"Es veranlast mir ietzt einen Brief an euch
zu Schreiben weil
ich es als Pflicht nicht unterlassen kan"
(Brief vom 21. Februar 1840).
Diese "Pflicht" hat uns die Briefe des Bauernsohnes Johann Heinrich zur Oeveste (1801-1878) beschert. Er ist 1834 aus Rieste im Kirchspiel Bramsche, Amt Vörden, Landdrostei Osnabrück, Königreich Hannover, Europa, nach Amerika gegangen, um ... sich zunächst einmal "die Welt weiterzubesehen" (Brief vom 19. Mai 1834, geschrieben unmittelbar nach der Ankunft in Baltimore).In der Familie wurden diese Briefe gehütet, in Rieste (Familie Schütte) und in Fladderlohausen (Familie Greve), aber auch in Columbus/Indiana in der Familie Vorwald, deren Nachkommen einen Teil, der in die USA zurückgefunden hatte, der Bartholomew County Historical Society übereignet hat. Briefe aus Rieste in die USA sind bisher nicht gefunden worden. Und es klafft noch eine Lücke von 9 Jahren (1848-1856).
Der Herausgeber hat die Briefe gründlich annotiert,
aber nicht
interpretiert, wohl wissend, daß schon Anmerkungen die Wahrnehmungen
beeinflussen. Angeboten wird, was notwendig erschien, um bei der
Lektüre
viele der Informationen verfügbar zu haben, die Lesende benötigen,
um Briefen aus vergangener Zeit verständnisvoll gerecht zu werden.
Die Anmerkungen stehen neben den Briefen. So fällt es
leichter,
sich zunächst einmal auf die Briefe zu konzentrieren, und so könnte
es auch leichter fallen, neugierig auf das zu werden, was hinter den
Ziffern
steckt, die den Briefzeilen 288mal aufgesetzt sind. Briefe und
Anmerkungen
sollen einen biographischen Zugriff vor allem auf die amerikanische
Geschichte
ermöglichen, punktuell, aber doch ein Mosaik ergeben, das den Briefen
einen sicheren, belebenden Rahmen verleiht. Auch die Abbildungen sollen
biographisch das Geschriebene veranschaulichen. Nur wenige davon sind
bisher
veröffentlicht worden.
Die Einleitung beschränkt sich auf den Beginn der
Auswanderung
aus dem Osnabrücker Land in die USA in den 30er Jahren des 19.
Jahrhunderts,
möglichst anschaulich. Möglichst persönlich und auf Johann
Heinrich zur Oeveste bezogen werden Akten zur Sprache gebracht.
Was anderswo gut zusammengefaßt oder auch
ausführlich diskutiert
und analysiert ist, wird hier nicht wiederholt oder gar im abgehobenen
Gelehrten-Streit kritisiert. Wolfgang Helbich, Walter Kamphoefner und
Ulrike
Sommer haben "Briefe aus Amerika (1830-1930)" herausgegeben und
vorzüglich
eingeleitet. Sie haben genug gesagt über die Geschichte deutscher
Amerika-Auswanderung und über Wert und Unwert von Briefen als
historische
Quellen. Walter Kamphoefner hatte schon 1982 "eine Sozialgeschichte der
Auswanderung" im 19. Jahrhundert geschrieben: "Westfalen in der Neuen
Welt".
Beide Bücher können einen umfassenden Rahmen abgeben für
Johann Heinrich zur Oeveste und das Osnabrücker Land. Wer die Briefe
gründlich auswerten möchte, findet dazu weitere Literatur (Djupedal;
Grams; Grosse; Mesenhöller; Schwarzmaier; Stilling), und wer sie nutzen
möchte, um Einwanderung nach Deutschland auf dem Hintergrund deutscher
Auswanderung zu bedenken, ebenfalls (Bade 1992; Bade 1994; Cornelißen;
Hoerder). Nicht zuletzt bieten die Briefe sich den um sozialhistorische
Biographieforschung und Alltagsgeschichte bemühten Sozialwissenschaften
an (Gestrich; Kohli; Lüdtke).
Die Anmerkungen zu den Briefen haben in der Universität
Oldenburg
ein strenges Lektorat durchlaufen: sie sind in Lehrveranstaltungen
diskutiert,
vielfach verändert, aber auch in ihrem Umfang bestätigt und zumeist
auch für notwendig befunden worden. So sind sie entstanden als
Informationsangebote,
die über lexikalische Generalisierungen hinausgehen, um Lesende nicht
überheblich auf mühsam oder gar nicht erreichbare Archivbestände
und Literatur zu verweisen - und um ihnen den häufig enttäuschenden
Griff zum Konversations-Lexikon zu ersparen, mit dem sich allenfalls
Konversationen
bestreiten lassen.
Elisabeth Dünisch, Gretchen Felske, Inga Mennen,
Elsbeth und Carl
von Münster, Gisela Petrick, Karsten Röhr, Martina Schmidt und
Ortrun Wiechers haben diese Arbeit getragen. Elke Glos, Wolfgang Grams,
Elsbeth und Carl von Münster und Karsten Röhr haben die Transkription,
die der Herausgeber vorgenommen hat, gründlich durchgesehen und
verbessert.
Rotraud Poehl gilt besonderer Dank. Sie hat das Manuskript
satzfertig
erstellt und dabei abschließend noch korrigierend eingegriffen.
Die Briefe sind nahezu unverändert abgedruckt: nur
Punkte und Absätze
sind zwischen Sinneinheiten eingefügt, um das Lesen zu erleichtern;
lateinisch geschriebene Wörter sind kursiv gesetzt.
Die Briefe in dieser Form zu veröffentlichen, gehört zu den
Aufgaben, die sich die "Forschungsstelle Niedersächsische Auswanderer
in den USA" (NAUSA) der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
gestellt
hat: sozialhistorische Forschung auch Laien anspruchsvoll und
verständlich
mitzuteilen (A. Holtmann 1992).