Antonius Holtmann

Noch einmal: „Germans to America“ ist wirklich nicht zu trauen ...

Baltimore 1856 – 1860: Fehlanzeige
 

Jakob Damschen hatte sich am 30. März 1857 aus Minden an der Weser gemeldet: er sei mit seiner Frau und den 5 Kindern auf dem Wege nach Bremen und Bremerhaven, und dann gehe es über den Atlantik nach Amerika.

In „Germans to America“ (Glazier/Filby: Germans to America, Vol. 9-13. Wilmington, DE: Scholarly Resources 1989/90) fand ich den Namen nicht auf den Listen, die April und Mai 1857 abdecken. Ob man eine Liste übersehen hatte? Der Mikrofilm der National Archives mit den New Yorker Listen enthielt den Namen auch nicht im entsprechenden Zeitraum. Aber auf der Baltimore-Filmrolle wurde ich fündig. Und ich fand heraus, daß „Germans to America“ diese Passagierliste gar nicht enthält.

„Germans to America“ enthält in den Bänden 9-13 zwischen dem 4. August 1856 und dem 17. Januar 1860 keine der Listen von Schiffen, die in Baltimore angekommen sind. Auf den Rollen 11 und 12 (National Archives Microfilm Publications, M 255: Passenger Lists of Vessels Arriving at Baltimore) sind sie jedoch zu sehen: Listen von 79 Schiffen aus Bremen/Bremerhaven mit rund 10 000 Einwanderern aus Deutschland an Bord, die meisten registriert mit ihren Herkunftsorten.
Die von Glazier/Filby nicht berücksichtigten Listen sind „City Lists“. Ich vermute, daß man für „Germans to America“ nur die in den National Archives aufbewahrten Listen ausgewertet hat, nicht aber auch die schon vor Jahren produzierten Mikrofilm-Bestände der National Archives mit den Listen der Stadt Baltimore. Ira A. Glazier und William P. Filby haben versäumt, ihre Listen mit den auf den Filmen gespeicherten Listen zu vergleichen. So ist ihnen auch die einzige „City List“ entgangen, die sich auf den Filmrollen im Zeitraum vom 1. Januar 1850 bis zum 4. August 1856 befindet: die des Seglers „Minerva“, der am 18. November 1854, von Bremen kommend, in Baltimore eingetroffen ist. Der Korbmacher Christian Müller z.B., 18 Jahre alt, aus Kleinschmalkalden, auf dem Weg nach „Phensilphanien“, verschwindet bei Glazier/Filby in der Versenkung, aber auch das Dienstmädchen Rosalie Schnitzer aus Höhndorf, 24 Jahre alt, das nach „Marieland“ wollte.

Jede Angabe in „Germans to America“ muß anhand der Filmrollen überprüft werden, und wer keine Angaben in „Germans to America“ findet, hat die Chance, doch noch auf den Filmrollen fündig zu werden. Ich habe Jakob Damschen und seine Familie ja auch auf einer Baltimore-Liste gefunden, obgleich Glazier/Filby die 7 Personen in ihren Bänden nicht registriert haben. Ich habe „Germans to America“ eben nicht getraut ...

Glazier/Filby machen es Historikern und Genealogen schwer: der durchaus hilfreiche Namenindex ist zugleich eine arge Belastung, weil alles und jedes anhand der häufig nur mühsam erreichbaren Filmrollen überprüft werden muß. Das gilt vor allem für die Auswanderer, die über Bremen nach Amerika gegangen sind: im Gegensatz zu Hamburg sind in Bremen/Bremerhaven die Registraturen der Hafenbehörden nicht erhalten geblieben.
Im vorliegenden Fall „Baltimore“ bleibt nur die Möglichkeit, die Mikrofilm-Bestände der National Archives durchzusehen:

Noch einmal: Ira A. Glazier und William P. Filby lassen in den Bänden 9-13 von „Germans to America“ ca. 10 000 deutsche Einwanderer verschwinden. Ich schließe nicht aus, daß bei Glazier/Filby auch noch vom 17. Januar 1860 an Baltimore-Listen („City Lists“) fehlen, die auf den Filmrollen der National Archives vorhanden sein können.

Ein skurriler Zufallstreffer sei nicht verschwiegen:
Die meisten Passagiere der Bremer Bark „Johannes Kepler“ (28. Oktober 1865, Bremen – New York, M 237, Roll 258; Glazier/Filby 16, 421f.) verlieren nicht nur ihre Herkunftsorte. Glazier/Filby lassen 219 Menschen dorthin segeln, woher sie gekommen sind: als „destination“ bestimmen sie Preussen und Hannover, Hessen und Baden. Nur 60 Reisenden wird ein „unbekanntes“ Ziel attestiert, und 3 Bürger der USA dürfen in die USA reisen. Routiniert und gedankenlos ist die Rubrik „Country Claiming Allegiance“ als Verzeichnis für „destination“ genommen worden.

