etwa zwanzig Minuten war sie fertig und erkannte einstimmig ein Schuldig, in Betreff der Strafe wurden jedoch verschiedene Ansichten laut. Einige wollten Tod und zwar mittelst des Stranges durch Erhängen an einer Eiche, an welcher der Uebelthäter zum abscheulichen Exempel der ganzen Minengenossenschaft sollte hängen bleiben, bis er vom Zahne der Zeit oder doch von Geiern, Raben, Würmern und andern gefressen worden. Andere wollten aus dem Inquisiten einen zweiten Mazeppa machen und meinten es wäre ganz passend, den Mann im einfachen Naturkleide an einen wilden Hengst zu schnallen, diesem einige Kneipen an die Hinterbeine zu stecken, und alsdann den Centaur mit tüchtigen Ruthenhieben in die Wildniß zu peitschen. Diese Strafe wurde von Vielen als sehr sinnreich erkannt und würde wahrscheinlich vollstreckt worden sein, wäre nur der vom Richter gemachte Einwurf zu beseitigen gewesen, welcher fragte, ob denn aber ein zu bewußtem Vorhaben tauglicher Gaul zur Verfügung stände? Man wußte keinen und verwarf deshalb die Mazeppa-Vorstellung, obschon der junge Mann, welcher zuerst diesen Einfall vorbrachte, und ihn gar gerne hätte in Erfüllung gehen sehen, sich erbot, innerhalb drei Tagen einen wilden zweckdienlichen Renner einzufangen. Wo sollte man auch während der Zeit mit dem Uebelthäter bleiben? Schließlich kam man dahin überein, daß dem Inquisiten allerdings nicht das Leben, wohl aber, und da eine Beraubung der Freiheit den Umständen nach nicht wohl thunlich, Etliches von seinen Gliedmaßen zu nehmen sei. Aber was? darüber entstand ein Streit. Der eben gedachte junge Mann wollte dem Verbrecher die Hände abhauen, denn das seien die Organe, mittelst welcher die Uebelthat vollbracht worden. Andere wollten ihn der Nase berauben und bemerkten, der so Verschnittene sei auf ewig ein geschlagener Mann und würde in Ermangelung seines früheren Riechers fortan einem üblen Geruch schwerlich entgehen. Da faßte der Richter mit beiden Händen seine Ohrzipfel und fragte, was sie zu diesen Sinneswerkzeugen meinten. Das ging durch und das Urtheil lautete: N.N. ist des Diebstahls an Pferden für schuldig erkannt und wird deshalb mittelst eines Rasirmessers beider Ohren beraubt, alsdann mit zehn Hieben auf den nackten Rücken versehen und ihm der Aufenthalt in diesen Minen für jetzt und alle Zeit untersagt. Die zwei gestohlenen Pferde hat er herauszugeben oder deren Werth mit 1000 Dollar dem Eigenthümer zu erstatten, auch die sich auf 500 Dollar belaufenden Kosten zu zahlen.

Dem Verurtheilten, der allerdings zum Verhöre geladen, aber nicht erschienen war, und kaum hundert Schritte vom Gerichtshofe kampirte, wurde der Bescheid gleich nach beendeter Sitzung vom Sheriff überbracht, in dessen Begleitung sich vier handfeste Geschworne befanden, um ihr eben gesprochenes Judikat sofort zu verwirklichen.

            San Franzisko 1850, März 29.

J.R.

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Dok-Nr. 189: „Oldenburger Zeitung“ No. 51 vom 03.05.1851

Vermischtes.

Aus den Goldregionen Californiens. – Nevada City, 24. Jan. 1851. Ein Engländer mit Namen Divine mordete seine Frau unter Umständen von ungewöhnlicher Grausamkeit. Während ihres ganzen Aufenthalts in Georgetown hatte sie ihn und ihre Kinder durch ihren Fleiß unterhalten. Eines Morgens fragte er sie um Geld zum Spielen, sie aber sagte ihm, er sollte warten bis er nüchtern wäre. Da stürzte er durch das Zimmer nach einer Pistole doch sie kam ihm zuvor und warf dieselbe in einen Eimer mit Wasser. Hierauf sprang er auf die Straße hinaus, griff schnell einem Vorbeikommenden seine Büchse von der Schulter, kehrte dann zurück und schoß seine Frau durchs Herz. Es war Sonntag und die öffentlichen Versammlungsörter wie gewöhnlich, waren voll vom Minengräbern, welche unabänderlich den Feiertag im Städtchen zubringen. Der Knall von einer Büchse auf der Straße war nichts Ungewöhnliches, doch die Schreckensgeschichte flog wie nur allein das Gerücht fliegen kann, und in 5 Minuten war das Haus voller Menschen. In einem solchen Land wie unseres und unter Umständen wie diese pflegen die Menschen lieber zu handeln als zu sprechen. Ein benachbartes „Rundzelt“ (unsere Spielhäuser werden oft wegen ihrer Größe in Gerichtsstuben umgewandelt) ward zum Schauplatz des Verhörs ausgewählt. Der Gefangene ward hineingeführt, und darauf brachten einige andere, ehe noch ein Wort gesprochen war, die Leiche der Frau herein, grade so wie sie gefallen, mit dem dunklen Blut, das ihr aus der Brust noch floß. Sie ward sacht auf einen großen Tische gelegt, nahe bei ihrem Mann. Dieser Anblick stachelte das Volk bis zum Wahnsinn. Niemand dachte daran Worte zu verlieren beim Verhör. Der Gefangene ward ergriffen und nach einer kleinen Anhöhe, die den Flecken überschaut, fortgerissen, wo ein Strick bedeutsam von einem Baume schwenkte. Grade in diesem Augenblick versuchte ein Mann von großem Einfluß bei den Leuten in jener Gegend, ihr Vorhaben aufzuhalten, bis eine Mordschau bei der Leiche angestellt und ein kurzes Verhör, aber doch ein Verhör abgehalten worden nach ihrem Verdict. Mit großer Schwierigkeit gelang ihm dies, doch unter der Bedingung, daß beides, Schau und Verhör, an dem Tage geschehen sollten, und da der Leichenschauer zu Koluma war, ward die Zeit spätestens auf 4 Uhr angesetzt. Es ward ein Expresser nach Koluma geschickt, und, um Zeit zu sparen, ein Geschwornengericht verzeichnet, um sofort nach seiner Ankunft zu handeln. Die Geschwornen saßen bei einander im Zelt neben dem Gefangenen und der Leiche. Der Volkshaufe wartete draußen, war aber nicht unbeschäftigt. Ein tiefes Grab ward gegraben unten an dem Baum und alles feierliche Begräbnißgeräth zurecht gemacht. Als es gegen 4 Uhr ging, ward das Stillschweigen des Haufens unterbrochen von starkem Zischen und rauhem Gemurmel. Büchsen, Pistolen und Bowie-Knifes ließen sich frei und ungenirt sehen. Dies entging dem Blick der Geschwornen nicht, welche natürlicherweise anfingen für ihre eigene Sicherheit zu fürchten. Endlich als die Sonne schon tief im Westen stand, konnte der Haufe nicht länger warten, er zerriß die Seiten des Zelts und stürzte hinein, noch zeitig genug, um den Letzten der Geschwornen durch einen Hintergang entwischen zu sehen. Ohne ein Wort zu sagen, gingen sie an ihre Arbeit. An der Spitze der Prozession schritt der Mörder nach seinem Galgen zu, und die Leiche seiner Frau ward getragen dicht hinter ihm. Die Kinder, dem Himmel sei Dank! waren nicht zugegen, doch wurden sie selbst bei dieser schauerlich ernsten Scene nicht vergessen. Eine kleine Büchse, worauf geschrieben war „Für die Waisen“, ward an den Baum genagelt und manche Unze Gold hineingeworfen aus den Beuteln derer, welche dem Vater das Todesgeleit gaben. Die Leiche der ermordeten Frau ward in die breite Gruft gesenkt, und gerade während der verruchte Mann mit starrem Auge danach sah und auf jene leere, aber bedeutungsvolle Büchse neben ihm, schnürte sich plötzlich der Strick um seinen Hals, und er baumelte in der Luft. Der Volkshaufe saß auf der Höhe und beobachtete ihn mit ernstem Blick. Nach einer halben Stunde ward er heruntergeschnitten und in das Grab gelegt an der Seite seiner Frau. In 5 Minuten war Georgetown so still wie jenes einsame Grab auf der Höhe. Kein Mensch war zu sehen in den Straßen, und niemand mehr wußte etwas von jenem gesetzlosen Haufen. Am Abend langte der Mordschauer an, und als er die Geschichte gehört, lud er seine Jury auf den kommenden Morgen vor. Mit Sonnenaufgang kamen sie auf der Höhe zusammen und standen um das ungefüllte Grab, während das Ende von dem abgeschnittenen Seil über ihren Köpfen schwebte. Nachdem sie einige Worte mit einander gewechselt und ein Zettelchen auf eine jede der beiden Leichen gelegt hatten, schaufelten sie das Grab mit Erde zu. Auf einem der Zettelchen stand geschrieben „Ermordet von – Divine, ihrem Gemahl“, und auf dem andern „Gestorben dem Willen Gottes und menschlicher Gerechtigkeit gemäß“.

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Dok-Nr. 190: „Oldenburger Zeitung“ No. 142 vom 11.09.1853

Amerika. […]

In Toulumne County (Californien) sind die Gebirgsindianer, die schon seit längerer Zeit Leben und Eigenthum unsicher machten, neuerdings so mächtig geworden, daß die Bürger eine Freiwilligen-Compagnie gegen sie gebildet haben. Mit der ersten Expedition dieses Corps gelang es, die Wilden ins Gebirge zurückzubringen, von wo sie aber wohl wieder herabsteigen werden, sobald sich der erste Schrecken verloren und der Hunger bei ihnen eingestellt hat. Gefährlicher als die Rothhäute sind die Gentlemen von der „rothen Hand“ im Süden Californiens. Dort hat sich aus dem Abschaum der Civilisation von allen Enden der Erde eine Bande von Desperados gebildet, welche Straßenraub, Einbruch und Diebstahl im größten Maßstabe und mit allen Raffinement Pariser, Londoner und Berliner Spitzbuben treiben. Los Angelos County namentlich verhält sich in dieser Beziehung zu Nordcalifornien wie sich früher Texas zu den älteren Staaten verhielt. Es ist der Sammelplatz und die feste Burg aller Mörder und Diebe. Leider giebt es bei den dortigen Zuständen nur Einen wirksamen Helfer: Richter Lynch, dessen Codex die Bürger auch wieder fleißig in Anwendung bringen. […]

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Dok-Nr. 191: „Oldenburger Zeitung“ No. 188 vom 28.11.1854

Vermischtes.

Diesen Sommer wurden im Territorium Kanzas an einer Stelle, die geographisch nicht näher bezeichnet ist, 320 Acker Land zur Anlage einer Stadt bestimmt, welche Leavenworth genannt wurde. Man hatte die Fläche vom urwäldlichen Unterholz zu säubern, - eine Arbeit welche, erst gegen den Herbst hin vollendet ward. Aber schon kam in Newyork die erste Nummer des in Leavenworth erscheinenden „Kanzas Weekly Herald“ an, welche die Einwohnerzahl des Ortes folgender Maßen angiebt: 99 Männer, 1 Frau und 0 Kinder, zusammen 100!! Ueber seine eigenen Verhältnisse sagt der Herausgeber: „Die vorliegende Nummer des Herald ist in der Stadt Leavenworth unter einem Ulmenbaum gesetzt worden. Wir selbst und unsere Setzer haben in den letzten zwei Wochen, wie vor Alters die Patriarchen in Zelten gehaust. Während dieser Zeit hatten wir alle möglichen Arten von Wetter: Hitze und Kälte, Regen und glühenden Sonnenschein, dichte Nebel und heftige Gewitter. Außer allen unseren Arbeiten und Mühseligkeiten haben wir noch Holz geschichtet, Feuer angemacht, gekocht, uns mit Moskitos herumgeplagt und Nachts auf frischem Prairieheu geschlafen. Gleichzeitig hatten wir den Bau unserer Officin zu beaufsichtigen, die nun beinahe vollendet ist, und unser Bestes gethan, um die Schaaren von Besuchern, die in unsere junge Stadt strömten, zurechtzuweisen. Unsere Artikel haben wir auf dem nackten Boden sitzend geschrieben. Eine Schindel, die auf unseren Knien lag, diente uns als Pult. Uebrigens haben wir bereits eine Dampfsägemühle, eine Druckerei, mehre Verkaufsläden, ein großes Hotel, ein Boardinghaus, Waarenniederlagen und eine Anzahl von Wohnhäusern sind im Bau begriffen, so daß es beim Schluß der Flußschifffahrt in diesem Jahr schon hübsch städtisch hier aussehen wird.“

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Dok-Nr. 192: „Oldenburger Zeitung“ No. 45 vom 20.03.1855

Amerika. Californien […] [Voriges siehe Dok-Nr. 137]

Der verflossene Januar war in Californien ganz besonders ergiebig an Verbrechen aller Art, und an manchen Orten wurde das Lynch-Gesetz wieder gehandhabt. Neun Kerle wurden von der Volks-Justiz gerichtet, und zwar mit Ausnahme dreier wegen Mordthaten. Zu Los Angelos trug sich Folgendes zu: Ein Amerikaner, Namens Brown, wurde von der Jury des Mordes für schuldig befunden und zum Tode verurtheilt, und er sollte an demselben Tage mit einem Californier gehängt werden, der auch wegen Mordes am Galgen büßen sollte. Der Zufall wollte, daß das höchste Gericht wegen eines Formfehlers das Urtheil gegen Brown cassirte. Es herrschte aber eine solche Erbitterung gegen diesen, daß das Volk das Gefängnis erstürmte, den Verbrecher herausholte und aufhängte. Ein lustiger Vorfall dabei ist, daß der Mayor des Ortes, nachdem er in seiner officiellen Eigenschaft die Hinrichtung des Californiers geleitet, seine Stelle niederlegte, um als Privatmann und freier Bürger an den Lynchjustiz Theil nehmen zu können. Die Stadt war leider so lange der Schauplatz von Missethaten aller Art, daß man es für nöthig fand, ein Exempel zu statuiren. Auch zu San Francisco waren Verbrechen der scheußlichsten Art alltägliche Vorkommnisse. In einem Monat wurden fünf Mordthaten und dreißig schwere Verbrechen gegen das Eigenthum verübt.

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Dok-Nr. 193: „Oldenburger Zeitung“ No. 162 vom 14.10.1855

Vermischtes.

Zur Charakteristik californischer Zustände mögen folgende Auszüge aus einer Corespondenz von San Francisco dienen: Nichts ist bei uns leichter, als Zahlungen einzustellen. Wir sind höchst gemüthliche Gläubiger und erlauben unseren Schuldnern, sich zu „reinigen“, wie und wann es ihnen am bequemsten scheint. In einem Insolvenzfalle betrug das Sollen 30.000 Doll. – Haben: einen fälligen Wechsel im Betrage von 170 Doll. Der Gerichtshof erklärte die Zahlungsfähigkeit für „zweifelhaft“. Ein Localblatt erzählt einen noch ergötzlicheren Fall, in welchem als Activa bezeichnet wurden: „Ein Rasirtöpfchen, eine Schuhbürste und noch mehre Habseligkeiten von geringerm Werth“. Der Richter gab jedoch dem Insolventen kein schlechtes Zeugniß, weil er es „nicht so genau nehmen wollte“, und in vielen Fallen ist der Bankerott-Proceß erledigt, bevor die Gläubiger eine Ahnung davon haben, daß der Schuldner das Gesetz angerufen hat. In den letzten 6 Monaten meldeten sich über 800 Insolventen und alle gingen frei aus. Bei alledem dehnt sich das Creditsystem aus. Auswärtiges Kapital ist im Ueberfluß vorhanden, und viel davon liegt müßig. – Anderer Art sind die sogenannten „difficulties“. Ein Franzose Briant schuldet z.B. einem gewissen Ritter eine Summe Geldes, die er nicht zahlen kann und will. Ritter hat ein Pfand von ihm in Händen und will es verkaufen. Darauf begiebt sich Briant eines Nachmittags um 3 Uhr mit einem Mantelsack unter dem Arm und einer brennenden Cigarre im Munde in Ritter’s Comptoir, wo sich noch ein paar Makler und ein Commis befanden, und überreicht dem Letztern einen Zettel mit der Anzeige, daß das Haus binnen 5 Minuten in die Luft springen werde; es solle sich retten und die andere Insassen warnen. Man sich denken, wie hastig der Bursche hinausstürzte; aber kaum auf der Treppe angekommen, hörte er schon den Krach. Briant nämlich war, sobald der Bursch die Thüre hinter sich hatte, gelassen auf die zwei Makler zugegangen, mit der Erklärung, er müsse sie in die Luft sprengen. Sie hielten’s für einen schlechten Witz und blieben ruhig sitzen, aber Briant steckte das glimmende Ende seiner Cigarre in den Mantelsack, der einige Pfund Schießpulver enthielt, und diese neue Art Bombe ermangelte nicht, das Ihrige zu thun. Ritter kam mit dem Schrecken davon, die beiden Makler und Briant selbst kamen mit verbrannten Gesichtern und Gliedern ins Spital und befinden sich auf dem Wege der Besserung. Fenster und Thüren wurden zerschmissen, die Mauern selbst bekamen Risse und es ist ein Wunder, daß Niemand getödtet ward.. Am andern Tage sprach man von dieser neuen Methode der Pfandauslösung als einem originellen Streich, und wenn Briant einen leidlichen Advokaten miethet, so wird ihm die Geschworenenbank kein Haar krümmen; Ritter aber wird als ein Shylock der Zweite in den Localblätter geschildert werden. In San Francisco selbst ist in letzter Zeit „wenig geschossen worden“, darauf hat es auf dem Lande recht interessante und anregende „Difficulties“ gegeben. Eine Zeitungscorrespondenz über das „brillante Alltagsleben in Mariposa County“ erzählt, „daß der Sheriff der Grafschaft, als er gestern Abend zwei mexikanische Gefangene von Bear Valley nach Meriposa geleitete, von denselben angefallen ward, worauf er, um ihre Flucht zu hindern, den einen erschoß und den andern aufhing. Er selbst erhielt dabei lebensgefährliche Wunden.“ Von demselben Sheriff erzählte man vor einiger Zeit, daß er nach Stockton reiste, um sich zu verheirathen, auf dieser Fahrt jedoch einen kleinen Umweg machte, um sich auf Büchsen zu duelliren, und nach ausgefochtenem Zweikampf die Reise fortsetzte und seine Geliebte richtig zum Altar führte. Charakteristisch ist die Ueberschrift einer Correspondenz in einem Calaveras-Blatt: „Mexikanische Messe – nur (!) 2 Mann getödtet, mehre Andere verwundet. Veranlassung, eine flatterhafte Schöne.“ Das sind jedoch Kleinigkeiten im Vergleich mit der großen Operation, die am 6.August in den Bergbau-Bezirken stattgefunden hat. Ein Haufe des Raubes verdächtiger Mexikaner sollte in Drytown verhaftet werden, setzte sich gegen die Constabler zur Wehre, wobei von einer Seite 12, von der anderen 50 Schüsse fielen und Mehre verwundet wurden, floh dann nach dem Städtchen Rancheria und richtete unter den Einwohnern ein Blutbad an. Die ganze Umgegend gerieth in Alarm und stellte eine Treibjagd auf alle Mexikaner an, deren man habhaft werden konnte. Etwa 36 wurden verhaftet, und das Volk wünschte sie alle zu hängen, aber, heißt es, „Dank den Anstrengungen mehrer Gentlemen, wurden 12 Geschworne aus der Masse gewählt, 3 Mexikaner schuldig gesprochen und nach einer Frist von einer halben Stunde behufs ihrer Vorbereitung zum Tode an demselben Baum aufgeknüpft, in dessen Schatten das Gericht über sie gehalten worden war.“ […] Nach einem Bericht waren die drei gehenkten Mexikaner vollkommen unschuldig, und manche mexikanische Bande hat amerikanische und englische Anführer. Richter Lynch hält indeß seinen Umzug, und täglich fallen einige Opfer. Vom Aufgebot irgend einer regulären Macht oder dem Einschreiten irgend einer Civilbehörde ist keine Rede, in der That fehlt es an aller Organisation dazu. Die Presse von San Francisco hat von dem Uebelstand oft Notiz genommen und sehr vernünftige Artikel geschrieben, aber sie gehen spurlos vorüber, und die gräulichsten Vorfälle werden im Strudel der Geschäfte bald vergessen.

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Dok-Nr. 194: „Oldenburger Zeitung“ No. 175 vom 08.11.1855

Amerika. – Newyork, 17.October. In dieser tugendhaften Republik ist leider die officielle Corruption in einem so hohen Grade allgemein, daß sie als eine selbstbestehende Institution betrachtet werden muß. Wer hier, gleichviel in welchem Amte, dem Volke seine Dienste widmet, der hält es für seine allererste Pflicht, sich für seine Mühwaltung schadlos zu halten. die Corruption macht sich in einer Weise breit, die dem unerfahrenen Neuling empörend erscheint, dem der Verhältnisse Kundigen aber als etwas Natürliches. Von den Stellen, welche die Bundesregierung zu vergeben hat, sind manche ganz außerordentlich ergiebige Goldgruben. Das Amt eines Hafencollectors hier in Newyork z.B. kann unter Umständen doppelt so viel (50.000 Doll.) jährlich eintragen, als das des Präsidenten; selbst in den Händen des Ungeschicktesten aber mindestens ebenso viel. Die hiesige Postmeisterstelle trägt mindestens 20 bis 30.000 Doll. ein. Da alle solche Beamten mit sehr wenigen Ausnahmen immer nur während eines Präsidentschafts-Termines in ihren Stellen belassen werden, so halten sie es um so mehr für ihre Pflicht, in diesen 4 Jahren keine Gelegenheit unbenutzt vorübergehen zu lassen, um nachher mit einem soliden Vermögen vom Schauplatze ihrer Thätigkeit abtreten zu können. – […] In einzelnen Verwaltungszweigen wo zu „Sporteln“ und „Accedentien“ keine Gelegenheit gegeben ist, helfen sich die Beamten nicht selten durch directe „kühne Griffe“ vorwärts. So schwebt gegen den jetzigen Gouverneur des Staats New-Jersey, Price, der früher Marinezahlmeister war, ein Proceß auf Ersetzung eines Kassendefects von 70.000 Doll., und vor kurzem ist in Californien der Armee-Quartiermeister Folson, den man allgemein für einen Millionär hielt, mit Hinterlassung eines Kassendefects von 200.000 Doll. gestorben. Die Dieberei erstreckt sich bis in die niedrigsten Beamtenkreise herab. Was sagen Sie z.B. dazu, daß seit Anfang d.J. mehr als 40 Postbeamte der systematischen Entwendung von Geldbriefen angeklagt resp. überführt worden sind ! (N.-Z.)

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Dok-Nr. 195: „Oldenburger Zeitung“ No. 126 vom 10.08.1856

Vermischtes.

- Wie man in Amerika einen Redacteur empfiehlt, bringt folgende liebenswürdige Ankündigung im „American Banner“, einer im Mississippi erscheinenden, dem Herrn Herriet Prevet gehörigen Zeitung: „Wir haben das Vergnügen, den Lesern des „American Banner“ anzuzeigen, daß Hr. John T. Smith, ein tüchtiger Schriftsteller und eifriger Amerikaner, der seit 14 Jahren mit der Presse von Mississippi in Verbindung steht, die politische Abtheilung unseres Blattes während der Präsidentenwahl redigiren wird. Hr.Smith hat, obwohl er ein bemerkenswerth höflicher und liebenswürdiger Gentleman ist, bereits fünf Duelle gehabt und in jedem derselben seinen Gegner getödtet. Er bringt zur Wahlzeit nebst einem allgemeinen Vorrath politischer Kenntnisse und seinem Eifer für die Sache noch zwei Bowiemesser, eine von Sharpe’s Büchsen, zwei sechsläufige Pistolen und verschiedene Stöcke und Knittel mit, von einem Paar eiserner Fäuste gar nicht zu reden. Wir erbitten uns bei den Journalisten eine herzliche Aufnahme für Herrn Smith. – Nachschrift. Herr Smith bringt einen wilden Backenbart und einen diabolischen Schnurrbart mit in den Dienst, die in den Reihen der Gegner Schrecken verursachen werden. Er ist noch nicht angelangt, doch kann Jeder sein Daguerreotyp bei uns sehen. NB. Herausforderungen werden von 9 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags angenommen.“

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Dok-Nr. 196: „Oldenburger Zeitung“ No. 141 vom 08.09.1857

Vermischtes.

- In Texas sieht es mit der Justizpflege noch schlimm aus. Dort muß die Volksjustiz gelegentlich dem Brodneid und der Habgier als Vorwand dienen. In einem Gränzbezirk fand man dort an zwei Bäumen resp. 12 und 5 Leichen hängen, und es ist leider nur zu viel Grund zu der Meinung vorhanden, daß von den solchergestalt Ermordeten (meistens arme mexicanische Fuhrleute) manche kein anderes Verbrechen begangen hatten, als daß sie die Fracht von der Küste nach dem Innern zu wohlfeilern Preisen als ihre amerikanischen Concurrenten transportirten. Ebenfalls in Texas ist vor vier Wochen ein Seitenstück zu der Ermordung des Schullehrers Butler in Louisville aufgeführt worden. Ein junger Dorfschullehrer wagte es, einem zwölfjährigen Rangen, der bereits den Mädchen in der Schule große Schmach anthat, einige Ruthenstreiche zu versetzen. Dafür stürmte der Vater des Buben sammt vier erwachsenen Söhnen in das Schulzimmer, und zerfleischte den unglücklichen jungen Mann förmlich mit Dolchstichen. Das Gericht legte dem ruchlosen Mörder nur die Bestellung einer Bürgschaft von 4000 Doll. auf. Will er diese Summe verwirken, so kann er ganz frei ausgehen. Schulmeisterleben sind sehr wohlfeil in den südlichen Sklavenstaaten! Hat es doch zu seiner Zeit der Richmonder „Enquirer“, eines der Hauptorgane der angeblich „gemäßigten“ Buchananschen Prosklavereifraction, laut und prahlend verkündet, daß es keine Sünde, sondern umgekehrt ein Verdienst sei, einen „vermaledeiten abolitionistischen Yankee-Schulmeister umzubringen.“

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Dok-Nr. 197: „Oldenburger Zeitung“ No. 97 vom 22.06.1858

Vermischtes.

- Newyork. Für unsere Congreßdeputirten fallen außer dem Gehalt und den Reisespesen noch manche Sporteln ab. Es ist nicht uninteressant, aus der Kostenrechnung des letzten Congresses zu ersehen, wie außerordentlich elastisch hier der Begriff der Bureau- und Kanzleikosten aufgefaßt wird. Da findet man unter Anderm ad usum der Nationalvertreter verrechnet: 4479 Stück Messer 6829 Dollars, Scheeren für 669 D., Patent-Bleifedern für 600 D., Toilettkästchen für 645 D., Riechkissen für 121 D., Cigarrenetuis für 97 D., Damenpompadours für 242 D., Schreibmappen für 1997 D., Albums mit Bildern für 232 D., Schnupftabak für 24 D., Visitenkartenetuis für 177 D., englische Reisenecessaires für 155 D., Tintefässer für 1606 D., Damenschreibzeuge für 288 D., Damenportemonnaies für 347 D., Perlmutter-Notiztäfelchen für Damen für 247 D., Damennecessaires für 101 D. u.s.w. Hätte man das wohl von unserer faustboxenden, Knüppel regierenden, Dolche schwingenden, Pistolen spannenden Demokratie glauben sollen, daß sie so enorme Massen eleganter Galanteriewaaren consumirt? – Versteht sich unter der Voraussetzung das Uncle Sam (United States) Alles bezahlt.

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Dok-Nr. 198: „Oldenburger Zeitung“ No. 49 vom 29.03.1859

Die Literatur in Nordamerika.

Im Jahr 1855 veröffentlichte die Buchhandlung Trübner & Comp. in London unter dem Titel: Trübner’s Biographical Guide to American Literatur in einem dünnen Buche von nicht mehr als 140 Seiten den ersten Versuch einer Bibliographie der anglo-amerikanischen Originalliteratur. Seit einiger Zeit liegt die zweite Auflage dieses Werkes vor und aus dem unscheinbaren Bändchen ist ein staatliches Buch von 700 Seiten geworden.

Das erste in den Verein.Staaten gedruckte Buch war das Bay Psalm Book; von seinem Erscheinen ab, im Jahr 1640, entwickelte sich in Amerika nach und nach eine merkliche literarische Thätigkeit, die indessen, wenigstens in den ersten hundert Jahren, noch kein bestimmtes nationales Gepräge trug. Erst mit der politischen Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten beginnt auch für die nationale Literatur eine neue Aera, und jetzt, nach Verlauf von weniger als einem Jahrhundert sehen wir bereits das Bild einer reichen, vielgestaltigen und selbstständigen anglo-amerikanischen Literatur vor uns. Die letzten 40 Jahre haben in der That in den Verein.Staaten das Schauspiel einer Literaturentfaltung und Entwickelung des literarischen Verkehrs gezeigt, wie es in gleichem Maße wohl nie und bei keiner Nation gesehen worden ist, das aber eben nur mit der Entwickelung jener Staaten in andern Beziehungen im vollkommenen Einklang steht.

Wir geben einige statistische Notizen über die beispiellose Ausdehnung, welche der Bücherverkehr in den Verein.Staaten angenommen hat, und welche die sonst immer als etwas ganz Außerordentliches dargestellten ähnlichen Verhältnisse in England weit in den Schatten stellen.

