Antonius Holtmann:

Kein Meisterstück oder: Wie "Liwwät Böke" mit fremden Federn geschmückt wurde ....



„A History of Christopher Columbus“

 
Luke Knapke hat diesen Text (102 Seiten) nicht ins Buch aufgenommen, aber dort aufgelistet (195). „Liwwät Böke“ will ihn, im Auftrage der Regierung, 1844 für den Deutschunterricht (!) in Ohios Schulen für $ 188 geschrieben haben (im selben Jahr, in dem sie Bischof Purcell ihre „Wiesmakerie“ habe zukommen lassen): „Diese Lexionen geschrieben um dem Ortsgericht für Schulen, den Staatenhaus, Columbus Ohio zu verbessern, Fehler und Irrtümer Sache des Textkritikens, zum besser werden – und sich besseren Zustände die Hochdeuches Sprechende Katolischeren Kinder und Schulenlehrer(in). Das Papier und Tinte waren versorgen der Staat. Ich war bezahlt für drei verschiedene Abschriften, d.h. Kopie und Abschreibegebühren und Abdruckt. Summa $ 188.00“. Ihre pädagogische Einleitung ist in einem entsprechend falschen, sehr „englischen“ Deutsch geschrieben: „Geschichte der Christof Columbus für Schule Kindern zur anhören erst bei dem Lehrer(in) zu lesen – um dann – wieder über verstellen langsamlich mit die Kinder. 10-zehn Monaten jeden Wochen, für die leste Klasse.“

Und dann, nach dieser Stümperei, der Schulbuch-Text in bestem Deutsch, 102 Seiten lang in „ihrer“ Handschrift: „Daß Christoph Columbus vor 300 Jahren Amerika entdeckt hat, wissen meine jungen Freunde. Trotzdem ist seine kühne That von solcher Bedeutung, daß sie in einem Buche über Amerika nicht übergangen werden darf ...“

„In einem Buch über Amerika ...“, also ein abgeschriebener Auszug aus einem Buch über Amerika, kein Columbus-Text von Liwwät Bökes Schreibtisch für Ohio’s Regierung, um dem Deutschunterrich auf die Sprünge zu helfen. Und das so schlechte und das so gute Deutsch, von ein und derselben Hand gleichzeitig geschrieben, passen einfach nicht zueinander.

Im Text (auf Seite 22 des Manuskripts) werden 30 (portugiesische) Kronen in „468 Mark“ umgerechnet, „damals – 1492 – vielleicht zehnmal soviel werth“. In der nordwestdeutschen Heimat der Liwwät Böke hat man aber in Groschen und Grote, in Taler und Gulden, in Louisdor und Pistolen gerechnet. Ab 1873 galt die Mark als Währung in Deutschland ($ 1,00 = 4,19 Mark z. B. im Jahre 1913).(22)    -   Auf Seite 95 des Manuskripts werden die Maße, Meter („m“), Kilometer („km“) und Quadratkilometer („qkm“) genannt, und das in einem Text für Schulkinder in einem Land, in dem das metrische System bis heute nicht gebräuchlich ist. Dieses metrische System war in Frankreich erst seit 1840 und in Deutschland erst seit 1872 verpflichtend. Vorherrschend waren bis dahin Fuß und Meile.(23)    -   Im Text (auf Seite 98 des Manuskripts) wird „Kuba“ in Bezug auf die Landfläche mit „Preußen“ verglichen. Und mit der Entdeckung Amerikas „vor 300 Jahren“ wird die Entstehung des Textes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts suggeriert.

Es ist nicht vorstellbar, dass sich die doch so kluge „Liwwät“ 1844 in einem Schulbuch für deutschsprachige Kinder in Ohio nicht (auch) auf Ohio bezieht, dass sie nicht (auch) Fuß und Meilen benutzt und dass sie die portugiesischen Kronen nicht (auch) in Dollar umrechnet; stattdessen nur Mark und Meter und Preußen . . .. Und es ist nicht vorstellbar, dass sie in der Lage ist, gelungenes Deutsch mit stümperhaftem Deutsch einzuleiten „zum besser werden – und sich besseren Zustände die Hochdeuches Sprechende Katolischeren Kinder und Schullehrer(in)“.

Diese „Geschichte der Christoph Columbus für Schule Kindern“ ist nicht 1844 von Liwwät Böke geschrieben, sondern nach 1873 aus einem Jugendbuch abgeschrieben worden. Es handelt sich um ein Jugendbuch aus den Jahren um 1900 ((„junge Freunde“, „Buch über Amerika“, auslautendes th z. B. in „werth“, „Mark“, „km“). Der Autor / die Autorin hat sich in Bezug auf Columbus der Übersetzung der deutschsprachigen Columbus-Biographie von Washington Irving bedient, die 1828 in Franfurt/Main erschienen ist.(23a)  Er/Sie hat diese Vorlage ein wenig sprachlich verändert, einige Ergänzungen hinzugetan, einige Kürzungen vorgenommen und auf der Grundlage des deutschsprachigen Originals Passagen zusammengefasst. Dieses Jugendbuch konnte (bisher) nicht ausfindig gemacht werden. Darum kann es auf der Grundlage des handschriftlichen „Liwwät“-Textes nicht als Plagiat verdächtigt werden.