Auch Band 59 ist nicht zu trauen.

Band 59 (Glazier/Filby: Germans to America, Volume 59. Wilmington/Delaware: Scholarly Resources 1998) deckt den Zeitraum vom 1. Mai 1890 bis zum 28. November 1890 ab (S. 1-419).

Die Zeit vom 22. August bis zum 28. November (S. 239-419) habe ich anhand der Mikrofilm-Rollen der National Archives, Washington D.C. (National Archives Microfilm Publications) untersucht.

125 Passagierlisten mit Namen deutscher Auswanderer von Schiffen, die in New York angekommen sind (M 237, Roll 554-559), haben Glazier/Filby berücksichtigt, 42 dagegen nicht in ihre Edition aufgenommen. Von diesen 42 Listen gehören 24 zu Schiffen, die deutsche Häfen verlassen haben, 3 davon Stettin. 19 dieser 42 Passagierlisten enthalten die Herkunftsorte der Reisenden („Hailing Place or Place of Starting“).

38 der 125 berücksichtigten Listen geben auch die Herkunftsorte an. Keine dieser Listen ist korrekt wiedergegeben. Zumeist „verlieren“ 20-60% der Reisenden ihre Herkunftsorte.

22 in Baltimore angekommene Schiffe mit deutschen Passagieren sind für den Zeitraum vom 22. August bis zum 28. November 1890 auf der Rolle 48 (M 255) der National Archives mit ihren Listen registriert. Nur 11 davon werden in „Germans to America“ (Band 59) berücksichtigt. 4 dieser „vergessenen“ Schiffe kamen aus Liverpool, 4 aus Bremen und 3 aus Hamburg, letztere mit Passagierlisten, die auch die Herkunftsorte enthalten.

4 Listen mit 36 Passagieren aus Deutschland dokumentiert die Filmrolle 74 der National Archives (M 259) in bezug auf New Orleans für den besagten Zeitraum. „Germans to America“ (Band 59) „unterschlägt“ sie.

Listen von Schiffen aus Liverpool und Glasgow, London und Hull, die in New York oder Baltimore anlegten, haben Glazier/Filby ausgewertet. Die Hafenstadt Boston aber bleibt unbeachtet. 23 aus England kommende Schiffe mit 141 deutschen Passagieren an Bord haben dort zwischen dem 22. August und 28. November 1890 festgemacht. Weder die Schiffe noch die Passagiere tauchen bei Glazier/Filby auf, obgleich nahezu alle Listen auch eine Aufstellung der Reisenden nach ihrer Staatsangehörigkeit enthalten (M 277, Roll 112/113).

(Die entsprechende Filmrolle in bezug auf Philadelphia steht mir nicht zur Verfügung: T 840, Roll 14. Sie reicht vom 6. Juli 1890 – 22. April 1891. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß keine Deutschen während dieses Zeitraums hier an Land gegangen sind.)

136 Listen von Schiffen mit Deutschen an Bord, die New York und Baltimore, New Orleans und Boston zwischen dem 22. August und dem 28. November 1890 erreichten, haben Glazier/Filby ausgewertet. 80 Listen haben sie nicht ausgewertet, d.h. 37% der Listen, die (auch) Deutsche verzeichnen.

Darauf sei noch einmal hingewiesen:
Wer bei Glazier/Filby Listen findet, die Ortskodierungen, aber dazwischen immer wieder „000“ oder „ZZZ“ enthalten („unknown village“), kann davon ausgehen, daß auch für diese Einwanderer auf den Mikrofilm-Listen Ortsangaben vorhanden sind. Ich bin aber auch schon auf 5 Listen gestoßen, die für alle Reisenden einen Herkunftsort enthalten, in „Germans to America“ aber nicht einen einzigen Herkunftsort nachweisen:

( Glazier/Filby: 50, 375-378; 52, 251-252; 59, 390, 396-397, 401-403).

Wer auf den Mikrofilm-Listen von Schiffen, die aus Hamburg kamen, als Herkunft nur „Deutschland“/“Germany“ oder nur einen der deutschen Staaten findet (z.B. „Preußen“/“Prussia“), findet in der Regel den Herkunftsort mit Hilfe der Hamburger Registraturen (1850-1934), die auch auf Mikrofilm verfügbar sind. – Bei der Suche hilft:

The Historic Emigration Office
Elizabeth Sroka
Postfach 1012249
Steinstr. 7
20095 Hamburg

Tel.: +49(0)40-30051282
Fax: +49(0)40-30051220
E-Mail: esrokaheo@aol.com

Internet:   http://www.heo-online.de



Veröffentlicht unter dem Titel: Missing Baltimore Arrivels in Germans to America, in: The Palatine Immigrant 24(1998)1, 21-25


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