Im Jahre 1853 gab es in den Vereinigten Staaten 355 Verlagsbuchhandlungen; ihre Zahl wird jetzt auf etwas über 400 gestiegen sein. […] Für 1853 wurde ihr Gesammtumsatz auf 2 Millionen Dollars geschätzt. Daß diese Zahlen keines wegs übertrieben sind, sieht man leicht, wenn man den Absatz einzelner Bücher vergleicht. Derselbe ist namentlich für Schulbücher ein ganz enormer, was sich hauptsächlich daraus erklärt, daß einzelne Bücher durch die ganze Union in den Schulen eingeführt sind. […] Diese Zahlenangaben, die auf authentischen Mittheilungen beruhen, ließen sich noch um ein Beträchtliches vermehren, wenn wir namentlich noch Zeitungen und Zeitschriften in Betracht ziehen wollten; die angeführten wenigen genügen aber schon vollkommen, um die Thatsache festzustellen, daß der Bücherumsatz in der Vereinigten Staaten eine erstaunliche Höhe erreicht hat, und den in den älteren Culturländern Europas kaum mehr nachstehen dürfte.

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Dok-Nr. 199: „Oldenburger Zeitung“ No. 64 vom 26.04.1859

Amerika. – Newyork, 7.April […]

Der „Nationalztg.“ wird aus Newyork geschrieben: In manchen einzelnen Wochen geht es hier im Mordgeschäft ziemlich lebhaft zu, wie nur etwa in London vor 50 oder 100 Jahren. Von Mittwoch den 30.März einschließlich sind hier in der Stadt Newyork nicht weniger als 16 Morde, Todtschläge oder Verwundungen durch Stich- und Schußwaffen weggekommen – macht jeden Tag im Durchschnitt zwei. Das ist freilich viel, indessen, wenn wir die Einwohnerzahl der Stadt in runder Summe auf 700.000 Seelen rechnen, bleiben doch noch immer 699.984 übrig, die in dieser Woche nicht ermordet, nicht erschlagen und nicht verwundet worden sind. So sehr lebensgefährlich ist es also immerhin nicht.

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Dok-Nr. 200: „Oldenburger Zeitung“ No. 190 vom 16.08.1865

Eine Mörderin vor amerikanischen Geschworenen.

Es ist eine bekannte Erfahrung, daß während eines Krieges die Verbrechen sich mindern, aber unmittelbar nach dem Abschlusse desselben in erschreckender Weise zunehmen. Das zeigt sich auch gegenwärtig in Amerika, und die dortigen Zeitungen enthalten haarsträubende Schilderungen von den vielen jetzt vorkommenden Schandthaten. Ein Criminalfall, der dort im vorigen Monat das Publikum in besonderer Spannung erhielt, war folgender:

Eine gewisse Mary Smith, eine Putzmamsell, 26 Jahre alt und leidlich hübsch (diese letztere Eigenschaft ist Verbrecherinnen, die das öffentliche Interesse erregen wollen, unentbehrlich) hatte mehrere Jahre in Iowa eine Liebschaft mit einem jungen Manne, Namens Burroughs, gehabt und zwar in allen Ehren, wie sie behauptet, denn die Zumuthung, sich als ein Opfer der Verführung zu bezeichnen, hat sie entschieden zurückgewiesen. Sie betrachtete sich lediglich als die Braut Burroughs, obschon dieser nie bis zum unzweideutigen Eheversprechen gelangt zu sein scheint. Verhältnisse brachten die beiden jungen Leute auseinander, Burroughs diente eine Zeit lang in der Armee, die Harris [oder Smith?] zog nach Chicago zu einer putzmachenden Schwester. Burroughs suchte nach seiner Rückkehr die ihm gleichgültig gewordene „alte Flamme“ nicht wieder auf, verheirathete sich nach einiger Zeit mit einem jungen Mädchen aus anständiger Familie und zog nach Washington, wo er eine Anstellung in einem Ministerialbureau erhielt. Nachdem er dort mehrere Monate ruhig und zufrieden mit seiner jungen Frau gelebt, trat ihm eines Tages, als er aus seinem Bureau zum Mittagstische gehen wollte, ein schwarzverschleiertes Weib entgegen, erhob einen Revolver und streckte ihn mit zwei Schüssen todt zu Boden. Die Mörderin war die Harris, die ihren Grimm über ihr Sitzenbleiben seit Jahr und Tag bei sich genährt hatte, um ihm endlich auf so schreckliche Weise Befriedigung zu verschaffen.

Die Thatsachen des Verbrechens waren, wie man sieht, die einfachsten von der Welt. Der Mord war mit kaltem Vorbedacht am hellen Tage vor mehreren Zeugen erfolgt und zum Ueberfluß leugnete auch die Mörderin die That gar nicht ab. Mildernde Umstände bestanden keine, da eine stattgehabte Verführung, die allein als Milderung der Schuld hätte angesehen werden können, von der Mörderin entschieden in Abrede gestellt ward. Dagegen war der Umstand, daß die Harris eine Reise von 1000 Meilen zu dem einzigen Zwecke der Tödtung des Burroughs unternommen hatte, sicherlich kein mildernder, sondern umgekehrt ein die Schuld erschwerender, denn er bewies, daß das Verbrechen nach reiflichster Ueberlegung und vorgefaßtem Plane keineswegs in der leidenschaftlichen Erregung des Augenblicks begangen worden war.

Trotz alledem wurde nach wochenlangen Verhandlungen, während welcher die Vertheidigung mit Hülfe ehr- und gewissenloser Aerzte den Begriff „momentaner Wahnsinns-Impuls“ zu schaffen suchte und der Gerichtspräsident auf die frechste Weise für die Angeklagte Partei nahm, die Mörderin von der Jury nach weniger als viertelstündiger Berathung gänzlich freigesprochen. Der Galleriepöbel – darunter auch sehr feingekleideter – jauchzte und brüllte den „Verschworenen“ und dem Richter Beifall zu, der Vertheidiger umarmte und küßte coram publico die hübsche „Unschuldige“ und trug sie, die anstandshalber in Ohnmacht fiel, in seinen Armen, wie die liebende Mutter ihr Kind, aus dem Gerichtssaal.

Die anständige Presse aller Parteifarben giebt ihrer Entrüstung über eine so himmelschreiende Prostitution der Gerechtigkeit energischen Ausdruck. „Früher hieß es“, schreibt eine hiesige Zeitung, „daß der Neger keine Rechte habe, welche ein Weißer zu achten brauche. Wir haben einen vierjährigen Krieg durchgemacht, um ihm solche Rechte zu geben. Soll nun erklärt werden, daß der Mann keine Rechte hat, die das Weib zu achten braucht? Zugegeben, daß wir Männer die gröbere, schlechtere und nebenbei auch die numerisch schwächere Hälfte des Menschengeschlechts sind; - soll aber daraus gefolgert werden, daß unser Leben ohne Gnade jedem Frauenzimmer preisgegeben ist, welches sich einbildet, daß wir es von Rechts wegen lieben sollten?“ Eine andere Zeitung frägt voll Bitterkeit: „Wenn die Liebschaft durch die Harris rückgängig gemacht worden wäre, wenn die Harris geheirathet hätte und dann von Burroughs erschossen worden wäre, würde irgend eine Jury diesen freigesprochen haben? Und wenn nicht, was beweißt es anderes, als daß entweder dem Weibe eine Stellung über dem Gesetze eingeräumt, oder daß die sittliche Zurechnungsfähigkeit desselben geläugnet wird?“ – Die Moral, welche der Herald aus dem Vorfalle zieht, ist, daß die Regierung im höchsten Grade thöricht handeln würde, wenn sie Jefferson Davis*] vor eine Washingtoner Jury stellen wollte. Denn eine so corrupte öffentliche Meinung, wie sie sich in der Freisprechung der Harris documentire, müsse jeden politischen Prozeß zu einer elenden Farce machen. – Die freigesprochene Mörderin ist im Triumphe nach Chicago zurückgereist und es wird – eine Geldsammlung zu ihrem Besten veranstaltet. An die unglückliche Wittwe des Ermordeten und das Kind, welches sie unter dem Herzen trägt, denkt Niemand.

[*ehemaliger Präsident der conföderierten Staaten]

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Dok-Nr. 201: „Oldenburger Zeitung“ No. 165 vom 18.07.1867

Der Nachdruck in Nordamerika.

Der Begriff des geistigen Eigenthums ist juristisch sehr schwer festzustellen und zu begründen. Aus den positiven Rechtssätzen, die in allen übrigen Gebieten des Lebens herrschen, läßt er sich nicht entwickeln, und das sog. Naturrecht hat es nicht vermocht, eine allgemein befriedigende Erklärung aufzufinden. Geschichtlich ist es ziemlich neuen Ursprungs. […]

Später noch, als man innerhalb der einzelnen Staaten den Nachdruck verbot, kam man dazu, durch Verträge den heimischen Verlag vor fremdem Nachdruck zu schützen. Die Hauptstaaten Europas haben derartige Verträge nach dem Grundsatze der Gegenseitigkeit abgeschlossen und selbst das Uebersetzungsrecht von der Zustimmung des Schriftstellers abhängig gemacht, wenigstens unter gewissen Voraussetzungen. Nur Nordamerika hat, wenn nicht durch seine Regierung, so doch durch seinen gesetzgebenden Körper, sich stets gegen solche Verträge gewehrt und ist darum nach Außen hin ein Land des freiesten Nachdrucks. Das junge, nach dem Erwerbe strebende Volk nimmt sich wohl die Zeit zu lesen und sich zu unterrichten, aber nicht, Bücher zu schreiben. Die wenigen amerikanischen Schriftsteller genügen dem Bedürfnisse des dortigen Lesepublikums nicht, die meisten Bücher, der Hauptinhalt der Zeitschriften wird von außen eingeführt, von England und immer mehr auch von Deutschland. Aber die Nordamerikaner halten es für überflüssig, die theuren Preise von England und Deutschland zu bezahlen. So wie ein Buch, eine größerer Artikel, von dem in Amerika Erfolg zu erwarten ist, an den Tag kommt, macht sich auch ein amerikanischer Verlager daran, sie nachzudrucken, und schon mancher Verleger in Europa hat sich über seinen transatlantischen Collegen und deren „Räuberei“ bitter geärgert.

Wer das Verlagsrecht für ein völkerrechtliches Ur- und Naturrecht hält, mag in jenem Verfahren allerdings lauter Diebeswesen sehen, anders stellt sich die Sache aber, wenn man nur von Zweckmäßigkeitsgründen ausgeht. Durch einen Zufall begegnen sich auf unserem Tische zwei Schriftchen aus Nordamerika, welche beide die Freiheit des Nachdrucks für ihre Heimath vertheidigen. Die eine ist von Carey, dem bekannten Nationalökonomen, die ander von  C.Steiger, einem bedeutenden deutschen Buchhändler in Newyork*). Beide entwickeln (unter Anderem) den segensreichen Einfluß, welchen der Nachdruck auf die geistige Kultur der Amerikaner ausgeübt hat, und es läßt sich nicht läugnen, daß sie ihre Sache sehr gut führen. Lassen wir Carey, der vorzugsweise die englisch geschriebene Literatur ins Auge faßt, und wenden wir uns dem zu, was Steiger über die Wirkungen des Nachdrucks auf die Zustände der Deutschen in Amerika beibringt. „Der Nachdruck“, heißt es in einem mitgetheilte Briefe des angesehenen Literaten H. Raster, „der deutsche Nachdruck in Amerika schafft einen Markt für die Erzeugnisse deutschen Geistes, wo vorher keiner existirte und ohne den Nachdruck nie einer entstanden sein würde. Von den deutschen Einwanderern in Nordamerika sind neun Zehntel solche, für welche die Namen Göthe, Humboldt, Liebig, Fichte, Rauch, Schinkel, Kaulbach, Lessing und hundert andere so wenig existirten, wie der des Verfassers der Sakuntala*]. Generationen von ihnen hätten in Deutschland kommen und gehen können, ohne jemals Käufer anderer Bücher, als des Kalenders zu werden. Hier gerathen sie in den Strudel des Lebens der geistig regsamsten und empfänglichsten Nation aller Zeiten; es bildet sich ihnen zunächst wie äußerlich das Verlangen an, Bücher oder Zeitungen zu besitzen, - wenn auch nicht zu lesen. An dieses kaum erst halb entwickelte Bedürfniß knüpft der Nachdruck an. Es sind zunächst Leute, denen wenig daran liegt, was in den Büchern steht, die sie kaufen. Am liebsten ist ihnen Rinaldo Rinaldini, die schöne Umlusine, Kotzebues Verzweifelung. Doch da bietet ihnen ein Colporteur Schillers Werke an – billig, in Heften, „kostet nicht mehr als drei Glas Bier das Heft.“ – „Schiller? wer ist Schiller? -  Ach ja: „Joseph, Joseph auf entfernten Meilen!““ Weißt du, Frau, das rührende Gedicht von der geköpften Kindsmörderin. Na, das wollen wir mal nehmen!“ Und so wird langsam, langsam und mühsam, wie man einen Urwald rodet, hier ein Stück, dort ein Stück Boden für die deutsche Literatur gewonnen. Die gekauften Bücher werden dann auch wohl gelesen, bei weitem nicht alle, doch viele. Das Lesebedürfniß wächst, es entsteht Nachfrage nach „neuen Büchern“ – aber „so schwer dürfen sie nicht sein.“ Wohl, da sind Zschoke`s, da sind Hauff’s Erzählungen, da sind Auerbach’s Dorfgeschichten! Und so geht es weiter. – Der deutsche Nachdruck in Amerika ist das Mittel gewesen, wodurch Hunderttausenden von Söhnen Deutschland s im Auslande die Liebe zur Muttersprache erhalten worden ist, wodurch sie, für die der Name Deutschland nur das Symbol unerträglicher Plackereien, Quälereien, Nöthe und Drangsale gewesen war, erst mit dem einzigen Werthvollen, was Deutschland seinen Söhnen mitgeben kann, der deutschen Geisteswelt, bekannt und für sie gewonnen worden sind. Und das ist es, weshalb ich dem deutschen Nachdruck ein solches Verdienst zuschreibe.“

Billige Preise und ein energischer, wohlorganisirter Betrieb, das sind die Mittel, mit denen der Buchhandel in Nordamerika seine Waare unter das Publikum bringt. Unaufhörlich wiederholte Ankündigungen, ein Heer von Wiederverkäufern, die erhebliche Provisionen beziehen, zahlreiche Hausirer, die Zerlegung größerer Werke in kleine spottwohlfeile Hefte, damit zwingt er die Käufer heran, und wer erst ein Buch gekauft hat, kauft auch leicht ein zweites. Es sammelt sich ein kleines Häufchen Bücher, und manches Buch, das der Käufer gar nicht las, findet doch seine Leser in dessen Kindern. So erhält sich deutsche Sprache und Eigenthümlichkeit, so bildet sich in Nordamerika ein Markt für deutsche Literatur, der fähig wird, auch den Originalausgaben deutscher Werke Absatz zu gewähren. Gerade wegen des Nachdrucks und Dank demselben prophezeit der erwähnte Raster, wird Amerika noch vor Ablauf des 19.Jahrhunderts der beste ausländische Absatzmarkt für in Deutschland erschienene Originalwerke werden, den es jemals gegeben hat. Carey weißt nach, daß die englisch redenden Amerikaner ganz erheblich mehr englische Literatur consumiren, als England selbst, bloß in Folge des Nachdrucks und des dadurch ermöglichten energischen Buchhandels.

Die amerikanischen Erfahrungen geben uns Bewohner des alten Continents allerlei zu denken. Auch bei uns sind weit über neun Zehntel aller Bevölkerung der Literatur noch ganz verschlossen und gleicht den uncultivirten Mooren und Haiden unseres Landes.

L—n.

*) Henry C. Carey, Briefe über schriftstellerisches Eigenthum. Berlin 1866. – C. Steiger, der Nachruck in Nordamerika. Newyork, 1866.

[* Sakun (oder Sakkun, Sakkon, Secchun): phönizischer Gott, der einer mythologischen Interpretation zufolge den Menschen die Buchstaben und die Schrift schenkte]

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Dok-Nr. 202: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 73 vom 09.09.1868

Amerikanische Zustände,

auf welche der Deutsche keineswegs mit neidischen Augen zu blicken braucht, schildert das Newyorker belletristische Journal, ein dort vielverbreitetes Blatt in folgender Weise:

Alle Tage liest man in den Zeitungen von Leuten, welche sich durch Pulver und Blei oder häufige Mittel von den Lasten dieser Welt befreit und eine Spazierfahrt in die andere Welt angetreten haben. Wenn man einen Bekannten trifft, so könnte man sogleich zu ihm sagen: „Es ist mir sehr angenehm, daß Sie sich noch nicht gemordet haben!“ oder man könnte sagen: „Wann gedenken sie sich zu tödten?“ Ob es vielleicht die Hitze war, welche den Leuten in den Kopf stieg, oder was immer es gewesen sein mag, es steht fest, daß eine wahrhafte Manie, sich zu tödten herrscht. Das Unwesen, welches die Straßenräuber in Rotten in diesem Jahre ausüben, ist toller als es seit Jahren gewesen, und zwar sind die Eisenbahnwagen auf der dritten Avenue besonders von den Rittern der Bleischlinge begünstigt; die Majorität der Kondukteure jener Eisenbahn sind die Freunde und Begünstiger der Räuber, und vergebens wendet man sich um Schutz an sie. Es ist in der That mitunter unglaublich, mit welcher Frechheit die Diebe verfahren. So wurde neulich eine deutsche Privatgesellschaft, welche aus einem der in der oberen Stadt gelegenen Parks zurückkehrte, in dem Eisenbahnwagen von Rowdies überfallen, bestohlen, mißhandelt, und schließlich wollten die Hallunken noch die Kleider der Damen in Brand setzen. Ganz zufälliger Weise erschienen zwei Polizisten, bei deren Annäherung die Kerle davon liefen. Dergleichen Geschichten geschehen fast alle Tage, ohne daß die Polizei irgend Etwas gegen die Verbrecher ausrichtet. Die Diener der heiligen Brüderschaft sind zu sehr damit beschäftigt, auf Bierwirthe zu fahnden, welche sich unterfangen, an Sonntagen ein Glas Bier zu verkaufen. Würde nur ein Mal ein Richter den Muth haben, irgend einen Raufbold mit der höchstmöglichen Strafe zu bedenken, so würde sich das jetzt herrschende Unwesen sicherlich legen; aber davon kann keine Rede sein, denn gerade diese Raufbolde sind die treuesten und verläßlichsten Konstituenten derselben Richter. Während die Justiz in Hunderten von Fällen daniederliegt, und man Jahre lang warten muß, bis man eine Entscheidung erhalten kann, unterhält sich ein Richter wochenlang jeden Tag damit, gewisse Leute wegen Ungehorsams gegen seine Befehle einstecken zu lassen.

Fast ebenso weise waren die Geschworenen, welche Leichenschau über eine irländische Frau hielten, deren Tod durch die allergröbste Fahrlässigkeit verursacht war, welche man sich denken kann. Ein Polizist nämlich machte sich in dem Hause, in welchem er wohnt, den Spaß, mit seinem großen Revolver nach einem Zaune zu schießen, wahrscheinlich um sich in dem Niederschießen von Menschen zu üben, und bei dieser Gelegenheit fuhr eine Kugel durch den Zaun und tödtete die Irländerin Ann Currie. Die Geschworenen, in deren Gegenwart die Leichenschau gehalten wurde, waren sehr gescheite Herren, und anstatt den Polizisten wegen fahrlässiger Tödtung verhaften zu lassen, erklärten sie, daß der Tod zufällig erfolgt sei, und ließen den Polizisten frei, damit er seine Schießübungen fortsetzen könne. Aehnliches geschah in einem Falle, in welchem ein junger Deutscher in der Bowery von acht oder neun Leuten todtgeprügelt wurde, und die Geschworenen, statt die Rowdies festzuhalten, erklärten, sie könnten nicht ausfinden, wer den tödtlichen Schlag geführt habe, und alle Kerle entließen.

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Dok-Nr. 203: „Oldenburger Zeitung“ No. 103 vom 05.05.1869

Eine Pacific-Eisenbahn-Stadt.

Bekanntlich folgen die Städte an der Pacific-Eisenbahn, welche an ihren Endstationen entstehen, derselben bei ihrem weiteren Vorrücken. Es bleiben wohl einzelne Häuser, um den Platz zu bezeichnen, wo früher Wochen oder Monate lang ein tolles Treiben geherrscht hat, aber die Masse der Holzhäuser oder Buden werden abgebrochen, die Bretter, Thüren, Fenster werden numerirt, zusammengepackt, auf die Eisenbahnfrachtwagen geladen, Mobiliar und Utensilien dito, und fort geht es nach der neuen Endstation, wo sich binnen wenigen Tagen die neue Bretterbuden-Stadt erhebt und wo dasselbe Leben beginnt, wie auf der letzten Station, bis weiter gerückt wird. Man kann sich diese Wirthschaft denken, wie die einer wandernden Meßgesellschaft, die mit ihren Buden von Jahrmarkt zu Jahrmarkt (oder Fair, wie es hier heißt), von Messe zu Messe zieht. Die ganze Bevölkerung dieser Wanderstädte kann als Nomaden bezeichnet werden, als amerikanische Araber, so unstät und eben so räuberisch wie die wirklichen.

Den Hauptbestandtheil der Bevölkerung einer solchen Stadt bilden die Inhaber von Trinklocalen, Spiel- und Tanzbuden mit ihrem Gefolge von Spitzbuben, Kehlabschneidern und lockeren Dirnen. Dann kommen eine Anzahl Händler mit Lebensmitteln, Bäcker, Fleischer, Grocer; ferner Händler mit Kleidungsstücken, Boarding-Wirthe und einige wenige Handwerker. Es giebt natürlich ehrenwerthe, brave Leute darunter, aber die Mehrzahl besteht aus gesetzlosem Gesindel. Raub und Mord ist an der Tages- (und Nacht-) Ordnung, Jeder geht bewaffnet; wenn die Unsicherheit zu groß wird, so hilft dann und wann Richter Lynch auf eine kurze Zeit zur Wiederherstellung der Ordnung. Oft müssen zwei zusammengestellte Wagendeichseln die Stelle des Galgens vertreten, wenn kein Baum in der Nähe ist. Die Unsicherheit der Plätze wird durch räuberische und betrunkene Indianer häufig genug vermehrt.

Etwa 800 Meilen von Omaha City entstand der Ort Bryan auf diese Weise, wahrscheinlich ist er jetzt schon wieder nach einem anderen Platze fortgewandert. Ein Augenzeuge, der an dem Orte bei Nacht ankam, dessen Aufbau zwei Wochen vorher begonnen hatte, schildert das Leben und Treiben daselbst, wie folgt.

„Der Ort bildete eine breite Straße, besetzt mit Holzhäusern, hell beleuchtet durch die Lichter, welche aus den Fenstern der Restaurants, Salons, Grocerieen und Kaufläden strahlten, - ein Nachbar sucht den anderen durch Illuminationen mit Kohlenöllampen und farbigem Glas zu überbieten. Ueberall war Toben und Musik. Das war ein Getanze und Gefiddel, ein Trinken, ein Kartenmischen und Würfelrasseln, wie wir das niemals gesehen. Aus den Tanzhäusern schallte der Klang von Hurdy-gurdies [?]; Geigen und Baujas [„Banjos“?] – dazwischen Jauchzen, Fluchen und Schwören und Gläserklingen; und wüste, mit Whiskey angefüllte Männer drehten sich mit noch wüsteren Frauenzimmern, die mit Sammt und Seide und falschem Schmuck bedeckt waren, wie wahnsinnig im Kreise herum.

Die Eisenbahn-Compagnie hatte die Stadt angelegt und verkaufte die Bauplätze zu hohem Preise. Diese Bauplätze haben natürlich nur geringen Werth, sobald die Bahn eröffnet ist, aber der Ort ist erbaut, als ob der Raum für eine Stadt nur sehr beschränkt gewesen wäre. Die Häuser stehen dicht beisammen und bei Ausbruch eines Feuers würden alle sofort verloren sein. Hier habt ihr eine Stadt, die nur zwei Wochen alt ist, mit einer Bevölkerung von 5000 Menschen! Ueberall wird gesägt und gehämmert. Hier errichtet einer seine Verkaufsbude, die er eben von der letzten Bahnstation am Green River herbeigebracht hat. Die Bretter sind sämmtlich nummerirt und in ein oder zwei Stunden wird er fertig sein und seine Waaren zum Verkauf ausgelegt haben.

Hier ist ein Deutscher, der mit seiner Frau Kisten auspackt, die Bierseidel und andere Gläser enthalten. In wenigen Minuten wird er einen Biersalon in Operation haben. Dort hat ein Yankee eine Bäckerei errichtet und seinen Ofen aus Backsteinen erbaut, die an Ort und Stelle fabricirt sind. Er verkauft heißes Ingwerbrod und Kuchen, und hat einen großen Haufen Brod in der Ecke liegen und „Pumpkin Pies“ in den Gefachen.

Die Salons sind mehr bei Nacht als bei Tage besucht, aber dann auch überfüllt. Die ganze Bevölkerung ist von der Eisenbahn bezüglich ihrer Vorräthe vollständig abhängig. Würden die Bahnzüge ausbleiben, so würde die ganze Stadt  in Wochenfrist dem Verhungern nahe sein. Aber an solch eine Möglichkeit denkt Niemand, und diese Masse Beiläufer der Eisenbahn sind hier, um sich der Beute zu bemächtigen, welche aus der Kasse der Compagnie durch die Arbeiter in ihre Hand kommt.

(Phil.Dem.)

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Dok-Nr. 204: „Oldenburger Zeitung“ No. 79 vom 04.04.1873

Amerika.

In der Stadt New-York ist der Gerechtigkeit wiederum ins Gesicht geschlagen worden. Vor einigen Jahren wurde ein gewisser Scanell von einem Politiker Namens Donohue erschossen. Der Mörder wurde gegen Bürgschaft freigelassen und nie unter Anklage gestellt. Der Bruder des Ermordeten schwur, die Schandthat zu rächen, und hielt sein Versprechen, denn er schoß den Donohue thatsächlich im November vorigen Jahres am hellen Tage nieder. In Corsica hätte diese Art Vendetta vielleicht Beifall gefunden, in der Theorie ist man aber in Newyork etwas civilisirt. Der Mörder wurde verhaftet, in dem soeben beendeten Prozesse konnten sich die intelligenten Geschworenen jedoch nach 24stündiger Berathung über ein Verdict nicht einigen, da der Vertheidiger behauptete, daß sein Client an zeitweiligem Wahnsinn gelitten. Der Mörder wird also in unbestimmter Zeit aufs Neue vor Gericht gestellt werden, was einer Freisprechung ziemlich gleich kommt. Solche Vorfälle müssen denjenigen Recht geben, welche unser ganzes Jurysystem für einen Gemeinschaden halten. Aber selbst wenn sich die Jury ausnahmsweise einmal zu einer That ermannt, so ist damit doch noch nicht gesagt, daß die Gerechtigkeit ungehindert ihren Lauf nehmen darf. Ein zum Galgen verurtheiltes Subject Namens Foster, welcher im vorigen Jahre von den Geschworenen einstimmig für schuldig befunden wurde, einen harmlosen Eisenbahnpassagier mit einem eisernen Haken getödtet zu haben, und dessen Appellation von dem obersten Gerichtshof verworfen wurde, sollte in vergangener Woche gehängt werden. Die Mordthat war eine der brutalsten, welche in dieser an solchen Verbrechen nicht armen Stadt sei Langem verübt worden war, und es erregte allgemeine Befriedigung, daß endlich einmal ein Beispiel statuirt würde. Aber da legten sich die Pfaffen ins Spiel und brachten Zeugnisse von allen Seiten herbei, daß Foster mit Ausnahme des einen kleinen Vergehens von jeher einen frommen Lebenswandel geführt und die Kirchen und Sonntagsschulen stets fleißig besucht habe. Auch die Presse konnte den klerikalen Einflüssen nicht widerstehen. Dieselben Zeitungen, welche früher Feuer und Flamme gegen Foster gespieen, unterstützten jetzt die Bemühungen der frommen Herren, und Gouverneur Dix wurde derartig mit Begnadigungsgesuchen bombardirt, daß er die Vollziehung des gerechten Urtheils vorläufig um zwei Wochen aufschob. Auf diese Weise arbeiten sich die verschiedensten Einflüsse in die Hände, um den gefährlichen Klassen gegenüber die bestehenden Gesetze zu einer Farce herabzuwürdigen, und Gouverneur Dix verdient volle Anerkennung, daß er trotz aller sentimentalen Bitten um Begnadigung denselben schließlich doch nicht Folge gegeben hat. Heute Abend traf die letzte Entscheidung des Gouverneurs ein, das Todesurtheil solle vollzogen werden. Somit wird die Verbrecherwelt Newyork’s nach langer Pause es wieder erleben, daß „Hängen wegen Mordes in Newyork nicht ausgespielt hat“.

(N.-Y. H.-Z.)

