Antonius Holtmann: | Kein Meisterstück oder: Wie "Liwwät Böke" mit fremden Federn geschmückt wurde .... |
Schon der
Sachverhalt irritiert: Im Archiv der Diözese
von Cincinnati habe ich diesen Brief nicht gefunden.
Schon der
Titel irritiert: „Weismachen“ und
„Wiesmakerie“ meint im Hochdeutschen und im Plattdeutschen
umgangssprachlich
„belügen, etwas vormachen, (Unwahres) einreden“.
Schon die
Sprache irritiert: Welche kluge katholische Frau
schreibt in (unbeholfenem) Plattdeutsch an einen englisch sprechenden
Bischof?
Schon der
Hinweis irritiert: „een bitsken liärnt äs en
jung wicht in de Dom Schole in Osnabrük“ (LK:
„I was a bit educated as a young girl in the cathedral school in
Osnabrück“). -
Es gab keine Dom-Schule in Osnabrück.
Schon der
Inhalt irritiert: Welche katholische Frau
schreibt um die Mitte des 19. Jahrhunderts derart über eheliche
Sexualität in
einem Brief an ihren Bischof?
Der Text
ist ein flammendes Plädoyer für unbekümmerte lustvolle
eheliche Sexualität, ohne den Willen zum Kind (katholischer Sexualmoral
bis ins
20. Jahrhundert hinein zuwider laufend) und eine Aufforderung an die
katholischen Geistlichen: „Laot et
tolaoten dat Se beide tosammen Geschlecht habben
- for
Spaß“ (LK: „let
it be admitted that they both together have sex
- for
fun“).
„Liwwät“
hat diesen Satz unterstrichen: „Wi moet
afgetrekken un weggenemmen kumplettig,
ganslig van dem Wert di Geschlecht bringt un hählt in dat nüen Liaben
into düssen
Welt“.
Luke
Knapke hat
den Text zu übersetzen versucht: “We must not draw off and take away
altogether
from the value of sex which brings and carries new life into this
world”.
Der Versuch
einer interpretierenden Übertragung ins
Hochdeutsche: „Wir müssen komplett und gänzlich der Sexualität diesen alleinigen
Wert nehmen, nämlich dass sie neues Leben in diese Welt bringe und
erhalte“.
Oder anders gesagt: „Sexualität darf nicht nur mit dem Wert verbunden
werden,
neues Leben in diese Welt zu bringen und zu erhalten“.
Eine
weitere Sequenz: „Geschlecht is alltiid in de
rechte Jaohrs tiiden. Geschlecht iß den
Tegen Saake een aöwwersterkene Drifft in beide Mann un Fro. Geschlechte
Henten
(?) ist gemakklig een Nautsaaklikkeit, swaor un effen unmueglik um to
tegenstanden
in een eegenardigen Liäben. Mann un Fro kamet to de Staaede in iähren
Verwantschapp wann Gelost een annerer to anpakken in wilden Henher
springen
duorgaohens iähren Bewussenheid.’ Maaks nihts ut’, wat se doet, iähren
Kleeder
moet se aftrekken! Geschlecht is vliicht den eensigen Wiesen se bi
eenanner
tosammen, of maeglik.“ (LK: „Sex is always in the right
season. Sex
is the sign
of an overpowering drive in both husband and wife. Sexual passion is
beyond
question an urgency, difficult and even impossible to resist in an
individual`s
life. Husband and wife come to this stage in their relationship when
the desire
to touch one another springs up wildly througout their consciousness.
‘It
doesn`t matter’ what they are doing, they must get their clothes off!
Sex is
perhaps the only way they are together with one another.”).
Der Versuch
einer interpretierenden Übertragung ins
Hochdeutsche: „Sex ist allezeit in der richtigen (Jahres) Zeit. Sex ist
im
Gegenteil ein überstarker Trieb in beiden, Mann und Frau. Sexuelle . . .
(?) ist .
. . (?) eine
Notwendigkeit, schwer und eben
unmöglich, ihm zu widerstehen im Leben eines jeden Einzelnen. Mann und
Frau
kommen in das Stadium ihrer Beziehung, da die Lust, einander
anzupacken, im
wilden Hin und Her aufspringt und ihrer Vernunft durchgeht. ‚Es macht
nichts’,
was sie tun, ihre Kleider müssen sie ausziehen. Sex ist vielleicht die
einzige
Weise, beieinander zusammen zu sein, nach Möglichkeit.“
[HOME - German] | [HOME - English] | [Datenschutz] |
Forschungsstelle Deutsche Auswanderer in den USA - DAUSA * Prof.(pens.) Dr. Antonius Holtmann Brüderstraße 21 a -26188 Edewecht - Friedrichsfehn *Kontakt: antonius.holtmann@ewetel.net |