An
Col Kessen zur Oeveste in
Rieste Kirspiel Bramsche Amt
Vörden Königreich Hanover
Nuork
en Bremen [11]
  Liebe Eltern und Geschwister
 

Es sind jetzt beinahe schon Sieben Monadt als ich von euch weg reisete. zum Vergrößern anklicken    ich weis gewis daß euch viel daran gelegen ist von meinem jetzigen aufenthalt etwas zu erfahren ich hoffe aber daß ihr mein Schreiben aus Baltimor erhalten habt.     jetzt halte ich es für meine Pflicht so viel mir möglich ist euch von meinen ietzigen Verhältnissen mitzutheilen.     was mir anbetrift so bin ich bis soweit noch immer Gesund und munter und hoffe das ihr mein Schreiben möhget in Völliger Gesundheit erhalten.

Wir reiseten an Diengstagn nach Pfingsten aus Baltimor mit einer Geselschaft von fünfzehn man und hätten unsre Sachen einen fuhrman veranodirt bis Willingen .[12]     auf dieser Reise hat es uns nicht besonders gefallen den es sind fast lauter Berge und zum Vergrößern anklickenstein Klipen und sehen an welchen stellen gefährlich aus.     wir kamen von einem dieser Högsten Berge und sahen daß die Wolken nicht darüber konten.     wir kamen weiter den Berg hinauf und es überfielt uns ein so starker Nebel das wir es nicht anders urtheilen konten als gingen wir durch die Wolken.     auf dieser Weise haben wir fünfzehn Tage zugebracht. so bald wir in Willingen kamen machten wir daß wir unsre Sachen auf einen Dampfbord krigten und fuhren in achtundvierzig Stunde über den Ohio Reber nach Cincinnäti . [13]    hier traffen wir viele Deutsche an von unsern Landes Leuten.     Wir kamen bey Bernardt Biest . [14]    der war recht wohl zufrieden und hätte einen guten Verdienst.     ich hörte aber das er noch nicht nach Haus geschrieben hätte.     er sagte aber das er die erste Zeit einen Brief weg schicken wolte und ich denke gewiß daß ihr schon längst einen Brief von ihm erhalten habt

wir hielten uns drey Tage in Cincinnäti auf und reiseten den Canal hinauf 45 Englische Meilen[15]  und liesen unsre Sachen ohne etwas Kleidunge und einige Hemde bey Wilbrand Struwe[16]  in Cincinäthi.     Wir besuchten Rudolph Höpker und traffen ihn gesund an auf den Platze wo er vorigen Winter hergeschrieben hat.     der hätte uns gerne behalten aber weil es um diese zeit nicht stark mit der Brennerrey getrieben ward so konten wir da nicht bleiben.     doch hätte der Bahs [17] es eingewilligt das sein Bruder in Arbeit gehn konte.     wir hörten aber das wir bey Dehten Arbeit kriegen konten am Canahl.     ich und Ernst Kiesekamp gingen nach Dehten und bedungen uns vier Englische Meile[18]  oben Deten am Canahl in Arbeit das Mohnadt zu zwolf Thaler.     der Thaler gilt hier hundert Cent und nach euren gelde gewis sechs und neunzig grothn .[19]     es gefiel uns aber am Canahle nicht wegen Schlechte Kost und Schläferei.     wir gingen mit drey Tage wieder weg nach Dehten und bedungen uns bey einem Bauren das Mohnadt zu neun Thaler freihe Kost und Wasche.     da gefiel es uns besser.     vierzen Tage nachher kahmen wir bei Rudolph Höpker in Dehten der hätte den auftrag das er einen Knecht miethen solte.     der both mir es an und weil ich es einsahe das wir den künftigen Winter bey den Bauren wohl nicht bleiben konten so ging er mit mir und machte mich bey den Bauren loß.     der Bauer gab mir den andern Morgen was ich verdient hatte und ich machte mich auf und ging zum Stilhaus welches man bey euch eine Brennerey nent in Arbeit.     ich habe die Erste zeit nicht viel im Stilhaus gearbeitet sondern habe daraussen von allerhand Arbeit gethan.     jetzt aber habe ich meine Arbeit im Stilhaus meine Arbeit ist Bier Schöpfen und geht von Mittag Zwölf Uhr bis des Nachts Zwölf Uhr.     den komt ein ander und löhset mich ab.     diese Arbeit gefält mir ziemlich gut.     mein Verdienst ist alle Monadt zehn Thaler oder Dollars und gutte Kost aber die Wäsche muß man selbst stehn.     wir Arbeiten hier jetzt mit zwölf Man.     darunter sind Sieben Deutsche und fünf Amerikaner.     Dieses Stilhaus ist sehr künstlich eingerichtet und liegt unter einen Hügel.     daß Getränk welches hier alle Tage Verfertigt wird ist gewiß über achtzig Dollars an werth.     man nent es Wiski und wird merst aus Wels Korn verfertigt den man bey euch wohl Törkischen Weitzen nent .[20]     der Wiski wird durch einem Feuer abgetrieben und daß Wasser wird damit Kochentheis gemacht