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II.6. Das Leben als Lottospiel – Katastrophen, Seuchen, Unglücke


Dok-Nr. 205: „Oldenburger Zeitung“ No. 93 vom 08.08.1850

Ausland

Nordamerika – Philadelphia, 12. Juli. Am 9. Nachmittags 4 ½ Uhr brachen in dem weitläufigen Waarenhause des John Brock – Flammen aus; dasselbe ist in der Nord-Delaware-Avenue gelegen. Sogleich versammelten sich die Feuerleute und eine Menschenmenge von 3-4000 Personen. Plötzlich verbreitete die Explosion einer Masse von Pulver und Salpeter einen panischen Schrecken; hundert der verzweiflungsvoll zurückeilenden Zuschauer wurden niedergetreten, verwundet oder in die Delaware gedrängt. Von den umherfliegenden Steinen, Balken u. dgl. wurden Viele schwer beschädigt, und eine Anzahl der auf den naheliegenden Häuserdächern beschäftigten Feuerleute flogen in die Luft und wurden in die tobenden Flammen oder auf das Straßenpflaster geschleudert, wodurch die meisten das Leben jämmerlich einbüßten. – An 350-400 Gebäude sind in Asche gelegt und größten Theils gänzlich zerstört, da sie aus Holz bestanden; 30 Personen fielen der Explosion zum Opfer, 9 sind ertrunken, 120 schwer verwundet, 17 werden noch vermißt, also im Ganzen 160 Menschen. Die Zahl der Todten läßt sich jedoch noch nicht genau angeben. Der Gesamtverlust beträgt nahe an 1.500.000 Dollars, wovon 468.000 Doll. versichert sind. Unter den Abgebrannten befinden sich über 20 Deutsche.

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Dok-Nr. 206: „Oldenburger Zeitung“ No. 115 vom 28.09.1850

Vermischtes.

Newyork, 7.Septbr. (Furchtbarer Orkan und Wolkenbruch.) Durch den furchtbaren Sturm, welcher seit Sonntag Abends bis Dienstag über das Land daherbrauste, wurden im Staat Newyork, Pennsylvanien, Connecticut, Maryland u.a. ungeheure Verwüstungen angerichtet. Nebst dem oberflächlich abgeschätzten Verlust von verschiedenem Eigenthum im Werth von mindestens 4 Mill.Doll. sind leider auch sehr viele Menschenleben zu beklagen, welche in den Fluthen ihren Tod fanden. Der Regen goß buchstäblich in Strömen herab, Schrecken erfaßte jedes lebende Wesen. Jene, welche dem entsetzlichen Element glücklich entrannen, betheuern, es sei nicht anders gewesen, als ob der Zorn des Himmels eine neue Sündfluth über das gottvergessene Menschengeschlecht verhängt hätte. Man mag sich einen Begriff machen, wenn man einen Blick auf die Karte wirft, und den unermeßlichen östlichen Länderstrich von der St.-Lorenz-Bay bis an den Golf von Mexico sich von einem seit Menschengedenken nie dagewesenen großartigen Sturm verheert vorstellt. So viel die Telegraphen, welche größten Theils auch zerstört wurden, berichten, ist der Anblick ein gräßlicher. Als das Element seine Wuth entfesselte, war Alles zum Meer geworden; die rasende Schnelligkeit der dahineilenden Wogen raubte den sich auf dem Felde oder der Straße Befindlichen Besinnung und Zeit sich zu retten; Brücken und Dämme wichen der unwiderstehlichen Macht; Wagen, Pferde und hölzerne Häuser trieben gleich Nußschalen umher, und selbst dreistöckige Backsteingebäude stürzten wie Kartenhäuser zusammen. – Ganze Familien wurden so in der Stille begraben. Die Anzahl der Todten muß sehr bedeutend sein; denn aus den unzähligen Orten (kleine aus 40 bis 50 Häusern bestehende sind gänzlich verschwunden), von denen uns Kunde zugeht, vernimmt man stets auch zu gleicher Zeit die erschütternde Klage, daß je 10-20, 30, wohl auch noch mehr Köpfe vermißt werden. Erst dann, wenn aus dem unabsehbaren Wasserspiegel wieder die Erde hervortritt, wird man näher die traurige Wahrheit erfahren! – Eine Menge von Mühlen sind wahrscheinlich zerstört, die Tausende von Mehlfässern, welche sich die Flüsse entlang wälzen, liefern nur zu sichere Beweise. Mehre Eisenbahnen sind entweder ganz oder theilweise unfahr gemacht. Der Schuykill- und Lehighkanal in Pennsylvanien ist an den meisten Punkten durchbrochen, viele der Bootsleute gingen sammt ihren Booten zu Grunde. Die Macht der Gewässer des Schuykillflusses zerstörte ohne Ausnahme Alles. – In Philadelphia wurden die Gasanstalten zertrümmert und die entstandene Finsterniß ward um so beängstigender, als denselben Abend auch kein Mondschein seine Strahlen verbreitete. Eine Unmasse von Hausgeräthschaften, Bauholz, entwurzelten Bäumen u.a. wogte durch die letztgenannte Stadt dem Meer zu. – Newyork selbst wurde glücklicher Weise von Verwüstung verschont.

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Dok-Nr. 207: „Der Beobachter“ No. 8 vom 27.01.1854

Ein Schreiben aus New-Orleans

bestätigt die schrecklichen Verheerungen, welche vorigen Sommer das gelbe Fieber dort angerichtet; eine „kleine Welt“ sei ausgestorben, ein genaues Todtenverzeichniß jedoch nicht angefertigt worden; mancher Sarg habe zwei Leichen aufgenommen, die Gesammtzahl der Opfer jener furchtbaren Seuche war 15 bis 16.000. Indessen sei nunmehr Alles vergessen, die Zahl der Ankömmlinge, um die durch den Tod gemachten Lücken auszufüllen, mehre sich alle Tage. An keinem Orte der Erde werde überhaupt Glück und Unglück leichter vergessen, als in New-Orleans. Alles komme, blühe, wachse und reife schneller, die Natur scheine stets Eile zu haben, ganz wie der Mensch. Das Leben in New-Orleans sei ein Lottospiel, Alle setzen und Wenigen ist ein Gewinn bestimmt. […]

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Dok-Nr. 208: „Oldenburger Zeitung“ No. 81 vom 23.05.1854

Vermischtes.

- Newyork, 30.April. Der Frühling bezeichnet heuer seinen Beginn mit furchtbaren Stürmen. Noch treiben ein Menge Menschenleichen und Schiffstrümmer an unsern Küsten, noch ist nur ein Theil der 240 Unglücklichen aufgefunden, die auf dem „Powhattan“ von Havre nach Amerika fuhren und bei Long Beach Schiffbruch litten, als uns gestern ein Orkan, von einem heftigen Gewitter begleiteter Sturm heimsuchte. Wir haben zwar, so viel bis jetzt bekannt, diesmal kein Unglück zu beklagen, wie es der Sturm, der vom 14. bis 17.April tobte, herbeigeführt, aber das weit verbreitete Unwetter stiftete doch bedeutenden Schaden an. In unserer Stadt riß es Dächer von den Häusern, warf einige kleinere Schiffe an den Strand, daß sie zerschellten, und schlug andere um. Alle Telegraphenlinien waren bei diesem Gewittersturm außer Thätigkeit und die Berichte vom Congreß in Washington blieben aus. Um 5 Uhr Nachmittags war der Wind furchtbar und wirkte wie ein Tornado. – Unsere Stadt ist übrigens in tiefer Trauer. Vom Cityhall, dem Stadthause, und andern öffentlichen Gebäuden wehen Flaggen, halbmasthoch aufgezogen. Ein großes feierliches Leichenbegängnis, das nächsten Sonntag Statt findet, wird eine große Anzahl unserer Bürger, die am 25. bei einer Feuersbrunst auf Broadway ihr Leben auf eine heldenmüthige Weise aufopferten, ehrenvoll zu Grabe geleiten. […] Das Unglück, durch das unerwartete Einstürzen einer Mauer veranlaßt, führte auf den Leichtsinn und die Gewissenlosigkeit, mit welchen hier große Gebäude ohne hinlängliche Grundfesten und sonstige Vorsicht aufgeführt werden, um ohne Rücksicht auf die allgemeine Sicherheit so rasch als möglich der Speculation zu dienen. Diese gewissenlose Praxis wurde bei den Untersuchungen dieses entsetzlichen Unglücks gebührend hervorgehoben, und es soll in Zukunft der unbeschränkten Freiheit der Bauführer ein Damm gesetzt werden. Bei dieser Gelegenheit kam auch die Gefährlichkeit der sogenannten Safes oder feuerfesten Geldkisten zur Sprache. Diese Safes, oft im Gewicht von 2800 Pfund, brechen, wie es sich zeigte, bei einem Feuer durch die erschütterten, ohnehin nicht starken Unterlagen und bedrohen so das Leben der rettenden Feuermannschaften. Die Feuerleute gaben sich das Wort, kein brennendes Haus zu betreten, in dessen oberen Räumen derlei Safes aufgestellt sind. Am 27. zählte man 11 Todte, welche unter der größten Aufregung aus dem Schutt des Hauses herausgegraben wurden. Drei andere Leichen wurden später gefunden. Beträchtlich verwundet wurden 23 Feuerleute. – […]

- [es folgt ein weiterer ausführlicher Bericht über den Untergang der „Powhattan“]

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Dok-Nr. 209: „Oldenburger Zeitung“ No. 125 vom 09.08.1856

Vermischtes.

Ueber den schrecklichen Unglücksfall auf der pennsylvanischen Nordbahn am 17.Juli, der in der Geschichte der railway-accidents fast beispiellos dasteht, und daher selbst den sehr abgehärteten Amerikanern einen – hoffentlich heilsamen – Schrecken eingeflößt hat, berichtet ein Blatt aus Philadelphia vom 17.Juli folgende Einzelheiten: Heute früh um 5 Uhr ging ein besonderer Zug von 10 Wagen von dem in der Stadt gelegenen Bahnhofe ab. Es war eine Vergnügungsfahrt der katholischen Schulen; 5 bis 600 Personen waren auf dem Zuge, bei weitem die meisten Schulkinder. Die Fahrt ging nach dem 14 (engl.) Meilen entfernten Fort Washington, wo ein Picknick gehalten werden sollte. Ehe die kleinen Reisenden zum Sitzen kamen, verging einige Zeit, und der Zugführer Hoppel suchte die Versaumniß durch beschleunigte Fahrt, wieder gut zu machen. – Der entgegenkommende gewöhnliche Personenzug, den die Schuld des Zusammenstoßes trifft, kam um 6 ¼ Uhr auf der Station Camphill an, als der Vergnügungszug von der Stadt her noch erwartet wurde; trotzdem die Bahn nur ein Geleise hatte, war der Führer des Personenenzuges, Vanstavoren, vermessen genug, den Vergnügungszug nicht abzuwarten, sondern demselben entgegen die Fahrt nach der Stadt hin fortzusetzen. Nicht lange nachdem der verhängnißvolle Weg betreten, kam der erwartete Zug, mit einer Geschwindigkeit von 7 deutschen Meilen auf die Stunde, um eine Biegung herangedonnert. Der Zusammenstoß war entsetzlich. Der Personenzug kam ohne ernstlichen Schaden ab, aber der Vergnügungszug bot einen fürchterlichen Anblick. Die ersten drei Wagen waren vollständig zerquetscht; die Trümmer fielen mit denen der Locomotive durcheinander, fingen Feuer und setzten die anderen Wagen des Zuges auch in Brand; die beiden nächsten verbrannten vollständig. In jenen ersten drei Wagen wurden mindestens 50 Passagiere getödtet, und es ist zu befürchten, daß diese erste Schätzung noch zu gering gegriffen ist. Die schreckliche Kunde wurde sofort nach der Stadt telegraphirt und alle nur mögliche Hülfe ging von da nach dem Schauplatze des Unglücks ab. Eine außerordentliche Aufregung ergriff alle Gemüther; die Bevölkerung strömte nach dem Bahnhof; die Eltern und Angehörigen der unglücklichen Schulkinder rissen in ihrer Angst und Verzweiflung die Ueberlegung aller andern mit fort. […] Versuche das Feuer zu löschen, wurden wohl gemacht, aber zunächst ohne Erfolg; erst später kam eine Sprütze aus der Nachbarschaft, und da gelang es wenigstens, einige Leichname zu retten. Außer den Todten sollen noch 50 bis 70 Personen an Brand- und andern Wunden schwer darnieder liegen, 27 Leichname waren nicht mehr zu erkennen. In einem Wagen fand man 11 Leichen (Männer, Frauen, Kinder) förmlich verkohlt – ein haarsträubender Anblick. […] – Der Urheber alles dieses Unglücks, der Zugführer Vanstavoren, hat seine Schuld nicht überleben wollen; er hat sich selbst vergiftet. Der zweite Ingenieur ist in strenger Haft.

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Dok-Nr. 210: „Oldenburger Zeitung“ No. 159 vom 07.10.1860

Vermischtes.

Ueber neulich gemeldeten Unglücksfall auf dem Obersee in Nordamerika, d.h. über den durch Zusammenstoß des Schooners „Augusta“ mit dem Dampfer „Lady Elgin“ verursachten Untergang des letzteren Schiffs, wobei über 300 Menschen ums Leben kamen, bringen amerikanische Blätter ausführliche Berichte. Es scheint abermals die gröbste Nachlässigkeit gewesen zu sein, welche das unheilvolle Ereigniß verschuldete. In stockfinsterer Nacht, bei stürmischer See, waren weder Lichter ausgehängt, noch die allergeringsten Rettungsmaßregeln zur Hand. Die Passagiere waren fröhlich und guter Dinge, nichts ahnend von der Gefahr, der sie unausweichlich entgegen gingen. Als ein merkwürdiger Umstand wird hervorgehoben, daß Herr Ingram (Mitglied des englischen Unterhauses), der dabei den Tod fand, gerade vor einem Jahr sich an Bord des „Great Eastern“ befand und die meisten der Passagiere im Speisesalon zurückhielt, während die Explosion auf dem andern Theil des Schiffs Statt fand. Die „Times“ bemerkt über den Vorfall: „Er hat ohne Zweifel seinen Grund in der leichtsinnigen Verwegenheit des angelsächsichen Charakters, worin die Amerikaner sogar uns noch übertreffen. Was wir im Vergleich mit festländischen Nationen sind, das sind die Amerikaner im Vergleich mit uns! Die Eigenschaft steckt ohne Zweifel im Blut; aber es ist doch eine traurige Erscheinung, wenn man sieht, wie etwas, das in mancher Beziehung so schätzenswerth ist, es dahin bringen kann, daß man in einem gebildeten Vorlk das Menschenleben eben so gering anschlägt, wie in dem barbarischen China.“

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Dok-Nr. 211: „Oldenburger Zeitung“ No. 159 vom 12.07.1870

Vermischtes.

- Ueber ein grauenhaftes Ereigniß in Middletown, einem Dorfe des nordamerikanischen Staates Missouri, berichtet ein dortiges Blatt: „Die Besitzer einer umherziehenden Menagerie waren um eine neue Sensation verlegen, mit welcher sie das Publikum anlocken könnten, und so beschlossen sie, ihr Musikcorps oben auf den Käfig einiger dressirter Löwen zu placiren und so vierspännig durch die Straßen zu fahren. Obwohl die Musiker wiederholt Einwendungen machten und den Käfig für nicht stark genug hielten, beharrten die Unternehmer auf ihrem Vorsatze und unter zahlreichem Gefolge des Publikums setzte der Zug sich am 12. Mai in Bewegung. Als der Kutscher um eine Straßenecke biegen wollte, verwickelten sich die Vorderpferde, brachten das ganze Gespann in Unordnung und rissen schließlich in einem Galopp aus. Das Vorderrad des Käfigs stieß bei dieser Gelegenheit mit solcher Gewalt gegen einen großen Stein, daß die Stützen des Daches nachgaben und die Musiker in das Innere des Käfigs hinabstürzten. Das Schreckensgeschrei der armen Opfer, welche von den wild gewordenen Bestien zerfleischt wurden, war herzzerreißend. Einigen wenigen von den Musikern gelang es, die Wände des Käfigs hinaufzuklettern; sie fielen besinnungslos auf der anderen Seite zu Boden, während die übrigen in einem schrecklich verwickelten Knäuel um ihr Leben rangen. Nachdem die Zuschauer sich von dem ersten Schrecken erholt hatten, eilten sie in einen zufällig gegenüberliegenden Eisenladen, ergriffen Heugabeln, Hacken, lange Eisenstangen – kurz jede erreichbare Waffe – und entfernten die Seitenthüren des Käfigs, welche bis jetzt das Innere den Augen der Zuschauer entzogen hatten. Ein schrecklicher Anblick bot sich dar: neben den Unglücklichen, deren glänzende Uniformen von Blut besudelt waren, lagen losgerissene halbverschlungene Gliedmassen, während die Bestien ihre grünen Augen wild auf die versammelten Volksmassen warfen. In diesem Augenblicke kam Professor Charles White, der Besitzer, hinzu und gab seine Befehle zur Beseitigung der Todten und Verwundeten. Nachdem er Leute mit Heugabeln und Eisenstangen an allen Seiten aufgestellt hatte, sprang er furchtlos in den Käfig und fing an, die Verwundeten aufzuraffen und der versammelten Menge hinauszureichen. Er hatte den letzten Verwundeten in Sicherheit gebracht und machte sich daran, die Ueberreste der Getödteten zu sammeln, als einer der Löwen, der „alte Nero“, mit fürchterlichem Gebrüll auf ihn los sprang, Zähne und Tatzen in seinem Halse und den Schultern begrub und anfing, ihn in ganz schrecklicher Weise zu zerfleischen. Dreimal machte White den vergeblichen Versuch, das Ungeheuer abzuschütteln und dann befahl er, auf dasselbe zu feuern. Vier Revolver wurden auf den Pelz der Bestie abgebrannt und diese fiel mit wildem Geheul leblos zusammen. Der wackere Mann, wiewohl schrecklich zerfleischt, verließ selbst dann seinen Käfig noch nicht, sondern sammelte erst sorgfältig alle Ueberreste der Todten. Von den zehn Musikern waren drei sofort getödtet und vier schrecklich zugerichtet worden. Die Todten, deren Leichen und abgerissene Glieder unmöglich zu erkennen waren, und die August Schoer, Konrad Freiz und Karl Greiner – offenbar alles Deutsche – hießen, wurden sofort in Särge gelegt und begraben.

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Dok-Nr. 212: „Oldenburger Zeitung“ No. 214 vom 14.09.1871

Amerika.

Newyork, 29.Aug. Zwei Eisenbahnunfälle werden berichtet, wobei das „telescoped“ angewandt und welches so viel bedeuten soll, als daß zwei Züge in einander geschoben werden, wobei natürlich die Reisenden und die Güter schlimm wegkommen. Der eine Zug wurde 7 Meilen von Boston bei Revere in der Richtung nach Portland am 26.Aug., 8 Uhr Abends, „getelescoped“, wobei 22 Personen so platt gedrückt wurden, daß sie nicht zu erkennen waren, und 30 Andere ihren Wunden erlagen. – Ein anderer Zug wurde nach dem technischen Ausdruck gemacht, indem die Züge auf der Philadelphia- und Erie-Bahn bei Westport gegeneinander jagten. Es wurden 6 Menschen getödtet und 18 verwundet.

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Dok-Nr. 213: „Oldenburger Zeitung“ No. 236 vom 10.10.1871

Vermischtes.

- „Man hat jetzt“, schreibt eine Newyorker Zeitung, „ein allerliebstes Spielzeug erfunden: es ist dies ein kleines Dampfschiff, welches, auf Wasser gesetzt, eine kleine Strecke fährt, dann mit einem gehörigen Knall explodiert und die Trümmer kleiner Puppen dem Beschauer in Gesicht wirft. Durch dieses sinnreiche Spielzeug sollen die Kinder schon frühzeitig an dergleichen Unglücksfälle, die ihnen ja täglich passiren können, gewöhnt werden.“

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Dok-Nr. 214: „Oldenburger Zeitung“ No. 248 vom 25.10.1871

Der Brand von Chicago.

Ueber den furchtbaren Brand, der Chicago am Sonntag, den 8 d.M. verwüstete, liegen jetzt die ersten brieflichen Berichte vor. Schon am Sonnabend Abend, Tags vorher, war die Stadt von einem Brande heimgesucht, der als sehr bedeutend angesehen werden mußte, wenn er nicht gegen die entsetzliche Ausdehnung des folgenden Unglücks so sehr in den Hintergrund getreten wäre.

Ein Augenzeuge schreibt von 09.October: „Spät am Sonntag Abend ging ein Junge in einen Stall in De Kovenstraße, nahe am Flusse an der Westseite, um eine Kuh zu melken, und nahm eine Kerosinlampe mit. Diese ward von der Kuh umgestoßen, und die brennende Flüssigkeit verbreitete sich über das Stroh. Dies war der Anfang des großen Brandes. Eine einzige Löschmaschine auf dem Platze oder das Niederreißen von einem oder zwei der Holzhäuser würde der Verbreitung der Flammen Einhalt gethan haben, aber die Spritzen ließen auf sich warten, und als sie kamen, arbeitete die Löschmannschaft, ermüdet und betäubt von den Anstrengungen bei dem ersten Feuer am Sonnabend Abend, langsam und ungeschickt. Ihre Anstrengungen waren erfolglos. Der Wind aus Südwesten war stürmisch und trieb die Flammen von Haus zu Haus und von Holzschuppen zu Holzschuppen, bis der am Abend zuvor abgebrannte District erreicht war. Inzwischen hatten die Flammen den Fluß übersprungen und griffen die Ziegel- und Steinbauten an, die Eisenbahn-Lagerhäuser und Fabrikgebäude. Die ganze Größe der Gefahr ward nun erst eingesehen. Die Löschmannschaft, obgleich schon übermüdet, arbeitete heldenmäßig. Der Mayor und die Stadtbehörde, welche bis dahin sorglos geruht hatten, begannen jetzt sich anzustrengen, aber es war zu spät. Der Augenblick, wo eine verständige Organisation Häuser gesprengt oder sonst Vorkehrungen getroffen haben könnte, war versäumt, und es galt jetzt nur noch um das Leben zu kämpfen. Der Wind war zum Sturm geworden und blies die Flammen gerade gegen die schönsten Gebäude, Chicago’s Stolz. Die Häusercomplexe vom Flusse bis zur Dearbornstraße waren bald verzehrt. Das hölzerne Straßenpflaster fing Feuer und bildete ein zusammenhängendes Flammenmeer von zwei Meilen Länge bis einer Meile Breite. Die Häuserinseln fielen eine nach der anderen und die Flammen verbreiteten sich weiter und weiter, bis an der Nordseite der Reestraße vom Flusse bis zum See eine Gluth war. […] Es ist schrecklich an den Verlust von Menschenleben zu denken. Man vermuthet mit gutem Grunde, daß fünfhundert Menschen im Feuer umgekommen sind. Wir sahen vier Männer in ein brennendes Haus eindringen und gleich darauf wurden sie von einer fallenden Mauer verschüttet. An der Ecke eines Gebäudes war eine Menge von Menschen beschäftigt mit dem Versuche, Güter zu retten, als plötzlich die Mauern wichen und mehrere derselben erschlugen. Etwa zwölf oder fünfzehn Personen, Männer, Weiber und Kinder, hatten sich in das Gebäude der Horticultur-Gesellschaft geflüchtet, welcher feuersicher gebaut schien, aber in wenigen Minuten brachen die Flammen hinein und alle verbrannten. Man nennt unter diesen Opfern verschiedene bekannte Personen. Alle Bücher und Manuscripte der historischen Gesellschaft, darunter die Originalschrift der berühmten Emancipations-Proclamation (welche die Gesellschaft für 25.000 D. angekauft hatte), wurden vernichtet. Man fürchtet, daß eine Anzahl von Kindern aus dem katholischen Waiseninstitute verbrannt sind, da viele derselben vermißt werden. Das Feuer brannte die ganze Nacht fort auf der Nordseite, aber diesen Morgen hat man es in der Gewalt. Es ist wörtlich war, daß auf der Nordseite vom Flusse bis zum Lincolnpark und vom nördlichen Arme des Flusses im Westen bis zum See im Osten Alles vernichtet worden ist. Dieser Theil der Stadt besteht aus Wohnhäusern, mit Ausnahme einiger Inseln von Geschäftshäusern längs des Hauptflusses. Zwei Drittheile der Bevölkerung dieses Districtes sind Deutsche und Skandinavier. Alle diese Leute sind ohne Wohnung. […]“

Ein späterer Brief aus Chicago vom Nachmittag des 10. Octobers sagt: „Diesen Morgen ward das Feuer bewältigt. Um 3 Uhr trat der sehnlichst erwartete Regen ein. Es regnete nicht lange. Eine Bürgerversammlung ward in der ersten Congregationskirche in der West-Washingtonstraße gehalten und die Nacht durch fortgesetzt. Maßregeln wurden verabredet zum Schutze des noch Erhaltenen und zur Fürsorge für die Obdachlosen. Die Herren Richards und Charles Craine von der North-West-Manufacturing-Company haben einen Plan erdacht zur Herbeischaffung von Wasser für den Fall, daß das Feuer wieder ausbrechen sollte, und dieser Plan wird jetzt ausgeführt. Dampfmaschinen ihrer Werke werden dazu verwendet und pumpen Wasser aus dem Flusse. Gestern Abend wurden 1500 Bürger in Eid und Pflicht genommen für den Polizeidienst; der Kriegssecretär hat General Sheridan ermächtigt, zuverlässige Truppen zu Wachen zu verwenden und die Lieferung von 100.000 Rationen befohlen. 500 Mann Soldaten sind in Dienst. Diese Vorsichtsmaßregel war nöthig, denn, wie seltsam es auch scheinen möge, es gab höllische Bösewichte, welche das Unheil noch weiter zu verbreiten suchten. Die Ankunft von Löschmannschaften und Spritzen aus Milwaukee, St.Louis und anderen Städten hat das Vertrauen wieder gehoben. Der Zug von Cincinnati kam diesen Morgen mit vier Brandspritzen an, drei aus dieser Stadt und eine von Dayton. Sie waren 17 Stunden unterwegs. Es war eine unaussprechliche Freude, diese erfahrenen Leute sofort in geschäftsmäßiger Weise ans Werk gehen zu sehen, wo es zunächst der Hülfe bedurfte. Es ist nicht übrig geblieben. Wasser zum Trinken und für den Haushaltungsbedarf wird aus dem See und den Parks herbeigeschafft, für andere Zwecke liefert es der Fluß. Es campiren wohl an tausend Menschen um die artesischen Brunnen vier Meilen vor der Stadt und wohl eben so viele am See und in den Avenuen nahe der Prairie. Speisen werden verabreicht in den noch vorhandenen Kirchen und Schulhäusern, in Schuppen und an den großen Wegen. Es war kalt und feucht diesen Morgen, was viel Leiden verursachte. Es klärt sich nun auf, aber anstatt dies freudig zu begrüßen, betet das Volk um noch mehr Regen, so groß ist die Furcht vor der Fortdauer des Brandes.“

[…]

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Dok-Nr. 215: „Oldenburger Zeitung“ No. 164 vom 16.07.1872

Amerika.

Newyork, 18.Juni. Ein Korr. der N.A.Z. schreibt: Allerorten bildet jetzt die fast übermäßige Hitze an der wir nun schon seit Wochen leiden, den einzigen Gegenstand des Tagesgesprächs. Auf den Straßen und öffentlichen Plätzen begegnet man träge dahinschleichenden Gestalten mit erschlafften Gesichtszügen; hier und da stürzt eine Person – vom Sonnenstich getroffen – bewußtlos zu Boden; man beachtet es kaum und geht seines Weges, denn solche Vorkommnisse sind eben nichts weniger als selten. Die Badeanstalten sind überfüllt, hier sucht man Erfrischung und Rettung. Kellerwohnungen sind kaum noch zu bekommen – es klingt unglaublich – und gehört jetzt zum Komfort, besonders solche, die sich in der Nähe eines Eiskellers befinden. Doch, o weh! das Eis, das dem Amerikaner unentbehrliche Eis, zerschmilzt zusehens, und nicht lange mehr wird es dauern, so können alle Eismaschinen der Welt unseren Bedürfnissen nicht mehr genügen. Wer es kann, geht aufs Land, aber auch hier ist die drückende Temperatur kaum noch zu ertragen, denn die Hitze ist zeitweilig so groß, daß es kaum möglich ist, einen klaren Gedanken zu fassen. Der Broadway, diese große Verkehrsader ist öde und leer von 10 Uhr Morgens ab, die Omnibusse fahren mit Schritt, um die Pferde zu schonen, die wie Fliegen falle, und die Kutscher gehen zu Fuße im Schatten derselben nebenher. Im Innern der Stadt stockt Handel und Verkehr, alles flieht vor der Landplage und selbst die Männer der Börse hüllen sich in Schweigen. So möchte man zeitweilig glauben, daß unsere Riesenstadt wie im Märchen im Zauberschlummer ruht. Auch unsere Journale leiden augenscheinlich von der Hitze. Kraft- und saftlos sind ihre Artikel, über die Zukunft vergessen sie die Gegenwart, so daß wir über die Vorgänge in Genf so gut wie gar nicht unterrichtet sind. Das Traurigste an der ganzen Situation aber ist die wahrhaft erschreckende und täglich wachsende Zahl plötzlicher Todesfälle. Seit drei Wochen schon melden uns die Zeitungen aus dem Innern des Landes, aus Philadelphia, Baltimore, Washington, Cincinnati, Chicago und St.Louis zahlreiche Unglücksfälle. Hier in Newyork starben am 2. d.Mts. allein 50 Personen an der Folgen der Hitze, am 3. 75 und am 4. 45. Wenn das so fortgeht, müssen wir das Schlimmste befürchten.

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II.7. Vom Teller(Gold-)wäscher zum Millionär


Dok-Nr. 216: „Oldenburger Zeitung“ No. 132 vom 02.11.1848

Ausland.