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Ein beispielhafter Text sei hinzugefügt (das deutschsprachige Original von 1828 (S. 200f.) und der hier kursiv geschriebene Text von „Liwwät“ Böke (S. 22):

„mehrere Tage segelten sie fortwährend mit demselben günstigen Winde, bei ruhigem Meer und müdem lieblichen Wetter; die Gewässer waren so still, dass die Seeleute sich damit ergötzten, dass sie um das Schiff herumschwammen: Delphine kamen in großer Menge, und fliegende Fische, die in die Luft sprangen, fielen aufs Verdeck nieder. Die ferneren Anzeigen von Land unterhielten die Aufmerksamkeit der Mannschat und täuschten sie unvermerkt auf ihrer Bahn.

Ein Jahrgeld von 30 Kronen (117 heutige Dollars) war von der spanischen Regierung dem versprochen, welcher zuerst Land sehen würde. Bemüht, die Belohnung zu verdienen, schrieen die Schiffer bei jeder mindesten Veranlassung: Land! Um diesem falschen Lärm ein Ende zu machen, welcher beständigen Verdruß erregte, erklärte Columbus, wenn irgend einer so rufen und dann bis zum dritten Tage kein Land erscheinen würde, so sollte er alle ferneren Ansprüche auf Belohnung einbüßen.“

„Fortwährend segelten sie mit ein und demselben höchst günstigen Winde bei ruhigem Meer und mildem, lieblichen Wetter; die Gewässer waren in einem so sanften und gleichmäßigem Auf- und Abwogen, dass die Seeleute sich ergötzen konnten, indem sie neben den Carawelen einher schwammen, sobald der Wind ein wenig nachließ. Delphine kamen in großer Menge, und fliegende Fische, die von ihren Feinden verfolgt, in die Luft sprangen, stießen gegen die Segel und fielen aufs Verdeck nieder. Die fernen Anzeichen von Land hielten die Aufmerksamkeit rege und täuschten unvermerkt die Mannschaft weiter und weiter gen Westen.

Ein Jahrgeld von 30 Kronen (468 Mark, doch damals vielleicht zehnmal soviel werth) war von der spanischen Regierung dem versprochen, welcher zuerst Land sehen würde. Bemüht, diese Belohnung zu verdienen, schrien die Matrosen bei jedem Schein von Veranlassung: Land! Um diesem falschen Lärm ein Ende zu machen, erklärte Columbus, wenn irgend einer so rufen und dann bis zum dritten Tage kein Land erscheinen würde, so sollte er alle ferneren Ansprüche auf diese Belohnung verlieren.“

Auch die in den Text eingefügte Abbildung wurde abgezeichnet. Seit 1493 und erst recht im 19. Jahrhundert war sie weit verbreitet und häufig in Schul- und Jugendbüchern zu finden. Columbus hatte im März 1493 einen Rechenschaftsbericht an den Schatzmeister des spanischen Königs geschrieben. Im selben Jahr wurde er in Barcelona gedruckt, danach in lateinischer Sprache auch in Rom, Antwerpen, Paris und in Basel. Die Baseler Ausgabe enthält den hier gezeigten Holzschnitt. (24a)

Bei dem gesamten „Liwwät“-Text und bei der Abbildung handelt es sich um Fälschungen und Plagiate.



Zeichnung von "Liwwät"
Columbus: Epistola de insulis nuper inventis.
In: Carolus Verardus: Historia Baetica (1494)
Weiter: „Low German Catholic Catechism“


[22] Noch am 15. Januar 1875 gibt der Bremer Schiffsmakler Lüdering seinen „Herren Agenten“ gegenüber die „Passagepreise“ nur in „Thaler Preuß. Courant“ an und erst am 23. August 1875 in „Thaler Preuß. Courant“ und in „Reichsmark“ (Werbezettel; Forschungsstelle Deutsche Auswanderer in den USA / DAUSA, Universität Oldenburg).

[23] Wolfgand Trapp: Kleines Handbuch der Maße, Zahlen, Gewichte und der Zeitrechnung. Stuttgart: Reclam 1992, 28-36.

[23a] Washington Irving: Die Geschichte des Lebens und der Reisen Christoph’s Columbus. Erstes bis drittes Bändchen. Aus dem Englischen übersetzt. Frankfurt/Main: Sauerländer 1828.  -  Das englischsprachige Original: Washington Irving: A History of Life and Voyages of Christopher Columbus. Vol. I. Paris: Galignani 1828.  -  Beide Bücher können auf den Seiten von Google Books gelesen und heruntergeladen werden.

[24a] Carolus Verardus: Historica Baetica. Basel: Bergmann von Olpe 1494. Angehängt ist das Schreiben des Christophorus Columbus: Epistola de insulis nuper inventis. Der Holzschnitt befindet sich auf S. 15. – Das Original ist auf dieser Webseite zugänglich: http://www.uni-mannheim.de/mateo/desbillons/kolumbus/seite1.html und ergänzend http://www.uni-mannheim.de/mateo/desbillons/kolumbus.html.



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