Ferner will ich euch von den Lande Schreiben so weit ich es kenne. zum Vergrößern anklicken    es ist mir aber nicht möglich das ich euch alles Schreiben kan.     es ist hier ein freies Land und diese freiheit gefält mir in einigen theilen gut in andern theilen aber nicht guth.     Dieser Staat wird jetzt erst angebaut und die ältesten Städte in diesen Staate haben erst vor dreitzig bis Vierzig Jahren ihren anfang genommen.     die Einwohner sind merst Amerikaner welche aus Pensolfanien und andere Staaten hier hin gezogen sind.     die Pensolphanier sprechen fast alle ziemlich guth Deutsch . [21]    frühherhin ist dieser Staat noch von Wilden Indiyaner Völkern bewohnt worden .[22]     es sieht hier ganz anders aus wie bey euch in Deutschland.     daß Holz ist hier so in überflus.     man sieht hier die besten Balken über ein ander liegen das sie Verfaulen .[23]     man siehet hier von allerhand främde Holszorten in den Waldungen.     der Boden ist hier durch gehend Schwer und steinigt.     das Welskorn wird hier Häufig gebaut und wächts hier besonders guth.     die andern früchte habe ich hier nicht besser gesehn wie bey euch in Deutsland.     die Viezucht ist hier Sehr ein träglich.     man hat hier besonders gutte Pferde und von allerhand Vieh wie in Deutsland.     die Haupt Sprache ist hier die Englische.     von der Religion kan ich euch nicht viel von Schreiben weil sie sehr verschieden ist.     Viele von den Einwohnern Leben fast ganz ohne Religion und sind weder getauft noch zum Heiligen Abendmahl gelassen.     andere nehmen noch eine Religion an wen sie zu ihren Jahren kommen.     der eine diese der andre jene.     es werden hin und wieder Kirchen und Schulen angelegt aber nur wenig Eltern Schicken die Kinder dahin den es wird hier keiner dazugezwungen.     ein ieder kan hier aber seine Religion halten.     wir gehn wenigstens alle Vierzehn Tage nach Mehemesburg wo Deutsche Lutherische Kirche gehalten wird.     es gibt hier gute Deutsche Prediger aber sie haben wenig Einkünfte.     ein ieder gibt was er will weil es hier ein freies Land ist.     der eine gilt hier so viel wie der andre     es Respektirt hier auch keiner den andren .[24]     hier in dieser gegend ist das Land schon verkauft und merst bewohnt.     die gegenden wo es jetzt verkauft wird Heißen neu Bremen Wabokonette und Stalloton welches den Nahmen hat von den Buchbinder aus Damme .[25]     da wird der Aker verkauft zu ein und ein Viertel Dollar wo lauter Hols aufsteht . [26]    ich habe bis jetzt noch keine lust um mich in einen Busch einzuhacken

anklicken zum Vergrößernich kan Deutsland noch nicht vergessen und will keinen Rekumdihren[27]  mich zu Volgen.     es muß ein ieder selbst wissen.     es ist hier viel mehr Geld zu verdienen aber die ausgaben sind auch viel Schwerer den es ist hier alle Theuer.     doch wer hier gesund ist kan hier mehr überbehalten wie bey euch

ich kan euch für dießmahl nicht besonders mehr Schreiben ich bitte aber um eines baldigen wieder Schreiben den ich gedenke diesen anstehenden Winter vieleicht hier zu bleiben.     Schreibet mir doch von allen wieder, ob mein Bruder Friedrich wieder zu Haus ist[28]  und wie es sonst in meiner wehrsten Familije zusteht.     nun grüsset alle meine Freunde Nachbarn Verwanten und guten bekanten von euren Gehorsamsten Sohn
Johann Heinrich zur Oeveste