Nordamerika. Amerikanische Zeitungen erwähnen eines Schreibens des Consuls der Vereinigten Staaten in Monterey (Californien), das die Nachricht von dem Goldreichthum mehrer Flußufer in Californien bestätigt, wenn auch in den Berichten viele Uebertreibungen mit untergelaufen sind. Der Consul hat die Placera oder Goldregion selbst besucht. An der Nord- und Südgabel des in den Sacramento fließenden Amerikaflusses fand er gegen 1000 Personen mit Goldgraben und Waschen beschäftigt; an andern Stellen des Flusses waren gleichfalls viele Arbeiter. Man kann annehmen, daß durchschnittlich jeder 1 Unze täglich sammelt, doch kamen auch Fälle vor, daß Einzelne in einer Woche 400 Dollars an Gold zusammenbrachten. Der amerikanische Consul glaubt, daß Tausende von Personen dort mehre Jahre lang Beschäftigung finden werden. Aus Monterey soll der größte Theil der Einwohner auch nach der Goldregion gewandert sein; alle Geschäfte stehen still, selbst die Matrosen auf den Schiffen sind nicht zu halten.

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Dok-Nr. 217: „Oldenburger Zeitung“ No. 33 vom 27.02.1853

Vermischtes.

- Vor Kurzem – so schreibt man der „N.Preuß.Z.“ aus Neworleans – starb hier ein reicher Pflanzer Namens Delabitsch (de la Bidojere) aus alter französischer Familie. Er war als junger Mann zur Zeit der Revolution der Guillotine entflohen. Handlungsdiener geworden, war auf eine Pflanzung gekommen, hatte die einzige Tochter des nicht reichen Besitzers geheirathet, hatte aber dann seine Pflanzung so ausgedehnt und so rentabel gemacht, daß er bald für einen der reichsten Männer in Louisiana galt. Jetzt hat sich bei der Theilung des Nachlasses die Größe seines Besitzes ergeben. – Das sind für uns Europäer doch beinahe fabelhafte Summen. 31 Pflanzungen längs der Nebenflüsse des Mississippi durchschnittlich an Zucker und Kaffe u.a. 50.000 Dollars rentirend. 12 Dampfschiffe auf dem Mississippi, 3 auf dem Ocean und 34 große Kauffahrer im Kapitalwerth von 1.500.000 Dollars (wobei die Kauffahrer nur à 20.000 angeschlagen sind, jedenfalls zu gering). […] Baares Vermögen in der englischen Bank 7 Millionen à 2 pCt. 140.000 Dollars, macht in Summa eine Rente von 2.650.000 Dollars oder von 3.975.000 preuß. Thalern, wozu noch ein Bedeutendes an Häusern, Mobilien, Kunstsammlungen, Bibliotheken u.dgl. kommt. Es sind zu diesem kolossalen Vermögen drei Erbinnen vorhanden.

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Dok-Nr. 218: „Oldenburger Zeitung“ No. 49 vom 28.03.1857

Vermischtes.

- Der reichste Mann in Newyork ist jetzt Mr.Astor, der sein Vermögen von seinem Vater ererbt hat, welcher bekanntlich als armer Teufel aus dem Schwarzwald nach Amerika auswanderte. Nach Mr.Astor kommt Stephen Whitney, der sich durch Güterankäufe und im Baumwollhandel ein Vermögen von 5 Mill.Doll. erworben haben soll. W.H.Aspinwall, der von einer reichen Familie abstammt, wird auf 4 Mill., James Lennox auf 3 Mill., Peter Harmany, der als armer Schiffsjunge nach Amerika kam, auf 2 Mill., Lollirard, der früher ein kleines Tabaksgeschäft hatte, und G.Phelps, früher Klempner, ebenfalls auf 2 Mill.Doll. geschätzt. Von Denen, die anderthalb Millionen reich sein sollen, war George Law früher Arbeiter auf einer Pachtung, C.Vunderbildt Bootsmann und John Lafarge Bedienter bei Jos. Bonaparte. S.Chesterman, früher Schmiedegeselle, und Peter Cooper, ehemals Leimsieder, sind jetzt Millionäre. Das Wunderbarste aber bleibt, daß eine Lehrerin, Mrs.Okill, bloß durch Schulunterricht ein Vermögen von 250.000 Doll. erworben hat.

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Dok-Nr. 219: „Oldenburger Zeitung“ No. 293 vom 16.12.1864

Vermischtes.

* Ein Brief aus San Francisco im „Philadelphia Demokrat“ schildert in ergötzlicher Weise, wie der plötzliche Reichthum manche Leute, die von ihm heimgesucht werden, in Verlegenheit bringt. „Einige hundert wohlgekleidete Männer, welche monatlich an 1000 bis 20.000 Dollars aus ihren Goldgruben beziehen, dämeln in der Stadt umher und wissen nicht, was sie mit sich anfangen sollen. Die meisten waren vormals Arbeiter, welche es sich sauer genug werden ließen. Jetzt fühlen sie sich im hohen Grade unbehaglich, denn seitdem sie die Schaufel und die Spitzhacke aus der Hand gelegt, haben sie ein ganz anderes Leben begonnen. Aber ihr größtes Unglück besteht darin, daß sie nicht wissen, wo sie ihr Geld los werden sollen. Allerdings trinken sie den besten Wein, rauchen die besten Cigarren, und speisen vortrefflich, das Alles kostet jedoch nicht viel. Aber in San Francisco giebt Geld allein noch nicht einem Manne den Anspruch auf Verkehr in der guten Gesellschaft und für diese fehlen ohnehin den meisten Neureichen die Vorbedingungen. Ein plötzlich reich gewordener Mann wird in den östlichen Staaten als ein Shoddy bezeichnet, in Californien aber als Washoe (nach den reichen Washoegruben). Vielen Leuten kann man kein anderes Verbrechen zum Vorwurf machen, als daß sie monatlich 10.000 Dollars Einkünfte haben. Ich kenne Einen, den das Mißgeschick betraf, von seinem verstorbenen Bruder obendrein monatlich 12.000 Dollars zu erben, und er ist darüber untröstlich. „Was soll ich nun anfangen?“ sprach er. Ich entgegnete: „Kaufen Sie sich eine gute Bibliothek, kaufen Sie sich auch eine Yacht, treiben Sie Fischfang, werden Sie Jäger, machen Sie Reisen, lernen Sie andere Länder kennen, erfreuen Sie sich an der Kunst, namentlich an schönen Gemälden, oder bauen Sie sich ein schönes Haus und treiben Sie Landwirthschaft. Auf solche Weise können Sie sich die Zeit vertreiben.“ Der Unglückliche gähnte und sprach: „Das Jagen macht mir kein Vergnügen, auf das Fischen verstehe ich mich nicht, zum Ackerbau habe ich keine Lust, beim Lesen habe ich Langeweile und ein Gemäldekenner bin ich auch nicht.“ – Der Briefschreiber versichert, daß er diese Unterredung buchstäblich wiedergebe: er rieth dem Washoe – sich zu ersäufen, dann habe alle Qual ein Ende.

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Dok-Nr. 220: „Oldenburger Zeitung“ No. 50 vom 28.02.1865

Vermischtes.

Aus dem Petroleumbezirke von Pennsylvanien giebt ein englischer Reisender folgende Mittheilungen: Die Geschichte der Petroleum-Entdeckungen in Oil Creek, durch welche die dortigen Bodenbauer aus armen Leuten rasch zu Millionären geworden sind, liest sich wie ein toller Roman, doch sind die Thatsachen unumstößlich. Daß der Erwerb eines Menschen, der sich sein täglich Brod durch Bearbeitung des armen Erdreichs in jenen sogenannten Farms verdienen mußte, ein höchst beschwerlicher und nothdürftiger war, davon weiß Jeder zu sagen, der diese Gegend auch nur flüchtig besehen hat. Wie ungeheuer aber der Bodenwerth daselbst neuester Zeit gestiegen ist, davon giebt die Grafschafts-Registratur, in welcher sämmtliche Verkäufe gebucht sind, Kunde. Ein kurzer Aufenthalt bei einer der ergiebigeren Oelquellen und ein rascher Ueberschlag von Production und Gewinn werden auch den ärgsten Zweifler überzeugen, daß daselbst der Boden seinen Besitzer in kurzer Zeit zum steinreichen Manne machen muß, und wem es um weitere Belehrung zu thun ist, der verschaffe sich Einsicht in die Bücher einiger Haupteigenthümer, in welche er alle wünschenswerthen Einzelheiten verzeichnet finden wird. Ein paar kurze Notizen über die berühmten Quellen und diejenigen, denen sie zu großen Reichthümern verholfen haben, wird gewiß von allgemeinem Interesse sein. Ich schöpfe aus authentischen Quellen und übertreibe in keinem Punkte. Die „erste fließende Quelle“ wurde auf einer Farm angebohrt, welche dem Capitän Funk gehörte. Er lebte in dem wenige Meilen von dieser gelegenen Titusville, und wie er zu dem Titel Capitän kam, ist sein allereigenstes Geheimniß. Ein kriegerisches Handwerk betrieb er in Titusville auf keinen Fall, wohl aber ein kleines Kramgeschäft, das ihn gemeinschaftlich mit seiner Farm anständig ernährte. Als nahe an seiner Besitzung die erste Oelqelle mit gutem Erfolge angebohrt worden war, entschloß er sich, auf seinem Grund und Boden ein Gleiches zu versuchen. Da es ihm aber zu wohl war, um selber zu arbeiten, und wieder nicht so wohl, um Arbeiter oder Maschinen daran setzen zu können, gab er den ungehobenen Schatz einem Zweiten in Pacht, der den Bohrprozeß mit eigenen Händen und Füßen begann, und als das Loch für seine Leibeskraft zu tief geworden war, die freundlichste Mithülfe eines alten Gaules in Anspruch nahm. Im Juli 1861 war es, da stieß der Bohrer endlich auf den Oelspiegel, und als jener herausgehoben wurde, kam reichhaltiger Strom reinen Petroleums zu Tage. Quantität: 250 Faß per Tag. Auf solchen Reichthum war weder der Capitän noch sein Pächter (dieser hieß M’Elhenny) vorbereitet gewesen; ein großer Theil der Gottesgabe ging darob verloren, und da alle weisen Menschen in der Runde versicherten, die Quelle werde sich ehestens erschöpft haben, hatten sie Anfangs nicht den Muth, ihre magere Baarschaft in Fässer anzulegen. Später wurden sie couragirter, die Quelle floß 15 Monate hinter einander lustig fort, Capitän Funk wurde ein reicher Mann, investirte seinen Gewinn in anderen ähnlichen Unternehmungen und hatte die Genugthuung, bei seinem Tode ein Vermögen von nahe an zwei Millionen Dollars zu hinterlassen. Seine Farm heißt jetzt die M’Elhenny-Farm, ein Beweis, daß auch der eigentliche Bohrer nicht ganz leer ausgegangen ist. – Ein anderer schöner Fleck ist die Tar-Farm. Diese gehörte früher einem Manne, der sich und seine Familie durch Ackerbau und Holzflößen höchst kümmerlich ernährte. Wenn ihm die Jahreszeit nicht gestatte, Bretter nach Pittsburg zu flößen, kratzte er mit seinen Jungen in dem steinigen Boden herum, um ihm eine magere Ernte abzulocken, oder versuchte sich in der Jagd auf Kaninchen. Mitten in seiner Noth erschienen die Oelkundigen, durch den Ruf der Gegend angezogen, sie pachteten sein Grundstück auf die Bedingung hin, den Ertrag der anzubohrenden Quellen mit ihm zu theilen, und siehe da, es kam die berühmte Phillipsquelle zu Tage, welche täglich 2000 Faß Petroleum lieferte, neben ihr noch andere Quellen, so daß nach kurzer Zeit der arme Tarr in der Lage war, die Hälfte seines unfruchtbaren Grundstücks und den achten Theil seines Antheils am Petroleumgewinn für 110.000 Dollars zu verkaufen. Solchen Reichthum hatte unser Kaninchenjäger nie geträumt, aber es sollte noch schlimmer kommen. Die Oelquellen machten sich förmlich eine Ehre daraus, auf allen jenen Punkten des Grundstückes, das noch sein alleiniges Eigenthum war, hervorzubrechen, die glänzendsten Anerbietungen wurden ihm gemacht, die ganze Farm zu verkaufen, und das hat er vor etwa vier Wochen denn auch gethan, und der Kaufpreis war Netto zwei Millionen Dollars, die Hälfte des wirklichen Werthes, wie er behauptet. „Aber ich bin des Geldmachens müde“, sagte der weise Tarr, „und weil ich selber nichts gelernt habe, will ich lieber aus der Wildniß fortwandern, um meinen Kindern eine anständige Erziehung zu geben.“ Wohlgesprochen! Vielleicht taucht die Familie nächsten Sommer in einer deutschen Universitätsstadt auf. Sie sei allen Hotelbesitzern hiermit angelegentlichst empfohlen. – Wenn ich oben sagte, daß M’Elhenny, welcher als Bohrer bei Capitän Funk debutirte, nicht ganz leer ausgegangen sein dürfte, sprach aus mir nur rücksichtsvolle Bescheidenheit. M’Elhenny hat seit jener Zeit eine hervorragende Rolle unter den Oelmännern Pennsylvaniens gespielt. Auf der alten Funk’schen Farm stieß er auf die weit und breit berühmte Empire-Quelle, welche alle ihre Nachbarinnen in den Hintergrund drängte. Der Bohrer war kaum aus dem Loch, als sie mit Macht zu sprudeln begann; des langen Harrens müde, ergoß sie täglich 3000 Faß kostbarer Flüssigkeit auf die Oberfläche. M’Elhenny und seinen Compagnons wurde ordentlich bange ums Herz, sie wußten nicht, wie das flüssige Element verwerthen oder aufspeichern. […]

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 220a: „Oldenburger Zeitung“ No. 51 vom 01.03.1865

Vermischtes.

Aus dem Petroleumbezirke von Pennsylvanien. (Fortsetzung.) [über weitere Öl-Quellen und deren Besitzer…] Solch Glück war noch vielen anderen beschieden; die meisten ursprünglichen Grundbesitzer am Creek sind reich geworden; ihr Vermögen schätzt man auf 100.000 bis zu 3 Millionen Dollars. Die einen haben sich zurückgezogen, andere sind geblieben und auf Verdienen von weiteren 100.000 Dollars gerade so erpicht, als früher in dern Tagen ihrer Noth auf den Erwerb eines einzigen Dollars. In einem Newyorker Hotel traf ich erst kürzlich einen jungen Burschen, der als „Oelprinz“ großes Aufsehen machte. Seine Mutter, auf deren Grundstück reiche Oelquellen angebohrt worden waren, war in ihrer Hütte elendiglich durch Petroleum verbrannt. Der Sohn, der in Newyork in Saus und Braus lebte, verschwendete in wenigen Wochen eine Viertelmillion Dollars; doch ist sein Einkommen so groß, daß ihn dies nicht zu Grunde richten wird.

(Fortsetzung folgt.)

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Dok-Nr. 220b: „Oldenburger Zeitung“ No. 52 vom 02.03.1865

Vermischtes.

Aus dem Petroleumbezirke von Pennsylvanien. (Fortsetzung.) Schwer- und Mittelpunkt des Petroleumbezirkes bleibt doch immer der alte „Oil Creek“, aber rechts und links von ihm zweigen sich mehrere enge Thäler ab durch welche größere oder kleinere Bäche dem Hauptflusse zuströmen. Anfangs fanden diese Seitenschluchten bei den Oelsuchern keine Beachtung; als aber im alten Creek jeder Fleck seinen Herrn gefunden hatte, sahen sich die Nachrückenden das Seitenterrain an, kauften, gruben, bohrten und machten kaum weniger glänzende Geschäfte, als die Herren im alten Creek. […] Eine regelrechte Straße giebt es nicht; es sucht sich jeder Fuhrmann nach Ermessen den Weg für sein Gespann. Das Erdreich ist aber so ausgefahren, so ganz in Schlamm verwandelt, daß es ein Wunder ist, wie sich überhaupt ein Fuhrwerk auch nur fortbewegen kann. Da freilich giebts ein ewiges Schreien, Lärmen, Peitschen, Schimpfen und Fluchen, die Pferde ziehen aus Leibeskräften an, die Wagen kreischen, poltern, fallen über oder bleiben unbeweglich im Moraste stecken, und immer ärger wird die Verwirrung, und immer lauter das Fluchen und der Peitschenknall, denn den Fuhrleuten ist jede Minute theuer, sie bekommen ja 2 Dollars pro Faß für eine Strecke von 3 Meilen. Ich habe den Ausflug nach der Cherry-Schlucht in Gesellschaft eines alten Californiers gemacht, der den höchsten Paroxysmus des Goldgräber-Fiebers miterlebt hatte. Das Treiben am Creek, sagte er, erinnere ihn lebhaft an jene californischen Zeiten, sei wo möglich noch etwas ärger. Das Oel- und Goldfieber halten einander die Waage. An wundersamen Erzählungen von armen Teufeln, die binnen einem Jahr Millionäre geworden sind, herrscht in dieser Gegend ein wahrer Ueberfluß, in der Hauptsache sind sie einander ziemlich gleich. Darum genug an dem, daß 2 Acker Landes, die vor zwei Jahren für 1500 Dollars angekauft worden waren, vor wenigen Monaten für 650.000 Dollars verkauft worden sind; daß ein anderes Stück unfruchtbares Gerölle, für welches ein gewisser Chriswell 600 Dollars bezahlt hatte, für 215.000 Doll. verkauft wurde, und daß von einer 1000 Acker Landes haltenden Pachtung, die im Jahre 1856 für 7000 Doll. erstanden worden, erst vor Kurzem 350 Acker für 750.000 Dollars verkauft worden sind. Freilich ist bis jetzt noch an keiner einzigen Stelle der Schlucht der Oelbohrer vergebens in Bewegung gesetzt worden. – [über den Transport des Oels auf Flüssen und über die Gefahren durch Dammbrüche…]

(Schluß folgt.)

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Dok-Nr. 220c: „Oldenburger Zeitung“ No. 52 vom 02.03.1865

Vermischtes.

Aus dem Petroleumbezirke von Pennsylvanien. (Schluß.) [über die Gefahren durch Feuersbrünste…] Durch die Eröffnung der Atlantic- und Great Western-Bahn mit ihren Ausläufern von Carry nach Titusville, von Meadville nach Franklin, und von dort bis zum Oil-Creek, sind das Bauen von Wehren und das künstliche Schwemmen überflüssig, Verwirrung und Feuersgefahr weniger geworden. Die Fässer werden jetzt auf flachen Booten verladen, diese durch Pferde nach Oil City gezogen, um stromabwärts den Bahnhof Oil City zu erreichen. Nur im Sommer, wenn der Wasserstand zu niedrig ist, oder im Winter, wenn das Eis die Schifffahrt hemmt, wird das Petroleum auf Wagen bis zur Eisenbahn geführt und sein Preis dadurch vertheuert. Vieles wandert erst in die nahegelegenen Raffinerien, und zwar wird es zuweilen dahin in Röhren geleitet oder gepumpt. Eines der größten Etablissement treibt sein rohes Oel durch Pumpenwerke nach einer drei Meilen entfernten auf einer Anhöhe gelegenen Raffinerie, von der es in gereinigtem Zustande wieder vier Meilen weit in Röhren bergab bis ans Ufer des Alleghany fließt, woselbst es in Fässer gefüllt und verschifft wird. (Die in Vorstehendem bezeichneten Gegenden befinden sich im Nordwesten des Staates zwischen dem südlich gelegenen Pittsburg und dem nördlich gelegenen Erie-See.)

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Dok-Nr. 221: „Oldenburger Zeitung“ No. 276 vom 26.11.1872

Vermischtes.

- In dem Wohnhause des Herrn Friedrich Klein in Cincinnati fand jüngst eine eben so eigenthümliche als interessante Versammlung statt. Es hatten sich nämlich 11 Matronen, lauter ehrsame und theilweise noch rüstige deutsche Hausfrauen, eingefunden, die zusammen eine Nachkommenschaft von 109 Kindern haben. Vor 30 Jahren gehörten die sämmtlichen Matronen noch dem ehrsamen Stande der Dienstmädchen und jetzt repräsentieren sie zusammen ein Vermögen von mindestens 1.500.000 Dollars.

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III. Das Ergebnis

III.1. Das deutsche Element in Amerika 


Dok-Nr. 222: „Oldenburgische Blätter“ No. 26 vom 25.06.1833

Aus einem Schreiben eines nach America Ausgewanderten.*)

[Fußnote] *) Diesem Briefe sind schon zwey frühere vorangegangen.

Montgomery-County, Missoury, 3. Jan. 1833

Das Land bietet hier alles zum angenehmen Leben dar; nur Ihr fehlt mir so oft, um ganz glücklich zu seyn. Nie fühlte ich die Einsamkeit mehr als in den neulichen Weihnachtstagen. Die Erinnerung an Euch trieb mich hinaus; in der Stille des Waldes dacht ich an Euch, und es gewährte mir ein beruhigendes Gefühl, daß auch ihr jetzt meiner gedächtet, und daß, wenn eine weite Entfernung uns trennt, doch unsre Gedanken sich begegnen.

Seit meinem letzten Briefe habe ich mich hier angekauft. Die Farm in der Nähe des Herrn R-n, wovon ich schrieb, wurde mir abgerathen, da das meiste Land ausgesogen sey; d.h. es trägt keinen guten Türkischen Weizen, ist indeß für Rocken u.a. noch immer ein sehr guter Boden. Auch fand ich, daß das noch nicht geclairte Land sich wenig zum Fruchtbau eigne, und daß wenig gutes Bauholz vorhanden war. Die jetzt von mir angekaufte Farm enthält dagegen 212 Acres des besten Hügellandes, welche größtentheils in einer Fläche und sehr eben liegen. Ein kleiner Bach durchschneidet das Ganze, und ein etwas größeres bildet die westliche Gränze. Hievon sind 16 Acres geclairt, wovon 6 mit Weizen bestellt sind, die 100 bis 120 Bushels liefern werden. Die übrigen 10 Acres werde ich mit Türkischem Weizen besäen; diese geben etwa 500 Bushels; so daß ich nach einem niedrigen Anschlage im nächsten Jahre für 100 Dollars Frucht verkaufen kann. Es sind aber bey diesem Grundstücke gar keine Gebäude, weshalb ich noch bey meinem Wirthe Br., eine halbe Stunde von meinem Platze, wohne, wo ich wie ein Mitglied der Familie behandelt werde. Jeden Morgen um 8 Uhr, nach eingenommenen Frühstücke, wandere ich mit R-r dahin, und kehre gegen 5 Uhr zurück. Eine Hütte von 16 Fuß Qu. ist in einigen Tagen vollendet, und ein kleiner Platz um dieselbe ist von Bäumen gereinigt. Im Frühjahre werde ich ein größeres Haus aus behauenen Holzstämmen daran bauen, und sie wird dann einstweilen als Küche dienen.

Die Hütte liegt auf einem Hügel von 16 Fuß Höhe, im Westen neben dem geclairten Felde von 16 Acres, und einige hundert Schritte vom größern Bache entfernt, an dessen andern Seite die Hauptstraße vorbeyführt, wo eine Farm des Herrn L. in ziemlicher Ausdehnung liegt, so daß ich eine ziemlich bedeutende freye Aussicht gewinne, sobald ich das Feld zwischen dem Hause und dem Bache geclairt habe. Im Osten dehnt sich eine große ebene Fläche aus von ungefähr 30 Acres, an welche sich wieder eine andre ebene Fläche von 50 Acres anschließt. Sie werden von einem ziemlich hohen Berge begränzt, von dem man eine sehr weite Aussicht hat, und welcher sehr gute Steine zum Bauen liefert, die in Menge an der Oberfläche liegen.  An der Südostseite dieses Berges ist ein Zuckerfeld nebst reichlich hundert Bäumen, zum Theil auf meinem eigenen Grunde, zum Theil auf Staatslande; diese liefern in guten Jahren 200 bis 300 Pfund Zucker. In Norden und Osten des Platzes liegen große Strecken von Staatsland, welches für die Viehzucht sehr vortheilhaft ist. Eine Wassermühle ist nur eine halbe Englische Meile entfernt, das Städtchen Marthasville nur eine Meile. Obgleich dieses jetzt nur aus 2 Kaufladen, einer Schmiede, und einigen wenigen andern Gebäuden besteht, so gewährt die Nähe desselben doch manche Vortheile. Auch kommt vielleicht der County Court dahin, indem die County Montgommery seit kurzem getheilt ist.

Die Herren R-n und Bl-r wohnen ungefähr 3 Meilen entfernt. Meine näheren Nachbaren sind alle Americaner, sehr gute Leute und äußerst freundschaftlich gegen mich. Bey der Aufrichtung meines Hauses waren sie mir sehr behülflich. Herr L. bewirthete uns dabey mit einem Mittagsessen. Der Bau eines Hauses macht hier wenig Kosten. Man schlägt die dem Hausplatze zunächst stehenden Bäume nieder, und behaut sie. Dann werden die Nachbaren eingeladen, welche nie verfehlen, sich einzufinden. Nun wird das Haus gerichtet, welches darin bestehet, daß die Balken ins Gevierte gekreuzt über einander gelegt werden. Drauf sägt man Oeffnungen für die Fenster, die Thüren und den Kamin hinein, welcher letztere draußen angebauet wird, und macht die Lücken mit Stückchen Holz und Kalk dicht. Obgleich ein solches Haus sehr roh ist, so ist es doch für das hiesige Leben sehr passend, und man gewöhnt sich sehr bald daran. Will man etwas mehr daran wenden, so bekleidet man die Wände von innen mit Kalk, den man sich selbst brennt, indem man die Kalksteine, deren es hier in Menge giebt, vom Berge herunter rollt, Holz dazwischen legt, und dieses anzündet.

Mein angekauftes Grundstück kostet 550 Dollars, wovon ich 200 gleich bezahle, und das Uebrige in jährlichen Terminen abtrage; auch ist der Verkäufer zufrieden, wenn das Geld ganz stehen bleibt, da er das Geld nicht nöthig hat, und nicht sicherer belegen zu können glaubt. Die 212 Acres sind für mich allein eine zu große Fläche, da ich nicht im Stande bin, sie allein zu bebauen. R-r wird wahrscheinlich einen Theil desselben behalten; wo nicht, so finde ich leicht Gelegenheit, den Theil mit Vortheil zu verkaufen, da die Einwanderung nach dem Missoury-Staate zunimmt, und mein Land zu dem besten Hügellande gehört, und eine sehr vortheilhafte Lage hat. Der kleine Bach würde sich vielleicht zu einer Mühlen-Anlage passen. Sollte ich indeß auch nichts davon verkaufen, so bin ich doch sicher, daß sich das angelegte Capital gut verzinsen wird, und daß diese Farm mir bey einiger Arbeitsamkeit nicht allein eine sorgenfreye Existenz sichern wird, sondern daß ich mir nach einigen Jahren manche Annehmlichkeiten werde verschaffen können.

So habe ich denn das Ziel meiner Wünsche erreicht; ich bin Eigenthümer eines Grundstücks, und darf, im Vertrauen auf die baldige Vereinigung mit meiner --, einer glücklichen Zukunft entgegensehen. Bis jetzt bietet das Ganze freylich nur einen rohen wilden Anblick dar, da ich mich fürs erste darauf beschränken muß, nur das Nothwendige zu thun. In einigen Jahren hoffe ich, mich so weit herausgearbeitet zu haben, daß ich auf Verschönerungen, wozu die Natur selbst die Hand bietet, mein Augenmerk richten darf. Im Anfange wurde mir die Arbeit sehr schwer, und meine Hände waren immer voll Schwielen, jetzt geht es schon besser. Ich arbeite gewöhnlich unausgesetzt von Morgens 8 ½ bis Abend 4 ½ Uhr, ohne zu sehr davon ermüdet zu werden; ich fühle mich dabey sehr wohl, und kräftiger als früher. Auch lerne ich immer mehr die nothwendigen Handgriffe, wodurch die Arbeit leichter von statten geht. Der erhebende Gedanke, selbstständig zu wirken, und in einer Wildniß urbares, die Arbeit lohnendes Land zu schaffen, läßt mich manche Beschwerden wenig fühlen.

Das Clima ist hier in diesem Winter, mit Ausnahme einiger Tage, äußerst milde gewesen. Zwischen Weihnachten und Neujahr hatten wir so angenehmes heiteres Wetter, wie es in Deutschland selten im April oder May ist. Tags darauf hatten wir einige Grade Kälte, aber am nächsten Tage wieder das schönste Frühlingswetter, welches sich bis jetzt erhalten hat, so daß ich Abends nach vollbrachter Arbeit mich manchmal vor die Thüre setze und mein Pfeifchen schmauche. Was das hiesige Clima besonders angenehm macht, ist, daß es gewöhnlich sehr still ist, und nur selten ein starker Wind weht.

Mein Flötenspiel findet hier gewaltigen Beyfall. Selten kommt ein Fremder hier, der nicht gleich mit der Bitte herausrückt, ich möge ihm etwas vorspielen; auch von meinen Hausgenossen werde ich oft zum Spielen aufgefordert. Die Americaner lieben die Musik sehr, obgleich man selten einen findet, der erträglich singen oder spielen kann. Sie reisen Meilen weit zu den Herren R-n und Bl-r, um das Fortepiano, welches diese von Deutschland mitgebracht haben, spielen zu hören, und zugleich die pretty German Ladys zu sehen. Am letzten Sonntage mußte ich meinen Hauswirth und mehrere Damen dorthin geleiten, wie gewöhnlich sämmtlich zu Pferde. Es wurde gespielt, gesungen und getanzt, und die Geselligkeit war sehr entzückt über alles, was sie gesehn und gehört hatten. Sie bedauerten nur, daß sie sich mit den Deutschen Damen, die der Englischen Sprache noch nicht mächtig sind, nicht hätten unterhalten können. Ich kann mit der Englischen Sprache ziemlich gut fertig werden, und Mistreß Br., meine Lehrmeisterin, eine redselige Frau von 60 Jahren, freut sich gewaltig über ihren gelehrigen Zögling; sie giebt sich alle mögliche Mühe, mich richtig sprechen zu lehren, und glaubt, daß ich bald ein guter Americaner seyn werde.

