Preußens erfolgreiche Kriege gegen Dänemark (1864) und
Österreich
(1866) ließen Frankreich in die preußische Politik eingreifen,
ohne daß Napoleon III. militärische Beteiligung noch wirksam
hätte androhen und Kompensationsansprüche durchsetzen können.
Napoleon vermittelte am 13./14. Juli 1866 die von Bismarck diktierten
Friedensbedingungen
für Österreich: (u. a.) Neuordnung Deutschlands ohne österreichische
Beteiligung, Errichtung eines Norddeutschen Bundes unter preußischer
Führung und eines unabhängigen Südbundes. Am 22. Juli stimmte
Napoleon auch der preußischen Annexion von Hannover, Kurhessen, Nassau
und Frankfurt zu. Dafür erklärte Bismarck die vorläufige
Beschränkung preußischer Vorherrschaft auf Norddeutschland,
band aber die süddeutschen Staaten durch geheime Schutz- und
Trutzbündnisse
und neue Zollvereinsverträge an den preußisch beherrschten Norden.
Frankreich hatte Preußens Aufstieg in Deutschland und als
bestimmende
Konkurrenz auf dem europäischen Kontinent nicht verhindern können.
Offensichtliches Ausgreifen über Norddeutschland hinaus drohte zum
Krieg mit Frankreich zu führen.
Die spanische Thronfolge brachte Preußen und Frankreich
wieder
miteinander ins Spiel. Seit September 1868 suchte die provisorische
spanische
Regierung einen Kandidaten für die Nachfolge der Königin Isabella
II., die von Heer und Marine gestürzt worden war. Marschall Prim bot
den spanischen Thron auch dem Erbprinzen Leopold von
Hohenzollern-Sigmaringen
an. In den Geheimverhandlungen unterstellte sich in dieser Frage das
Haus
Sigmaringen dem Befehl des Königs von Preußen, der führenden
Kraft innerhalb des hohenzollernschen Hausverbandes. Preußens
Ministerpräsident,
Otto von Bismarck, sprach sich für die Kandidatur aus, um einen
Verbündeten
in Frankreichs Rücken zu haben, der deutschen Industrie einen
Absatzmarkt
zu sichern, das Haus Hohenzollern zum führenden Herrscherhaus in Europa
zu machen und über dieses Ansehen dessen Akzeptanz als zukünftige
nationale Dynastie in ganz Deutschland zu erhöhen. König Wilhelm
sah zu große Gefahren für die Hohenzollernfamilie und für
Preußen. Der König gab nicht den Befehl, und Prinz Leopold lehnte
die Kandidatur leichten Herzens ab, wenig später auch sein jüngerer
Bruder Friedrich (Mai 1870). Bismarck gelang es aber, das Haus
Sigmaringen
darin zu bestärken, der preußischen Staatsräson zu dienen,
d.h. die Kandi-datur des Prinzen Leopold zu erneuern. König Wilhelm
fügte sich in die mit ihm nicht abgesprochene Politik Bismarcks: "Die
Zukunft allein kann uns belehren, ob wir Gottes Willen getan haben".
Bismarck wollte Frankreich diplomatisch isolieren, Napoleons
Stellung
in Frankreich schwächen und diese Zeit für seine nationale
Einigungspolitik
nutzen, ohne Frankreich einen Vorwand zu geben, deswegen gegen Preußen
diplomatisch und militärisch vorzugehen. Bismarcks Plan, Frankreich
zu überraschen, scheiterte, weil die Kandidatur vorzeitig bekannt
wurde. Seiner Erklärung, Preußen habe mit der Familienangelegenheit
des Hauses Hohenzollern-Sigmaringen nichts zu tun, wurde in Paris kein
Glauben geschenkt, führte aber in Sigmaringen zum Verzicht auf die
spanische Krone. König Wilhelm hatte sich für den Verzicht
ausgesprochen,
die
Entscheidung aber dem Haus Sigmaringen überlassen. Europäische
Fürsten hatten zum Verzicht gedrängt, um Europa den Frieden zu
erhalten.
Die französische Regierung wollte mehr: die Zusage des Königs
von Preußen, "niemals wieder (seine) Zustimmung zu geben, wenn die
Hohenzollern auf ihre Kandidatur zurückkämen". Frankreichs Botschafter
Benedetti hatte so den König auf der Kurpromenade in Bad Ems
angesprochen.
Der "wies ihn zuletzt, etwas ernst, zurück, da man a tout jamais
dergleichen
Engagements nicht nehmen dürfe noch könne. Und er ließ
ihm mitteilen, daß er vom Fürsten (Bismarck) die Bestätigung
der Nachricht erhalten, die Benedetti aus Paris schon gehabt, und dem
Botschafter
nichts weiter zu sagen habe". Der König ließ Bismarck freie
Hand, die "Emser Depesche" (13. Juli 1870) mit diesen Aussagen zu
veröffentlichen.
Der "Fürst" befürchtete Preußens Demütigung, kürzte
den Text und machte aus der Ablehnung eines erneuten Empfangs ein
letztes
Wort des Königs: "Seine Maj. ... hat es ... abgelehnt, den Franz.
Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben durch den Adjutanten
vom
Dienst sagen lassen, daß s. Majestät dem Botschafter nichts
weiter mitzutheilen habe".
Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Preußen den Krieg,
den nun beide Regierungen gewollt haben, erstere, um Preußen zu
schwächen,
und letztere, um Deutschlands Einigung unter preußischer Führung
durchzusetzen, auf beiden Seiten getragen von nationaler Begeisterung
und
vom Glauben an die deutsch-französische Erbfeindschaft (vgl. die Anm.
45 und 146). Am 1. September wurde Napoleon III. gefangengenommen
(Schlacht
bei Sedan), am 4. September war Frankreich Republik, am 18. Januar 1871
König Wilhelm Deutscher Kaiser und damit das Deutsche Reich gegründet.
Am 10. Mai 1871 hatte Frankreich den Krieg verloren, gedemütigt auf
eigenem Boden durch den Verlust von Elsaß und Lothringen, durch die
deutsche Kaiserproklamation im Schloß von Versailles und durch den
Verlust von Vorherrschaft und Gleichgewicht im kontinentalen
Westeuropa:
"Heil euch im Siegerkranz / Streiter des Vaterlands! / Gott war mit
euch.
/ Glorreich in Wacht und Schlacht / Bracht ihr des Erbfeinds Macht, /
Halft
in verjüngter Pracht / Bauen das Reich", dichtete Emanuel Geibel zum
"Einzug der Sieger". (Nachweise: Anm. 213)