...“Der volkswirthschaftliche Ausschuß hat nach meiner Ansicht für diesen Augenblick Recht, daß er vor Allem Nordamerika ins Auge gefaßt hat. Man kann allerdings den Strom der Auswanderung im Ganzen und Großen nicht willkürlich lenken; dazu reicht keines Menschen Witz aus, und die Völkerwanderung geht, so weit die Geschichte reicht, von Osten nach Westen. Nach Sonnenuntergang hat sich seit Jahrtausenden die Menschheit gesehnt, nach den Gärten der Hesperiden, nach den glücklichen Inseln im atlantischen Ocean, nach den Goldgruben Perus nach den mächtigen Urwäldern der Vereinigten Staaten, wo ein Volk von Königen emporwächst. Der Instinkt des deutschen Volkes hat auch hier im Ganzen die rechten Gegenden gefunden, und zwar im Westen Nordamerikas. Diesem gesunden Trieb des deutschen Volkes schließt sich der Gesetzesentwurf des volkswirthschaftlichen Ausschusses an. Es kommt nun darauf an, die deutsche Einwanderung daselbst möglichst zweckmäßig einzurichten, und dazu scheinen mir die Consuln nicht auszureichen. Ein Schwarm nordamerikanischer Landverkäufer hat sich über Deutschland verbreitet, die schlechtesten amerikanischen Ländereien wurden den Deutschen aufgebürdet. Ein redliches Länderverkaufsbüreau in Neu=York mußte vor Kurzem den Umtrieben der gewinnsüchtigen Speculanten erliegen. Viele in der Auswanderungsangelegenheit erfahrene Männer: Bremer Kaufleute, ein nordamerikanischer Generalconsul, in unserer Nähe die Vorsteher des Nationalvereins für Auswanderung, halten es für höchst zweckmäßig, ja nothwendig, eine Untersuchungscommission von Sachverständigen abzusenden, um die geeigneten Ansiedelungsplätze für die jährlich steigende deutsche Einwanderung auszusuchen. Diese Untersuchungscommission hätte die gesundesten Gegenden zu erwerben, welche sich zugleich auch für Gewerbe und Handel am Besten eignen. Der Reichsgewalt würde es nicht schwer fallen, von den Vereinigten Staaten große Länderstrecken unter günstigeren Bedingungen zu erhalten, als es dem Einzelnen möglich ist. So könnte am Besten für unbemittelte Auswanderer gesorgt werden, was doch zunächst unsere Hauptaufgabe ist, und zugleich das deutsche Element zusammengehalten werden. Die Deutschen würden doch nicht für sich abgeschlossen bleiben, der große, lebendige Verkehr würde sie hinlänglich in das amerikanische Leben hineinziehen. Sie könnten Amerikaner werden, ohne deutsche Sprache, Sitte und Literatur, für welche selbst die eingeborenen Amerikaner jetzt Interesse gewinnen, ganz zu vergessen. Einen regen Verkehr mit dem Mutterland hätte das Auswanderungsamt auf jede Weise zu befördern. Am großen Ocean kann ein mächtiges herrliches Neudeutschland erblühen, welches die natürliche Freundschaft der Vereinigten Staaten mit uns noch bedeutend verstärkt.
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Meine Herren, die Franzosen haben für die nächsten vier Jahre 50 Millionen Franken bewilligt, um ihre Armen nach Afrika überzusiedeln. Die kleine Schweiz macht Anstrengungen in gleichem Sinne. Das nach Wiedergeburt ringende Deutschland darf nicht zurückbleiben. Die Reichsgewalt hat hier eine gute Gelegenheit, in das Gesammtleben der Nation einzugreifen. Trifft sie den wahren Willen des Volkes, so kann sie Alles durchsetzen; alle Seiten des Hauses werden sie unterstützen, wenn sie nur thatkräftig handelt. Meine Herren, sorgen Sie dafür, daß die Ehre deutscher Männer und Frauen nicht wie bisher von fremden Matrosen und Agenten mißhandelt wird; das beste Zeichen des wiedergeborenen Deutschlands wird sein, daß wir unseren auswandernden Brüdern Schutz verleihen zu Land und zu Meer. Meine Herren, ich bitte Sie, lassen Sie dieses Zeichen als die schönste Kunde des wiedergebornen Deutschlands zu allen Völkern bringen! (Beifall auf der Linken.)



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Forschungsstelle Deutsche Auswanderer in den USA - DAUSA * Prof.(pens.) Dr. Antonius Holtmann Brüderstraße 21 a -26188 Edewecht - Friedrichsfehn *Kontakt: antonius.holtmann@ewetel.net