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Dok-Nr. 223: „Oldenburgische Zeitung“ No. 101 vom 19.12.1834

[Im Kleingedruckten]

[...] – Nordamerica. Ein deutscher Ansiedler schreibt aus Waaren-County in Missouristaate im August: Die Einwanderung nimmt hier auf das Aeußerste überhand. Tausende kommen in New-Orleans an und eben so viele in den östlichen Seehäfen. Waaren-County wird binnen wenigen Jahren ganz von Deutschen bewohnt, oder, wie wir uns hier halb englisch, halb deutsch schon ausdrücken, „gesattelt“ (settled) sein. Viele Deutsche gehen nach Illinois, die meisten ziehen jedoch, der Gesundheit und des reinen Bodens wegen, den Missouri vor. Meine ganze Umgegend ist jetzt von Deutschen angebaut, Leuten aus allen Ständen: Staatsbeamte, Künstler, Gelehrte, Handwerker, Bauern, Grafen und Barone. Alle leben hier als friedliche Pächter. Sogar der Erbgraf von Bentink hat seine Graf- und Herrschaft seinem jüngern Bruder übertragen, seinen Adel abgelegt, und ist nun americanischer Bürger. Er hat in meiner Nähe ein Gut gekauft, wo ich ihn oft schon hinter dem Pfluge gesehen habe. Das gesellige Leben, welches früher den westlichen Waldbewohnern abging, gewinnt jetzt immer mehr an Gestalt, wenn gleich es von den Berliner Theegesellschaften in sehr wesentlichen Puncten verschieden ist. Doch will auch schon das Böse bei uns wuchern; so treiben einige frömmelnde Geistliche bereits hier ihren Predigerunfug, der jedoch an dem gesunden religiösen Sinne der Colonisten ein unübersteigliches Hinderniß finden wird, so daß diese Pietisten bald ausmitteln dürften, wie ihnen die Hand am Pfluge Besseres fördert, als auf der Stuhllehne, die hier die Stelle der Kanzel vertritt. - [...].

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Dok-Nr. 224: „Oldenburgische Zeitung“ No. 28 vom 07.04.1835

[Im Kleingedruckten]

Folgendes ist der Auszug des Briefes eines deutschen Auswanderers nach America, Besitzers einer ansehnlichen Fabrik, an seinen Sohn in Churhessen: „Philadelphia, 12.Nov.1834. Lieber Sohn! Ich wollte diesen Herbst schon von hier weg; allein America hat sich so verschlimmert, daß ich ohne Schaden nicht verkaufen konnte. Durch die schlechten Zeiten, die hier eingetreten sind, habe ich einen Schaden erlitten von 2000 Fl.; und wollte ich jetzt verkaufen, so würde ich an meiner Fabrik 3000 Fl. verlieren, und fünftausend, lassen sich nicht leicht erwerben. Alle Deutschen, welche hier ankommen, erschrecken, und sagen, daß es eben so schlecht und noch unangenehmer, als in Deutschland sei. Vermögende Leute kommen hier an keine Geschäfte und gehen der Armuth mit sehenden Augen entgegen. Besonders Weiber sieht man hier ihre Hände herzzerreißend ringen, und weinend ihr schönes Vaterland nennen. Ich arbeite immer noch dem jüngsten gleich; und wer dieses hier nicht thun kann, der bleibe in Deutschland und esse seine Kartoffeln und Dickmilch: Die Herren irren sich, wenn sie denken, hier spazieren zu gehen. Die Juden kommen hier am besten fort. Die hiesigen Arbeiter haben nichts zu thun und es kommen täglich mehr an. Viele arbeiten bei den Bauern für die Kost. Rathe Niemand nach America.!“

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Dok-Nr. 225: „Oldenburgische Blätter“ No. 1 vom 03.01.1837

Bemerkungen für Auswanderer nach Nord-Amerika*).

[Fußnote] *) Aus: Die Freystaaten von Nord-Amerika von Gustav Löwig, Kaufmann in Philadelphia. Heidelberg und Leipzig 1833.

Als ich einige Tage nach unserer Ankunft in New-York zu unserem Packetboote zurückkehrte, erstaunte ich, die ganze ansehnliche Reisegesellschaft, die ich längst über Amerika’s blaue Berge wähnte, auf dem Markt mit Sack und Pack um das Schiff gelagert zu finden, von dem nur die ledigen Leute sich entfernt hatten. Hier kochten, wuschen und schliefen sie unter freyem Himmel auf bloßer Erde. Sobald nämlich mit dem Ausladen des Schiffs der Anfang gemacht wird, müssen die Reisenden solches verlassen, allein die meisten müssen, wenn sie noch Habseligkeiten im Schiffsraume haben, so lange warten, bis man beym Auspacken an ihre Sachen kommt, welches gewöhnlich 5 bis 6 Tage dauert *). Während dieser Zeit ein Wirthshaus zu beziehen, haben die Mehrsten kein Geld oder es ist zu ihrer Weiterreise ihnen unentbehrlich. Viele haben oft keinen Gulden mehr, in der Hoffnung, daß sie, wenn sie nur erst in Amerika sind, keines Geldes mehr bedürfen. Die Lage der Letzteren ist wirklich sehr traurig, zumal, wenn sie, der Landessprache unkundig, verlassen auf Amerika’s Boden stehn, wo sie ein irdisches Paradies zu finden glaubten. Diejenigen, welche schon gute Freunde oder Verwandte im Lande haben und sie zu finden wissen, belebt jedoch wieder neue Hoffnung; solche hingegen, die auch dieses entbehren, haben im Anfange ein sehr hartes Schicksal zu bestehen. Ein guter und nur halbmenschenfreundlicher Schiffs-Capitain sorgt jedoch für rechtliche Männer, die Erfahrungen und Kenntnis der Sprache dieser Leute besitzen und welche die Unglücklichen wenigstens mit gutem Rathe unterstützen, hauptsächlich aber sie vor Betrügern warnen, die oft sie noch um die wenigen Pfennige prellen, welche ihnen noch übrig geblieben sind. Meistens sind es Landsleute, die dies schändliche Gewerbe treiben, und alle Ankömmlinge sollten sich vor diesen Menschen und zwar im Anfange vor Allen ohne Ausnahme in Acht nehmen, unter welcher Maske sie auch immer sich anbieten. Gebraucht man die Hülfe eines Deutschen, kauft sich der Neuangekommene etwas Nöthiges bey einem solchen Landsmanne, so wird er sicherlich betrogen oder muß wenigstens noch einmal so viel bezahlen, als wenn er sich an einen Amerikaner gewandt hätte. Es ist eine Schande, daß die Deutschen sich einen so schlechten Ruf erworben haben, aber es sind auch nur solche, welche schon daheim der Auswurf waren und es auch hier geblieben sind. Es giebt dagegen auch, Gott sey Dank, sehr Viele, die den Namen ihres Vaterlandes mit Würde tragen und deswegen auch die volle Achtung der Amerikaner genießen. Nur Schade, daß der Ankömmling nicht zuerst mit diesen bekannt wird und es ihm so schwer fällt, sie kennen zu lernen.

Die Ursache davon ist wohl folgende: Jeder Deutsche, der hier einen guten Ruf genießt, macht sich, so viel als möglich, den Einwanderern unentdeckbar, die bis jetzt größtentheils nur aus der Hefe von Deutschland bestanden, und ihn dazu nicht allein zwangen, sondern auch ihm die weise Lehre gaben, sich so entfernt als möglich von diesen Leuten zu halten. So muß denn der Unschuldige mit dem Schuldigen leiden und dies ist auch die Ursache, daß der Ankömmling nun in die Hände der Nichtswürdigen fällt. Keiner sollte daher ohne eine feste Bestimmung eine Auswanderung nach America unternehmen und ohne einen redlichen Freund schon im Lande zu haben, von dem er gewiß weiß, daß es ihm gut geht und daß er im Stande sey, mit Rath und That ihm zu helfen. Selbst derjenige, der Geld genug mitbringt, bedarf solcher Stütze, wenn er nicht in kurzer Zeit dasselbe einbüßen will.

Da in den großen Städten beynahe Alles hängen bleibt, fehlt es dort eben so wenig an thätigen Händen als in Europa und manche Handwerker sind sogar noch stärker übersetzt, als dort. Zudem wird jedes Handwerk hier anders gehandhabt, und ein Jeder, wäre er auch jenseits der geschickteste Arbeiter gewesen, muß hier wieder neu anfangen zu lernen *). Man erwäge ferner, daß ohne Kenntnis der Sprache auch der Geschickteste wenigstens für einige Zeit hier unnütze Hände besitzt und überlege dieses Alles reiflich, ehe man zu einem so wichtigen Schritte sich entschließt. Der Anfang ist hier außerordentlich schwer und die Schule, die der Fremde durchlaufen muß, ist mit vieler Bitterkeit begleitet. Ohne Geschicklichkeit, Thätigkeit, Sparsamkeit und besonders Ausdauer und Klugheit wird sich Einer hier eben so wenig als anderswo eine Stütze fürs Alter pflanzen. Jeder Ankömmling mache sich auf Entbehrungen gefaßt, besonders hinsichtlich gehabter häuslicher Bequemlichkeiten, er mache vorzüglich mit dem Gedanken sich vertraut, daß, sey er auch, was nur immer, zu Hause gewesen, habe er auch durch Talente und musterhaftes Betragen in seinem Lande die größte Achtung sich erworben, dieses Alles in Amerika wegfällt und er hier als der unbedeutendste Mensch so lange mit Gleichgültigkeit angesehen wird, bis hier seine Werke und Handlungen geprüft und dann erst gewürdigt worden.

[...].

Die deutschen Wirtshäuser in New-York sind meistens Kneipen, doch sind zwey da, die wenigstens von rechtlichen Männern gehalten und auch von dem bessern Theile der Deutschen häufig besucht werden. Mirkel, No.14. Francfort-street und Weidenmeyer sind die Besitzer derselben und dahin möchte ein jeder Deutscher, der nicht eine bessere Weisung hat, sich wenden. Mirkel ist ein gefälliger Wiener und hat zwar nur wenig Raum, Fremde aufzunehmen, ist aber doch für ein ordentliches Unterkommen besorgt, und nimmt der Landsleute sich liebevoll an.

[1.] *) Niemand darf Sachen aus dem Schiffe bringen, bevor sie verzollt sind, wobey man viele Umstände zu beobachten hat. Zuerst wird die Originalfactura von den gekauften Gegenständen verlangt und von selbst verfertigten Waaren ein genaues Verzeichniß mit dem gewöhnlichen Verkaufspreise. Hierauf muß der Zollpflichtige seine Angabe beschwören, und der Zollofficier, der an Bord des Schiffs bleibt bis es ganz ausgeladen ist, erhält die Weisung, die beschwornen Güter auf das Zollhaus bringen zu lassen. Trotz des Eides werden hier dieselben nochmals untersucht und geprüft, worauf denn der Zoll bezahlt wird. Kleine Gegenstände, als Nachtsäcke, Hutschachteln u.a. werden nicht untersucht, und größere Dinge, die keinem Zoll unterliegen, werden blos von dem erwähnten Zollofficier etwas geprüft und dann freygegeben. Wer nur wenig Gepäck und darunter nichts Zollbares hat, auch solches auf dem Schiffe bey sich behält, daß es nicht zur Schiffsladung kommt, wird gar nicht aufgehalten und jeder Reisende sollte beym Einschiffen besonders Sorge tragen.

[2.] *) Auch das Handwerksgeräthe ist hier verschieden von dem in Deutschland und größtentheils weit vollständiger und besser. Daher ist es auch zu rathen, daß man nicht viel solches Geräthe mitnehme und zwar nur das nützlichste, zumal ankommende Deutsche nur selten von ihrem Handwerkszeug Gebrauch machen können.

(Der Beschluß folgt.)

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Dok-Nr. 225a: „Oldenburgische Blätter“ No. 2 vom 10.01.1837

Bemerkungen für Auswanderer nach Nord-Amerika.

(Beschluß)

Jeder Einwanderer kann erst von dem Tage an, an welchem er sich auf einem Stadthause (court) zum Bürgerwerden meldet, in 5 Jahren wirklicher Bürger werden und erst dann die vollen Rechte eines solchen genießen. Doch tritt bey längerm Aufenthalt eine Begünstigung ein, und wer schon 2 Jahre im Lande ist, kann nach 3 Jahren Bürger werden. Die Vorrechte eines Bürgers vor einem bloßen Bewohner sind im Wesentlichen folgende: Kein bloßer Bewohner kann ein unvertriebener Besitzer von Grundeigenthum seyn, sondern jeder Bürger hat das Recht, dasselbe gegen den Ankaufspreis auszulösen. Sobald sich jedoch Jener zum Bürgerwerden gemeldet und den Eid als Bürger-Candidat (alien) abgelegt hat, sind ihm in diesem Puncte wenigstens gleiche Rechte mit dem Bürger eingeräumt, daß er wirklicher Grundeigenthümer seyn und bleiben kann. Ein Alien kann jedoch noch keine öffentliche Würde bekleiden, welche Auszeichnung nur einem wirklichen Bürger zu Theil werden kann. Die übrigen Vorzüge des Bürgers sind von geringerer Bedeutung. Um ohne Bürger und naturalisirt zu seyn, Grundeigenthum besitzen zu können, bedarf man daher eines Freundes, der Bürger ist, und seinen Namen zum Ankauf herleiht. Der muß jedoch erprobt seyn, damit man nicht fürchten dürfe, von ihm selbst aus dem Besitz gesetzt zu werden.

[...]

Die Einwanderung in die vereinigten Staaten eignet sich vorzüglich nur für den Landmann, welcher bey gesunden, thätigen Händen noch so viel Vermögen besitzt, daß ihm, nach Bezahlung seiner Ueberfahrt, noch Mittel übrig bleiben, um sich in dem Innern des Landes, vorzüglich am Ohio oder Indiana, ansiedeln zu können. Im Staate New-York und Pensilvanien ist gutes Land schon zu theuer, dagegen der weit ergiebigere Boden am Ohio und Indiana, der um weniges Geld erkauft wird, weit einladender und ganz dazu geeignet ist, den Deutschen ein anderes Vaterland finden zu lassen. Auf saure Lehrjahre mache sich jedoch Jeder gefaßt, und Niemand stelle sich eine Einwanderung und Ansiedelung in Amerika als etwas Leichtes vor. Besser ist es vielmehr für ihn, wenn er sich bey kaltem Blute lebhaft die Beschwerlichkeiten denkt, welche in einem fremden Lande, gleichsam in einer anderen Welt, den Fremdling unausbleiblich befallen. Doch nach wenigen harten Jahren ist Alles überstanden und der schönste Erfolg krönt den unternehmenden thätigen Mann. Reichthum an Geld wird zwar dem hiesigen Landmanne nur selten zu Theil; allein an Lebensmitteln haben Alle Ueberfluß und andere Mittel genug, um sich gut zu kleiden. Der amerikanische Bauer behält das Beste für sich und nur das Geringere wird an die Städter verkauft. Deßwegen leben diese Leute auch in der Regel selbst besser als Jene.

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Dok-Nr. 226: „Neue Blätter für Stadt und Land“ No. 33 vom 23.04.1845

Kleine Chronik

Auswanderung. – Die deutsche Gesellschaft in New-York, deren Agent den ankommenden deutschen Auswanderern uneigennützig mit Rath an die Hand geht, macht wiederholt in ihrem letzten Jahresberichte darauf aufmerksam, daß die Auswanderer vor Mitte Octobers in New-York ankommen müssen, wenn sie nicht in Gefahr großer Verluste gerathen wollen. Eben so fordert sie die deutschen Auswanderer auf, Zeugnisse ihres bisherigen Wohlverhaltens aus der zu verlassenden Heimat mitzunehmen. Man hat die Vereinigten Staaten so mit Gesindel, entlassenen Sträflingen u.a. bedient, daß jetzt schon jeder Ankömmling mit Mißtrauen aufgenommen wird. In einem frühern Berichte empfahl die Gesellschaft auch, ein Zeugniß darüber bei sich zu führen, daß der Auswanderer in Deutschland einer Mäßigkeits-Gesellschaft angehört habe.

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Dok-Nr. 227: „Neue Blätter für Stadt und Land“ No. 72 vom 06.09.1845

Kleine Chronik

Neu-Oldenburg in Nordamerika. – Das „Wiskonsin-Banner“, die zu Milwaukin im Wiskonsin-Territorium erscheinende deutsche Zeitung, bringt in Nr.24 vom 15.Febr.d.J. folgende Nachricht:

„Im Washington-County wachsen jetzt die Städte wie Pilze aus der Erde; fast jede Woche bringt uns die Nachricht von einer neu angelegten Stadt. So sind seit kurzem am Cedar-Creek drei neue Städte entstanden; alles geht da mit Steam, und die Bewohner für diese Städte werden binnen Kurzem per Dampf anlangen. Die Namen der erwähnten Städte sind: Cedarburg, Neu-Oldenburg und Kerncastle. Ueber die beiden ersten können wir aus Mangel näherer Nachweise bis jetzt blos berichten, daß sie nahe bei einander ausgelegt sind, und daß die Herren Hilgen und Schröder in der zweiten eine große Mühle gebaut haben.“

Dieses Neu-Oldenburg wird von etwa 20-25 Butjadingern, größtentheils aus Rodenkirchen, Esenshamm und Blexen, gegründet sein. Nach Privatmittheilungen sind alle zufrieden und haben das feste Vertrauen, etwas vor sich bringen zu können. Sie finden sich leicht in die dort herrschenden freien Institutionen, doch schreibt kein Einziger, ohne mit der größten Innigkeit Alt-Oldenburgs zu erwähnen.

Ein Spaßvogel will durch Taubenpost die Nachricht erhalten haben, daß die Gründer von Neu-Oldenburg die alt-oldenburgische Städte-Ordnung dort hätten einführen wollen, daß jedoch dies vom Gouvernement verboten wäre, weil – die erwähnte Städteordnung zu liberal wäre für Nordamerika.

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Dok-Nr. 228: „Oldenburgische Zeitung“ No. 29 vom 09.04.1847

Vermischte Nachrichten

Einem Briefe des aus dem Freischaarenzuge bekannten Georg Fein aus Newyork, den ein Schweizerblatt veröffentlicht, entheben wir Folgendes: Es gewährt in der That ein tragikomisches Schauspiel, die Verwandlungen vieler unserer deutschen Landsleute mit anzusehen. Ich will hier nur ganz kurz bei Newyork stehen bleiben. Ein ehemaliger katholischer Pfarrer in Rheinbaiern, Namens Groh, hält jetzt eine kleine Schnaps- und Bierschenke in einem elenden Keller und daneben eine Kleinkinderschule; ein anderer Schulkamerad von mit, Bohne, früher tüchtiger Gesang- und Musiklehrer, ist jetzt Destillateur und macht als solcher gute Geschäfte; ein ehemaliger sächsischer Baron ist jetzt – Barbier und rasirt die Schwarzen! ein ehemaliger bairischer Lieutenant, Rader, treibt einen vortheilhaften Cigarrenhandel; ein Dr.Ludwigh aus Ungarn war eine Zeitlang Nationalistenprediger und hält jetzt eine Gastwirthschaft; ein ehemaliger bairischer Student malt Stubenwände aus; ein anderer dito Berliner drehet gegenwärtig Cigarren in einer Cigarrenfabrik; der berüchtigte Rottenstein ist fanatischer Methodistenprediger geworden etc. etc. Anderer Seits fehlt es auch nicht an Beispielen, daß Leute, die ohne alle pekuniäre Mittel, ohne Kenntnisse und Talente herübergekommen waren, bloß durch eine Lebensgewandtheit und eine naive Rücksichtslosigkeit in Betreff der zu ihrem Fortkommen angewendeten Mittel, sehr bemittelte und hochangesehene Geschäftsmänner geworden sind und nun mit dem Dünkel der Geldaristokratie auf uns übrige arme Schlucker herabsehen. Einer meiner alten braunschweigischen Schulkameraden hat viele Jahre hindurch ein schlechtes Haus gehalten, ist dadurch ein reicher Mann geworden und schauet nun gar übermüthig drein.

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Dok-Nr. 229: „Oldenburgische Zeitung“ No. 67 vom 20.08.1847

Ausland.

Nordamerika.  Am 5.Juli feierten die Deutschen zu Philadelphia in Lippincottswäldchen ihr „großes deutsch-amerikanisches Nationalfest“, zu welchem sich etwa 7000 eingefunden hatten. In der Mitte des Platzes sah man die Standbilder Hermanns und Washingtons; deutsche Nationallieder wechselten mit amerikanischen ab; viele Redner traten auf, unter diesen achtungswerthe Deutsche, die ihr Vaterland verlassen mußten. Gegen Abend drang eine Bande von liederlichen Individuen der Nativistenpartei heran und störte das Fest; sie wurde indeß mit blutigen Köpfen zurückgewiesen. Auch mehre Deutsche wurden in dem Handgemenge verwundet.

Vermischte Nachrichten

Es ist gut, daß die deutschen Amerikaner drüben in einem bessern Rufe stehen, als bei uns. Der Präsident der Verein. Staaten, dessen Lob schwer wiegt, und der weder aus Liebhaberei, noch aus Schwäche schmeichelt, hat die Deutschen als die tüchtigsten unter den Einwanderern bezeichnet und als die tapfersten Krieger des amerikanischen Heeres.

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Dok-Nr. 230: „Oldenburgische Zeitung“ No. 76 vom 21.09.1847

Ausland.

Nordamerika. […]

Im Staate Tennessee blüht eine deutsche Ansiedelung, Wartburg genannt, empor. Man verspricht ihr ein gutes Gedeihen. Sie liegt in einer schönen, gesunden Gegend, hat Absatzwege sowohl nach dem Atlantischen Meere wie nach dem Mississippi für ihre Producte, im Gebirge liegen Steinkohlen, der Boden ist fruchtbar, und theilweise auch zur Schafzucht geeignet, auf welche mehre Kolonisten ihre Aufmerksamkeit richten. Für Schule, Pfarre, Arzt und Apotheke ist von den Unternehmern der Kolonie, die in Newyork, Mainz und Antwerpen wohnen, gesorgt, und die Ansiedler stehen auch bei ihren amerikanischen Nachbarn in großer Achtung.

Einer der ersten und bekanntesten deutschen Einwanderer, Rapp aus Würtemberg, ist in Pittsburg in hohem Alter gestorben. Er führte Gemeinschaft der Arbeit und der Güter in seiner Kolonie ein und stand wie ein Vater unter seiner großen Familie.

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Dok-Nr. 231: „Oldenburger Zeitung“ No. 139 vom 06.09.1853

Vermischtes.

- Ueber die Deutschen in San Francisco bringt die Alta California, ein sonst den Deutschen nicht eben günstiges Blatt, einen Aufsatz, dem wir Folgendes entnehmen: „Gegenwärtig leben 5000 Deutsche in San Francisco, welche alle Klassen und alle Landestheile Deutschlands vertreten, von den Bergen Tyrols hinab bis zur Mündung der Weser, von den Weinhügel des Elsaß bis zu den sandigen Ufern der Weichsel. Die große Mehrheit beabsichtigt, hier ihren bleibenden Wohnsitz zu nehmen. Die Deutschen in Californien, als nationale Klasse betrachtet, sind sehr weit verschieden von denen in den atlantischen Staaten. Während sie dort meist Handwerker und Arbeiter sind, und nur verhältnißmäßig eine geringer Theil den Klassen höherer Bildung angehört, sind die Deutschen Californiens fast alle aus den gebildeten Ständen. Unter ihnen bestehen zur Erhaltung des Andenkens an das Vaterland verschiedene Associationen, unter denen der Turnverein, „Gymnastic Union“, eine erste Stellung einnimmt. Ein anderer populärer deutscher Verein ist der „Sängerbund“, während von den wohlhabenderen Deutschen ein „deutscher Club“ gebildet worden ist, der eine werthvolle, obgleich nicht starke, Bibliothek und ein gut ausgestattetes Local besitzt. Dabei unterhalten die Deutschen Californiens ein Organ, die Staatszeitung; dieselbe erscheint täglich, ihr Geist ist frisch und kräftig, und ihre Verbreitung ansehnlich. Auch hat San Francisco ein deutsches Theater. Wohl keine Klasse der Bevölkerung liefert verhältnißmäßig weniger Verletzer der Gesetze vor die Gerichtshöfe als die Deutschen, und unter ihnen befinden sich sehr wenige oder gar keine Spieler. Mehrere Geschäfte haben sie ganz monopolisirt. So sind die meisten Cigarrenhändler, Musiker und Brauer in der Stadt Deutsche. Die „Union Band“ besteht nur aus Deutschen. Man geht mit der Absicht um eine deutsche Militärcompagnie zu bilden, was wir sehr gern sehn würden. Der ihnen innewohnende militärische Geist und ihr Esprit du corps in dieser Hinsicht befähigt sie, die Strenge der Disciplin aufrecht zu erhalten, in welcher sie, seit den Zeiten Friedrich’s des Großen unübertroffen dastehen.“

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Dok-Nr. 232: „Volkszeitung für Oldenburg“ No. 80 vom 08.07.1855

Vermischtes

Die Deutschen bilden wohl ein Drittel der Einwohnerzahl von Illinois. Die Bevölkerung von Quincy, einem besonders schön gelegenen Städtchen am östlichen Ufer des Missisippi, ist zur Hälfte, die von Chicago und Galena, letztere der Hauptort der Blei-Region, zum Drittel, und Belleville, der bedeutendste Platz des Le-Clair-County, fast St.Louis gegenüber, beinahe ganz deutsch. In der Umgegend Belleville’s bilden die „lateinischen Farmer“, eine Anzahl gebildeter Deutscher, meistens Flüchtlinge aus den dreißiger und vierziger Jahren, die sich hier im fernen Westen nahe bei einander niederließen und sich fast alle mit großer Regsamkeit dem Landbau widmen, ein eigenthümliches Element in der Bevölkerung. Ihre feine Bildung sticht seltsam ab von den rohen Gebähren ihrer Nachbaren, die zum Theil aus den südlichen Sclavenstaaten hier eingewandert sind. Dort liegt unter anderen die Farm von Friedrich Hecker, dort ist der Wohnort von Gustav Körner, gegenwärtig Vice-Gouverneur des Staates, des einzigen gebornen Deutschen, der jemals in den Vereinigten Staaten zu einem solchen Amte gelangt ist. Städte von Bedeutung hat Illinois außer Chicago keine. Springfield, so ziemlich in der Mitte des Staates und an der von Chicago nach St.Louis führenden Eisenbahn gelegen, ist der Sitz der Regierung; es ist ein freundliches Städtchen von 5-6000 Einwohnern.

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Dok-Nr. 233: „Oldenburger Zeitung“ No. 20 vom 03.02.1856

Vermischtes.

- In seinem neuesten Reisewerke, welches Nordamerika, namentlich Canada, Newyork und Pennsylvanien schildert, erzählt Kohl *] aus Pennsylvanien oder „Pennssilfohnien“, wie die deutschen Ansiedler es nennen, das Land habe keine besonderen Eigenheiten, unter welchen unserm Landsmann auffiel, daß er nirgends einen Vogel, nicht einmal einen Sperling und eine Krähe entdeckte. Er theilte diesen Gedanken einst etlichen Reisegefährten mit, die zuvor ein Gespräch mit ihm in fließendem Englisch geführt hatten. Als Kohl sich als Deutscher zu erkennen gab, brach der eine los: „Ach! du bist Deutsch? I klaupt, du wohrst Inglisch. Well! da kennen wir ja Deutsch schwatze. I bin von Germen dessent (German descent). Mein Noam verrath mi scho: Baumaier. Hob die Ehre!“ Der Mann wunderte sich, daß Kohl noch keine Krähe gesehen, denn deren hätten sie genug. Kohl beklagte dann weiter, daß er nie eine Nachtigall habe schlagen hören, die still in der Nacht zwischen den Zweigen sitze und durch den Busch flöte. „Ah!“ sagte der Bauer, „jetzt verstehe ich. Den Vogel haben wir hier sehr viel, ich höre ihn jede Nacht im Busche schreien, wir nennen ihn aber auf Pennssilfohnisch die Nachteule.“

[* Johann Georg Kohl: Reisen in Canada und durch die Staaten von New York und Pennsylvanien. Stuttgart bei Cotta, 1856]

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Dok-Nr. 234: „Oldenburger Zeitung“ No. 121 vom 04.08.1857

Vermischtes

- Charleston (Südcarolina). Die hiesige deutsche Zeitung schreibt: Seit den letzten 10 bis 12 Jahren haben sich die Deutschen in Charleston bereits bedeutend vermehrt, obgleich die directe Einwanderung im Verhältnis zu anderen Städten nur schwach war. Man findet hier Deutsche in allen Lagen des Lebens, von dem ersten Engroshändler bis zum bescheidenen Tagelöhner. Die deutschen Dienstmädchen sind selten und es ist für eine deutsche Familie kaum möglich, eins zu bekommen, denn die hiesigen Amerikaner sind förmlich versessen auf deutsche Mädchen. Selbst solche, die von Dutzenden ihrer eignen Sklaven bedient werden, nehmen deutsche Dienstmädchen, geben ihnen einen Lohn von 10 bis 12 Dollars monatlich, wofür sie nichts weiter zu thun haben, als den Palour in Ordnung zu halten, ein bischen auf die Kinder zu sehen und vielleicht kochen, alle anderen gröberen Arbeiten werden von Schwarzen verrichtet. Deutsche Handwerker nehmen hier einen hervorragenden Platz ein, und wer eine gute Arbeit wünscht, geht zu Deutschen. Die Grocerieläden werden fast alle von Deutschen gehalten, und findet man darunter die respectabelsten Geschäfte der Stadt. Die deutschen Engroshändler sind als die reellsten bekannt. Deutsche Manufacturläden giebt es eine Masse und sie wetteifern mit den größten amerikanischen Geschäften, sowohl in Güte der Waaren, als in Billigkeit der Preise. Deutsche Wirthe befinden sich in vollster Anzahl und ist Lagerbier die Ordre des Tages. Amerikaner, die früher ein saures Gesicht schnitten, wenn sie nur von Lagerbier hörten, trinken es jetzt wie der beste Deutsche und loben es auf alle mögliche Weise; in manchen Lokalen sieht man mehr Amerikaner als Deutsche, die sich an diesem Getränk laben. – Deutsche von Charleston waren es, welche die jetzt so blühende Ansiedelung in Pickens District gründeten und das Städtchen Walhalla mitten in der Wildniß aufbauten, welches jetzt, 6 Jahre nach seiner Gründung, bereits über 400 Einwohner zählt, zwei Schulen, über ein Dutzend verschiedene Handlungen, 4 bis 5 ausgezeichnete Hotels, eine wöchentliche Zeitung und eine Masse Handwerker hat, die alle gut ausmachen. – Charleston hat 3 deutsche Militaircompagnien, welche jede durchschnittlich 100 Mitglieder zählen, eine deutsche Feuercompagnie, so wie noch 12 andere deutsche Gesellschaften. Zwei deutsche Kirchen so wie zwei deutsche Schulen befinden sich ebenfalls hier, und wir haben keinen Zweifel, daß. ehe ein paar Jahre vergehen, ein Zehntel der Bevölkerung Charlestons Deutsche sind, wenn dieses nicht schon jetzt der Fall ist.

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Dok-Nr. 235: „Oldenburger Zeitung“ No. 82 vom 27.05.1858

Vermischtes

- Aus dem im südlichen Kansas durch Deutsche (Serenbentz und Dr.Hartmann) angelegten Städtchen Humboldt geht der „Kansas Ztg.“ folgende Mittheilung zu: Wie schnell die Stadt und Umgebung an Einwohnern zugenommen, ist daraus zu ersehen, daß Humboldt Precinct bei der letzten Herbstwahl in Gemeinschaft mit dem im Süden an den unserigen stoßenden nur 19 Votes gab, während bei der letzten am 4.März hier Statt gehabten Wahl Humboldt allein 83 Stimmen gab. Daß wir Alle gegen den Lecompton national-demokratischen Schwindel stimmten, braucht wohl keiner besondern Erwähnung. Die Lage der Stadt und Umgebung wird von allen Neuankommenden äußerst schön und anziehend gefunden. Es gewährt uns Deutschen rechten Spaß, unsere amerikanischen Freunde die deutschen Namen der Straßen aussprechen zu hören, als Trütschlerstreet, Uhlandstr., Schillerstr. und wie sie Goethe- und Uhlandstr. aussprechen sollen, ist fast außer dem Bereich ihrer linguistischen Geschicklichkeit. Lassen Sie die Deutschen im Osten wissen, daß wir noch wenige Handwerker hier haben, und so viele deren kommen, sie werden gewiß alle Arbeit finden. Es ist nicht übertrieben, wenn wir z.B. behaupten, daß ein Mann, der mit einem vergleichsweise geringen Capital eine Töpferei und Brickgard hier errichtete, in wenigen Jahren sich ein großes Vermögen erwerben könnte. Auch haben wir Mangel an Schuhmachern, Schneidern, Wagenmachern u.a. An Holz fehlt es hier nicht und Baumaterial jeder Art ist im Ueberfluß vorhanden. Deutsche Sattler sollten sich beeilen, bald zu kommen, da für Farmer in geringer Entfernung von der Stadt noch die schönsten Claims zu haben sind.

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Dok-Nr. 236: „Oldenburger Zeitung“ No. 76 vom 16.05.1861

Amerika. – Newyork, 27.April. Die Besorgnis um die den Sonderbündlern so nahe gelegene Bundeshauptstadt ist beseitigt. Den letzten Nachrichten aus Washington zufolge waren dort so viel Miliztruppen angelangt, daß ein etwaiger Ueberfall durch die Sonderbündler mit Leichtigkeit abgewiesen werden kann. Allein von hier sind bis vorgestern Abend 11.850 Mann nach Washington abgegangen.

Keine Nationalität thut es hier in Newyork der deutschen gleich. Alles, was Waffen tragen kann und nicht durch die allergebieterischsten Pflichten gegen die Familie gezwungen ist, daheim zu bleiben, stellt sich unter die Fahne. Binnen einer halben Woche hat die Stadt Newyork und nächste Umgebung drei vollständige deutsche Regimenter gestellt, ungerechnet die uniformirten Milizregimenter, die bereits vorher bestanden. Emil Duysing, erster Verkäufer im Tuchdepartement der bekannten deutschen Firma Christ, Jay&Co. und früher Offizier in kurhessischen Diensten, bildet ein Freicorps. Das hier gebildete deutsche Jägerregiment unter Oberst Blenker soll, wie es heißt, nach Texas gehen und dort die Rebellen ausräuchern. Karl Schurz, der designirte Gesandte nach Spanien, ist nach Washington gegangen, um das Commando eines deutschen Regiments zu übernehmen. Zur Unterstützung der Familien der deutschen Freiwilligen hat sich eine Gesellschaft gebildet und folgende Herren als Comité gewählt: Bellmont, Ballin, Witthaus, Wesendonck, Brill, Weißmann, Ottendorfer, Forstmann, Günther und Kaufmann.

[...]

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Dok-Nr. 237: „Oldenburger Zeitung“ No. 47 vom 26.02.1863

Amerika.

Newyork, 3.Febr. Das Deutschthum gewinnt in den Vereinigten Staaten von Nordamerika an Geltung. Der Staat Wisconsin hat einen deutschen Gouverneur und der Staat Michigan einen deutschen General-Auditeur, Herrn Emil Annecke, Bruder des früheren preußischen Artillerie-Lieutenants Fritz Anneke. Der General-Auditeur leitet vermöge seiner Stellung die Verwaltung der Finanzen und Staatsschulden und ist in Abwesenheit des Gouverneurs Vorsitzender des Staats-Ministeriums. Die Erhebung des Herrn Annecke zu diesem wichtigen Amte, das Ergebniß eines unbegrenzten Vertrauens des Volkes zu der Person des Erwählten, ist um so auffallender, als derselbe kaum 12 Jahre amerikanischer Bürger und kaum 6 Jahre Bürger des engeren Staats Michigan ist. Beispiele solcher Anerkennung deutscher Redlichkeit und deutscher Tüchtigkeit sind Zeichen der Zeit und geeignet, die Deutschen ihrer Tugenden und ihrer Kräfte sich bewußt werden und die Hebung des Selbstbewußtseins der Deutschen in den gefundenen neuen Vaterländern mit der Hebung des Selbstbewußtseins der Deutschen im Stammvaterlande gleichen Schritt halten zu lassen.

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Dok-Nr. 238: „Oldenburger Zeitung“ No. 285 vom 08.12.1866

Vermischtes

Rudolf Lexow’s „Newyorker belletristisches Journal“ veröffentlicht einen Brief aus Neworleans, worin das Loos der nach dem Süden der Union eingewanderten Deutschen als ein sehr trübseliges geschildert wird. Die im vorigen Winter und Frühjahr nach Deutschland entsendeten Agenten der Baumwollstaaten und die zum Fang frischer Ankömmlinge in Newyork und Neworleans lauernden Menschenjäger hatten eine Masse solcher unglücklichen Geschöpfe unter allerlei Vorspiegelungen in den Süden gelockt und sie dort als „Dutch Niggers“ behandeln lassen. Die verlassenen Negerhütten waren ihre Wohnungen, vier Pfund gepökeltes Schweinefleisch und Roggenmehl ihre wöchentliche Nahrung. Wer entfloh, wie es viele versuchten, wurde eingeholt und der Willkür der harten Pflanzer und grausamen Aufseher preisgegeben. Mit der heißen Jahreszeit wurden selbst die sonst willigen Arbeiter, denen es unmöglich war, auf freiem Felde anstrengend zu arbeiten, vom Fieber niedergeworfen, mit ihnen Weib und Kinder, ohne ärztliche Hilfe und ohne andere als die beschriebene Nahrung. Wer aus dem Dienst trat – wenn man’s nicht verhindern konnte -, erhielt keinen Cent Lohn. „Wie Skelette kamen diese Menschen nach Neworleans, Baton-Rouge, Vicksburg und Memphis, welche Plätze sie unter fürchterlichen Strapazen zu Fuß erreichen mußten. Ausgehungert und zerlumpt lagen sie am Fluß, bleich wie der Tod und das Fieber in allen Gliedern. ... Viele ereilte der Tod in den Spitälern oder in den sumpfigen Gegenden, ehe sie Neworleans oder St.Louis erreichten. ... So wie die Sachen jetzt stehen, rufe ich allen Landsleuten zu: Haltet euch von den Agenten fern, die euch für die Staaten Nord- und Südcarolina, Florida, Georgia, Alabama, Mississippi, Arkansas und Louisiana anwerben wollen!“

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Dok-Nr. 239: „Oldenburger Zeitung“ No. 181 vom 05.08.1867

Amerika

Newyork, 20.Juli Die Kämpfer für und gegen die strengen Gesetze in Betreff des Verkaufs geistiger Getränke stehen sich noch immer in ernster Fehde gegenüber, die nicht selten in offenen Conflict ausbricht. Nach den Bestimmungen müssen bekanntlich die Wirthe und Verkäufer an Sonntagen ihre Locale geschlossen halten und ist dann der Verkauf geistiger Getränke streng verboten. Das Verbot bezieht sich auch auf die Wochentage, nämlich auf die Stunden von Mitternacht bis Sonnenaufgang. In Newyork hat sich alsbald das Publikum zur Vereinigung gegen das Gesetz zusammen gethan und „Trinkclubs“ gegründet. Diese Clubs haben ihre Präsidenten und Vicepräsidenten, erheben Beiträge von den Mitgliedern und kaufen dafür geistige Getränke an, die dann am Sonntage von den Theilnehmern und ihren mitgebrachten Gästen vor den Augen des Publikums vertilgt werden, ohne daß die Polizei das Recht zur Einmischung hätte. Die Listen über den Consum ergeben, daß statt abzunehmen, seit Wiederherstellung des alten Gesetzes, der Spirituosengenuß bedeutend zugenommen hat. Mancher, der sonst nur selten und mäßiger Weise sein Glas trank, fühlt sich jetzt in seiner persönlichen Freiheit gekränkt, tritt einem Trinkclub bei und legt sich, dem Gesetze zum Trotz, jeden Sonntag einen mächtigen Haarbeutel an. Die Deutschen, die auf Staaten Island am Sonntag sich so von den Anstrengungen ihrer Woche bei Lagerbier und den Klängen heimathlicher Lieder erholten zu Hause fühlten, sind durch den Terrorismus besonders in ihren harmlosen Vergnügungen gestört und nicht wenig erbittert, und werden das Gift, das ihnen die Machthaber des Staates ins Glas gegossen, wohl gelegentlich bei den Wahlen denselben wieder heimzahlen. In der Zwischenzeit kommt es zuweilen zum Kampfe. In den letzten Tagen zog Sonntags eine große deutsche Expedition mit mächtigen Vorräthen des beliebten Stoffes nach Staaten Island und begann sich nach alter Weise zu vergnügen. Aber das Auge des Gesetzes wachte und seine Schergen erhoben Einspruch, versuchten auch mit starker Hand das Getränke in ihren Besitz zu bringen. Dabei hatten sie aber die Rechnung ohne den Wirth gemacht: die Biertrinker erinnerten sich ähnlicher Störungen der Freiheiten im Vaterlande und thaten, wie sie auch dort gethan, und eine gewaltige Prügelei erfolgte, wobei die Polizei schmählich den kürzeren zog.

[...]

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Dok-Nr. 240: „Oldenburger Zeitung“ No. 42 vom 20.02.1869

[Leitartikel] Auswandererschutz.

Oldenburg, 20.Februar

Wie kürzlich aus Washington gemeldet wurde, finden dort sein Anfang des Jahres Verhandlungen wegen eines deutsch-amerikanischen Vertrages über Auswandererschutz statt. Zugleich wurden Mittheilungen über den diesseitigen Entwurf gemacht. Derselbe bestimmt die Einrichtungen der Auswandererschiffe, ordnet an, daß kein Schiff mit mehr als 50 Passagieren in See stechen soll ohne einen heilkundigen Mann an Bord, schließt von der Ladung alle gesundheitsgefährlichen Gegenstände aus, regelt die Haftbarkeit der Rheder für verlorene Sachen und setzt eine Ueberwachungsbehörde von je drei Mitgliedern in jedem Einschiffungs- und Ladungshafen ein.

So ruhmvoll die Deutschen im Mittelalter sich als seefahrendes und kolonisirendes Volk in der Nordsee und Ostsee, in den Landschaften von der Elbe bis zur Newa bewiesen haben, so schmachvoll für das Ganze ist die Geschichte ihrer Auswanderung nach Amerika im vergangenen Jahrhundert. Nur sehr allmälig haben sich diese traurigen Zustände gebessert. Die Hoffnung eines größeren Erwerbes, die Unzufriedenheit mit den heimischen Verhältnissen treibt noch jetzt jährlich Tausende nach Amerika. Jetzt wie früher bilden die Dürftigen das stärkste Contingent der Auswanderer. Vermögen und Bildung sind noch immer Ausnahmen unter ihnen. Aber sie treffen jenseits des Meeres schon größere Massen angesiedelter Deutschen, die in den Seestädten des Ostens einen starken Bruchtheil der Bevölkerung ausmachen und in einzelnen Staaten des Westens sogar eine hervorragende Rolle spielen. Während vor hundert Jahren der deutsche Auswanderer in Amerika in eine ihm vollkommen fremde Welt trat, findet er heute schon Wege und Stege, die ihm seine Heimathsgenossen dort vorgebahnt haben. Die amerikanischen Deutschen haben in den letzten zehn Jahren durch ihre muthvolle und entschiedene Betheiligung an dem Bürgerkriege dem deutschen Element eine bedeutsame Stellung in der Union verschafft: indem sie für Erhaltung der Republik kämpften, fochten sie zugleich für die Zukunft des Deutschthums auf der fremden Erde.

Im Artikel 4 der Verfassung des Norddeutschen Bundes wird die Kolonisation und die Auswanderung der Gesetzgebung des Bundes untergeordnet. Wenigstens für Norddeutschland ist somit ein einheitliches Gesetz, welches die Auswanderer gegen gewissenlose Ausbeutung durch Rheder und Agenten sichert, möglich. Daß der Ueberschuß der Volkskraft die Heimath verläßt und in die Fremde wandert, ist gleichsam ein natürliches Gesetz, das aufzuhalten und zu hemmen Niemand mehr einfallen wird. Und da wir Deutsche noch keine eigenen Kolonien besitzen und für die nächste Zukunft auch wohl keine Aussicht haben, sie zu erlangen, bleibt die Auswanderung nach der amerikanischen Union für uns immer die empfehlenswertheste: sowohl im Interesse der Einzelnen, wie in dem der Gesammtheit. Der Einzelne findet dort drüben leicht Anschluß an seine Landsleute, deutsche Sitte, deutsches Wesen, die freieste Bewegung; der deutsche Staat und die amerikanische Republik leben in einem ungestörten Frieden, dessen Trübung nicht einmal vorauszusehen ist.

So geht das Deutschthum innerhalb der Union nicht dem Untergang, sondern verstärkt durch die Tausende, die wir ihm jährlich hinübersenden, einer glorreichen Zukunft entgegen. Den kulturhistorischen, idealen Zweck, den die deutsche Auswanderung im 18.Jahrhundert verloren hatte, gewann sie seit 1848 wieder. Ihn gilt es, so viel als möglich, auch in der Gesetzgebung festzuhalten. Der Verlust an Menschen und Kapital, ist nicht wieder einzubringen, wohl aber kann dahin gewirkt werden, daß der Zusammenhang zwischen dem Mutterlande und den Ausgewanderten künftig nicht mehr zerrissen wird und sich jenseits des Meeres, wenn auch nicht in politischer Hinsicht, so doch in Bildung, Sprache, Sitte und Gewöhnung ein Neu-Deutschland aufbaut.

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Dok-Nr. 241: „Oldenburger Zeitung“ No. 41 vom 18.02.1870

Amerika

Ueber die Deutschen in den Vereinigten Staaten wird der K.Z. geschrieben: Die Bedeutung des deutschen Elements in den Ver. Staaten wächst von Tag zu Tage und die Amerikaner werden immer williger, die Thatsache anzuerkennen und ihr Rechnung zu tragen. Wir sind auf dem besten Wege, im Laufe einiger Jahre durchzusetzen, daß in den West- und Mittelstaaten die deutsche Sprache in allen Volksschulen, die von einer irgend bedeutenderen Anzahl von Kindern deutscher Eltern besucht werden, als vorschriftsmäßiger Unterrichtsgegenstand eingeführt wird; fast jede Woche liest man von der Gründung einer neuen deutsch-englischen Schule und fast jeder Monat bringt eine neue deutsche Grammatik „für Amerikaner“. Denkt man an die Stellung, welche die Deutschen bis in die dreißiger und selbst bis in die vierziger Jahre einnahmen, so muß man gewiß zugeben, daß der Umschwung ungeheuer ist. Allein trotzdem überschätzen die Deutschen ungemein ihre Erfolge, und über ihren Träumen von neuen und größeren Triumphen übersehen sie ganz die Steine und die Dornen, die ihren weiteren Weg bedecken. Sie vergessen, daß sie ihre politische Bedeutung wesentlich nur dem Gewichte ihrer Masse verdanken, und verkennen zu sehr, daß das allein sie unmöglich auf die Dauer als eigenartiges Element erhalten kann. Die Jahre 1848 und 1849 warfen eine reiche Fülle junger, tüchtiger und enthusiastischer geistiger Kräfte nach Amerika hinüber. Diese verdrängten bald die Flüchtlinge der dreißiger Jahre aus der Führerstelle und rüttelten das deutsche Element so weit zur Selbstachtung, zu Nationalgefühl und zu geistigem Leben wach, daß es anfing, sich aus der Stellung des bloßen „Stimmviehes“ herauszusehnen, Interesse an der Politik und der eigenen Fortbildung nahm und endlich während des Bürgerkrieges ein entscheidendes Gewicht für die Union in die Wagschale warf. Diese alten Führer aber beginnen jetzt fortzusterben oder kehren nach Deutschland zurück, und Niemand ist da, ihre Stelle einzunehmen. Die Zahl der gebildeten deutschen Einwanderer ist im Verhältniß überhaupt sehr gering, diese kleine Anzahl zerstreut und verliert sich in dem weiten Gebiet der Union, und der Einzelne endlich kann und will den zersplitternden Tendenzen der Demokratie nicht widerstehen, sondern lebt sich selbst. Die Wenigen, welche die Pflege des geistigen Lebens zu ihrem Beruf machen, verkümmern und verflachen mit der Zeit, weil sie immer ausgeben müssen und niemals Muße haben, einzunehmen. Die deutsche Presse z.B., „die officielle Intelligenz“, wächst von Jahr zu Jahr, was die Zahl der Blätter anlangt, aber dem Inhalte nach wird sie mit sehr wenigen rühmlichen Ausnahmen immer matter, unselbstständiger und leerer. Die Masse der Deutschen erlangt hier allerdings, Dank dem Freischulensystem und der großen Regsamkeit auf allen Lebensgebieten, eine höhere Bildung, als die gleichen Gesellschaftsklassen in Deutschland. Allein so erfreulich das auch ist, es macht die Schöpfung eines Deutsch-Amerikas in und zwischen dem amerikanischen Amerika doch nicht möglich, und das ist das utopische Phantasiegebilde, dem die Deutschen, mit mehr oder weniger Eifer und Unklarheit nachjagen.

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Dok-Nr. 242: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 26 vom 30.03.1870

Vorbereitung zur Confirmation in Amerika.

(Amerikanisch-Deutsche Gemeinde)

Der Prediger, der es zwar ganz aufrichtig meint, aber ein jammervoll unwissender Mann ist, und das Predigerhandwerk auf eigene Faust betreibt, beginnt: „Meik (Michael), hän wir denn a im Krischtenthum Gebote?“

Michael: „Tubischur (sicherlich), mer hän –
Der Prediger: „Recht, Meik; wie viel hän wir denn?“
Meik, ein tüchtiger braver Junge, der schon manche Klafter Holz klein gemacht, krault sich hinter den Ohren, bedenkt sich und spricht: „In fact (in der That), sell weeß ich nit meh.“
Jimmy, weeßt Du es?“ Jimmy schweigt.
„Joel, Du weeßt es; ich weeß, Daß Du es weeßt.“
Joel brummt: „Nee!“
Lehrer: „Ketti (Käthe), Du bist ä schmart (tüchtig) Mädel. Du weeßt es besser, als die Bube, sak Du’s!“
Mit weinerlicher Stimme klagt Ketti: „Mein Mamma weck sell a nit.“
Da ruft Jimmy laut und fröhlich: „Ich weeß es, mer han 12.“
Lehrer: „Falsch; Christine, was hat der Jim im Kopp, daß es husch 12 sagt?“
Christine: „Ich denke, die 4 Evangeliste.“
Lehrer: „Es ist doch zum Jammern, daß Ihr es vergesse habt; mer hän zehn Gebote, juscht so viel, als mer Finger hän: nu behaltet’s!“
Lehrer: „Lisbeth, sak das erste Gebot!“
Lisbeth ist stumm.
Lehrer: „Pit (Peter), sak Du es!“
Pit: „Ich weeß net.“
Lehrer: „Tschek (Kakob) Du!“
Tschek: Ich kann es nicht recht spelle“ (buchstabiren).
Lehrer: „Hänsle, Du!“
Hänsle weiß es und rappelt es in einem einzigen Athemzuge ab, ohne Punkt, Komma, oder daß: Was ist das? irgend wie zu respektiren.
Lehrer: „Kuckt, de kleene Krott weeß es; Ihr sött Euch arg schäme.“
Der Prediger läßt das erste Gebot nun so lange von allen herleiern bis sie es ziemlich können, dann fährt er fort:
„Dan (Daniel), wer hat die Gebote gemacht?“
Allgemeines Schweigen; endlich ruft Ketti, die Paradeschülerin: „König Pharao.“
Lehrer: „Du bist juscht dabei, Moses hieß er. O Kinner, das ist schrecklich lange her, ke Mensch weeß, wie lange. Aber was hän ich Euch mal gesagt, was solle mer net anbete?“
Einige rufen: „Keene Götze!“
Lehrer: „Recht so, keene Götze.“
„Aber Israel, Du da, sag: was ist ä Götze?“
Israel: „Ich weeß net, ich denk, das sind Götze.“
Lehrer: „Recht, aber Du, Deborah, sag Du es.“
Deborah schweigt.
„Ebrem, Du?“
Abraham brummt nur: „Ne.“
„Henry, ich denk‘ Du hast es behalte; holzige Ding – Ding – Ding – Dinger –
Henry ruft: „Holzige Dinger, die mer anbetet.“
Lehrer erfreut: „Recht so; nun sagt es alle, daß Ihr es wißt.“
Schüler alle: „Holzige Dinger, die mer anbetet.“
Lehrer: „Bete wir Krischte denn holzige Dinger an?“
Alle: „Ne, ne!“
Lehrer: „Wer betet sie an?“
Ein kleiner Junge ruft: „Die Jude!“
Lehrer: „Du bist mistäken (im Unrecht), was betet die Jude an?“
Der kleine Junge: „Die Kälble.“
Lehrer: „Juscht net grad die Kälble, aber das güldige Kalb. Nu sag, Tom, wie heeße die Leit, die holzige und steinige Dinger anbete?“
Mister Tom brummt: „Ich kanns net sage.“
Lehrer: „Könne die Götze schwätze?“
Alle: „Ne!“
Lehrer: „Warum schwätze sie net? Lisbeth, warum schwätze sie net?“
Lisbeth wird roth, sie hält es für gestichelt und schweigt.
Lehrer: „Tschek (Jakob), ich denk, Du weeßt es.“
Tschek: „Ich denke, sie hän keen Maul.“
Lehrer: „Forsträt (gut), sie hän keen Maul. Nu sagt es alle!“
Alle: „Sie hän keen Maul.“
Lehrer: „Falsch, Ihr müßt juscht nu sage: Götze könne net schwätze, sie hän keen Maul.“
Alle im Chor rufen, daß die Fenster der Blockhütte klirren: „Götze könne net schwätze, sie hän keen Maul.“
Lehrer: „Forsträt nu sagt, wie heeße die Kerls, die Götze anbete?“ (Alle schweigen)
Lehrer: „Hei – Hei – Hei – Fritzle, Du?“
Fritz mit lauter Stimme: „Heilige.“
Lehrer: „Du bist mistäken, Fritz, wer betet die Heiligen an?“
Alle: „Die Katholiks.“
Lehrer: „Forsträt, nu sagt, wie heeße die Kerls, die die Götze anbete? Heeße sie net Hei – Hei – Hei- n -?“
Alle brüllen: „Die Heiden.“
Lehrer: „Very well; nu sagt, für wen ist sell erst Gebot gemacht?“
Alle: „Für die Heiden.“
Lehrer: „Wenn es für die Heiden gemacht ist, geht es uns denn was an?“
Meik: „Ich denk net.“
Lehrer: „Recht, warum geht es die Krischte nix an?“
Alle: „Weil wir keene holzige Dinger anbete.“
Lehrer: „Juscht so, Kinner; sell erst Gebot ist nix für uns, un so wolle wir nu weiter gehen, un uns nik wieder damit trubeln.“

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Dok-Nr. 243: „Oldenburger Zeitung“ No. 149 vom 30.06.1870

Amerikanisch-Deutsch

In der N.Fr.Pr. stellt Julius Rodenberg eine Betrachtung an über das sonderbare Kauderwelsch, welches sich in Amerika unter den Deutschen aus englischen und deutschen Worten bildet. Er schreibt u.a.: Thatsache ist, daß sich zwischen der Englisch redenden und der Deutsch redenden Bevölkerung Amerikas ein Drittes gebildet hat, welches kein Mensch weder in England noch in Deutschland verstehen würde, wiewohl es in Amerika doch als ein Mittel zur Verständigung seine guten Dienste zu thun scheint. Deutsche Hauptwörter werden englisch declinirt, englische Zeitwörter deutsch conjugirt. Alles, was sich auf den Boden, das Haus, den Markt und die Straße den Handel und das Recht bezieht, ist so sehr mit englischen Ausdrücken versetzt, daß man es unmöglich mehr für Deutsch halten kann, während doch auch der Brite dagegen protestiren wird, daß es Englisch sei. Es ist eben ein Drittes, das sich nur als „Amerikanisch-Deutsch“ bezeichnen läßt, hervorgerufen durch die Nothwendigkeit des täglichen Verkehrs und zunächst noch auf denselben beschränkt. Die Schriftsprache hat sich bisher davon noch völlig frei gehalten, und ich glaube wohl, daß die deutsche Bildung im Allgemeinen davor zurückschreckt. Allein es ist gar nicht zu sagen, wie viel die Gewohnheit in diesem Falle thut; das Englischsprechen am Morgen im Comptoir, das Deutschsprechen am Abend in der Familie. Erinnere ich mich doch selber aus London, daß in einem der besten dortigen deutschen Häuser ein allerdings schon seit Jahren in England ansässiger Landsmann einen Toast mit den Worten begann: "„Wenn ich reise (if I rise: wenn ich mich erhebe), um die Gesundheit des Hausherrn auszubringen etc."“ und eine gleichfalls sehr gebildete deutsche Dame erzählte, daß sie in die City „geritten“ sei, was mir allerdings sehr wunderlich vorkam, da sie zugleich immer von ihrer Equipage sprach, bis sich denn zuletzt herausstellte, daß sie das englische „to ride“ (fahren) als „reiten“ in die deutsche Sprache eingeführt hatte. Das sind einfach Irrthümer; allein, was die amerikanisch-deutsche Sprache uns in allem Ernste giebt, klingt mindestens eben so komisch. Man braucht nur einen aus Amerika heimkehrenden Deutschen, namentlich der unteren und mittleren Stände, sprechen zu hören. Sie haben die deutsche Sprache vergessen und die englische nicht gelernt; sie reden nur Amerikanisch-Deutsch. Das ist aber eine bittere Sprache, deren seriöse Betrachtung wir gerne den Vereinen für Sprachreinigung überlassen, während wir, unserer profane  Neigung folgend, uns mehr an ihren kühnen Formen und Zusammensetzungen erfreuen wollen, wie sie die massenhaften Inserate der uns vorliegenden Blätter in reicher Auswahl bieten.

Beginnen wir mit den Vermiethungen, so wird uns zunächst ein ausgezeichneter Platz für einen Cigarren- oder „Stationary-Store“ (Buch- und Papierladen), ferner ein „Oyster-Saloon“ (Austernsalon) und eine „Confectionary“ (Conditorei) angezeigt. Unter den Häusern können wir zwischen einem „substantiellen Brickhaus“ (Backsteinhaus) und einem „Framehaus“ (hölzernen Haus) wählen. Ein „substantielles Brickhaus“, etwa so wie der Engländer sagt: ein „substantielles Frühstück“, ist schon ganz gut; allein was wird der deutsche Leser aus folgender Anzeige machen: „Zu verliesen zwei Lotten“? Man muß schon einigermaßen bewandert sein in der amerkanisch-deutschen Sprache, um nicht an Liese und Lotte oder gar an Liese-Lotte zu denken; in der That aber haben diese interessanten Damen nichts mit der Notiz zu thun, die vielmehr ganz einfach bedeutet: „Zu verpachten zwei Bauplätze“. Aus dem englischen „to lease“ hat nämlich der amerikanische Deutsche das Verbum „liesen“ gebildet und aus „lot“ (Grundstück, Bauparcelle) macht er: das Lot, die Lotten etc. [...]

Unter den Personen, welche in Dienst verlangt werden, interessiren uns zunächst die deutschen Mädchen, welche das „Haar-Dressen“ (nämlich das Haarmachen, Frisiren) verstehen; auch scheinen sie jenseits des Atlantic sehr begehrt zu sein; es werden in einer Annonce von drei Zeilen ihrer fünfundzwanzig gesucht. Detto: deutsche Mädchen für die „Pantry“ (Speisekammer). „Müssen Nr.1 Hände sein und Englisch sprechen“: Aber auch der häuslichen  Gewerbe ist darum nicht vergessen. Ein Conditor verlangt „einen deutschen Cakes- und Pies-Bäcker“ (Kuchen- und Pastetenbäcker); ein Tischler sucht einen „Show-Case-Macher“ (Verfertiger von Aushängekästen); ein Bauunternehmer sucht „sogleich mehrere gute Hauspainters“ (Zimmermaler); [...]

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Dok-Nr. 244: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 75 vom 10.08.1870

Gruß der Deutschen in Amerika an Deutschland.

Wenn Wünsche Kugeln wären, wenn Blitz und Donnerschlag
Der längst Verbannten Zürnen, jetzt am Entscheidungstag,
Wie würd‘ der Donner rollen gewaltig übers Meer
Für Deutschland eine Salve und für sein tapfres Heer!
Vergessen ist ja Alles, vergessen jede Noth,
Vergessen jedes Urtheil, ob es auch sprach: der Tod!
Für Dich, o! Muttererde, Du Land der Herrlichkeit,
Auch Deine fernen Söhne, sie stehen mit im Streit!
Nicht Zeit ist’s mehr für Worte; Gott grüße Dich, mein Land!
Wie stehst Du stolz im Streite, der jetzt so jäh entbrannt;
Ein Feigling, der verzweifelt nur einen Augenblick,
Hol‘ Deine alte Größe und Ehre Dir zurück!
Pflanz‘ auf des Wasgau’s Höhen das deutsche Banner auf,
Laß‘ wehn die alten Farben von Straßburg’s Domes Knauf!
Nun ist für Deine Kammern trotz des Jahrhunderts Hohn
Endlich die Zeit gekommen, die Zeit der Reunion!
Der Würfel ist gefallen, der furchtbar eisern rollt;
Sie haben mit beschlossen, sie haben mit gewollt;
Sie küssen ihm begeistert den Reiterstiefel blank,
Der einst bis an die Knöchel in Bürgerblut versank;
Hohläugig, ein Gespenste, betritt in blindem Wahn
Der letzte Bonaparte die letzte Schlachtenbahn;
Gerichtet von den Völkern, stürzt er im Blachgefild,
Denn seines stolzen Hauses Jahrhundert ist erfüllt.
Doch Du, der jetzt lenkest des Vaterlands Geschick,
O! stehe fest! o! wanke jetzt keinen Augenblick;
O! sie wie Klio’s Auge so ernst jetzt blickt auf Dich,
O! sei dem deutschen Volke kein zweiter Metternich!
Vermähle Du, Du kannst es, reich‘ nur dem Volk die Hand,
Die Freiheit mit der Größe im Deutschen Vaterland!
Wir segnen den Befreier, wir fluchen dem Verrath!
Auf! und vollziehe endlich der Deutschen größte That!

            Chicago, 17. Juli 1870 Caspar Butz.

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Dok-Nr. 245: „Oldenburger Zeitung“ No. 94 vom 25.04.1871

[Leitartikel] Die Deutschen in San Francisco.

San Francisco, 23. März

Gestern, an dem Geburtstage des deutschen Kaisers, feierten die hiesigen Deutschen die Wiederherstellung des Friedens und die Vollendung der deutschen Einheit. Es war ein herrliches Fest, das ohne jede Störung, ohne den leisesten Mißton zu Ende geführt wurde; nie hat San Francisco Aehnliches gesehen.

Am Abend des 21. wurde die Feier durch eine glänzende Illumination eingeleitet; jedes Deutschen Fenster strahlte im Lichtesglanz, auf jedem deutschen Hause wehten die deutschen Farben und überall stieß man auf sinnige Transparente. Am Morgen des Festtages prangte San Francisco im Galakleide, die Stadt glich einen Flaggenmeer; fast alle Geschäfte waren geschlossen und durch die Straßen wogte die freudig erregte Menge. Den Hauptanziehungspunkt bildete der glänzende Festzug, der sich um 10 Uhr Morgens in Bewegung setzte und durch die Hauptstraßen der Stadt nach „City Gardens“, dem Festplatze, zog. In dem Zuge befanden sich 10.000 Menschen, 4000 Pferde und nahe 1000 Wagen; die für denselben verausgabte Summe beläuft sich auf 70.000 Dollars.

Auf die Amerikaner hat das Fest einen außerordentlichen Eindruck gemacht; sie haben zum ersten Mal gesehen, wie viel Deutsche hier sind und was für ein Gewicht sie in die Waagschale zu werfen vermögen. Die „Alta California“, das bedeutendste Blatt in San Francisco, sagt u.A. über den Festzug: „Unsere Mitbürger europäischer Geburt geben uns bisweilen eine Lection in der Ausführung kunstsinniger Decorationen, von der wir viel lernen können. Solch ein Schauspiel für uns war die Prozession der Deutschen dieser Stadt, der, was artistische Ausführung anbelangt, in Californien noch nie etwas gleichgekommen ist. Der Festzug der Deutschen war kein bloßes Gepränge; er war voll von Ideen, und man sah, daß die Leiter ihr Werk nach allen Erfordernissen und Regeln der Kunst ausgeführt hatten. Ein weniger durchgebildetes, mehr ruhmsüchtiges und eitles Volk würde den Zug mit Emblemen und Devisen ausgeschmückt haben, die den erlegenen Gegner verletzt und seinen Stolz verwundet hätten. In dem Zuge der Deutschen war nichts dergleichen; nur Liebe und Verehrung für das Vaterland, durch Kunst und Poesie versinnbildlicht, war in dem glänzenden Schauspiel zu sehen; die Wacht am Rhein, die Germania und der Friede zeichneten sich durch wahrhaft poetische Auffassung und künstlerische Ausführung aus.“ Das „Evening Bulletin“ sagt: „Als ein Ganzes genommen, war der Festzug der Deutschen in Bezug auf Conception, Arrangement und Ausführung in dieser Stadt bisher unübertroffen. Die Ruhe und Präcision, mit welcher Alles durchgeführt wurde, erregte das Erstaunen und die Bewunderung der Angehörigen anderer Nationalitäten, die mit ihren Sympathien neutral sind. Noch lange wird man dieses Tages gedenken.“ Auch die Blätter, welche den Deutschen gerade nicht freundlich gesinnt sind, können nicht umhin, ihre Anerkennung auszusprechen, wenn sie auch mit billigen Redensarten, wie Kaiseranbetung, Pflichten amerikanischer Bürger und republikanische Gesinnung um sich werfen. –

Für die Wittwen und Waisen sind aus dem Feste 7000 Doll. realisirt; immerhin eine hübsche Summe für einen Tag. Einzelne Stimmen unter den Deutschen wurden laut, die sich gegen eine officielle Friedensfeier aussprachen und das dafür zu verausgabende Geld lieber für die Hinterbliebenen der Gefallenen verwandt wissen wollten. Gewiß sehr lobenswerth; aber schwerlich würde durch Sammlungen ein Ertrag von 7000 Dollar erzielt sein, da im Laufe der letzten acht Monate bereits 140.000 Dollars gesammelt waren und die Gelder durchaus nicht mehr fließen wollten; auch war eine großartige Demonstration im Interesse der Deutschen. Der moralische Eindruck, den das Fest und das einmüthige Zusammenwirken der Deutschen auf die Amerikaner gemacht hat, ist ein tiefer. Die Amerikaner haben gesehen, daß sie ihre Geschäfte schließen müssen, wenn die Deutschen die ihrigen schließen, daß ohne die Deutschen hier kein Geschäft ist. Man hat bemerkt, daß die Deutschen das Geld commandiren, und das ist den Amerikanern gegenüber das schlagendste Argument. Endlich hat man gesehen, daß die Deutschen einig sein können und eine recht imposante Macht bilden, die man nicht mehr unberücksichtigt lassen darf, sondern mit der man rechnen muß.

Die politische Atmosphäre in den Ver. Staaten ist jetzt recht schwül. Die alten Parteien gehen ihrer Auflösung entgegen; der Parteikampf dreht sich nicht mehr um große Principienfragen, sondern nur noch um die Ausnutzung der Herrschaft für Privatinteressen. Die republikanische Partei hat ihre Aufgabe erfüllt; die Union ist gerettet, die Gleichberechtigung der Neger ist eine vollendete Thatsache, kurz, Alles, um das sich die großen Kämpfe der letzten Jahre drehten, ist vollendet. Die inneren Aufgaben, die sich die republikanische Partei gestellt, die Pacification des Südens und die Civildienstreform, dagegen hat sie nicht zu lösen vermocht; sie muß sich umbilden und neue Elemente in sich aufzunehmen suchen, wenn sie nicht der demokratischen Partei erliegen will. Das Sehnen nach immer neuer Parteibildung geht durch das ganze Land, das Bedürfnis nach durchgreifenden Reformen wird tief empfunden; aber Jeder fühlt auch, daß die alten Parteien, wie sie jetzt sind, jene Reformen durchzuführen nicht vermögen. Wenn die Deutschen jetzt verstehen, sich zu vereinigen, und von den kleinlichen  Zänkereien abzulassen, so ist für sie der Augenblick gekommen, den Einfluß auf die Staatsgeschäfte zu gewinnen, der ihnen gebührt. Wenn die deutsche Presse den Augenblick benutzt und Alles daran setzt, das deutsche Element anzuspornen und zu einigen, so kann sie es dahin bringen, das deutsche Element zum Kern der neuen Partei zu machen und dadurch die Entscheidung bei der nächsten Wahlcampagne herbeizuführen.

Aber leider ist dazu bis jetzt wenig Aussicht vorhanden; die großen deutschen Blätter des Ostens und Westens, die Einfluß besitzen, fahren in ihren kleinlichen, widerwärtigen Nörgeleien fort und lassen so den günstigsten Augenblick vorübergehen, und die hiesigen deutschen Blätter haben gar keinen Einfluß, verdienen ihn auch wegen ihrer unwürdigen Haltung nicht.

Wenn sich eine solche neue Parteibildung nicht zu Stand bringen läßt, wird bei der nächsten Präsidentenwahl sicher ein Demokrat ans Ruder kommen, was gleichbedeutend ist mit der Herrschaft der Irländer.

(Nat.-Ztg.)

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Dok-Nr. 246: „Oldenburger Zeitung“ No. 204 vom 02.09.1871

Vermischtes.

- Amerikanische Blätter erzählen von einem Streit, welcher zwischen den Deutschen in Cincinnati und dem Mayor der Stadt ausgebrochen ist. Die Deutschen haben sich dort in solchen Zahlen angesiedelt, daß ein ganzes Stadtviertel den Namen „Deutschland“ oder „Rheinbezirk“ erhalten hat. Der „Rhein“ ist diesmal ein Kanal, welcher träge durch die Stadt fließt. Sie sind gute Republikaner und durch solide und loyale Betheiligung an den Wahlen haben sie ihre Partei seit Jahren am Ruder erhalten. Im Bewußtsein dieses ihres politischen Einflusses haben sie sichs zur Gewohnheit gemacht, die Gesetze betreffs der Sonntagsfeier in aller Gemüthsruhe zu ignoriren, und eine Anzahl von Biergärten und Concerthallen, welche von einigen Landsleuten errichtet worden waren, erfreuten sich, zumal an Sonntagen eines massenhaften Zuspruchs. Nicht gering war deshalb ihr Entsetzen, als der neue Mayor, der seine Wahl hauptsächlich ihnen verdankte, mit einem Male zu verstehen gab, er werde gegen diese Vergnügungsplätze mit der Strenge des Gesetzes vorgehen. In Folge dessen hielten sie stürmische Massenversammlungen, in denen sie erklärten, nicht nach Amerika gekommen zu sein, um sich unterdrücken zu lassen. Wenn der Mayor auf seinem Vorhaben bestehe, dann würden die zehntausend Deutschen schon Sorge dafür tragen, daß nicht allein die Biergärten und Concerthallen am Sonntage geschlossen blieben, sondern daß auch alle Eisenbahnen, Pferdebahnen und Telegraphen den Sonntag aufs Strengste beobachteten, daß der Milchmann und der Eismann, der Kutscher und die Köchin am siebenten Tage ausruhe, kurz, daß alle Arbeit innerhalb wie außerhalb des Hauses aufhöre. Diese Erklärung fuhr den Puritanern in den Magen: sie hielten eine Gegenversammlung, auf welcher sie erklärten, daß die Deutschen in Cincinnati nicht so ihren Willen durchsetzen würden, wie sie es in Frankreich gethan, und wenn sie ihre Drohungen auszuführen versuchten, dann würde man der Gewalt mit Gewalt gegenüber treten. So stehen die Sachen augenblicklich, und allgemein erwartet man mit großer Spannung, auf welche Weise dieser Streit endigen wird.

- Unter der Ueberschrift: „Gottes Segen bei Ulmenschneider“ macht das „Newyorker Journal“ die Mittheilung, daß in der Hauptstadt des Staates Jersey eine deutsche Frau mit Fünflingen niedergekommen ist. Der glückliche Vater dieser Fünflinge ist Maurer.

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Dok-Nr. 247: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 91 vom 30.07.1872

Der Staat Texas

hat bekanntlich schon vor mehr als 25 Jahren angefangen, ein Auswanderungs-Ziel für deutsche Ansiedler zu werden; schon zu Ende der 30ger und zu Beginn der 40ger Jahre haben sich einzelne oldenburgische Colonisten in den der Küste nahe gelegenen Ortschaften niedergelassen und sind die Gründer der blühenden und reichen Ansiedlungen geworden, welche jetzt am Millcreek und um Industrie herum bestehen. Später war es der sog. „Mainzer Adels- und Fürstenverein“, der im Jahre 1844 die allgemeine Aufmerksamkeit der deutschen Auswanderungslustigen auf Texas lenkte und der damals noch unabhängigen Republik Texas, die sich so eben erst vom Mutterstaat Mexico abgelöst hatte, eine massenhaftere deutsche Einwanderung zuführte, welche nach Tausenden von Köpfen zählte. Kurze Zeit darauf, im Jahre 45, schloß sich Texas der Union der nordamerikanischen Freistaaten an; in Folge dieses Anschlusses kam die Partei der Sclavenhalter-Junker zur politischen Herrschaft. Es lag im Interesse dieses Pflanzer-Junkerthums, dessen Wirthschaftssystem auf unfreie Arbeit von Sclavenhänden begründet war, die freie Arbeit so viel als möglich nieder zu halten, und der Druck, welchen die Pflanzeraristokratie bald gesetzlich und gesellschaftlich auf die freie, deutsche Arbeit auszuüben anfing, hatte die Folge, daß gegen das Jahr 1851 der Nach- und Zuzug von deutschen Einwanderern nach Texas in das Stocken gerieth und dann beinahe gänzlich aufhörte. Dennoch war das deutsche Element in Texas im Laufe der Jahre zu bedeutender Zahlenstärke, Wohlhabenheit und wissenschaftlicher Bedeutung herangewachsen; im Jahre 1860, vor Beginn des Rebellionskrieges, zählte es (die seit 40 in Texas von deutschen Eltern geborenen Kinder mit eingerechnet) schon 35-40.000 Köpfe; die Niederlassungen waren zahlreich und blühend, deutsche Städte gegründet worden und einzelne Grafschaften, wie Comal, Gillerpie u.a. fast ganz von Deutschen bevölkert.

Der Ausgang des Rebellionskrieges und die Niederlage der Südstaaten fegte die Sclaverei auch vom Texasboden hinweg, und die Aufhebung der Sclaverei brachte für die in Texas ansässigen Deutschen erst in Wirklichkeit politische und gesellschaftliche Freiheit, sowie wirthschaftliche Unabhängigkeit, einfach, weil sie die „freie Arbeit“ in ihr natürliches Recht setzte und so den Fleiß des deutschen Ackerbau-Ansiedlers zur lohnenden Geltung brachte. Seitdem ist der deutsche Farmerstand zu einem Wohlstande gediehen, der sich auf das sichtbarste und fühlbarste kund giebt; von Jahr zu Jahr haben die deutsch-texanischen Bauern seit 1866 größere Bodenstrecken zu Cultur gebracht; mit dem Umfang ihrer Felder ist der Ertrag der Ernten gewachsen, mit dem Wachsen der Production und des Wohlstandes hat sich verhältnißmäßig die wirthschaftliche Bedeutung des deutschen Farmerstandes für den Markt gesteigert, natürlich auf Kosten der früheren Sclavenbarone. Die Ersparnisse, welche er aus dem Mehrbetrage seines Ernteerlöses machte, ermöglichten es außerdem, dem früher durch die Sclavenarbeit unterdrückten deutschen Bauern, dem armgewordenen Pflanzer allmälig das einzige, was ihm nach Verlust seiner Neger an Besitz geblieben war, sein Land, abzukaufen und zur Erbauung desselben frische Arbeitskräfte aus Deutschland herbeizuführen; er ließ unbemittelte Verwandte oder Bekannte auf seine Kosten herüberkommen, d.h. er streckte das Ueberfahrtsgeld für dieselben vor und nahm sie dann als Pächter in seinen Dienst; er gab ihnen von dem Lande, welches er dem alten Pflanzer abgekauft hatte, ein eingefriedigtes Stück von einem Umfange, wie er den Arbeitskräften des Neukömmlings angemessen war. Stellte Dach und Fach, Arbeitswerkzeug und das erforderliche Arbeitsvieh, gegen die Verpflichtung, eine Drittheil oder die Hälfte des Ernteertrages an ihn als Pacht abzugeben.

Dazu kommt, daß der Staat Texas, besonders seit den letzten 2 ½ Jahren, mit Aufbietung aller Kräfte, dahin gearbeitet hat, sein weites und reiches Gebiet durch Herstellung eines umfassenden Eisenbahnnetzes erst eigentlich die Einwanderung aufzuschließen, wenigstens zugänglicher zu machen.

Alle diese Umstände haben zusammengewirkt, die Aufmerksamkeit der Auswanderungslustigen nicht allein in Europa, besonders in Deutschland, England und Skandinavien, sondern auch im Osten, Westen und Süden der Union wieder dem  „zukunftsreichen“ Staate Texas zuzuwenden; die Einwanderung hat sich wieder angefrischt, und seit 1867 ist insbesondere der Zustrom deutscher Ackerbau-Ansiedler ein so starker geworden, daß die Zahlenstärke der deutschen Bevölkerung von Texas zu Ende des Jahres 1871 mit 85-90.000 Köpfen kaum hoch genug veranschlagt wird.

Die Gründe für die Anziehungskraft, welche Texas übt, liegen auf der Hand; sie fassen sich kurz in den folgenden Thatsachen zusammen.

[...]

Ein Staat, welcher nicht allein die ersten und nothwendigsten Bedürfnisse der Existenz, Brodstoffe und Fleisch, in hinreichender Menge erzeugt, um seine ackerbauende Bevölkerung zu ernähren und wohlhabend zu machen, sondern sie in solcher Fülle liefern kann, daß er im Stande ist, von dem Ueberschuß seiner Production an eine zahlreiche Industriebevölkerung abzugeben und sie mit zu ernähren, ein Staat, welcher die gesuchtesten und deßhalb werthvollsten Stapelartikel, Baumwolle, Zucker u.s.w.; auf den Weltmark liefert; ein Staat, der außerdem unter seinem Boden einen unerschöpflich reichen Schatz der begehrtesten Minerale besitzt, und dadurch nicht allein reiche Handelswerthe auf den Weltmarkt zu bringen, sondern in sich selbst eine reiche Fabrikthätigkeit aufzubauen vermag; ein so reich mit natürlichen Hülfsquellen aller Art ausgestatteter Staat muß naturgemäß eine ungewöhnliche Anziehungskraft auf den intelligenten Auswanderungslustigen üben, und – ein solcher Staat ist Texas.

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Dok-Nr. 248: „Oldenburger Zeitung“ No. 89 vom 19.04.1875

Die deutsche Sprache in den amerikanischen Staatsschulen.

Am 18. März fand in Newyork eine Massenversammlung von Deutschen statt, um gegen den Auschluß des deutschen Sprachunterrichts aus den Staatsschulen zu protestiren. Ueber die Verhandlungen bringt ein Bericht des „Schw.Merkur“ Folgendes: Bayard Taylor, der bekannte, in Weimar viele Jahre ansässige Schriftsteller (jetzt wieder in Newyork), sprach in einem Briefe seine volle Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der Versammlung aus. Er verwies auf die Erfolge, welche der Unterricht im Englischen auf den höheren Bürgerschulen in Deutschland gehabt, und auf die Erfahrung in den mit jenen rangirenden höheren Stufen der amerikanischen Staatsschulen in den größeren Städten des Westens, nach welcher die besten Schüler im Deutschen – weit entfernt, die englischen Unterrichtsgegenstände vernachlässigt zu haben, in Allem voraus seien. Clark Bell, der in englischer Sprache redete, ging auf Grund der statistischen Tabellen von Cincinnati noch weiter, indem dieselben zeigen, daß Kinder, welche Deutsch und Englisch lernen, durchschnittlich ein Jahr früher den Cursus ihrer Studien durchmachen, als Kinder, die ausschließlich im Englischen unterrichtet werden. Von deutscher Seite sprachen der frühere Gouverneur von Wisconsin, Salomon, Dr.Adler, Professor an der Cornelluniversität, und Karl Göpp. Der Standpunkt, von dem sie für die Beibehaltung des Deutschen plaidirten, war nur insofern ein deutscher zu nennen, als Deutsch mit Bildungselement in formalem wie materiellem Sinne zusammenfällt. Sie beanspruchten den zweisprachlichen Unterricht nicht deshalb, weil die Deutschen als Steuerzahler, namentlich, wo sie in dem betreffenden Bezirke die Mehrheit der Schulgemeinde wären, darauf ein Recht hätten, sondern weil nur dadurch die Volksschule selbst ihre hohe Zierde erreichen könne, durch Vereinigung aller Klassen und Nationalitäten die Harmonie und Vaterlandsliebe Aller frühzeitig zu begründen und Alle einer höheren Bildung entgegenzuführen; über die in der Volksschule zu erreichende Bildung mit zu bestimmen, sei das Recht des Deutsch-Amerikaners so gut, wie des im Lande geborenen Bürgers. Der Deutsche müsse seinen Beitrag zu dem sich erst bildenden Charakter der Nation zu liefern berechtigt sein; darauf verzichten, die deutsche Eigenthümlichkeit aufgeben, würde nur eine allgemeine Einseitigkeit zur Folge haben, während doch die große Aufgabe Amerikas sei, das Volk mit dem geistigen Erbe aller Nationen zu schmücken. Die stolze Stellung, welche die Redner dem Deutsch-Amerikanerthum zusprechen, liefert den Beweis für die enorme Zunahme seines Einflusses. Als zuerst der Unterricht im Deutschen in die öffentlichen Schulen der Stadt Newyork auf Drängen der Deutschen eingeführt wurde, geschah es aus politischen Rücksichten und widerwillig; jetzt nehmen in vielen Schulen die Englisch sprechenden Kinder daran Theil, und der unter dem Vorwand der Ersparungsnothwendigkeit dagegen gemachte Angriff wird in Newyork ebenso fehlschlagen, wie er in westlichen Städten fehlschlug, in welchen das Deutschthum noch größeren politischen und gesellschaftlichen Einflusses sich rühmen kann. Die Berichte des Schulraths von St.Louis ergeben für das Schuljahr 1870-71 10.847 Schüler, welche an dem deutschen (facultativen) Unterrichte theilnahmen, von einer Schülergesammtheit von 27.636. In dem Schuljahr 1872-73 lernten nicht weniger als 12.055 Schüler Deutsch, und davon waren 8865 Deutsch-Amerikaner, 3190 Anglo- (oder Englisch sprechende) Amerikaner. Karl Göpp, der aus Pennsylvanien gebürtig, hatte Recht, wenn er mit Hinweis auf die vor 40 Jahren in jenem Staat vollzogene Verdrängung des Deutschen (die Deutsch-Pennsylvanier bildeten zu jener Zeit die Mehrheit der Bevölkerung) jetzt die Umkehr mit den Worten ankündigte: „Allein der Tag der Rache ist gekommen. Heute stehen Verfechter, nicht des englischen, sondern des deutschen Unterrichts an der Thür der Volksschule und rufen den Lehrern die Mahnung zu: Lehret die Kinder Deutsch reden, denn nächst den allerersten Anfangsgründen des Wissens ist kein Lehrgegenstand zu nennen, der ihnen im Leben auf Schritt und Tritt von unabsehbarerem Nutzen sein kann.“ Bei dieser raschen Entwickelung des deutschen Unterrichts, der sich hoffentlich nicht auf die großen Städte beschränken wird, thut die Ausbildung pasender Lehrer sehr noth, und der deutsch-amerikanische Lehrerbund agitirt gegenwärtig eifrig für Beschaffung einer Nationalzeichnung von 50.000-100.000 Doll., um ein deutsch-amerikanisches Lehrerseminar „auf der Höhe der jetzigen Kunst und Wissenschaft der Erziehung“ zu gründen, und beträchtliche Summen sind bereits gezeichnet.

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Dok-Nr. 249: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 75 vom 26.06.1875

[Beilage]

Aus Newyork, Mai 29, erhielten wir folgende Original-Correspondenz:

Die Plattdeutsche Bewegung in Amerika.

Großer Jubel der Norddeutschen! – Ein ausgezeichnetes Volksfest steht in Erwartung!

Unter dem starken Norddeutschen Element in New-York herrscht großer Enthusiasmus und allgemeine Theilnahme um ein allgemeines großes Plattdeutsches Volksfest zu arrangiren. In allen Theilen der Stadt und Umgegend sind Vereine gegründet, wie auch eine Central-Organisation in der Stadt Newyork, welche ihre Mitglieder schon bei Tausenden zählt, und welche Vorbereitungen trifft, um einen glänzenden Erfolg zu erzielen. Es befinden sich über 150.000 Norddeutsche hier und es ist allgemein erwartet, daß dieses Volksfest der deutschen Friedensfeier vom 19.April 1871, welches das größte Fest war, welches noch je in den Vereinigten Staaten Amerikas abgehalten worden ist, noch weit übertreffen wird. Die norddeutschen Sitten und Gebräuche sind in vielen Punkten verschieden von denen der süddeutschen Brüder. Die meisten der profitabelsten Geschäfte sind in norddeutschen Händen und fast alle Colonial- und Früchte-Handlungen in ihrem Besitz. Von den deutschen Importeuren sind stark drei Viertel Norddeutsche und sie sind die reichsten der deutschen Bevölkerung New-Yorks. Als ein Anzeichen des großen Enthusiasmus der jetzt in Newyork und Umgebung existirt, machen wir die Leser der „Nachrichten“ blos darauf aufmerksam, daß schon ein bedeutendes Capital gezeichnet ist, um 3 Zeitungen in der Plattdeutschen Sprache erscheinen zu lassen. Die „Plattdeutsche Post“ wird wahrscheinlich am Montag oder Dienstag zum ersten Male erscheinen. Eine andere „Use Modersprak“ und die „Fest-Zeitung“ werden auch in kurzer Zeit ans Tageslicht treten. Eine Plattdeutsche Zeitung wird auch in Brooklyn gegründet werden und Subsciptionen werden jetzt entgegen genommen, um ebenfalls eine in Hoboken zu gründen. Viele der deutschen Geschäfte haben in ihren Schaufenstern deutsche Gedichte und Gesänge in Plattdeutscher Sprache gemalt.

Verschiedene plattdeutsche Versammlungen wurden gestern Abend in der Stadt und Umgegend gehalten. National-Halle, in Stanton-Straße, war gefüllt von Norddeutschen, über 400 Mitglieder zählend.

Der Oldenburger Verein hielt seine Versammlung unter der lebhaftesten Betheiligung in 151 Bowery Str. unter dem Präsidium des Oberst Anton Meyer ab. Oberst Anton Meyer trat vom Präsidium der Oldenburger zurück, weil derselbe Vice-Präsident des Central-Vereins ist und wurde auf seinen Antrag Herr Carl Jos. Horstmann als Präsident erwählt; der alte Münsterländer Verein war in Martin Purnhagens Locale, der Mecklenburger und Pommersche Verein versammelte sich in 182 Orchard Str. und die Hessen in 84 Delancey Str.

Der Norddeutsche Damen-Verein hielt große Versammlung im Hauptquartier 165 Bowery ab, um Gelder zum Ankauf einer ausgezeichneten Fahne, welche dem Central-Verein geschenkt werden soll, zu collectiren. Alle Delegaten von den verschiedenen Vereinen werden für die Convention, die heute Nachmittag in Beethoven-Halle in 5. Straße stattfinden wird, erwählt, wo die übrigen Arrangement zur Abhaltung des Plattdeutschen Volksfestes getroffen werden.

***

Der Schlußsatz der Correspondenz lautet:

„Herr Redacteur der Nachrichten!“

Bitte von Obigem in Ihrem geschätzten Blatte Notiz zu nehmen. Wenn es möglich ist, Oldenburger! so schickt uns zu unserem Plattdeutschen Nationalfeste eine Oldenburger Fahne! wofür wir uns gewiß bei passender Gelegenheit erkenntlich zeigen werden. Gruß an alle Oldenburg im Namen des Oldenburger Vereins in Newyork!

Anton Meyer, 151 Bowery N.-Y.

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Dok-Nr. 250: „Oldenburger Zeitung“ No. 240 vom 14.10.1875

Das erste Plattdeutsche Volksfest in Newyork.

Am 6-10. September d.J. feierten in Newyork die Deutschen aus Norddeutschland bekanntlich ein Erstes großes allgemeines Plattdeutsches Volksfest. Es liegt uns darüber der Bericht eines Oldenburger jungen Freundes vor, welcher die Reise von Baltimore nach Newyork mit einigen 80 anderen strammen Burschen zu diesem Fest unternahm. Das für dieses Fest aufgestellte Programm ist natürlich nur mit amerikanischem Maßstabe zu messen, es fehlt uns Europäern und namentlich uns Deutschen, für die Großartigkeit dieses Volksfestes vollständig der Begriff. Das Fest zur Einweihung des Hermanndenkmals im Teutoburger Walde, welches wir im verflossenen Sommer mitfeierten, und welches eine erkleckliche Anzahl von Menschen auf die Beine brachte, kann den Vergleich an versammelten Menschenmassen und der entwickelten großartigen Pracht und Festlichkeit nicht im Entferntesten bestehen. – Da die Entfernungen für den Festzug, welcher sich am 6. Sept. durch die Straßen Newyorks bewegte, sich für eine Menge von Theilnehmern zu groß erwiesen, waren für diese über 1000 offene Droschken engagirt, so daß auch weniger geübte Fußgänger sich an dem Zuge betheiligen konnten. Unsere Oldenburger Freunde, welche sich von B. aus einer größeren Gesellschaft junger Bremer angeschlossen hatten und unter Bremer Fahne fuhren, erhielten mehrfach, vermuthlich von Bremer Damen, große allmächtige Blumenbouquets zugeworfen und aus der Menge, die auf den Straßen dem Zuge zusahe, erscholl zum Oeftern der Zuruf „Da sind de Bremers! Hepp! Hepp!“ Nach zweistündiger Fahrt durch die Stadt kam man endlich an den Hudson, wo das Uebersetzen des Zuges nach Hoboken durch sieben der großen Dampfer vermittelt wurde. Es fahren alle drei Minuten solche Dampfer. Hier auf dem Festplatze fand die Bewirthung statt und zerstreute sich dann die Menge zu den allgemeinen Belustigungen, wie sie auch in kleineren Verhältnissen die Volksfeste in Deutschland bieten. Am 3. Tage des Festes wurde in einem deutschen Bauernhause, welches zu diesem Zwecke neu erbaut und Tags vorher eingeweiht war, eine Bauernhochzeit nach deutschem Brauch gefeiert. An diesem Tage sind über 70.000 Menschen auf dem Festplatze gewesen. Das Entree kostete 25 Cents. Das Comite soll so viel kleines Papiergeld eingenommen haben, daß man dasselbe in kleine Kisten verpacken mußte, um es zu transportiren.

An unsere Oldenburger Landsleute erging in einem öffentlichen Blatt nachfolgende Aufforderung zur Betheiligung an dieses Fest:

            Oldenburger herut!

                        To dat Plattdütsche Volksfest

                        Schützenpark, Union Hill, N. J.,

                        an’n 6., 7., 8., 9. und 10 September.

Jungens, nu lat mal fast us tosamenstahn,
Un All‘ nah dat Plattdütsche Volksfest gahn,
Dat ward gewiß Keenen von Ju verdreten,
Mal wedder sin ollen Frünn‘ to begröten.
Van Jever, Butjadingen, Ammerland,
Van Oldenburg, wo wie jo All‘ bekannt,
Van Brake, Old Münsterland, Delmenhorst,
Gewiß, se kamt All‘ und stillt eren Dorst.
Un wat Good’s gift dar to trinken un äten,
Könnt singen un klönen und ok mal scheten,
Bi Krischan Büsing is’t Hauptquarteer,
Dar spält Harfenisten ’n Lustigen vör.

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 III.2. Enttäuschte Hoffnungen – Rückkehr in die Heimat


Dok-Nr. 251: „Oldenburgische Blätter“ No. 37 vom 11.09.1832

Rückkunft des Ausgewanderten.

Das Schiff ruht endlich wieder!

Du, meiner Väter Land,

Ich fall‘ aufs Antlitz nieder,

Und küsse deinen Strand!

Froh werd‘ ich die Altäre

Der heimathlichen Höhn,

 Und froh die Wonnezähre

Der Jugendfreunde sehn!

Matthisson

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Dok-Nr. 252: „Oldenburgische Blätter“ No. 13 vom 26.03.1833

Briefe aus America.*)

[Fußnote] *) Während Briefe, die Auswandern nach America lockend einladen von Hand zu gehen, mag es nicht unverdienstlich seyn, auch solche mitzutheilen, die das Loos der Eingewanderten nicht so reizend schildern. Der Verfasser dieser Briefe ist dem Einsender bekannt, und wird denen, die nicht lediglich aus Neugierde Näheres darüber wissen wollen, genannt werden können, damit sie an ihn sich um Auskunft wenden. Der erste dieser Briefe ist zwar etwas alt, aber darum nicht minder wahr, und stimmt mit den andern zusammen. Möchten auch andere, die sich im Besitze solcher Briefe befinden, sie mittheilen!

1.

Edwards, St.Lorenz County, State of New-York, Nordamerica, im Dec.1824

Da ich glücklich am Ort, wiewohl nicht am Ziel meiner Wünsche, angelangt bin, benutze ich die einzige Gunst die getrennten Freunden gewährt ist, und ergreife die Feder, die vertraute Dolmetscherin der Gedanken, um Ihnen im Geiste zu nahen. Meine Fahrt bis *** glaube ich Ihnen durch den zurückkehrenden Boten gemeldet zu haben. Was ich damals geschrieben, bin ich mir nicht bewußt, denn ich glich mehr einem träumenden als wachenden Menschen, ja ein ruhiger Beobachter würde geglaubt haben, mein Geist sey bereits seinem Vaterlande zugeeilt, und mein Körper bewege sich nur noch mechanisch.

Nachdem das Land meinen Blicken entschwunden war, und meine Augen, von dem langen Hinstarren in die Ferne ermüdet, zu den nähern Umgebungen zurückkehrten, fand ich, daß sich noch sechs Reisegefährten an Bord befanden, u.s.w.

Die Nordsee war erreicht und wir erblickten am 4. Sept. Helgoland, in dessen Angesicht wir den ganzen Tag von den Wellen geschaukelt wurden, ohne merklich weiter zu kommen. Da stellte die Seekrankheit sich ein.

Der Wind begann stark aus Westen zu wehen, welches den Capitain hinderte, den Canal zu passiren und ihn nöthigte, um Schottland herum die Orkney-Inseln vorbey zu segeln. Hier ergriff uns ein heftiger Sturm, der uns Passagiere noch mehr ängstigte, da uns aus Walter Scotts Piraten die lebendige Schilderung dieser gefährlichen Küste vor Augen stand. Immer widriger und mitunter heftiger Wind, der einen ganzen Monat anhielt und von häufigem Regenwetter begleitet war, trieb uns bis zum 60.Grad nördlichster Breite, und strenge Kälte vermehrte das Ungemach der armen Matrosen, die fast nicht das Verdeck verlassen konnten.

Mit Anfang des Octobers wurde das Wetter etwas heiter, und wir konnten von Zeit zu Zeit die freye Luft genießen. Der Anblick des oft sich zu himmelhohen Bergen thürmenden Meeres, die aus weiter Ferne gegen das Schiff anrollend oft in der Nähe desselben in weißem Schaum zerflossen, war meine Unterhaltung, die indeß bald doch mir einförmig erschien. Daß die Trümmer gescheiterter Schiffe und zerbrochene Masten uns auf diesen Wogen begegneten, unterbrach diese Einförmigkeit eben nicht auf eine angenehme Weise, und doch war eine noch unangenehmere Unterbrechung uns vorbehalten.

Schon befanden wir uns in der Nähe America’s und hofften täglich Land zu erblicken, als im Süden schwarze Wolken aufstiegen, deren Dunkel zackige Blitze durchschnitten. Zugleich trieb aus Norden der Sturm dichte Wolken herbey, die sich in prasselndem Regen entluden, und über unserm Haupte schien der Sturm mit dem Gewitter den Kampf zu beginnen. Er siegte und riß es mit sich fort, aber auch unser Schiff flog gewaltsam über die Wogen hin, und kaum war das Commando des Capitains durch den tobenden Sturm zu vernehmen. Der Sturm trieb erst meine Gefährten, dann auch mich in die Cajüte hinab, und als ich am andern Morgen erwachte, hatte bereits die Sonne den letzten Tag unserer Reise am heitern Himmel heraufgeführt. Sie verherrlichte ihn mit ihren Strahlen und scheidend noch ließ sie uns am entfernten Horizont das lange ersehnte Land erblicken. Noch in derselben Nacht näherten wir uns demselben bis zum Leuchtthurm von Long-Island, wo wir einen Lootsen am Bord bekamen, der am Morgen des 21.Oct. uns wohlgeborgen in den Hafen von New-York brachte.

Der unabsehbare Mastenwald, die große Stadt mit ihren schönen geraden und breiten Straßen, die Menge der Kirchen, das rege Leben und Weben, Alles vereinigte sich, um meine Erwartungen zu übertreffen. Schon am zweyten Tage meiner Ankunft fand ich eine Anstellung in der am Lorenzo-Flusse gelegenen Colonie eines Kaufmanns, wohin ich schon am folgenden Tage abging. Nach einer Reise von acht Tagen kam ich an und sah aus dem mildesten Herbst mich in den tiefsten Winter versetzt.

Hier bin ich nun in einem ungeheuren Walde, 400 engl. Meilen nordwärts von New-York entfernt, aller andern menschlichen Gesellschaft entfremdet, unter einigen rohen, ungebildeten Schotten, dem Auswurf Edinburgs. Sie haben erst seit etwa fünf Jahren hier sich niedergelassen, aber auch erst kaum einige Aecker Land in der Nähe ihrer Wohnungen gelichtet. Diese sind Hütten aus auf  einander gelegten Baumstämmen ohne Fenster, nur am einen Ende ist eine Oeffnung im Dache, um den Rauch durchzulassen.

[...]

Die Gegend ist rauh, doch einigermaßen romantisch. Der Winter währt acht Monate, und nur vier Monate lebt die Natur.

Da der Postenlauf noch nicht bis hieher reicht, so ist alle regelmäßige Verbindung abgeschnitten, und ich schreibe diesen Brief nur in der Hoffnung, zur Absendung desselben eine Gelegenheit zu finden

Neu-York, im Monat Febr.1825

In einem neuen Jahre und an einem andern Orte setze ich meinen Brief fort, aber nicht mit neuen Gefühlen und andern Wünschen u.s.w.

Es war mir unmöglich, länger in meiner Einöde zu verweilen. Ich bin hieher zurückgekehrt und fühle mich schon glücklicher, wenn ich nur hinaus gehen kann an das Meer. Ist mir’s dann doch als brächte jede kommende Welle mir einen Gruß vom Vaterlande, wie ich jeder zurückrollenden einen Gruß dahin mitgebe u.s.w.

Die Landwirthschaft steht hier noch auf der niedrigsten Stufe, und es ist daher nur für den rohen Arbeiter etwas zu thun. *) Ich werde also, da ich hier die Bekanntschaft mehrerer Deutschen der gebildeten Classe gemacht habe, vor der Hand hier in New-York bleiben.

Diese sind alle entschlossen, nach Deutschland zurückzukehren, sobald sie nur die nöthigen Mittel dazu sich erworben haben. [...]

Nur der ungebildete Mensch, der nichts verlangt als zu essen und zu trinken, wird hier seine Rechnung finden. Zwar ist hier ein freyes Land, aber leider erstreckt diese Freyheit sich auch auf alle mögliche Laster. Selbst die Religion wird zum Gewerbe erniedrigt; die Kirchen werden vermiethet, und der Gottesdienst wird durch die gräßlichsten Mißbrauche entheiligt. u.s.w.

*) Der Schreiber dieses Briefes hatte sich dem Land- und Gartenbau gewidmet und war in dem Wahn nach America gegangen, daß er seine Kenntnisse dort besser werde geltend machen können, als in Deutschland.


2.

Auszüge aus Briefen aus Baltimore von 10.Oct.1831. und 2.Oct. 1832. *)

[Fußnote] *) Diese Briefe sind auch schon vor einigen Wochen im Hannoverschen Magazin abgedruckt erschienen.

Am 1. Jul. 1831. stachen wir in See. Im Canal wurden wir durch widrige Winde elf Tage umher getrieben. Dann ging es vorwärts. Nicht weit von Baltimore überfiel uns ein furchtbarer Sturm, welcher uns verschlug und das Schiff in große Gefahr brachte. Am 23. Sept. kamen wir zu Baltimore an.

Wir waren abgemagert und in Folge der ausgestandenen Drangsale elend.

Während der Reise wurde den, in den Schiffsräumen einquartierten Passagieren des Morgens kochendes Wasser gereicht; welches zu Brodsuppe, Thee oder Kaffee benutzt werden konnte; des Mittags Graupen oder Reisbrey und Schiffszwieback, der ohne großen Hunger ungenießbar ist. Mit einem Worte, ein Verbrecher, welcher in Deutschland im ärgsten Loche sitzt, hat große Vorzüge vor den in den Schiffsräumen einquartierten Passagieren.

Die Reisekosten mit Einschluß der Beköstigung betrugen für einen Erwachsenen zwölf Pistolen und für ein Kind die Hälfte. Dies mach ein Capitälchen, womit eine Familie, wenn sie fleißig und sparsam ist, in Deutschland sich rechtlich ernähren und einigen Lebensgenuß haben kann; aber in America ist das ganz anders. Zur Anlegung einer Oeconomie wird ein Capital von Tausenden erfordert. Dabey ist der Boden nicht von der Beschaffenheit, wie er in Deutschland geschildert wird. Diese Beschreibungen sind lauter Unwahrheiten.

[...]

Viele der Auswanderer werden ein Opfer des Clima’s; viele gerathen, wenn sie hier nicht das geträumte Paradies, ja nicht einmal das wieder finden, was sie leichtsinnig verlassen haben, in Verzweiflung und machen ihrem Leben gewaltsamer Weise ein Ende; viele gehen betteln. Manche Auswanderer, welche die Mittel zur Rückkehr nach Deutschland nicht haben, sind boshaft genug, lügenhafte Briefe ins verlassenen Vaterland zu schreiben, um Andere zu verlocken und ins Unglück zu stürzen.

[...]

Für Alle, welche Menschen zur Auswanderung reizen, und falsche Nachrichten über America verbreiten, ist der Galgen noch zu gut! u.s.w.

[...] [es folgt ein drittes Beispiel ähnlichen und darum nicht aufgeführten Inhalts mit Fortsetzung in „Oldenburgische Blätter“ No. 15 vom 09.04.1833]

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Dok-Nr. 253: „Oldenburgische Blätter“ No. 28 vom 09.07.1844

Bericht eines aus Amerika zurückgekehrten Auswanderers *).

(Ein amtliches Protocoll, mitgetheilt in dem Amtsblatte der Kön.Preuß. Regierung zu Trier, 1842, No. 50).

Verhandelt zu Birgel am 6. Sept. 1842.

            _______

Es erschien Dato vor mir, dem Bürgermeister zu Bissendorf, der Theodor Meyer, Gutsbesitzer, wohnhaft zu Wiesbaum, und gab über den Erfolg seiner zurückgelegten Reise nach den Nordamerikanischen Vereinigten Staaten Folgendes zu Protocoll.

Als sich vor einem Jahre in hiesiger Gegend die Auswanderungs-Sucht nach Amerika ausgebreitet hatte, entstand auch in mir ein unwiderstehlicher Trieb, dorthin zu reisen; ich war fest entschlossen, vorerst alle meine beweglichen und unbeweglichen Güter zu verkaufen, dann mit meiner Familie abzureisen und mich dort zu etabliren. Nur das flehentliche Bitten meiner Frau und meiner Kinder, Dank sei es dem Himmel, konnte mich bewegen, von dem beschlossenen Verkauf abzustehen und nur vorläufig eine Reise nach den gemeldeten Staaten vorzunehmen, um mich selbst von dem wahren Sachverhältnisse und von dem vielbesprochenen Glück zu überzeugen. Ich reisete daher am 21.April letzthin von Wiesbaum ab, und zwar durch Frankreich, schiffte mich am 29. in Havre de Grace ein, und landete erst, weil wir meistens widrigen Wind und dabei mehrere Stürme auszustehen hatten, nach einer 52tägigen Fahrt an den Küsten von New-York an. Nachdem wir nun die vorgeschriebene Quarantaine im Schiffe ausgehalten hatten, und aus dem Schiffe steigen wollten, wurden wir von mehreren Hundert armen Deutschen so zu sagen überfallen, um uns in ein Wirthshaus zu begleiten. Diese Menschen, die keine Arbeit haben, erhalten von den Wirthen, denen sie die Fremden zuführen, für jeden Gast einen Franken, daher kam es denn auch, daß diese Leute sich um die Angekommenen sogar schlugen, und untereinander handgemein wurden, was sogar unter ihnen zu thätlichen Mißhandlungen Anlaß gab.

Schon der kurze Aufenthalt in New-York belehrte mich völlig darüber, daß die gepriesene Glückselligkeit nicht zu finden sei, denn viele Hunderte von Deutschen, deren ganzes Vermögen an die Ueberfahrtskosten gegangen, gehen dort brodlos herum, und arbeiteten gern, wenn sie nur Arbeit erhalten könnte. Diejenigen, welche Nichts mehr besitzen, sind wirklich die unglücklichsten Menschen, die es geben kann; dort kennt der Mensch kein Mitleid und Erbarmen: nicht ein Stückchen Brod, ja nicht einmal das kleinste Almosen wird dem Hungrigen verabreicht. Dort ist es nicht wie hier zu Lande, wo Armen-Unterstützungs-Vereine bestehen, oder wo es hinlänglich mitleidige Menschen giebt, wodurch die Armen unterstützt werden, daß sie nicht vor Hunger zu sterben brauchen. Diese arbeits- und brodlosen Menschen wünschen allgemein, daß sie wieder in ihrem Geburtslande wären, wo doch die Arbeitsamen Arbeit und die Armen Mitleid finden. Aber keinen Verdienst haben sie; Mittel haben sie auch nicht, die Reise wieder zurück zu machen.

Ich traf dort Leute in Menge an, die hier ihr gehöriges Auskommen gehabt, und dort nun in der größten Armuth sind. So traf ich in New-York einen Mann, den ich nicht nennen will, der im verwichenen Herbste dahin ausgewandert war, und in dem benachbarten Kreise Schleiden eine Beamtenstelle mit Gehalt bekleidet hatte; der war in der That, da er bis dahin bei der Theurung der Lebensmittel mit einer starken Familie sein Vermögen verzehrt hatte, jetzt schon in den dürftigsten Umständen. Dieser konnt mir gar nicht Anderes sagen, als beklagen, daß er sich durch die lügenhaften Briefe, die aus Amerika gekommen, habe verleiten lassen, dorthin auszuwandern. Wie weit aber selbst Leute gegen Anverwandte gehen, und sie unglücklich machen, davon habe ich auch einige Beispiele selbst erfahren. Auf dem Schiffe, mit welchem ich überfuhr, befand sich auch ein junges Mädchen, eine Israelitin, die auf den Grund eines Briefes, den ihre in New-York wohnende Schwester ihr hatte zugehen lassen, und worin diese von ihrem großen Reichthum sprach, sich entschlossen hatte, nach dem Wunsche dieser ihrer angeblich reichen Schwester, ihre Heimath zu verlassen, um dort auch ein glückliches Leben zu haben. Diese Mitreisende wurde, wie gewöhnlich Alle auf der Seefahrt, krank, und da sie nicht ausreichende Mittel hatte, so trug ich kein Bedenken, nach Vorzeigung des gedachten Briefes, ihr Geld vorzustrecken, welches ich gedachte von der reichen Schwester in New-York zurück zu erhalten. Aber, als wir diese in der Stadt aufgesucht hatten, fanden wir eine in Armuth und Elend, in einer erbärmlichen Baracke lebende Person, die nicht so viel hatte, daß sie die Angekommene sättigen, viel weniger mir das Geld zurückzahlen konnte. Eine gleiche Untreue beging ein junger Mensch aus Rheinbayern an seinen Eltern, die nach dem Rathe dieses Taugenichts, der bereits ein Jahr in diesem Lande sich befand, ihre Güter veräußerten, und in diesem Frühjahre dahin zogen. Als sie dort angekommen waren, stahl der treulose Sohn, nicht zufrieden, seine Eltern durch den Rath zum Auswandern unglücklich gemacht zu haben, ihnen ihre ganze Baarschaft, und machte sich davon. Natürlich wird auf diese Art die Zahl der ohnehin vielen Brodlosen vermehrt. Kurz, in der Gegend von New-York war Alles der Art, daß auch nicht für den, der Geld besaß, viel weniger für den, der Nichts hatte, Etwas zu machen war, und deshalb wünschte jeder Deutsche, nur wieder in seiner Heimath zu sein.

Um nun das Land selbst weiter auszukundschaften, fuhr ich mit einem Schiffe nach den Hauptstädten Albany, Utika und mehreren andern, ja ich reisete gegen 500 Stunden in das Innere der Staaten, und sogar bis in die Gegend des Missisippi, um vielleicht dort zu finden, was man vergeblich in den Küsten-Gegenden sucht; allein, war das Elend und die Armuth hier in einem hohem Grade, so überstiegen solche dort im Innern des Landes allen Begriff. Die Städte waren angehäuft mit einer Anzahl Armen, die alle, da sie nirgends Arbeit finden, verhungern müssen, wenn sie ihr Leben nicht durch Stehlen fristen wollen. Diese Armen, die nach und nach ihre Kleidungsstücke verkauft haben, um zu leben, gehen alle umher, wie hier zu Lande die Bettler, alle zerlumpt und zerrissen; der Hungertod spricht aus jedem dieser Menschen-Antlitze. Es war ein herzzerschneidender Anblick, alle diese Unglücklichen mit Thränen in den Augen die Neuangekommenen um Almosen bitten zu sehen, um ihren Heißhunger doch einmal etwas zu stillen.

[…]

Bei all diesem Elend, welches ich überall antraf, konnt ich mich nicht länger mehr in jenem Lande aufhalten, und sehnte mich wieder nach meinem Vaterlande. Ich trat daher wieder die Reise nach New-York an, wo ich meinen Paß von dem dortigen preußischen Consul Herrn Schmidt zur Zurückreise nach den preußischen Staaten visiren ließ. Dieser bemerkte mir, daß er schon früher das Ministerium in Berlin auf das große Elend der preußischen Auswanderer in Amerika aufmerksam gemacht, und zugleich dahin angetragen habe, Maßregeln zu treffen, damit dem Auswandern dorthin Einhalt gethan werde, allein wie es scheine, seien bis dahin noch keine Schritte dazu gethan worden. Derselbe ersuchte mich dringend, weil ich mich nun selbst von dem elenden Zustande dieser Ausgewanderten überzeugt habe, denselben bei meiner Ankunft in das preußische Gebiet bekannt machen zu lassen, damit nicht noch viele Andere in denselben Zustand gerathen möchten, was ich demselben auch heilig zusagte. Da ich nun nach einer 22tägigen Seefahrt in London und bald hernach wieder in meiner Heimath angekommen bin, so will ich um der Menschheit willen nicht ermangeln, die vorbeschriebene getreue Schilderung des Sachverhältnisses abzugeben, mit der Bitte, dieselbe an die betreffende Behörde zur geeigneten Bekanntmachung gelangen zu lassen.

*) Da dem Vernehmen nach auch mehrere aus unserm Lande nach  Amerika Ausgewanderte zurückgekommen sind, so wäre es zu wünschen, daß auch sie zur Warnung und Belehrung unserer auswanderungslustigen Landleute bekannt machten, was sie zu dieser Rückkehr bewogen hat. Dies zu veranlassen, habe ich gebeten, gegenwärtigen Bericht in die Oldenb. Blätter aufzunehmen, der auch in dem Amtsblatte des Fürsthenthums Birkenfeld erschienen ist. Möchte sich Niemand durch falsche Schaam abhalten lassen, seinen Irrthum zu bekennen, wenn er dadurch Nachtheil von seinen Nebenmenschen abwenden kann.

                D. Einsender.

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Dok-Nr. 254: „Oldenburger Zeitung“ No. 53 vom 05.04.1853

Aus dem letzten Berichte des Central-Vereins für die Deutsche Auswanderungs- und Colonisations-Angelegenheit.

Die Auswanderung aus Deutschland scheint auch in diesem Jahre sehr stark werden zu wollen. Daß der Entschluß dazu bei Vielen ein übereilter sei und oft die bitterste Reue zur Folge habe, ist durch tausendfältige Beispiele bestätigt. In der neuesten Zeit aber ist eine Thatsache hervorgetreten, welche diese Wahrheit auf das Schlagendste beweist und zugleich die schon so oft wiederholte Mahnung bekräftigt, daß im allgemeinen die Lage der Deutschen Auswanderer in Nord-Amerika keineswegs eine sehr günstige, oft vielmehr eine recht elende sei. Es mehren sich nämlich gegenwärtig bei der Deutschen Gesellschaft zu Newyork die Gesuche um Geldunterstützungen, damit die Bittsteller wieder nach Deutschland zurückkehren können!! Diese Bittsteller wissen recht gut, welch hartes Loos ihnen, wenn sie ohne alle Mittel in Deutschland wieder ankommen, bevorsteht; aber dennoch ziehen sie auch die elendste Lage im Vaterlande dem ferneren Aufenthalte in Amerika vor! –

[...]

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Dok-Nr. 255: „Oldenburger Zeitung“ No. 7 vom 13.01.1855

Vermischtes.

- Die in Rudolstadt erscheinende Allg. Auswanderungs-Ztg. enthält folgenden Artikel: „Newyork, im Oct. Wir berichteten neulich, daß von hier seit dem August d.J. etwa 3- bis 4000 Einwanderer wieder nach Europa zurückgekehrt seien. Der Grund sind die hohen Preise der Lebensmittel und die hohen Miethen, so wie der Alles niederhaltende Druck der gegenwärtigen Geschäfts-Krisis. Neuerdings liegen über diese Wieder-Auswanderung weitere Angaben vor, und nach ihnen schätzt man die Zahl der seit dem 1.August d.J. in ihre Heimath wieder Zurückgekehrten bereits auf 6000 Personen. Natürlich können nur solche zurückkehren, welche mit mehr oder minder großen Mitteln ihre Auswanderung hieher unternommen, und man mag danach die Bedeutung einer Zahl von 6000 Zurückkehrenden ermessen. Die große Menge solcher dagegen, die mit geringen Mitteln hier angelangt, kann nicht fort und muß, komme was da wolle, hier über sich ergehen lassen.“

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Dok-Nr. 256: „Nachrichten für Stadt und Land“ No. 151 vom 19.12.1874

Rundschau

Der Kutscher eines Gutsbesitzers in der Nähe von Berlin war vor etwa einem Jahre nach Amerika ausgewandert, hat seine Ersparnisse binnen Kurzem eingebüßt, trotz angestrengtester Arbeit zur Bestreitung seiner Lebensbedürfnisse auch den letzten Rest der nothwendigsten Garderobe verkauft und ist als Bettler vor etwa 8 Tagen zurückgekehrt. Ein Segelschiff hat ihn mitgenommen, und durch Dienstleistungen aller Art hat er die Ueberfahrt quitt gemacht. Die Schilderungen dieses Mannes, den sein Herr wieder in Dienst genommen hat, sind herzzerreißend. Referent hat mit dem Gutsbesitzer selbst gesprochen und erfahren, daß von ländlichen Arbeitern aus unseren Provinzen meist die bemittelteren auswandern, weil sie glauben, drüben mit einigen hundert Thalern selbst Gutsbesitzer werden zu können. Es ist zweifellos, daß die Auswanderung nachläßt, indessen ist der volkswirthschaftliche Schaden für gewisse Striche unseres Vaterlandes ein immer noch schwerer. Die Schilderungen des Kutschers, wonach Tausende schon in den Hafenstädten, also an zivilisirten Orten, dem kläglichsten Untergange entgegensehen, haben den Gutsbesitzer auf eine Idee gebracht, die wohl werth ist, allgemein bekannt zu werden. Er meint nämlich, es wäre nicht übel, wenn die Regierung einige Schiffe ausrüstete und alle diejenigen herüberholte, welche gern wieder in das Vaterland zurückkehren wollen und nicht können. Der Gutsbesitzer selbst will einen Aufruf an Landwirthe erlassen, und versuchen, durch Beiträge ein Schiff zu erwerben. – Es steht fest, daß, wenn eine allgemeine Betheiligung an einem solchen Unternehmen eintritt, es ohne große Schwierigkeit auszuführen ist und ebenso zweifellos würden Tausende und Abertausende dem entsetzlichsten Elend entrissen und fähig gemacht werden, dem Vaterlande, jeder in seiner Weise, zu nützen!“

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Forschungsstelle Deutsche Auswanderer in den USA - DAUSA * Prof.(pens.) Dr. Antonius Holtmann Brüderstraße 21 a -26188 Edewecht - Friedrichsfehn *Kontakt: antonius.holtmann@ewetel.net